Verwaltungsrecht

Aufhebung einer Zuweisungsentscheidung im Pflichtwahlpraktikum wegen Belästigung der Ausbilderin

Aktenzeichen  M 5 E 17.6144, M 5 S 18.251

Datum:
5.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30606
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 123
JAPO § 47, § 48, § 49
SiGjurVD Art. 2
BayBG Art. 48
GewSchG § 1, § 4
StGB § 238

 

Leitsatz

1. Die Aufhebung einer Zuweisungsentscheidung für einen Rechtsreferendar stellt einen Verwaltungsakt dar. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Erhebliche und fortgesetzte Belästigungen der Ausbilderin durch den Rechtsreferendar begründen die Aufhebung einer Zuweisungsentscheidung. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Verwaltungsstreitsachen M 5 E 17.6144 und M 5 S 18.251 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge werden abgelehnt.
III. Der Antragsteller hat die Kosten der Verfahren zu tragen.
IV. Der Streitwert wird für jedes Verfahren auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am … Dezember 1986 geborene Antragsteller wurde mit Wirkung zum 1. April 2016 zum Rechtsreferendar bestellt.
Mit Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts München vom 6. September 2017 wurde der Referendar für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. März 2018 zur Ableistung des Pflichtwahlpraktikums im Berufsfeld 1 – Justiz – der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I zugewiesen. Außerdem habe er dort bis zum Ausscheiden aus dem Vorbereitungsdienst seine Ausbildung weiter zu absolvieren.
Ab September 2017 sandte der Antragsteller an eine Staatsanwältin, die eine von ihm früher besuchte Arbeitsgemeinschaft geleitet hatte, insgesamt 15 E-Mails mit persönlichem Inhalt. Obwohl die Staatsanwältin den Rechtsreferendar wiederholt aufforderte, dies zu unterlassen, sandte er weitere Nachrichten an sie. Er lud sie mehrmals ein, mit ihr verschlüsselt elektronisch per E-Mail zu kommunizieren und veranlasste, dass entsprechende Formulare an sie übermittelt wurden. Am 17. November 2017 wurde der Referendar auf dem Dach eines Bürogebäudes von der Polizei aufgegriffen. Als zu verständigende Kontaktperson gab der Antragsteller gegenüber der Polizei die Staatsanwältin an.
Bei einem Gespräch mit der Ausbildungsleitung am 21. November 2017 wurde dem Referendar mitgeteilt, dass sich die Staatsanwältin durch sein Verhalten in erheblichem Maß belästigt fühle. Darauf sagte der Antragsteller zu, keine E-Mails mehr an die Staatsanwältin zu versenden. Der Leiter der Staatsanwaltschaft habe beantragt, die Zuweisung des Referendars zur Staatsanwaltschaft aufzuheben. Außerdem sei durch den Behördenleiter am 15. November 2017 gegenüber dem Referendar verfügt worden, dass er die Staatsanwaltschaft nicht mehr betreten dürfe. Mit der bei der Besprechung angekündigten Änderung der Zuweisung sei er auf keinen Fall einverstanden. Er könne eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben, mit der er sich verpflichte, keinen Kontakt mehr zu der Staatsanwältin aufzunehmen.
Am 1. Dezember 2017 sandte der Antragsteller erneut eine E-Mail mit vertraulicher Anrede und persönlichem Inhalt an die Staatsanwältin.
Mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts München vom 7. Dezember 2017 wurde der Bescheid vom 6. September 2017 hinsichtlich der Zuweisung des Referendars zur Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I aufgehoben. Für die Zeit während des Pflichtwahlpraktikums und bis zu seinem Ausscheiden aus dem Vorbereitungsdienst wurde er dem Landgericht München I zugewiesen. Eine ordnungsgemäße Ausbildung bei der Staatsanwaltschaft könne aufgrund des gezeigten Verhaltens nicht gewährleistet werden. Außerdem gebiete es die Fürsorge gegenüber der Staatsanwältin, eine Begegnung in der Behörde zu unterbinden. Da ein strafbares Verhalten im Raum stehe, sei auch eine Ausbildung bei einer anderen Strafverfolgungsbehörde nicht möglich.
Der Antragsteller erhob hiergegen am 13. Dezember 2017 Widerspruch. Es seien keine Gründe gegeben, dass eine sinnvolle Ausbildung bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I nicht mehr gewährleistet sei.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2017 zurückgewiesen.
