Verwaltungsrecht

Aufhebung und Neubewertung der Prüfungsleistung wegen fehlerhaft besetztem Prüfungsausschuss

Aktenzeichen  W 6 K 17.1427

Datum:
5.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36332
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Fortbildungsprüfungsordnung der Beklagten (IHK) § 2, § 22
GKG § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2
BayVwVfG Art. 80 Abs. 2
BBiG § 39, § 40 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 3, § 42, § 47
FPO § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Abs. 8, § 4 Abs. 2, § 22 Abs. 1 S. 2, S. 3
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 155 Abs. 1 S. 1, § 159 Abs. 2, § 162 Abs. 2 S. 2
VwVfG § 80 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 11, § 711

 

Leitsatz

1 Der Prüfling hat auf Grundlage seines prüfungsrechtlichen Rechtsverhältnisses unter Beachtung des Grundsatzes der Chancengleichheit und des Verbots der Überkompensation nur dann einen gerichtlich durchsetzbar Anspruch auf Folgenbeseitigung, der die Wiederholung der Prüfung (Neuprüfung) und zwar ohne Anrechnung auf die nach der Prüfungsordnung allgemein zugelassene Wiederholungsmöglichkeit umfasst, wenn Fehler im Prüfungsverfahren bei der Leistungsermittlung selbst vorliegen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zwar gibt es keinen Anspruch auf einen „gesetzlichen Prüfer“ vergleichbar dem „gesetzlichen Richter“. Doch der Anspruch des Prüflings auf ordnungsgemäße Durchführung des Bewertungsverfahrens seiner Leistung umfasst jedenfalls die Bewertung seiner Prüfungsleistung durch den bzw. die hierzu berufenen Prüfer. (Rn. 32 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die zuständige Stelle darf bei der Ladung des Prüfungsausschusses zur jeweiligen Prüfungsausschusssitzung unter Beachtung des Grundsatzes, dass die Regelmitglieder grundsätzlich die zur Bewertung berufenen Prüfer sind, nur bei einer tatsächlichen oder rechtlichen Verhinderung des Regelmitglieds auf einen Stellvertreter zurückgreifen. (Rn. 38 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
4 Handelt es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit, welche die Prüfer in der Regel zusätzlich zu einer (Voll-)Erwerbstätigkeit wahrnehmen, wird es dieser Umstand gebieten, neben einer krankheitsbedingten Abwesenheit auch Urlaub sowie kollidierende berufliche (Einzel-)Termine als Verhinderungsgründe anzuerkennen. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2017 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verpflichtet, die Prüfungsleistung des Klägers vom 30. März 2017 „1. Schriftliche Teilprüfung“ der Fortbildungsprüfung zum „Geprüften Handelsfachwirt (…)“ durch den berufenen Prüfungsausschuss neu zu bewerten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens hat die Beklagte 2/3, der Kläger 1/3 zu tragen. Die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Kläger war notwendig.
IV. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheides ist zulässig. Nachdem der Widerspruch des Klägers nach Klageerhebung überwiegend zurückgewiesen wurde, konnte der bereits anhängige Rechtsstreit unter Einbeziehung des Widerspruchbescheids als Versagungsgegenklage fortgesetzt werden (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 75 Rn. 15).
Jedoch ist die zulässige Klage nur im (ersten) Hilfsantrag begründet. Der Notenbescheid vom 22. Juni 2017 erweist sich als rechtswidrig, da der in der Sitzung am 21. Juni 2017 zusammengekommene Prüfungsausschuss nicht ordnungsgemäß besetzt war, was den Kläger in seinem allgemeinen prüfungsrechtlichen Anspruch auf ordnungsgemäßes Zustandekommen der Bewertung seiner Prüfungsleistung verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Notenbescheid vom 22. Juni 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2017 war daher aufzuheben und die Beklagte zur Neubewertung der Prüfungsleistung durch den berufenen Prüfungsausschuss zu verpflichten (2.). Insbesondere war vorliegend keine Heilung des fehlerhaften Notenbescheids im Widerspruchsverfahren möglich. Dagegen hat der Kläger keinen Anspruch auf eine vollständige Wiederholung der verfahrensgegenständlichen Prüfung, da eine bewertungsfähige Prüfungsleistung nach wie vor gegeben ist, sodass er mit seinem Hauptantrag nicht durchdringen kann (1.). Darüber hinaus bestehen keine Gründe, die bei der anstehenden Neubewertung der vorhandenen Prüfungsleistung durch die berufenen Prüfungsausschussmitglieder eine Besorgnis der Befangenheit begründen könnten (3.).
1.
Soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag begehrt, unter Aufhebung des Notenbescheids der Beklagten vom 22. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2017 die Beklagte zu verpflichten, den Kläger erneut zur verfahrensgegenständlichen Prüfung zuzulassen ohne Anrechnung auf die Wiederholungsmöglichkeit, ist dieses Begehren unbegründet. Denn mit der schriftlichen Prüfungsarbeit, die der Kläger am 30. März 2017 angefertigt hat, ist (immer noch) eine bewertungsfähige Leistung vorhanden. Etwaige Fehler im Rahmen des Zustandekommens dieser Prüfungsleistung, d.h. bei der Leistungsermittlung selbst, die zu einer Wiederholung führen könnten, wurden weder geltend gemacht, noch sind sie ersichtlich.
Die Wiederholung der Prüfung ist nur dann anzuordnen, wenn Fehler im Prüfungsverfahren bei der Leistungsermittlung selbst vorliegen. Denn nur im Falle von Fehlern im Verfahren zur Ermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüflings scheidet die (Neu-)Bewertung von Prüfungsleistungen von vornherein aus, wenn z.B. wegen des gestörten Prüfungsverlaufs dafür eine zuverlässige Grundlage fehlt und/oder die Chancengleichheit aller Prüflinge verletzt würde. Das wäre beispielsweise auch dann der Fall, wenn die Prüfungsaufgabe vor ihrer Bewertung verloren gegangen ist. Der Prüfling hat auf Grundlage seines prüfungsrechtlichen Rechtsverhältnisses einen gerichtlich durchsetzbar Anspruch auf Folgenbeseitigung, der in diesen Fällen die Wiederholung der Prüfung (Neuprüfung) umfasst, und zwar ohne die Anrechnung auf die nach der Prüfungsordnung allgemein zugelassene Wiederholungsmöglichkeit (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 500). Dagegen sind Mängel bei der Bewertung von fehlerfrei ermittelten Prüfungsleistungen grundsätzlich durch eine erneute Beratung und Bewertung durch die zuständigen Prüfer zu beheben. Der Grundsatz der Chancengleichheit und das Verbot der Überkompensation führen hier dazu, dass der Prüfling keine weitere Prüfungschance erhalten darf, sondern sich an der von ihm abgelieferten Prüfungsleistung messen lassen muss. Voraussetzung dafür ist freilich, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüflings fehlerfrei ermittelt worden sind, um so eine zutreffende Bewertung tragen zu können (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 511).
Vorliegend ist die Prüfungsarbeit des Klägers vom 30. März 2017, welche dieser als erste Wiederholung der „1. Schriftlichen Teilprüfung“ im Rahmen seiner Fortbildung zum „Geprüften Handelsfachwirt (…)“ geschrieben hat, noch vorhanden. Weder im Verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren sind Fehler im Hinblick auf das Zustandekommen dieser Prüfungsleistung geltend gemacht worden, solche sind auch nicht ersichtlich. Damit ist eine bewertungsfähige Prüfungsleistung des Klägers vorhanden.
Soweit in der mündlichen Verhandlung darauf abgestellt wurde, dass diese Prüfungsleistung bereits einen nicht unerheblichen Zeitraum zurückliege, ändert dies an der Bewertungsfähigkeit dieser Prüfungsleistung des Klägers nichts. Durch die schriftliche Niederlegung seiner Antworten besteht im Gegensatz zu beispielsweise mündlichen Prüfungen keine Gefahr, dass die Erinnerung der Prüfer an die Prüfungsleistung verblasst sein könnte, sodass eine hinreichende (Neu-)Bewertungsgrundlage nicht mehr gegeben wäre.
Das darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument der Klägerseite, dass eine erneute Teilnahme des Klägers an der ersten schriftlichen Teilprüfung ohne Anrechnung an seine Wiederholungsmöglichkeit der „einfachste Weg“ wäre, geht im Hinblick auf den Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüflinge, die im Prüfungstermin am 30. März 2017 gemeinsam mit dem Kläger diesen Teilbereich ihrer Fortbildungsprüfung zum geprüften Handelsfachwirt (…) abgelegt haben, fehl und würde dem Verbot der Überkompensation widersprechen. Da es offenkundig bei der Ermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers im Rahmen des Zustandekommens seiner Prüfungsleistung keine Verfahrensfehler gegeben hat und eine bewertungsfähige Prüfungsleistung nach wie vor vorliegt, hat er keinen Anspruch auf das erneute Ablegen dieser Prüfungsleistung. Insoweit wurde sein prüfungsrechtlicher Anspruch auf ordnungsgemäßes Zustandekommen einer bewertungsfähigen Prüfungsleistung erfüllt.
Der Hauptantrag konnte daher keinen Erfolg haben.
2.
Die Klage hat jedoch im ersten Hilfsantrag Erfolg. Da der Beschluss des Prüfungsausschusses „Geprüfter Handelsfachwirt/in – 1. Schriftliche Teilprüfung“ über die Leistungsbewertung des Klägers in der Sitzung am 21. Juni 2017 von einem fehlerhaft besetzen Prüfungsausschuss gefasst wurde, ist der daraufhin ergangene Notenbescheid vom 22. Juni 2017 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Da dieser Fehler nicht im Widerspruchsverfahren geheilt werden kann, war in der Folge der Notenbescheid vom 22. Juni 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Prüfungsleistung des Klägers erneut durch den berufenen Prüfungsausschuss bewerten zu lassen.
