Verwaltungsrecht

Auslegung des Anforderungsprofils in Stellenausschreibung

Aktenzeichen  3 CE 18.299

Datum:
8.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 4370
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
GG Art. 33 Abs. 2
BGB § 133

 

Leitsatz

1. Inhalt und Bindungswirkung eines in einer Stellenausschreibung enthaltenen konstitutiven Anforderungsprofils sind durch eine entsprechend § 133 BGB am objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber orientierte Auslegung zu ermitteln. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Welche Dienstposten der Dienstherr einrichtet, welche Zuständigkeiten er diesen zuweist und welche Fachkenntnisse er zur Erfüllung der daraus resultierenden Aufgaben und Funktionen für erforderlich hält, obliegt seinem Organisationsermessen, das nur auf sachfremde Erwägungen hin überprüfbar ist. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 5 E 17.712 2018-01-15 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 14.908,59 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht, auf dessen Sachverhaltsdarstellung in dem angefochtenen Beschluss verwiesen wird, hat den Antrag nach § 123 VwGO,
dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, den Dienstposten als Leiter des Kommissariats 3 (Vermögens- und Wirtschaftskriminalität) bei der KPI P. (A 12/13) zu besetzen, bevor nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden worden ist,
zu Recht abgelehnt, weil der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat, so dass das Bestehen eines Anordnungsgrundes offen bleiben kann.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner den Beigeladenen, der als Kriminalhauptkommissar (BesGr A 12) als stv. Leiter des Kommissariats 2 (Allgemeine Delikte Eigentum und Vermögen) bei der KPS D. beschäftigt ist, und nicht den Antragsteller, der als Kriminalhauptkommissar (BesGr A 12) als Sachbearbeiter 3. QE (Vermögens- und Wirtschaftskriminalität) im Kommissariat 3 der KPI B. tätig ist, für die Besetzung des streitgegenständlichen Dienstpostens ausgewählt hat. Da beide Bewerber das durch den Antragsgegner aufgestellte zulässige konstitutive Anforderungsprofil für die ausgeschriebene Stelle erfüllen würden, habe dieser rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass der Beigeladene einen Leistungsvorsprung gegenüber dem Antragsteller habe, weil er in der aktuellen dienstlichen Beurteilung 2015 ein um einen Punkt besseres Gesamturteil (13 Punkte gegenüber 12 Punkten) erzielt habe. Hiergegen ist nichts zu erinnern.
1. Das Verwaltungsgericht ist hierbei zutreffend davon ausgegangen, dass die in der Stellenausschreibung vom 29. Juli 2016 festgelegten Voraussetzungen („Bewerben können sich ausschließlich Beamtinnen/Beamte des Polizeivollzugs- oder Wirtschaftskriminaldienstes mit einer Qualifikation für Ämter der 3. Qualifikationsebene, die besondere Fachkenntnisse erworben haben. Nachgewiesen werden diese durch eine mindestens vierjährige Verwendung in Ämtern der 3. Qualifikationsebene in einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsdienststelle (Wirtschaftsdelikte, Vermögensdelikte, Vermögensabschöpfung) oder in einer ausgewiesenen Funktion als Wirtschaftskriminalist. Diese Verwendung darf nicht länger als acht Jahre beendet sein.“) ein konstitutives Anforderungsprofil beinhalten. Hiergegen bestehen – auch aus Sicht des Antragstellers – keine rechtlichen Bedenken, da die Wahrnehmung der Aufgaben des streitgegenständlichen Dienstpostens besondere Fachkenntnisse voraussetzt, die andere Bewerber regelmäßig nicht mitbringen und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung nicht verschaffen können (vgl. BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 31).