Am 19. Dezember 2017 hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 7. Dezember 2017 erhoben, über die noch nicht entschieden ist (M 5 K 17.5928).
Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt beantragt (M 5 E 17.6144), einen Zuteilungsbescheid für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. März 2018 sowie vom 1. April 2018 bis zum Ausscheiden aus dem Vorbereitungsdienst zu erlassen.
Der Antragsteller sei für die genannten Zeiträume der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I mit Bescheid vom 6. September 2017 überwiesen. Ein konkreter Zuteilungsbescheid sei noch nicht erlassen worden.
Am 4. Januar 2018 sandte der Rechtsreferendar erneut eine E-Mail an die Staatsanwältin, in der er anfragte, „ob es ok wäre, wenn ich zu Dir für das Pflichtwahlpraktikum komme“.
Mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts München vom 9. Januar 2018 wurde die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 7. Dezember 2017 angeordnet. Das öffentliche Interesse, allen Rechtsreferendaren gleichermaßen eine praxisgerechte Ausbildung zu ermöglichen sowie der Schutz der bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I tätigen Staatsanwältin vor weiteren Nachstellungen überwiege das Interesse des Antragstellers an einer Ausbildung ausschließlich bei dieser Behörde.
Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2018, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Antragsteller beantragt (M 5 S 18.251),
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 19. Dezember 2017, M 5 K 17.5928, wieder herzustellen.
Weder müsse die der Behörde angehörende Staatsanwältin vor dem Antragsteller geschützt werden, noch lägen Nachstellungen vor.
Auf Antrag der betroffenen Staatsanwältin erließ das Amtsgericht München am 11. Januar 2018 einen Beschluss nach dem Gewaltschutzgesetz, dessen sofortige Wirksamkeit angeordnet wurde. Dem Antragsteller wurde befristet bis 11. Juli 2018 untersagt, sich den Gebäuden, in denen die Staatsanwältin ihrer Arbeit nachgehe, näher als 200 Meter zu nähern sowie in irgendeiner Art Kontakt mit der Staatsanwältin aufzunehmen, ein Zusammentreffen herbeizuführen oder sich näher als 200 Meter zu nähern. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, angedroht. Außerdem wurde auf die Strafbarkeit von entsprechenden Verstößen gegen die ergangene Schutzanordnung hingewiesen.
Der Präsident des Oberlandesgerichts München hat in beiden Fällen jeweils beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die sofortige Wirksamkeit der Änderung der Zuweisung sei erforderlich. Der Antragsteller halte sich nicht an den Beschluss des Amtsgerichts München vom 11. Januar 2018. Er habe am 15. Januar 2018 versucht, an einer von der Staatsanwältin geleiteten Unterrichtsveranstaltung im Justizausbildungszentrum teilzunehmen, obwohl er sich dort nicht mehr aufhalten durfte. Sowohl die Bedeutung einer ordnungsgemäßen Ausbildung wie auch der Schutz der Staatsanwältin seien höher zu bewerten als das Interesse des Antragstellers an der Ausbildung gerade bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I. Aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts München vom 11. Januar 2018 sei eine Ausbildung bei dieser Behörde auch praktisch nicht durchführbar. Eine Ausbildung beim Landgericht München I sei auch sachgerecht, da auch das Zivilrecht Gegenstand des Berufsfelds 1 sei.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten in den Verfahren M 5 E 17.6144 und M 5 S 18.251 verwiesen.
II.
A.
Es ist sachgerecht, die sachlich zusammenhängenden Streitsachen M 5 E 17.6144 und M 5 S 18.251 zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden (§ 93 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
B.
Der Antrag im Verfahren M 5 S 18.251 ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in Bezug auf den Bescheid vom 9. Januar 2018, mit dem die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 7. Dezember 2017 verfügt wurde, ist vorliegend statthaft.
Die hier maßgebende Änderung der Zuweisung eines Rechtsreferendars zu einer Ausbildungsstelle im Pflichtwahlpraktikum durch Bescheid vom 7. Dezember 2017 stellt einen Verwaltungsakt im Sinn des Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) dar. Die sofortige Vollziehung kann nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet werden.
