Verwaltungsrecht

Anhörungsrüge im Berufungszulassungsverfahren

Aktenzeichen  8 ZB 19.2240

Datum:
14.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30521
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 152a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 6

 

Leitsatz

1. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs wird nicht schon dadurch hinreichend geltend gemacht, dass der Betroffene rügt, das Gericht habe sich seine Auffassung nicht zu Eigen gemacht. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht Sinn der Anhörungsrüge, das Gericht zu einer ergänzenden Erläuterung seiner Entscheidung zu veranlassen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 9 K 17.1139 2019-10-23 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens über die Anhörungsrüge.

Gründe

Die Anhörungsrüge, mit der die Klägerin die Fortführung des Verfahrens über ihren mit Beschluss vom 23. Oktober 2019 (Az. 8 ZB 19.1323) abgelehnten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 6. Mai 2019 begehrt, bleibt ohne Erfolg. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Senat ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 VwGO).
Der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 91 Abs. 1 BV) verpflichtet das Gericht, seine Entscheidung nur auf Tatsachen oder Beweisergebnisse zu stützen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (§ 108 Abs. 2 VwGO), sowie ein rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, soweit es aus verfahrens- oder materiell-rechtlichen Gründen nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (vgl. BayVerfGH, E.v. 25.8.2016 – Vf. 2-VI-15 – juris Rn. 34 f.; BVerfG, B.v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 – NVwZ 2016, 238 = juris Rn. 45). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte aber nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (vgl. BVerwG, B.v. 15.8.2019 – 5 B 11.19 u.a. – juris Rn. 1; B.v. 27.4.2012 – 8 B 7.12 – juris Rn. 2).
Die Anhörungsrüge der Klägerin beschränkt sich im Wesentlichen darauf zu beanstanden, dass der Senat sich die im Verfahren auf Zulassung der Berufung von ihr vorgetragene Auffassung nicht zu Eigen gemacht hat. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs wird damit nicht hinreichend dargelegt und ergibt sich auch sonst nicht.
Das Vorbringen, der Senat habe zu Unrecht angenommen, das Verwaltungsgericht habe die Klage mangels „Ermessensreduzierung auf Null“ abgewiesen, betrifft die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung, die mit der Anhörungsrüge nicht angegriffen werden kann. Bei der Anhörungsrüge handelt es sich um formelles Recht, dass dann greift, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich nicht mit ihm in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat (vgl. BVerwG, B.v. 1.4.2015 – 4 B 10.15 u.a. – juris Rn. 2; B.v. 24.11.2011 – 8 C 13.11 – ZfWG 2012, 36 = juris Rn. 2).
Auch wenn es nicht Sinn der Anhörungsrüge ist, das Gericht zu einer ergänzenden Erläuterung seiner Entscheidung zu veranlassen, weist der Senat darauf hin, dass das Verwaltungsgericht in seinem Obersatz (UA Rn. 35) einen Anspruch der Klägerin auf gewässeraufsichtliches Einschreiten im Wege einer „Ermessensreduzierung auf Null“ mangels einer „hinreichend belegten Eingriffsintensität“ zutreffend verneint hat. Hiervon ist es in seiner sich daran anschließenden Subsumtion (UA Rn. 37, 40) nicht abgewichen. Der bei isolierter Betrachtung zugegeben missverständliche Satz in Rn. 37 („Eine Überschreitung der maßgeblichen Grenzwerte wäre jedoch zwingende Voraussetzung, um überhaupt ein Entschließungsermessen der Beklagten zu eröffnen.“), ist im Gesamtzusammenhang so zu interpretieren, dass damit die Schwelle einer „Ermessensreduzierung auf Null“ beschrieben werden sollte (vgl. Beschluss des Senats vom 23.10.2019 Rn. 14). Aber selbst wenn man der gegenteiligen Auffassung der Klägerin folgte, wäre das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis, also nach dem Sachausspruch der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9), richtig, weil die Voraussetzungen einer „Ermessensreduzierung auf Null“ nicht vorliegen.
Dass der Senat – wie auch das Verwaltungsgericht (UA Rn. 32) – das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG offengelassen hat (BA Rn. 9), trägt ebenfalls keinen Gehörsverstoß. Der Anspruch auf rechtliches Gehör erstreckt sich nur auf ein rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen, soweit es aus verfahrens- oder materiell-rechtlichen Gründen nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (vgl. oben Rn. 2). Da sich ein Anspruch der Klägerin nur unter den Voraussetzungen einer „Ermessensreduzierung auf Null“ ergeben könnte, die nicht vorliegen, war diese Rechtsfrage aus materiellrechtlichen Gründen nicht entscheidungserheblich.
Der Senat hat sich auch mit dem Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht hätte zumindest ein Bescheidungsurteil erlassen müssen (vgl. Schriftsatz vom 23.7.2019 S. 19), im Beschluss vom 23. Oktober 2019 auseinandergesetzt (vgl. dort Rn. 20). Die inhaltliche Richtigkeit der Beschlussbegründung kann mit der Anhörungsrüge nicht angegriffen werden (vgl. oben Rn. 4). Abgesehen davon kann die Klägerin mit ihrer Untätigkeitsklage kein „reines Bescheidungsurteil“ beanspruchen, weil die gerichtliche Prüfung ergab, dass sie durch die Unterlassung des von ihr begehrten Verwaltungsakts nicht im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO in ihren Rechten verletzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 7.1.1986 – 2 B 94.85 – Buchholz 310 § 75 VwGO Nr. 11 = juris Rn. 8; U.v. 11.7.2018 – 1 C 18.17 – BVerwGE 162, 331 = juris Rn. 28).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).


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