2.1. Die Bewertung des Leistungsbildes, das der Prüfling im Rahmen einer – wie hier – bewertungsfähigen Leistung gezeigt hat, unterliegt gewissen Verfahrensregeln. Diese dienen dazu, eine richtige und ausgewogene, die Leistungen aller Prüflinge möglichst gleichmäßig erfassende Prüfungsentscheidung zu treffen. Mit diesen Verfahrensregeln werden die Modalitäten und formellen Grenzen des Bewertungsvorgangs abgesteckt. Werden Mängel im Bewertungsverfahren festgestellt, muss geprüft werden, ob der Mangel für das Prüfungsergebnis erheblich ist, ob und wie er geheilt werden kann oder wie der Mangel auf andere Weise zu „reparieren“ ist, nämlich durch eine fehlerfreie Neubewertung der vorhandenen bewertungsfähigen Leistungen oder durch eine (teilweise) Wiederholung der Prüfung ohne Anrechnung auf die regulären Wiederholungsmöglichkeiten (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 520 f.). Indem vorliegend ein Prüfer als Stellvertreter an der Prüfungsausschusssitzung vom 21. Juni 2017 teilgenommen hatte, obwohl kein Stellvertreterfall vorgelegen hat (2.3.2.) und damit ein nicht zuständiger Prüfer im Rahmen der kollektiven Leistungsbewertung mitgewirkt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich dies auf das Endergebnis, d.h. die endgültige Leistungsbewertung des Klägers, ausgewirkt hat. Nachdem vorliegend eine Wiederholung der Prüfungsleistung nicht in Betracht kommt (s.o. unter 1.), erschöpft sich der Anspruch des Klägers in der fehlerfreien Neubewertung seiner Prüfungsleistung.
Gerade wenn die Prüfungsordnung wie hier das Zusammenwirken mehrerer Prüfer bei der Bewertung der einzelnen Prüfungsleistung vorsieht, bestehen besondere Anforderungen an die Durchführung des Bewertungsverfahrens. So haben bei der Bewertung der Prüfungsleistungen alle zur Entscheidung berufenen Prüfer mitzuwirken, soweit nicht ein Prüfer von vornherein ausgeschlossen ist oder nach seinem persönlichen Verhalten als befangen anzusehen ist (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 603). Zwar gibt es keinen Anspruch auf einen „gesetzlichen Prüfer“ vergleichbar dem „gesetzlichen Richter“. Doch der Anspruch des Prüflings auf ordnungsgemäße Durchführung des Bewertungsverfahrens seiner Leistung umfasst jedenfalls die Bewertung seiner Prüfungsleistung durch den bzw. die hierzu berufenen Prüfer. Die Frage, wer zu den konkret berufenen Prüfern zählt, beantwortet sich aus der jeweiligen Prüfungsordnung. Die einschlägige Rechtsgrundlage ist vorliegend die Prüfungsordnung für die Durchführung von Fortbildungsprüfungen der Beklagten vom 2. Oktober 2009, zuletzt geändert am 3. Dezember 2013 (nachfolgend: FPO). Diese gilt für die Durchführung von Prüfungen gemäß § 56 Abs. 1 i.V.m. § 47 BBiG und ist folglich auf die vorliegende Fortbildungsprüfung anwendbar. Diese bestimmt zunächst, dass jede Prüfungsleistung von jedem Mitglied des Prüfungsausschusses selbstständig zu bewerten ist, der Beschluss über die Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung wird vom Prüfungsausschuss als Kollektivorgan gefasst. Bei der gemeinsamen Feststellung der Ergebnisse dienen die Einzelbewertungen der Prüfungsausschussmitglieder hierbei als Grundlage (vgl. § 22 Abs. 1 FPO). Dass Prüfungsausschüsse für die Abnahme der Abschlussprüfung errichtet werden, setzt § 39 BBiG voraus. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 FPO besteht der Prüfungsausschuss aus mindestens drei Mitgliedern, wobei die Beklagte die Größe des jeweils zuständigen Prüfungsausschusses an dem zu erwartenden Umfang des tatsächlichen Prüfungs- bzw. Bewertungsaufwands bestimmt. Der hier zur Leistungsbewertung berufene Ausschuss „Geprüfter Handelsfachwirt – 1. Schriftliche Teilprüfung“ besteht nach Angaben der Beklagten aus fünf Regelmitgliedern.
