Verwaltungsrecht

Anspruch eines Asylbewerbers auf landesinterne Umverteilung bei Ausübung der Personensorge

Aktenzeichen  M 24 E 20.2425

Datum:
10.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30705
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60a Abs. 2, § 61 Abs. 1d
DVAsyl § 7, § 9
VwGO § 123
AsylblG § 1 Abs. 1
AufnG Art. 4
GG Art. 6

 

Leitsatz

Da auch bei einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht bestehen bleibt (§ 60a Abs. 3 AufenthG), unterliegt der Ausländer der gesetzlichen Wohnsitzauflage des § 61 Abs. 1d AufenthG, solange der Lebensunterhalt nicht gesichert ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen einen Zuweisungsbescheid des Antragsgegners und begehrt seine Umverteilung nach …
Der 1992 geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger und reiste am 23. November 1998 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nachdem zwei in den Jahren 1998 und 2000 gestellte Asylanträge erfolglos geblieben waren, stellte er am 8. März 2016 erneut einen Asylantrag (Folgeantrag). Mit Gerichtsbescheid vom 24. Juni 2020 verpflichtete das Verwaltungsgericht S. … das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, für den Antragsteller ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Dieser Verpflichtung kam das Bundesamt mit Bescheid vom 29. Juli 2020 nach.
Der Antragsteller ist Vater einer am … geborenen Tochter, für die er ausweislich der vorgelegten Geburtsurkunde die Vaterschaft anerkannt hat. Eine Sorgerechtserklärung wurde nicht vorgelegt. Die Tochter lebt bei der Mutter in …
Mit Verfügung vom 14. Februar 2014 wurde der Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von acht Jahren angeordnet. Die Ausweisung ist ausweislich des in der Behördenakte befindlichen Auszugs aus dem Ausländerzentralregister bestandskräftig.
Nach einem anfänglichen Aufenthalt in Baden-Württemberg wurde der Antragsteller auf seinen Antrag hin mit Bescheid vom 23. April 2019 dem Landkreis … zugewiesen und ihm aus familiären Gründen die private Wohnsitznahme in einer Wohnung in …, Landkreis …, genehmigt. Dort wohnte er bis zum … August 2019 und war eine Zeit danach untergetaucht (Auszug aus dem iMVS vom 17.6.2020, Bl. 17 f. BA). Im Zeitraum von 31. Oktober 2019 bis 26. Mai 2020 war der Antragsteller zeitweise untergetaucht und wurde im Übrigen im Ankunftszentrum der Regierung von Oberbayern sowie in deren Kurzaufnahmeeinrichtung untergebracht.
Am 9. Januar 2020 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner mündlich die Umverteilung in den Landkreis …, um dort beim Bruder zu wohnen und seine Tochter regelmäßig zu besuchen (Bl. 18 f BA).
Mit Bescheid vom 20. Mai 2020 wies die Regierung von Oberbayern den Antragsteller ab dem 26. Mai 2020 dem Landkreis … und dort der Gemeinschaftsunterkunft … zu (Nr. 1 und 2), verpflichtete ihn zum Einzug zu diesem Termin (Nr. 3) und drohte die Vollstreckung durch unmittelbaren Zwang an, falls der Kläger der Aufforderung nach Nr. 3 nicht rechtzeitig nachkomme (Nr. 4).
Ausweislich einer Bestätigung der Wohnungsgeberin zog der Antragsteller am 27. Mai 2020 in eine Wohnung in …
Gegen den Zuweisungsbescheid ließ der Antragsteller am 4. Juni 2020 Klage erheben, mit der er die Aufhebung des Bescheids sowie seine Zuweisung nach … (richtig wohl …*) erstrebt. Zudem begehrt der Antragsteller im gegenständlichen Verfahren die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Antrag,
den Antragsgegner im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu verpflichten, den Antragsteller nach … zuzuweisen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller erstrebe die Nähe zu seiner in … wohnenden Tochter. Entsprechend einer vor dem Landratsamt … am 27. April 2020 geschlossenen Vereinbarung mit der Mutter seiner Tochter übe der Antragsteller ab dem 8. Mai 2020 Umgang mit seiner Tochter 14-tägig am Wochenende von Freitag bis Sonntag aus. Er hole das Kind, solange es noch keine Krippe besuche, am Freitag um 10.00 Uhr bei der Kindesmutter ab und bringe es am Sonntag um 16.00 Uhr wieder zurück. Darüber hinaus übe der Antragsteller jeden Mittwoch zwischen 15:00 Uhr und 18:00 Uhr Umgang mit der Tochter aus. Die vom Antragsgegner vorgenommene Zuweisung nach … widerspreche dem hier analog anzuwendenden § 51 Abs. 1 AsylG. Dem Schutz von Art. 6 GG, 7 GRCh und 8 EMRK trage diese Zuweisung nicht Rechnung. Die Zuweisung in erster Linie nach … erstrebe der Antragsteller, weil dieser Ort in unmittelbarer Nähe zu seiner Tochter liege und er dort von seinem Bruder aufgenommen würde. Der Vermieter des Bruders habe sein Einverständnis erklärt. Die asylverfahrensrechtliche Zuweisung sei im Übrigen erloschen, da der Antragsteller nunmehr einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis, zumindest aber auf eine Duldung habe. Er sei nicht mehr vollziehbar ausreisepflichtig, was Voraussetzung für die Erteilung einer Wohnsitzauflage gemäß § 61 Abs. 1d Satz 1 AufenthG wäre.