Denn die ursprüngliche Zuweisungsentscheidung für den Referendar zu einer bestimmten Behörde für einen genau umgrenzten Zeitraum wird aufgehoben und durch die Zuweisung zu einer anderen Ausbildungsstelle für denselben Zeitraum ersetzt. Das geht über bloße Regelungen des Dienstbetriebs hinaus, wie sie etwa die Änderung des Aufgabenbereichs eines Beamten durch Umsetzung darstellt (BVerwG, U.v. 12.2.1981 – 2 C 42/78 – NVwZ-RR 1982, 178; BayVGH, B.v. 11.3.2016 – 3 B 13.1069 – juris Rn. 38 f.; OVG NRW, B.v. 27.8.2010 – 6 A 1020/09 – juris Rn. 4 ff. – offen gelassen für Antrag auf Rückgängigmachung einer Zuweisungsentscheidung zu einer anderen Ausbildungsschule gegenüber einer Studienreferendarin). Der Präsident des Oberlandesgerichts hat sowohl von der Form wie vom Regelungsinhalt her durch den mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehenen Bescheid vom 7. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2017 gegenüber dem Antragsteller eine Regelung mit Außenwirkung getroffen (Pietzcker in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2017, § 42 Rn. 19). Das wird durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch Bescheid vom 9. Januar 2018 unterstrichen. Der Bescheid geht über eine organisationsinterne Wirkung hinaus und spricht den Betroffenen nicht lediglich als Amtswalter und Glied der Verwaltung, sondern als Träger subjektiver Rechte an (BVerwG, U.v. 2.3.2006 – 2 C 3.05 – BVerwGE 125, 85/86 Rn. 10). Denn bei einem Rechtsreferendar ist mit der Änderung der Zuweisung zu einer Ausbildungsstätte im Rahmen des staatlichen Ausbildungsmonopols der Gehalt des Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) zu beachten. Hinzu kommt, dass der Antragsteller mit der Änderung einer anderen Justizbehörde im Rahmen des Pflichtwahlpraktikums – entgegen seinem Ausbildungswunsch – zugewiesen wird.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
a) Die Behörde darf die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 1 VwGO durch Anordnung der sofortigen Vollziehung beseitigen, wenn dafür ein besonderes öffentliches Interesse besteht, das grundsätzlich über jenes Interesse hinauszugehen hat, welches den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO).
Dieses besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes ist nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich zu begründen. Die Begründung der Vollzugsanordnung des Antragsgegners im Bescheid vom 9. Januar 2018 genügt diesem gesetzlichen Erfordernis. Sie ist nicht lediglich formelhaft, sondern lässt erkennen, dass die Behörde eine Einzelfallprüfung vorgenommen und die unterschiedlichen, einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen hat. Insbesondere hat die Behörde nicht nur einseitig auf die Interessenlage der öffentlichen Hand abgestellt, sondern auch die Interessen des Antragstellers berücksichtigt.
Über diese Feststellung hinaus bedarf es keiner weiteren Erörterung der von der Behörde genannten Gründe, da das Gericht nicht auf die Überprüfung dieser Gründe beschränkt ist, sondern im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unter Abwägung der öffentlichen Belange gegen den Rechtsanspruch des Einzelnen selbst zu beurteilen hat, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Soweit dabei die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs oder der Klage bereits absehbar sind, hat das Gericht sie zu berücksichtigen. Ergibt diese im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes notwendigerweise summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf oder die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, so scheidet, sofern ein öffentliches Interesse für den sofortigen Vollzug spricht, ein Vorrang der privaten Interessen von vornherein aus, da an der Aussetzung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts in der Regel kein überwiegendes privates Interesse bestehen kann (vgl. BayVGH, B.v. 4. 10.1982 – 19 AS 82 A.2049 – BayVBl 1983, 23).
b) Die summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt im vorliegenden Fall, dass keine rechtlichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Änderung der Zuweisung des Antragstellers von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I zum Landgericht München I ab dem 1. Januar 2018 bis zum Ausscheiden aus dem Vorbereitungsdienst bestehen.
Nach § 48 Abs. 2 Nr. 4 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO) werden die Rechtsreferendare drei Monate nach ihrer Wahl bei einer der in § 49 JAPO zugelassenen Stelle (Pflichtwahlpraktikum) ausgebildet. In § 48 Abs. 6 Satz 2 JAPO ist die Bedeutung der Wahl der Ausbildungsstelle im Pflichtwahlpraktikum unterstrichen, da dort geregelt ist, dass die Wahl nur bis zum Beginn des jeweiligen Ausbildungsabschnitts und nur aus wichtigem Grund geändert werden kann. Nach Ende des Pflichtwahlpraktikums setzen die Referendare ihre Ausbildung bei der Stelle fort, die sie für die Ausbildung im Pflichtwahlpraktikum gewählt haben (§ 48 Abs. 3 Satz 1 JAPO). Sie können in dieser Zeit auch einer anderen in § 48 Abs. 2 JAPO genannten Stelle zugewiesen werden (§ 48 Abs. 3 Satz 2 JAPO).