2.2. Wenn wie hier die zur Leistungsbewertung berufenen Prüfer in einem Kollegialorgan als Prüfungsausschuss zu entscheiden haben, setzt dies voraus, dass der Prüfungsausschuss mit den richtigen, d.h. den hierzu berufenen Prüfern besetzt ist. Denn die Ausschussmitglieder in der jeweiligen Prüfungsausschusssitzung werden durch ihre Teilnahme und die damit einhergehende jeweilige Leistungsbewertung Prüfer im jeweiligen (Prüfungs-)Fall und sind damit für die Bewertung der Leistung zuständig, vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 FPO. Jeder der Anwesenden bildet sich ein Einzelurteil über die zu bewertende Leistung, welches als Grundlage für den Beschluss des Prüfungsausschusses dient, sodass bei nicht korrekter Zusammensetzung nie ausgeschlossen werden kann, dass sich die fehlerhafte Besetzung nicht (auch) auf die Bewertung der Prüfungsleistung ausgewirkt hat. Folglich kommt der Frage, ob der Prüfungsausschuss korrekt besetzt war, entscheidende Bedeutung bei der Beurteilung des verfahrenskonformen Zustandekommens der Bewertung zu. Dies ist ausgehend von der Prüfungsordnung und der tatsächlichen Regelbesetzung unter Beachtung etwaiger zulässiger Stellvertreterfälle (vgl. § 2 Abs. 8 FPO) zu beantworten.
Vorliegend sind ausweislich der vorgelegten Bestellungsurkunden als Regelmitglieder des zur Leistungsbewertung bestimmten Prüfungsausschusses als Arbeitgebervertreter P C und B E , als Arbeitnehmervertreter H B und T L sowie als Vertreter aus der Gruppe der Berufsschullehrer/Dozenten F -W R bestellt. Damit sind diese fünf Regelmitglieder als die zur Entscheidung über die Bewertung der Prüfungsleistungen im Bereich „Geprüfter Handelsfachwirt – 1. Schriftliche Teilprüfung“ berufenen und folglich zuständigen Prüfer anzusehen.
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist es kaum zu vermeiden, dass es bei der Koordinierung von Terminen unter Beteiligung mehrerer Personen wiederholt zu Verhinderungen Einzelner kommen kann. Dies wird vorliegend aufgrund der ehrenamtlichen Tätigkeit der bestellten Prüfer wohl besonders gelten. Damit bei einer Mehrzahl von Personen, die zu verschiedenen Zeitpunkten wechselnd verhindert sein können, ein geordneter Prüfungsablauf bei der Beklagten gewährleistet wird, sieht das Gesetz die Möglichkeit der Stellvertretung vor: § 40 Abs. 2 Satz 3 BBiG bzw. § 2 Abs. 8 FPO bestimmen, dass die Prüfungsausschussmitglieder Stellvertreter haben. Aufgabe der Stellvertreter ist es, die Funktionsfähigkeit des Ausschusses bei Verhinderung einzelner Mitglieder zu wahren. Dabei bleibt es der zuständigen Stelle überlassen, wie viele Stellvertreter sie beruft, denn das hängt vorrangig von der Größe des Ausschusses sowie davon ab, welche Möglichkeiten der Berufung der einzelnen Mitglieder bestehen. Denknotwendig sind für alle im Ausschuss vertretenen Gruppen (Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Lehrer) Stellvertreter zu bestellen, nicht aber persönlich für jedes einzelne Ausschussmitglied (vgl. auch Ausschussbericht BT-Drucks. V/4260 zu § 37 Abs. 2 BBiG 1969). Die zuständige Stelle muss vor der Berufung der Stellvertreter deren Eignung nach § 40 Abs. 1 S. 2 BBiG prüfen. Der Grundsatz der paritätischen Besetzung des Ausschusses verpflichtet die zuständige Stelle nicht, für jede Gruppe eine gleiche Anzahl von Vertretern zu berufen. Die Zahl der Stellvertreter muss auch nicht derjenigen der Ausschussmitglieder entsprechen. Es können mehr, aber auch weniger Stellvertreter sein. Grundsätzlich ist eine Stellvertretung immer nur innerhalb derselben Gruppe möglich (Leinemann/Taubert, BBiG, 2. Aufl. 2008, § 40, Rn. 38 ff. – beck-online).
Nach Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung sowie der vorgelegten Liste verfügt diese über einen umfangreichen Stellvertreterpool mit 33 Stellvertretern: sieben Arbeitgeberbeauftragte, sechs Arbeitnehmerbeauftragte und 19 aus der Gruppe Berufsschullehrer/Dozent.
Der Eintritt eines Stellvertreterfalles führt dazu, dass einer oder mehrere der grundsätzlich zur Bewertung der Prüfungsleistung berufenen Prüfer (d.h. Regelmitglieder) vertreten werden können und der Prüfungsausschuss folglich trotz einer anderen Zusammensetzung als der Regelbesetzung ordnungsgemäß über die ihm vorliegenden Prüfungsleistungen beschließen kann. Der im jeweiligen Einzelfall zur Entscheidung berufene Prüfungsausschuss setzt sich somit stets aus den in dieser Prüfungsausschusssitzung zusammengekommenen Prüfern zusammen. Sobald die Stellvertreter ordnungsgemäß, d.h. bei Vorliegen eines Stellvertreterfalles, geladen wurden, werden sie in der jeweiligen Prüfungsausschusssitzung zu den berufenen Prüfern. Dies folgt aus § 22 Abs. 1 FPO, der inhaltlich dem § 42 BBiG entspricht, wonach jedes Mitglied des Prüfungsausschusses jede Prüfungsleistung selbstständig zu bewerten hat. Dies können nur die an der jeweiligen Sitzung des Prüfungsausschusses teilnehmenden Mitglieder sein, denn diese fassen den Beschluss u.a. über die Bewertung der einzelnen Prüfungsleistung (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 FPO).