Die Regierung von Oberbayern beantragt für den Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei bereits unzulässig, da der Antragsteller keinen Antrag auf Umverteilung beim Antragsgegner gestellt habe. Im Übrigen sei der Zuweisungsbescheid rechtmäßig und der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Zuweisung in den Landkreis … Laut mündlichem Umverteilungsantrag vom 9. Januar 2020 und der Klagebegründung vom 3. Juni 2020 wolle der Antragsteller lediglich bei seinem Bruder in … wohnen und nicht in den Landkreis … umsiedeln. Dies stelle zwar eine gewisse größere Nähe zur Tochter dar, sei jedoch angesichts der geringen Entfernungsunterschiede hierfür letztlich nicht erheblich. Der Weg der privaten Wohnsitznahme, wie sie der Antragsteller bereits vor der Entscheidung des VG … umgesetzt habe, sei aus Sicht des Antragsgegners überdies auch im öffentlichen Interesse einer gleichmäßigen landesweiten Verteilung sowie einer optimalen Kapazitätsauslastung bei gleichzeitiger Sparsamkeit der Verwendung der Haushaltsmittel der Unterbringungsverwaltung vorrangig zu wählen.
Die Verwaltungsstreitsache wurde durch Beschluss der Kammer zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten – auch im Klageverfahren M 24 K 20.2424 – und die Behördenakte der Regierung von Oberbayern Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO bleibt ohne Erfolg.
1. Da über den Asylantrag des Klägers zum für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung und Antragstellung am 4. Juni 2020 noch nicht bestandskräftig entschieden worden war, handelt es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz (vgl. BayVGH, B.v.19.10.2016 – 21 CS 16.30179 – juris Rn. 8ff. und BayVGH, B.v.17.10.2016 – 21 CS 16.30053 – juris Rn. 10ff.). Gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG ist daher der Einzelrichter zur Entscheidung über den Antrag berufen.
2. Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist bereits unzulässig, weil der Antragsteller keine Tatsachen angegeben hat, aus denen sich die Dringlichkeit der Sache („um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen“, § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) ergibt, also keinen Anordnungsgrund bezeichnet, geschweige denn glaubhaft gemacht hat. Die Benennung dieser Tatsachen gehört bereits zur Zulässigkeit des Antrags (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 1 ZPO, Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 44, Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage, 2005, § 123 Rn. 20). Unabhängig davon sind für das Gericht aus den vorliegenden Unterlagen auch keine Umstände ersichtlich, aus denen sich eine derartige Dringlichkeit ergeben könnte. Dass der Antragsteller mit dem begehrten Umzug nach … näher bei seiner Tochter wohnen möchte, lässt ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht unzumutbar erscheinen (vgl. VG München, B.v. 26.10.2016 – M 4 E 16.4408 – juris Rn. 15; B.v. 25.1.2016 – M 10 E 15.5827 – juris Rn. 23 und zu § 10 und § 11 BeschVerfV a.F. BayVGH, B.v. 10.3.2006 – 24 CE 05.2685 – juris Rn. 19 ff.). Besondere, individuelle Gründe, aus denen es dem Antragsteller und der Tochter unzumutbar sein könnte, vorübergehend bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache alle zwei Wochen freitags und sonntags eine Wegstrecke von ca. 95 km bzw. eineinhalb Stunden mit dem Auto bzw. knapp drei Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen und das mittwöchliche Umgangsrecht am Wohnort der Mutter in … wahrzunehmen, wurden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch der vom Antragsteller begehrte Wohnort … eine Entfernung von 51 km bzw. knapp einer Stunde mit dem Auto bzw. zwei Stunden 15 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufweist. Auch wurde nicht substantiiert vorgetragen, dass dem Antragsteller in der GU … auch bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache kein Zimmer zur Einzelbenutzung zur Verfügung gestellt werden kann, in dem die Tochter alle zwei Wochen über das Wochenende gemeinsam mit dem Antragsteller übernachten kann.