Nach § 47 JAPO richten sich die Rechte und Pflichten der Rechtsreferendare nach dem Gesetz zur Sicherung des juristischen Vorbereitungsdienstes (SiGjurVD). Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 SiGjurVD gelten für die Rechte und Pflichten der Rechtsreferendare grundsätzlich – bis auf hier nicht relevante Ausnahmen – die für Beamte auf Widerruf geltenden Bestimmungen. Damit ist die Bestimmung des Art. 48 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) entsprechend auch für Rechtsreferendare anwendbar. Nach dieser Bestimmung können Beamte und Beamtinnen aus dienstlichen Gründen ohne ihre Zustimmung versetzt werden (Art. 48 Abs. 1 BayBG). Ein dienstliches Bedürfnis kann auch in der Person des Beamten liegen (Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: November 2017, Art. 48 BayBG Rn. 32 f.). Das liegt insbesondere vor, wenn durch das Verhalten eines Beamten die reibungslose Zusammenarbeit innerhalb des öffentlichen Dienstes gestört wird (BayVGH, B.v. 24.3.2015 – 3 ZB 14.591 – juris Rn. 9). Die Änderung der Zuweisung der Ausbildungsstelle eines Rechtsreferendars im Pflichtwahlpraktikum ist von der Interessenlage der Entscheidung über die Versetzung eines Beamten angenähert, sodass die zur Versetzung entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden sind. Das Wahlrecht für die Ausbildungsstelle im Pflichtwahlpraktikum wird insoweit durch das dienstliche Bedürfnis begrenzt. Für die Zeit nach Beendigung des Pflichtwahlpraktikums bis zum Ende des Vorbereitungsdienstes besteht kein Wahlrecht. Hier kann der Referendar auch einer anderen Stelle als der von ihm im Pflichtwahlpraktikum gewählten zugewiesen werden (§ 48 Abs. 3 Satz 2 JAPO).
Ein dienstliches Bedürfnis für eine Änderung der Zuweisung der Ausbildungsstelle liegt beim Antragsteller vor. Durch die über einen längeren Zeitraum wiederholt gesendeten E-Mails an die Staatsanwältin, obwohl diese sich jede Kontaktaufnahme durch den Antragsteller verbeten hat, hat der Referendar eine erhebliche Grenzüberschreitung im Umgang mit Ausbildungspersonen begangen. Durch die wiederholten aufdringlichen Erklärungen seiner Zuneigung gegenüber der Staatsanwältin, obwohl diese jede Annäherung durch den Referendar ausdrücklich abgelehnt hat, hat er die betroffene Frau in erheblicher Weise belästigt. Gegen deren Willen hat er sie auch gegenüber der Polizei als seine Kontaktperson angegeben. Auch auf ausdrücklichen Hinweis und Ermahnung durch die Ausbildungsleitung in der Besprechung vom 21. November 2017, das Verhalten zu unterlassen, hat der Antragsteller sein Verhalten nicht geändert. Das führte dazu, dass ein Annährungs- und Kontaktverbot gegenüber der betroffenen Staatsanwältin nach § 1 Gewaltschutzgesetz (GewSchG) mit rechtskräftigem, sofort wirksamem Beschluss des Amtsgerichts München vom 11. Januar 2018 angeordnet wurde. Seit 15. November 2017 besteht zudem ein Hausverbot für den Antragsteller hinsichtlich der Gebäude der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I. Eine sachgerechte Ausbildung des Referendars bei dieser Justizbehörde (bei einem anderen Ausbildungsstaatsanwalt) ist daher nicht möglich, da der Antragsteller die entsprechenden Gebäude nicht betreten darf. Im Rahmen der Ausbildung müssen Besprechungen mit dem Ausbilder geführt sowie Akten durch den Rechtsreferendar in Empfang genommen bzw. abgegeben werden. Dazu muss das Behördengebäude betreten werden.