Daraus folgt, dass die zuständige Stelle bei der Ladung des Prüfungsausschusses zur jeweiligen Prüfungsausschusssitzung unter Beachtung des Grundsatzes, dass die Regelmitglieder grundsätzlich die zur Bewertung berufenen Prüfer sind, nur bei einer tatsächlichen oder rechtlichen Verhinderung des Regelmitglieds auf einen Stellvertreter zurückgreifen darf, wobei sie hier keine feste Reihenfolge einhalten muss. Daher erscheint auch die in der mündlichen Verhandlung geschilderte Praxis der Beklagten, bei Verhinderung eines Regelmitglieds die Stellvertreterliste „abzutelefonieren“, unproblematisch.
Auch wenn es für die Heranziehung eines oder mehrerer Stellvertreter keine konkreten gesetzlichen Vorgaben gibt, führt die Prüfereigenschaft der in der Prüfungsausschusssitzung tatsächlich zusammengekommenen Mitglieder dazu, dass der Eintritt eines Stellvertreterfalles nicht beliebig gehandhabt werden kann, denn ein Stellvertreter darf nur im Fall der Verhinderung des ordentlichen Mitglieds tätig werden (BeckOK ArbR/Hagen BBiG § 40 Rn. 1, beck-online). Die Vertreter wirken demnach nur bei Verhinderung eines ordentlichen Ausschussmitgliedes mit, wenn dieses also aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an der Teilnahme gehindert ist.
Aus dem Vorgenannten folgt, dass eine zulässige und ordnungsgemäße Stellvertretung – mit der Folge einer ordnungsgemäßen Besetzung des Prüfungsausschusses – nur dann vorliegen kann, wenn das eigentlich zur Entscheidung berufene Prüfungsausschuss(regel) mitglied aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen verhindert ist. Dies ist grundsätzlich von der zuständigen Stelle festzustellen, bevor ein Stellvertreter herangezogen wird. Eine Dokumentation der Verhinderung ist gesetzlich nicht vorgesehen, erschiene jedoch zweckmäßig, da dies für den Fall einer späteren Prüfungsanfechtung die Überprüfung der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des jeweiligen Prüfungsausschusses ohne weiteres möglich macht.
2.3. Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass bei den Regelmitgliedern H B und F -W R ein tatsächlicher Verhinderungsgrund bestanden hat, sodass das Tätigwerden von Stellvertretern für diese beiden Regelmitglieder zulässig und geboten war. Für das Regelmitglied L wurde jedoch bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung kein Verhinderungsgrund dargelegt, sodass der Einsatz eines Stellvertreters unzulässig war, mit der Folge, dass der Prüfungsausschuss in seiner Sitzung am 21. Juni 2017 nicht ordnungsgemäß besetzt war und der Beschluss über die Prüfungsleistungsbewertung des Klägers nicht ordnungsgemäß gefasst werden konnte. Da bei Mitwirkung eines nicht berufenen Prüfers nicht auszuschließen ist, dass sich dies auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt hat, handelt es sich um einen beachtlichen Verfahrensmangel, der die Rechtswidrigkeit des Notenbescheids vom 22. Juni 2017 bedingt.
2.3.1. Auf Nachfrage des Gerichts hat die Beklagte unbestritten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Prüfer B und R urlaubsbedingt an einer Teilnahme an der Prüfungsausschusssitzung am 21. Juni 2017 verhindert gewesen waren. Dies hat die Beklagte nach eigener Aussage im Nachgang durch Kontaktaufnahme mit den Prüfern erfahren. Eine Dokumentation in Zusammenhang mit der Erforderlichkeit von Stellvertretungen findet nach Angaben der Beklagten nicht statt. Auch wenn eine andere Herangehensweise möglicherweise zweckmäßiger wäre, führt die fehlende Dokumentation jedenfalls nicht bereits zur Unzulässigkeit einer Stellvertretung. Aufgrund der Einlassungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung sieht das Gericht keinen Anlass, an diesem Vorbringen der Beklagten zum Verhinderungsgrund der beiden Prüfer zu zweifeln.
Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten wird man bei der ehrenamtlichen Tätigkeit der Prüfer keine strengeren Maßstäbe an eine Verhinderung anlegen können als an eine reguläre arbeitsrechtliche Verpflichtung, sodass neben einer krankheitsbedingten Abwesenheit auch Urlaub zweifelsfrei zu einer tatsächlichen Verhinderung führt. Da es sich vorliegend um eine ehrenamtliche Tätigkeit handelt, welche die Prüfer in der Regel zusätzlich zu einer (Voll-)Erwerbstätigkeit wahrnehmen, wird es dieser Umstand gebieten, auch kollidierende berufliche (Einzel-)Termine als Verhinderungsgründe anzuerkennen. Ein strengerer Maßstab – wie beispielsweise der des § 227 Abs. 1 ZPO – erscheint bei der hier in Frage stehenden ehrenamtlichen Prüfertätigkeit weder sachgerecht noch angemessen. Dies gilt umso mehr, als Stellvertreterfälle bereits vom Gesetz vorgesehen sind und die bestellten Stellvertreter ebenfalls als Prüfer geeignet, d.h. insbesondere sachkundig, sein müssen.
Folglich sieht das Gericht die zwei Regelmitglieder B und R , welche aufgrund einer urlaubsbedingten Abwesenheit nicht an der Prüfungsausschusssitzung am 21. Juni 2017 teilnehmen konnten, als verhindert an, sodass hier ein Stellvertretungsfall nach § 2 Abs. 8 FPO ausgelöst wurde. Die stattdessen anwesenden Stellvertreter stammten aus der jeweiligen Gruppierung (Arbeitnehmerbeauftragter bzw. Berufsschullehrer/Dozent), eine individuelle Stellvertretung ist gerade nicht erforderlich. Nachdem sonstige Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich sind, war der Einsatz von Stellvertretern für die Regelmitglieder B und R ordnungsgemäß.
2.3.2. Das Gericht sieht jedoch den Prüfer L mangels hinreichender Darlegung eines Verhinderungsgrundes nicht als verhindert an, sodass hier kein Stellvertreterfall vorgelegen hat, mit der Folge, dass der Einsatz eines Stellvertreters aus der Gruppe der Arbeitnehmervertreter unzulässig war.
Auch auf mehrmalige Nachfrage des Gerichts wurde nicht hinreichend konkret dargelegt, weshalb dem Prüfer L die Teilnahme an der Prüfungsausschusssitzung am 21. Juni 2017 nicht möglich gewesen sein sollte. Nachdem ein Stellvertreter nur im Fall der Verhinderung des ordentlichen Mitglieds tätig werden darf (BeckOK ArbR/Hagen, 49. Ed. 1.9.2018, BBiG § 40 Rn. 3), da grundsätzlich die Regelmitglieder die zur Leistungsbewertung berufenen Prüfer sind (s.o.), ist der Einsatz eines Stellvertreters mit der Folge einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Prüfungsausschusses ausschließlich bei Vorliegen eines tatsächlichen Verhinderungsfalles zulässig. Die Ausführungen der Beklagten beschränkten sich vorliegend auf den pauschalen Verweis auf einen beruflichen Aufstieg des Prüfers L , der nunmehr zuständig für Unternehmensfilialen im gesamten süddeutschen Raum sei, was zu überregionalen Einsätzen und damit seiner Abwesenheit führe. Nachdem die Beklagte gleichzeitig in der mündlichen Verhandlung angab, dass diese berufsbedingte Veränderung des Herrn L jedenfalls nicht zu einer Abberufung als Prüfer aus dem Prüfungsausschuss (als Regelmitglied) führt, ist davon auszugehen, dass Herr L grundsätzlich weiterhin in der Lage ist, seine Tätigkeit als Regelmitglied des Prüfungsausschusses und damit als Prüfer wahrzunehmen. Deshalb vermag der pauschale Verweis auf eine berufliche Veränderung und überregionale Tätigkeit eines Prüfers nicht dessen tatsächliche Verhinderung im konkreten Einzelfall zu begründen. Der zum Regelmitglied berufene Prüfer hat im Rahmen seines Prüferamtes Verpflichtungen übernommen, deren Nichtwahrnehmung nur durch eine tatsächliche oder rechtliche Verhinderung entschuldigt werden kann, denn nur eine solche rechtfertigt den Einsatz eines Stellvertreters (s.o.). Eine konkrete Verhinderung des Prüfers L für den Termin am 21. Juni 2017 konnte nicht aufgezeigt werden und erschließt sich auch nicht, da weder dargelegt noch ersichtlich ist, weshalb die Teilnahme an dieser konkreten Prüfungsausschusssitzung dem Prüfer L nicht möglich oder jedenfalls nicht zumutbar gewesen sein sollte. Die Beklagte konnte hierzu keine näheren Angaben machen. Dies hat jedoch zur Folge, dass die Beklagte ohne Nachweis eines tatsächlichen Verhinderungsfalles einen Stellvertreterfall angenommen hat. Dies ist jedoch nicht zulässig, da ansonsten sich die Beklagte tatsächlich beliebig aus ihrem umfangreichen Stellvertreterpool bedienen könnte, was jedoch zu einer nicht ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Prüfungsausschusses führt.