Der Antrag nach § 123 VwGO ist hiervon abgesehen auch unbegründet, da ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht wurde.
Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch auf Zuweisung nach … ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Zwar wurde dem Antragsteller im Asylverfahren ein zielstaatsbezogenes, nationales Abschiebungsverbot zuerkannt; allerdings kann ihm wegen der mit der im Jahr 2014 verfügten bestandskräftigen Ausweisung und des achtjährigen Einreise- und Aufenthaltsverbots verbundenen Titelerteilungssperre (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) derzeit keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Er hat daher lediglich Anspruch auf eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG. Als Inhaber einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG ist der Antragsteller leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und unterliegt dem Unterbringungsverfahren und der Umverteilung (Zuweisung) nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 7, § 9 DVAsyl in Verbindung mit dem Aufnahmegesetz (AufnG). Die Sachleistung „Unterbringung“ an Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG erfolgt auf der Grundlage der Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl) und des Aufnahmegesetzes (Art. 1, 4 AufnG).
Rechtsgrundlage für die von Antragsteller begehrte Umverteilung von … im Landkreis … in eine Privatwohnung in … ist § 9 DVAsyl in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 bis 5 AufnG. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl kann auf Antrag einer nach § 1 AsylbLG leistungsberechtigten Person eine Umverteilung in einen anderen Landkreis oder eine andere kreisfreie Gemeinde im selben oder in einem anderen Regierungsbezirk aus den in § 9 Abs. 6 DVAsyl genannten Gründen erfolgen (landesinterne Umverteilung). Zuständig für die landesinterne Umverteilung ist die Regierung, für deren Bezirk die Verteilung beantragt ist oder in deren Bezirk die Verteilung erfolgen soll (§ 9 Abs. 2 Satz 2 DVAsyl). Die Entscheidung erfolgt im Einvernehmen mit der vor der Umverteilung zuständigen Ausländerbehörde. § 9 Abs. 6 DVAsyl nennt als Gründe für eine landesinterne Umverteilung die Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie von Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern oder sonstige humanitäre Gründe von gleichem Gewicht.
Nach Art. 4 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 AufnG kann auch einem Ausländer, der – wie der Antragsteller – wegen einer im Bundesgebiet vorsätzlich begangenen Straftat durch ein deutsches Strafgericht rechtskräftig verurteilt wurde, nach Abschluss des behördlichen Erstverfahrens vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Einzelfall der Auszug aus einer Gemeinschaftsunterkunft gestattet werden, wenn er die Personensorge für ein minderjähriges Kind ausübt und wenn er eine anderweitige Unterkunft nachweist, deren Aufwendungen den angemessenen Umfang nicht übersteigen. Nach Art. 4 Abs. 5 AufnG kann die zuständige Behörde auch in sonstigen begründeten Ausnahmefällen den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft gestatten, wobei nach Art. 4 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 AufnG ein begründeter Ausnahmefall unter anderem insbesondere vorliegt, wenn Ehepartner oder Eltern und ihre minderjährigen Kinder über unterschiedliche ausländerrechtliche Status verfügen und mindestens eine Person auf Grund ihres Aufenthaltsstatus zum Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft berechtigt ist.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 6 DVAsyl liegen im Fall des Antragstellers vor, da seine Beziehung zu seiner kleinen Tochter angesichts der Vaterschaftsanerkennung und des in der vor dem Jugendamt geschlossenen Besuchsvereinbarung dokumentierten, tatsächlich praktizierten Umgangsrechts einen humanitären Grund von vergleichbarem Gewicht i.S.v. § 9 Abs. 6 Alternative 2 DVAsyl darstellt, dem bei der Entscheidung Rechnung zu tragen ist (vgl. hierzu VG München, U.v. 17.2.2020 – M 24 K 19.1933-, Rn 36; VG Köln, B.v. 15.8.2019 – 15 L 732/19.A – juris; VG Frankfurt (Oder), B.v. 4.3.2004 – 5 L 106/04.A – juris). Der Wunsch des Antragstellers, bei seinem Bruder zu wohnen, stellt hingegen nach Aktenlage keinen humanitären Grund von vergleichbarem Gewicht dar, da beide volljährig sind und nichts dafür vorgetragen ist, dass der eine auf die Hilfe des anderen angewiesen ist.
