Verwaltungsrecht

Asyl, Türkei: Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  9 ZB 19.33280

Datum:
24.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27566
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Ohne weitere Erläuterung durch den Kläger ist nicht nachvollziehbar, dass das Verwaltungsgericht bei den von ihm angeführten, gegen eine Verfolgungsgefahr sprechenden Gründen zu einer anderen Einschätzung gelangt wäre, wenn es dem Umstand, dass der Kläger keine Nachweise aus zwei Datensystemen für seine Verfolgung vorlegte, keine Bedeutung beigemessen hätte (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2019 –  BeckRS 2019, 13915). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist ausschließlich Sache des Tatrichters, sich selbst die notwendige Überzeugungsgewissheit von der Wahrheit des Parteivortrags zu verschaffen (vgl. BVerwG BeckRS 2005, 26351; VGH München BeckRS 2019, 6050). Auch in schwierigen Fällen ist der Tatrichter berechtigt und verpflichtet, den Beweiswert einer Aussage selbst zu würdigen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Tatsacheninstanzen haben in eigener Verantwortung festzustellen, ob der Asylbewerber und etwa gehörte Zeugen glaubwürdig und ihre Darlegungen glaubhaft sind. In welchem Umfang dabei eine Auseinandersetzung mit dem Tatsachenvortrag zu erfolgen hat und dieser zu prüfen ist, lässt sich nicht verallgemeinernd beantworten. Dies ist eine Frage des Einzelfalls (vgl. VGH München BeckRS 2018, 28782). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 17.34056 2019-07-23 VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2019 – 9 ZB 19.30847 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Hinsichtlich der hier als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfenen Fragen, „Ist es türkischen Staatsangehörigen ohne weiteres bzw. jedenfalls unter bestimmten zu benennenden Bedingungen möglich, Auskünfte hinsichtlich gegen sie bestehender behördlicher oder justizieller Maßnahmen aus den digitalen staatlichen Informationssystemen ‚e-Devlet‘ bzw. ‘UYAP‘ zu erlangen?“ und „Kann der Umstand, dass türkische Asylantragsteller entsprechende Auskünfte nicht vorlegen, dahingehend bewertet werden, dass die geäußerten Befürchtungen staatlicher Verfolgungsmaßnahmen als nicht hinreichend wahrscheinlich bewertet werden?“ fehlt es bereits an der ausreichenden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Das Verwaltungsgericht hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass für die Befürchtung des Klägers, in der Türkei wegen der Teilnahme an einer Demonstration bzw. Kundgebung im Jahr 2015 verfolgt zu werden, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht. Für ein landesweites Aufgriffsinteresse bestünden aufgrund der angegebenen polizeilichen Vernehmung des Klägers vier Monate nach der Kundgebung, hinsichtlich der nicht klar sei, ob Beweise für seine Teilnahme vorliegen, und zwei Befragungen des Vaters des Klägers Anfang 2018, Ende 2017 zum Verbleib des Klägers, deren Grund offen sei und auch in der Musterungsentziehung liegen könne, keine objektiven Anhaltspunkte. Gegenteiliges habe er auch nicht mit Auskünften aus e-Devlet oder UYAP aufgezeigt. Mit dieser Argumentation setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht näher auseinander. Es beleuchtet lediglich den Aspekt eines fehlenden Nachweises mittels Daten aus dem e-Devlet- bzw. UYAP-System. Ohne weitere Erläuterung durch den Kläger ist jedoch nicht nachvollziehbar, dass das Verwaltungsgericht bei den von ihm angeführten, gegen eine Verfolgungsgefahr sprechenden Gründen zu einer anderen Einschätzung gelangt wäre, wenn es dem Umstand, dass der Kläger keine Nachweise aus den beiden genannten Datensystemen für seine Verfolgung vorlegte, keine Bedeutung beigemessen hätte (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2019 – 9 ZB 19.32029 – juris Rn. 3).
Darüber hinaus ist auch die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Klärungsbedürftigkeit nicht nachvollziehbar dargetan. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass es ausschließlich Sache des Tatrichters ist, sich selbst die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO notwendige Überzeugungsgewissheit von der Wahrheit des Parteivortrags zu verschaffen (vgl. BVerwG, B.v. 22.2.2005 – 1 B 10.05 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 12.3.2019 – 9 ZB 17.30411 – juris Rn. 6 m.w.N.). Auch in schwierigen Fällen ist der Tatrichter berechtigt und verpflichtet, den Beweiswert einer Aussage selbst zu würdigen. Die Tatsacheninstanzen haben in eigener Verantwortung festzustellen, ob der Asylbewerber und etwa gehörte Zeugen glaubwürdig und ihre Darlegungen glaubhaft sind (vgl. BVerwG, B.v. 18.7.2001 – 1 B 118.01 – juris Rn. 3). In welchem Umfang dabei eine Auseinandersetzung mit dem Tatsachenvortrag zu erfolgen hat und dieser zu prüfen ist, lässt sich nicht verallgemeinernd beantworten. Dies ist eine Frage des Einzelfalls (vgl. BayVGH, B.v. 30.10.2018 – 9 ZB 18.32680 – juris Rn. 23). Das Verwaltungsgericht hat hier ersichtlich keinen in der aufgeworfenen Frage angelegten grundsätzlichen Rechtssatz aufgestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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