2.3.3. Da jeder Prüfer sich ein eigenständiges Urteil über die Leistung des Prüflings zu bilden hat, auf dessen Grundlage anschließend die gemeinsame Bewertungsentscheidung ergeht (§ 22 Abs. 1 FPO), führt ein Verstoß gegen die Vorschriften zur Zusammensetzung zwangsweise zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung insgesamt. Jeder der beteiligten Prüfer muss die Leistung des Prüflings insoweit selbst, unmittelbar und vollständig beurteilen, wie er zu einer eigenverantwortlichen Entscheidung berufen ist, vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 FPO. Nachdem vorliegend das Prüfungsergebnis durch den Ausschuss als Kollegialorgan mittels eines Beschlusses festgesetzt wird (§ 22 Abs. 1 Satz 2 und 3 FPO), an dem alle anwesenden Prüfer mitwirken, wird sich die Mitwirkung eines unzuständigen Prüfers stets auf das Endergebnis auswirken. Denn es ist nicht auszuschließen, dass ein anderer Prüfer die Prüfungsleistung anders beurteilt hätte, was automatisch Auswirkungen auf die Beschlussfassung nach sich zieht. Der Beschluss vom 21. Juni 2017 sowie der Notenbescheid vom 22. Juni 2017 waren demnach rechtswidrig. Dies kann auch nicht nachträglich im Widerspruchsverfahren geheilt werden, denn es ist unmöglich, festzustellen, ob und inwieweit der „falsche“ Prüfer mit seiner persönlichen Leistungsbewertung der Prüfung im Rahmen der Beratung und Beschlussfassung des Prüfungsausschusses als Kollegialorgan auf das Bewertungsergebnis, d.h. den Beschluss, Einfluss genommen hat. Folglich gibt es keinen klar ein- und abgrenzbaren Fehler, der isoliert und nachträglich beseitigt werden könnte, da der Vorgang der endgültigen Leistungsbewertung im Rahmen einer Kollegialentscheidung abläuft, bei der zusätzlich ein prüfungsrechtlicher Beurteilungsspielraum eröffnet ist. Da somit feststeht, dass sich die Teilnahme eines unzuständigen Prüfers immer auf das Ergebnis auswirkt, handelt es sich hierbei um einen beachtlichen Fehler, der schon das Zustandekommen einer ordnungsgemäßen Bewertung ausschließt und eine Neubewertung erforderlich macht.
2.4. Da wie bereits oben dargelegt die schriftliche Prüfungsarbeit nach wie vor vorhanden ist und Fehler im Zustandekommen der zu bewertenden Prüfungsleistung weder dargelegt noch ersichtlich sind, kommt nur eine Neubewertung dieser Prüfungsleistung in Frage. Liegt der Mangel in der Nichtbeachtung von Normen, die die Bewertung der Prüfungsleistung verfahrensmäßig gestalten, erstreckt sich die Neubewertung auf die Einhaltung aller, auch der bisher verletzten Verfahrensgebote (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 684). Damit hat die Beklagte die Prüfungsleistung des Klägers neu bewerten zu lassen und zwar durch den Prüfungsausschuss in der Zusammensetzung, wie er grundsätzlich zur Entscheidung berufen ist, nämlich durch die Regelmitglieder. Dies schließt nach dem oben Gesagten jedoch nicht aus, dass bei ggf. zulässigen bzw. ordnungsgemäßen Stellvertretungen der Prüfungsausschuss auch in einer abweichenden Zusammensetzung zusammen kommen kann.
Der Notenbescheid vom 22. Juni 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2017 war daher aufzuheben und dem berufenen Prüfungsausschuss, d.h. dem Ausschuss in seiner Regelbesetzung, zur Neubewertung zurückzuverweisen.
3.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Sorge einer möglichen Befangenheit der Prüfer geäußert hat, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Bei einer Neubewertung der Prüfungsleistung müssen die Grundlagen der prüfungsspezifischen Wertung im Wesentlichen konstant bleiben. Dem Prüfling dürfen aufgrund Art. 3 Abs. 1 GG daraus, dass seine Leistung neu zu bewerten ist, gegenüber den Mitprüflingen prinzipiell weder Vor- noch Nachteile erwachsen. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass eine Gefahr der Ungleichbehandlung des Klägers zu befürchten wäre, und es wurden auch keine Anhaltspunkte seitens des Klägers dargelegt. Außer seiner (rein subjektiven) Besorgnis, die den Kläger scheinbar aufgrund seiner persönlichen Vorstellungen oder Mutmaßungen ohne vernünftigen und objektiv fassbaren Grund bewegt, wurde nichts Konkretes vorgetragen, aus dem sich ergeben könnte, dass die Prüfer die notwendige Distanz und sachliche Neutralität nicht aufbringen könnten. Der Umstand allein, dass ein Prüfer erneut eine Prüfungsleistung beurteilen muss, weil eine erste Beurteilung durch gerichtliche Entscheidung als fehlerhaft beanstandet worden ist, führt nicht dazu, dass dieser Prüfer nunmehr als voreingenommen anzusehen sei (Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 3. Aufl. 2007, S. 141 m.w.N.). Es bestand daher kein Anlass, die bisher mit der Prüfungsleistung befassten Prüfer von der Neubewertung auszuschließen.