Demnach liegt die Entscheidung über die Zuweisung des Antragstellers in eine Privatwohnung in … im Ermessen der Regierung. Gründe, die im vorliegenden Fall zu einer Ermessensreduzierung auf null führen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass die Zuweisung des Antragstellers nach … vor dem Hintergrund des Art. 6 GG, dem vorliegend ermessensleitenden Gesichtspunkt des Kindeswohls sowie dem öffentlichen Belang der sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln die einzig in Betracht kommende ermessensgerechte Entscheidung wäre, ist nicht ersichtlich, zumal der Antragsteller nicht angegeben hat, ob und wenn ja in welcher Höhe Mietkosten bei einem Einzug in die begehrte Wohnung in … entstehen und auch eine Umverteilung in eine Gemeinschaftsunterkunft in noch größerer Nähe zum Wohnort der Tochter in Betracht kommt. Eine Situation, in der nur eine einzige Entscheidung noch rechtmäßig getroffen werden könnte und daher ein Rechtsanspruch auf die beantragte Umverteilung bestünde, ist danach vorliegend auch unter Berücksichtigung der gewichtigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 GG nicht gegeben. Ein Anordnungsanspruch auf Zuweisung nach … besteht daher nicht.
3. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war nach alledem abzulehnen. Ohne dass es für die vorliegende Entscheidung demnach hierauf ankommt, weist das Gericht zur Vermeidung weiterer gerichtlicher Auseinandersetzungen darauf hin, dass sich die Aufrechterhaltung der Zuweisungsentscheidung in den Landkreis … derzeit als ermessensfehlerhaft erweisen dürfte, soweit der Antragsteller beim Antragsgegner einen ordnungsgemäßen und prüffähigen Antrag auf Umverteilung in eine Unterkunft in der Nähe des Wohnorts der Tochter, ggf. in Verbindung mit der Gestattung der Wohnsitznahme außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft, sowie auf Änderung der Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG stellt.
Die Zuweisungsentscheidung in den Landkreis … dürfte mit der bestandskräftigen Entscheidung des Bundesamts über den Asylantrag und den hierdurch entstandenen Duldungsanspruch nicht gegenstandslos geworden sein, weil die Erteilung der Duldung durch die zuständige Ausländerbehörde allein Folge des Ausgangs des Asylverfahrens ist und eine Aufenthaltsentscheidung aus asylverfahrensunabhängigen Gründen mithin gerade nicht vorliegt (Schleswig-Holsteinisches VG, B.v. 28.7.2020 – 11 B 36/20-, juris Rn. 27). Da auch bei einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht bestehen bleibt (§ 60a Abs. 3 AufenthG), unterliegt der Antragsteller der gesetzlichen Wohnsitzauflage des § 61 Abs. 1d AufenthG, solange der Lebensunterhalt nicht gesichert ist.
Solange und soweit der Antragsteller das Recht zum unbegleiteten Umgang mit der Tochter tatsächlich ausübt, trägt die Zuweisung nach … den Belangen des Kindes, dem im Hinblick auf die fehlende Lebensgemeinschaft der Eltern ein Wohnsitzwechsel nicht möglich bzw. zumutbar ist, sowie den Grundrechten aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht hinreichend Rechnung, zumal der Antragsgegner nicht dargelegt hat, dass eine Zuweisung des Antragstellers in eine Unterkunft in größerer Nähe zum Wohnort des Kindes aus Kapazitätsgründen nicht möglich ist. Zu berücksichtigen sind bei der Ermessensausübung auch der teilweise positive Ausgang des Asylverfahrens sowie der Umstand, dass der Antragsteller zur Ausübung des Umgangs mit der Tochter am Wochenende eine kindgerechte Übernachtungsmöglichkeit bereitzustellen hat. Hinsichtlich einer Zuweisung in die begehrte Wohnung in … wird vor allem entscheidend sein, ob und in welcher Höhe Mietkosten hierfür anfallen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG), so dass eine Streitwertfestsetzung nicht erfolgt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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