Verwaltungsrecht

Aserbaidschanischer Asylkläger, Mutter armenischer Volkszugehörigkeit,, Widerruf der Flüchtlingsanerkennung wegen Jugendstrafe,, Gleichsetzen von, Prüfungsumfang des Gerichts bei Widerrufsbescheiden,, Widerrufsentscheidung des Bundesamtes im Ermessen nach bereits sachlich geprüftem und verneintem Widerruf und förmlicher Mitteilung an die Ausländerbehörde (Negativmitteilung),, Ersetzen des dem Bundesamt eingeräumten Ermessens seitens des Gerichts unzulässig.

Aktenzeichen  AN 16 K 19.30216

Datum:
5.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10772
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 73 Abs. 1, 2a, 3
AuslG a.F. § 51 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 1, 8
VwGO § 114

 

Leitsatz

Tenor

1. Ziffer 1 und 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. Januar 2019 werden aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte trägt 2/3, der Kläger 1/3 der Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf Grund eines entsprechenden Hinweises in der ordnungsgemäßen Ladung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist hinsichtlich der angegriffenen Ziffern 1 und 2 des Bescheides der Beklagten vom 31. Januar 2019 erfolgreich, da der Bescheid insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die in Ziffer 3 getroffene Feststellung, dass subsidiärer Schutz nicht gewährt wird, ist dagegen rechtmäßig und die Klage insoweit abzuweisen.
1. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG aF vorliegen (Ziffer 1 des Bescheides), sind nicht gegeben. Gleiches gilt für die Feststellung, dass die Flüchtlingseigenschaft beim Kläger nicht vorliegt (Ziffer 2 des Bescheides).
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylG liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft insbesondere dann nicht mehr vor, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder wenn er als Staatenloser in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. § 73 Abs. 1 AsylG regelt über den Wortlaut der Norm hinaus auch den Widerruf der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG aF (vgl. Beck-OK, AuslR, Stand 1.1.2022, § 73 AsylG Rn. 1). Entscheidungserheblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist gemäß § 77 Abs. 1 AsylG der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung.
Das Bundesverwaltungsgericht bestimmt in ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 17.12 – BVerwGE 146, 31-40; BVerwG, U.v. 29.6.2015 – 1 C 2.15, juris) den Prüfungsumfang im Anfechtungsprozess gegen den Widerrufsbescheid umfassend. Danach muss das Verwaltungsgericht zum einen auch solche Anfechtungsgründe berücksichtigen, die der Kläger nicht geltend gemacht hat. Zum anderen hat es die Rechtmäßigkeit eines nicht im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsaktes auch unter Gesichtspunkten zu prüfen, die von der Behörde im Bescheid oder im Gerichtsverfahren nicht angeführt worden sind. Das Bundesverwaltungsgericht begründet dies damit, dass die Aufhebung eines solchen Verwaltungsaktes nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO u.a. seine objektive Rechtswidrigkeit voraussetze. Daran fehle es auch dann, wenn der Bescheid unter einem im Bescheid oder im Verfahren nicht angesprochenen Grund rechtmäßig sei. Die Klage sei nicht schon dann begründet, wenn der im Widerrufsbescheid allein angeführte Widerrufsgrund des § 60 Abs. 8 AufenthG nicht vorliege, sondern nur dann, wenn der Bescheid auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar sei und er den Adressaten in seinen Rechten verletze, insbesondere also, wenn auch andere in Betracht kommende Widerrufsgründe ausscheiden. Nur diese Sichtweise werde im Übrigen der im Asylverfahren geltenden Konzentrations- und Beschleunigungsmaxime gerecht, nach der alle in einem Asylprozess typischerweise relevanten Fragen in einem Prozess abschließend geklärt werden sollen (vgl. a.a.O. Rn. 9 bzw. Rn. 14).
a) Die Beklagte hat die Widerrufsentscheidung in Ziffer 1 und die im Kern inhaltsgleiche Feststellung in Ziffer 2, dass die Flüchtlingseigenschaft beim Kläger nicht vorliegt, zu Unrecht darauf gestützt, dass die Voraussetzungen für § 51 Abs. 1 AuslG aF (Vorgängernorm des § 60 Abs. 1 AufenthG) wegen des Vorliegens von § 60 Abs. 8 Satz 1 2. Alt. AufenthG nicht mehr gegeben sind. Gemäß § 60 Abs. 8 Satz 1 2. Alt. AufenthG findet § 60 Abs. 1 AufenthG keine Anwendung, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist.
Hieran fehlt es vorliegend, da der Kläger nicht zu einer Freiheitsstrafe, sondern lediglich zu einer Jugendstrafe (von acht Jahren) verurteilt worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung kann Freiheitsstrafe nicht wie seitens der Beklagten angenommen mit Jugendstrafe gleichgesetzt werden (vgl. VG Freiburg, B.v. 23.8.2017 – A 7 K 4122/17, VG Magdeburg, B.v. 14.6.2019 – 7 B 226/19, BVerwG, U.v. 16.11.2000 – 9 C 4/00 zur insoweit inhaltsgleichen Regelung des § 51 Abs. 3 2. Alt. AuslG 1990, zitiert jeweils nach juris). Nach Wortlaut, Gesetzessystematik und Gesetzgebungshistorie erfasst die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren im Sinne des § 60 Abs. 8 Satz 1 2. Alt. AufenthG nur Bestrafungen nach Erwachsenenstrafrecht, nicht hingegen Verurteilungen zu einer Jugendstrafe. Dass beide Strafarten gerade nicht gleichzusetzen sind, wird auch dadurch deutlich, dass der Gesetzgeber in der mit Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl. I, S. 394) erstmals angefügten Regelung des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG neben die dort genannte rechtskräftige Verurteilung eines Ausländers zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ausdrücklich die Verurteilung zu einer entsprechenden Jugendstrafe stellt.