Auch wenn es für das vorliegende Verfahren nicht (mehr) darauf ankommt, sei ergänzend vorsorglich angemerkt, dass das Gericht erhebliche Zweifel hat, ob die Prüfungsanmerkungen der Korrektoren in der Prüfungsarbeit selbst in Verbindung mit dem bloßen Vermerk der erreichten Punkte als ausreichende Begründung einer Bewertung hätten angesehen werden können. Grundsätzlich soll die Bewertung der schriftlichen Prüfungsleistung schriftlich, unter dem Hinweis auf die für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkte, zumindest kurz, aber verständlich begründet sein. Vorliegend finden sich in der gesamten Prüfungsarbeit des Klägers neben der in der Teilaufgabe jeweils erreichten Punktzahl lediglich sechs kurze, stichpunktartige Randanmerkungen, ansonsten lediglich Häkchen und einige Unterstreichungen bzw. Umkreisungen. Ein Fazit bzw. eine abschließende Bemerkung fehlt. Aus diesen Korrekturanmerkungen geht jedenfalls nicht eindeutig nachvollziehbar hervor, woraus sich (im Wesentlichen) die im Ergebnis mangelhafte Beurteilung des Klägers ergibt. Im Rahmen der schriftlichen Begründung kommt naturgemäß der Musterlösung wesentliche Bedeutung zu, da sich aus ihr der an alle Prüflinge angelegte bzw. anzulegende Bewertungsmaßstab ersehen lässt. Sofern es eine Musterlösung oder zumindest Lösungshinweise gibt, wäre es ausreichend, wenn neben der konkreten Punktevergabe mit ggf. einzelnen Anmerkungen – wie hier – ansonsten auf eine Musterlösung verwiesen werden kann. Dies setzt jedoch zwingend voraus, dass diese Musterlösung dem Prüfling zumindest zur Einsichtnahme zur Verfügung steht, damit dieser seine eigenen Antworten mit dem jeweils Geforderten abgleichen kann. Da vorliegend nach Angabe der Beklagten die Musterlösung bzw. Lösungshinweise gerade nicht an die Prüflinge ausgegeben werden, hätte bei der hier durchgeführten Bewertungsbegründung der ausschließliche Verweis auf die in der Prüfungsarbeit – sehr spärlich – enthaltenen Korrekturanmerkungen wohl nicht ausgereicht.
4.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Gemäß § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO war im vorliegenden Fall die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren und damit die Erstattungsfähigkeit seiner Gebühren und Auslagen zu bejahen.
Zwar hat der Bundesgesetzgeber mit dem Wortlaut des § 80 Abs. 2 VwVfG und § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO zum Ausdruck gebracht, dass im Vorverfahren eine Vertretung des Widerspruchsführers durch Rechtsanwälte oder sonstige Bevollmächtigte in der Regel weder üblich noch erforderlich ist (vgl. die Begründung zu § 159 Abs. 2 VwGO, dem späteren § 162 Abs. 2 VwGO, dem § 80 Abs. 2 VwVfG nachgebildet worden ist, BT-Drucks. III/55 S. 48). Beide Vorschriften gehen bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren von einer Einzelfallprüfung aus. Danach ist die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte. Notwendig ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts nach § 80 Abs. 2 VwVfG bzw. Art. 80 Abs. 2 BayVwVfG dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten ist, das Vorverfahren selbst zu führen (st. Rspr; statt vieler nur BVerwG, U.v. 26.1.1996 – 8 C 15.95). Vorliegend ist festzustellen, dass es dem Kläger aufgrund seiner persönlichen Kenntnisse und Erfahrungen und im Hinblick auf die rechtlichen und tatsächlichen Probleme des Falls nicht zuzumuten war, seine Rechte gegenüber der Beklagten ohne einen Bevollmächtigten wahrzunehmen. Gerade die rechtlichen Anforderungen an einen ordnungsgemäß besetzten Prüfungsausschusses sowie etwaiger zulässiger Stellvertretung sind nicht einfach zu klären. Dies gilt umso mehr als vorliegend die anzuwendende Rechtsgrundlage – die FPO der Beklagten – hierzu keine Aussage trifft.
5.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Nachdem der Kläger mit seinem Hauptantrag, der auf die Zulassung des Klägers zur erneuten Wiederholungsprüfung ohne Anrechnung auf die Wiederholungsmöglichkeit gerichtet war, unterlegen ist, erachtet das Gericht es unter Würdigung des Streitgegenstandes für angemessen, ihm ein Drittel der Kosten aufzuerlegen, sodass die Beklagte zwei Drittel der Kosten zu tragen hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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