Auch die Ermessensausübung, den Rechtsreferendar der Zivilabteilung des Landgericht München I zuzuweisen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es muss angesichts der erheblichen und fortgesetzten Belästigungen ausgeschlossen werden, dass sich der Antragsteller und die Staatsanwältin zufällig im Rahmen des Dienstes einander begegnen. Unter diesem Gesichtspunkt darf eine Zuweisung zur Strafabteilung des Amtsgerichts München oder des Landgerichts München I ausgeschlossen werden. Denn dort kann die betroffene Staatsanwältin im Sitzungsdienst eingesetzt sein. Da ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Referendars nahe liegt (§ 238 des Strafgesetzbuches/StGB – Nachstellung; § 4 GewSchG – Zuwiderhandlung gegen eine Schutzanordnung), ist es auch rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Ausbildungsleitung einen Einsatz bei einer strafverfolgenden Behörde ausschließt. Denn dadurch könnte ihm ein vertiefter Einblick in das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden ermöglicht werden, was ihm in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren eine günstigere Position verschaffen könnte. Um hierfür jeden Anschein zu vermeiden, ist es rechtlich nicht beanstanden, wenn die Behörde hier einen strengen Maßstab anlegt. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei behördenübergreifenden Besprechungen verschiedener Staatsanwaltschaften, an der der Referendar im Rahmen seiner Ausbildung teilnimmt, ein Zusammentreffen der Staatsanwältin mit dem Antragsteller erfolgen könnte. Da auch Zivilrecht zum Berufsfeld 1 gehört, ist es daher rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Referendar der Zivilabteilung des Landgerichts München I zugewiesen wird. Eine Zuweisung an eine andere Ausbildungsstelle außerhalb des Großraums München wäre andererseits mit erheblichen Anfahrtszeiten und -wegen verbunden. Daher ist es unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden, wenn der Antragsteller der in den streitgegenständlichen Bescheiden festgelegten Stelle in München zur Ausbildung zugewiesen wird.
C.
Der Antrag im Verfahren M 5 E 17.6144 ist bereits unzulässig.
Für diesen Antrag besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Denn das Ziel, für den Antragsteller einen Zuteilungsbescheid für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. März 2018 sowie vom 1. April 2018 bis zum Ausscheiden aus dem Vorbereitungsdienst zu erlassen, war durch den Änderungsbescheid vom 7. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2017 bereits erreicht. Mit diesen Bescheiden wurde der Referendar ausdrücklich dem Landgericht München I zugewiesen und die ursprüngliche Zuweisung vom 6. September 2017 aufgehoben. Damit lag ausdrücklich eine Zuweisungsentscheidung vor.
Der Änderungsbescheid vom 7. Dezember 2017 sowie der Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2017 sind im Antrag wie auch in der hierzu gegebenen kurz gefassten Begründung nicht genannt, sie sind dem Antrag auch nicht beigefügt. Dass der Antragsteller die Aufhebung dieser Änderung der Zuweisung anstrebt, lässt sich dem Antrag nicht entnehmen. Es fehlt auch jeder Bezug zu der bereits am 19. Dezember 2017 erhobenen Klage gegen die genannten Bescheide. Hinzu kommt, dass der Antragsteller ein Rechtsreferendar ist, der den schriftlichen Teil der Zweiten Juristischen Staatsprüfung absolviert hat. Er verfügt damit über juristische Sachkunde. Einer Auslegung seines Antrag sind daher Grenzen gesetzt, er ist grundsätzlich an der Fassung seines Antrags festzuhalten (BayVGH, B.v. 7.8.2006 – 24 CS 06.965 – juris Rn. 15; VG München, B.v. 16.3.2015 – M 5 SE 15.801 – juris Rn. 15).
Eine Umdeutung dieses Antrags in einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht möglich. Bei Antragseingang (29.12.2017) lag die Anordnung des Sofortvollzugs des Änderungsbescheids vom 7. Dezember 2017 noch nicht vor. Das erfolgte erst mit Bescheid vom 9. Januar 2018, gegen den der Antragsteller ausdrücklich und zeitnah einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (M 5 S 18.251) gestellt hat.
D.
Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten der Verfahren zu tragen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Es ist daher für jedes Streitverfahren der halbe Auffangstreitwert festzusetzen.
Nr. I des Tenors ist unanfechtbar (§ 146 Abs. 2 VwGO). Im Übrigen ergeht folgende


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