b) Das Gericht kann die Entscheidung der Beklagten vom 31. Januar 2019 in den Ziffern 1 und 2 auch nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten.
aa) Der Ausschlusstatbestand des § 60 Abs. 8 Satz 1 1. Alt. AufenthG ist nicht erfüllt. Nach dieser Norm findet § 60 Abs. 1 AufenthG keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Da unter „Sicherheit“ nicht der weitere Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts zu verstehen ist, sondere die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, die bzgl. der inneren Dimension den Bestand und die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen umfasst, und als schwerwiegende Gründe insbesondere Spionage, Sabotage, umstürzlerische Bestrebungen und politischer Terrorismus angesehen werden (vgl. Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, 5. Update Dezember 2021, § 60 AufenthG Rn. 140, 141), sind diese Voraussetzungen beim Kläger mit der Verurteilung wegen versuchten Mordes nicht gegeben.
bb) Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 2 AsylG liegen nicht vor. Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG ist ein Ausländer nicht Flüchtling nach Abs. 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er (Nr. 1) ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, (Nr. 2) vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder (Nr. 3) den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat. Die Verurteilung des Klägers wegen versuchten Mordes erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
cc) Die Widerrufsentscheidung der Beklagten kann auch nicht auf § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG gestützt werden. Zwar erfüllt die Straftat des Klägers aller Voraussicht nach den Tatbestand des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG, weil er wegen einer vorsätzlichen Straftat gegen das Leben bzw. die körperliche Unversehrtheit rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist und die Straftat mit Gewalt bzw. unter Anwendung von Drohungen mit Gefahr für Leib oder Leben begangen worden sein dürfte, sodass er wohl eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Allerdings ist die Anwendung des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG ausdrücklich in das Ermessen der Beklagten (von der Anwendung des Abs. 1 „kann“ abgesehen werden) gestellt. Diese Ermessensentscheidung kann das Gericht nicht ersetzend für das Bundesamt vornehmen. Nach dem Gewaltenteilungsgrundsatz als Teil des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) ist es Sache der Behörde, ein ihr eingeräumtes Ermessen zu betätigen. Die Gerichte sind insoweit nicht ermächtigt, ihre Zweckmäßigkeitserwägungen an die Stelle derjenigen der Behörde zu setzen (vgl. BayVGH, U.v. 6.3.2008 – 11 B 04.2449 -, juris Rn. 49 m.w.N.). Gemäß § 114 VwGO kann das Gericht die Ermessensentscheidungen von Behörden kontrollieren, jedoch niemals eigenes Ermessen ausüben (vgl. Beck-OK, § 114 VwGO Rn. 26). Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt dies ausdrücklich auch für Entscheidungen zu § 73 AsylG, indem es den weiten gerichtlichen Prüfungsumfang für § 73 AsylG ausschließlich nur bei nicht im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakten gegeben sieht (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 17.12 – BVerwGE 146, 31-40 Rn. 9; BVerwG, U.v. 29.6.2015 – 1 C 2.15, juris Rn. 14). Die Voraussetzungen für eine Ermessensreduktion auf Null, d.h. wenn es bereits nach Aktenlage zum maßgeblichen Zeitpunkt außer der einen keine andere denkbar richtige Entscheidung gegeben hätte, liegen hinsichtlich des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG, der eine umfassende behördliche Verhältnismäßigkeitsprüfung erfordert (vgl. Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, 5. Update Dezember 2021, § 60 AufenthG Rn. 140 ff.), nicht vor.
dd) Ziffern 1 und 2 des Bescheides der Beklagten können auch nicht auf den Wegfall der flüchtlingsbegründenden Umstände gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, 2 AsylG gestützt werden. Zwar ist die Entscheidung, ob die Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, weggefallen sind, in der Regel eine gebundene Entscheidung, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch seitens des Gerichts erfolgen muss. Im vorliegenden Fall hat der Widerruf gemäß § 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG jedoch ausnahmsweise als Ermessensentscheidung der Beklagten zu erfolgen und kann nicht durch das Gericht ersetzt werden.
Gemäß § 73 Abs. 2a Satz 5 1. Hs. AsylG steht eine spätere Entscheidung nach § 73 Abs. 1 oder Abs. 2 im Ermessen, wenn nach der Prüfung ein Widerruf oder eine Rücknahme nicht erfolgt sind.
Dies ist vorliegend der Fall. Die Beklagte hat bereits einmal ein Widerrufsverfahren bzgl. der Flüchtlingsanerkennung des Klägers sachlich geprüft und am 25. Oktober 2010 negativ verbeschieden. Die förmliche Mitteilung an die Ausländerbehörde … erfolgte am 5. November 2010 (sog. Negativmitteilung). Die Beklagte ist damit ist in späteren Entscheidungen über den Widerruf oder die Rücknahme der Asylberechtigung und der Flüchtlingseigenschaft nicht mehr gebunden, sondern ihre Entscheidungen stehen im Ermessen. Dieses Ermessen kann vorliegend nicht seitens des Gerichts ersetzt werden (vgl. vorstehend Ziffer 1. b) cc)).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 73 Abs. 2a Satz 5 2. Hs. AsylG, wonach die Widerrufs- und Rücknahmeentscheidungen dann wieder gebundene Entscheidungen sind („es sei denn“), wenn Widerruf oder Rücknahme erfolgen, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder des § 3 Abs. 2 AsylG vorliegen oder weil das Bundesamt nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen hat.
Dies ist vorliegend allerdings nicht der Fall. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 1. und 2. Alt AufenthG sowie des § 3 Abs. 2 AsylG liegen nicht vor (vgl. vorstehend Ziffern 1. a), 1. b) aa) und bb)). Von § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG hat die Beklagte gerade keinen Gebrauch gemacht und ihr Ermessen nicht entsprechend ausgeübt (vgl. vorstehend Ziffer 1 b) cc)). § 73 Abs. 2a Satz 5 2. Hs. AsylG macht die Ermessensentscheidung des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, sondern setzt sie nach seinem Wortlaut („weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat“) weiterhin voraus (vgl. so auch Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, 5. Update Dezember 2021, § 60 AufenthG Rn. 144). Erst nach ordnungsgemäßer Ausübung des Ermessens, das hier nicht erfolgt ist und seitens des Gerichts auch nicht ersetzt werden kann, sieht das Gesetz für einen sich anschließenden Widerruf die Bindung der Beklagten trotz eines bereits vorausgegangenen Widerrufs mit Negativmitteilung vor. Die Entscheidung über das Vorliegen der originären tatbestandlichen Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1, 2 AsylG steht damit weiterhin im Ermessen der Beklagten. Ein Ersetzen durch das Gericht ist nicht möglich.
2. Ziffer 3 des Bescheides der Beklagten vom 31. Januar 2019, in der dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird, da der Ausschlusstatbestand gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG vorliegt, ist dagegen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
a) Dem unbedingt gestellten Anfechtungsantrag hinsichtlich Ziffer 3 des Bescheides fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse, dass die für ihn negative Feststellung in Ziffer 3, mit der ihm subsidiärer Schutzstatus nicht zuerkannt wird, ebenfalls im Rahmen des Klageverfahrens beseitigt wird. Der Anfechtungsantrag war auch nicht gemäß § 88 VwGO in einen Verpflichtungsantrag umzustellen oder -deuten, da diesem nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rangverhältnis asylrechtlicher Anträge (BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 19/96 -, BVerwGE 104, 260-265) angesichts der Rechtswidrigkeit der Ziffern 1 und 2 und der damit auflebenden Zuerkennung von § 51 Abs. 1 AuslG aF bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt hätte.
b) Die Versagung der Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG in Ziffer 3 des Bescheides ist rechtmäßig. Mit der Verurteilung des Klägers zu einer Jugendstrafe von acht Jahren wegen versuchten Mordes liegen schwerwiegende Gründe vor, die die Annahme rechtfertigen, dass er eine schwere Straftat begangen hat. In diesem Fall ist ein Ausländer von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG ausgeschlossen. Gemäß § 73 Abs. 3 AsylG war die Beklagte verpflichtet, in dem Widerrufsbescheid vom 31. Januar 2019 auch über die Zuerkennung subsidiären Schutzes zu entscheiden. Die Feststellung wird auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie im Widerspruch zu Ziffer 1 dieses Urteils stehen könnte. Ziffer 3 des Bescheides bildet einen eigenen Streitgegenstand, der in seiner Begründung von einem anderen Ausschlussgrund als die Ziffern 1 und 2 des Bescheides getragen wird. Während die Beklagte den Ausschlussgrund nach § 60 Abs. 8 Satz 1 2. Alt. AufenthG bei Ziffern 1 und 2 des Bescheides falsch angewandt hat, ist die Anwendung des Ausschlusstatbestandes gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG in Ziffer 3 des Bescheides rechtmäßig erfolgt.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kosten werden auf Grund des Obsiegens des Klägers in den Ziffern 1 und 2 verhältnismäßig zwischen den Beteiligten geteilt und der Beklagten zu 2/3 und dem Kläger zu 1/3 auferlegt. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.


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