Nach zutreffender Ansicht des Verwaltungsgerichts erfüllt auch der Beigeladene das Anforderungsprofil. Inhalt und Bindungswirkung eines in einer Stellenausschreibung enthaltenen konstitutiven Anforderungsprofils sind durch eine entsprechend § 133 BGB am objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber orientierte Auslegung zu ermitteln (BVerwG, B.v. 20.6.2013 a.a.O. Rn. 32). Diesbezüglich ist es nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht den Ausschreibungstext anhand des objektiv erkennbaren Erklärungsinhalts so verstanden hat, dass zum Nachweis der geforderten besonderen Fachkenntnisse eine mindestens vierjährige Verwendung in Ämtern der 3. QE in einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsdienststelle im Bereich Wirtschaftsdelikte, Vermögensdelikte oder Vermögensabschöpfung ausreicht und keine Verwendung im Rahmen einer bestimmten Tätigkeit in jedem Bereich gefordert wird. Entgegen der Behauptung des Antragstellers gibt es auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Anforderungen nur durch die (überwiegende) Verwendung im Bereich der Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten i.S.d. § 74c GVG bei einer hiermit speziell betrauten Schwerpunkt-KPI erfüllt werden könnten. Vielmehr bestehen die einzelnen Verwendungsmöglichkeiten gleichrangig nebeneinander. Demgemäß erfüllt auch der Beigeladene aufgrund seiner Tätigkeit bei der KPS D. als einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsdienststelle die geforderten Voraussetzungen, da er dort seit 2012 v.a. Vermögensdelikte und seit 2015 Geldfälschungsdelikte bearbeitet hat.
2. Die hiergegen innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen nicht zum Erfolg der Beschwerde.
Soweit der Antragsteller meint, dass der Begriff der „Besonderen Fachkenntnisse“ nur so verstanden werden könne, dass es sich um Kenntnisse handeln müsse, die sich ein Beamter mit der entsprechenden (Fach-) Laufbahnbefähigung gerade nicht innerhalb einer angemessenen und erforderlichen Einarbeitungszeit, sondern nur durch eine intensivere und zeitlich längere fachliche Befassung mit der einschlägigen Spezialmaterie verschaffen könne, was regelmäßig nur in Dienststellen möglich sei, die ganz überwiegend solche Delikte bearbeiten würden, ist dieser Schluss nicht zwingend. Auch wenn die Bearbeitung von Vermögens- und Wirtschaftskriminalität vorwiegend durch die Kommissariate 3 erfolgen mag, schließt dies nicht aus, dass die erforderlichen Fachkenntnisse auch in anderen kriminalpolizeilichen Ermittlungsdienststellen wie der KPS D. erworben werden können. Daran ändert nichts, dass vorliegend die Stelle des Leiters des Kommissariats 3 (Vermögens- und Wirtschaftskriminalität) bei der KPI P. zu besetzen ist. Welche Dienstposten der Dienstherr einrichtet, welche Zuständigkeiten er diesen zuweist und welche Fachkenntnisse er zur Erfüllung der daraus resultierenden Aufgaben und Funktionen für erforderlich hält, obliegt seinem Organisationsermessen, das nur auf sachfremde Erwägungen hin überprüfbar ist (vgl. BVerwG, B.v. 12.12 2017 – 2 VR 2.16 – juris Rn. 40). Insoweit setzt der Antragsgegner in der Ausschreibung in nach Nr. 1.1 RBestPol zulässiger Abweichung von Nr. 2.7.2.1 Buchst. a) RBestPol i.V.m. Anlage 2 hier aber gerade keine mindestens dreijährige kriminalpolizeiliche Tätigkeit bei einem Kommissariat 3 voraus. Auch der Hinweis auf die Stellenausschreibung Nr. 3 vom 15. Februar 2018 geht fehl, da die dort unter Nr. 1.1 genannte Stelle als stv. Kommissariatsleiter/in K 72 (Wirtschaftsdelikte/Großverfahren) im Bereich des Polizeipräsidiums M. nach dem Ausschreibungstext von vornherein nicht mit der streitgegenständlichen Stelle als Kommissariatsleiter/in K 3 (Vermögens- und Wirtschaftskriminalität) bei der KPI P. im Bereich des Polizeipräsidiums N. vergleichbar ist. Deshalb kann der Antragsteller auch nichts daraus herleiten, dass für die von ihm in Bezug genommene Stelle eine mindestens vierjährige Verwendung in einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsstelle, in der ganz überwiegend Wirtschaftsdelikte, Vermögensdelikte, Geldwäschedelikte, Vermögensabschöpfung bearbeitet werden (u.a. Kommissariate 3 Vermögens- und Wirtschaftskriminalität), vorausgesetzt wird.
Soweit der Antragsteller behauptet, dass laut Ausschreibung nicht nur besondere Fachkenntnisse im Bereich Vermögensdelikte, sondern auch im Bereich Wirtschaftsdelikte gefordert würden, setzt er sich nicht mit der zutreffenden Begründung des Verwaltungsgerichts auseinander, wonach eine Verwendung in mindestens einem der drei genannten Bereiche als ausreichend anzusehen ist. Im Übrigen wird in der Ausschreibung auch nicht verlangt, dass eine Verwendung im Bereich der speziellen Wirtschaftsdelikte i.S.d. § 74c GVG erfolgt ist. Hierfür gibt es in der Ausschreibung keinen Anhaltspunkt. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Organisationsverfügung des Bayer. Staatsministeriums des Innern vom 18. April 2002 (Gz. IC5-2702-17 HT). Diese stellt lediglich klar, dass die Regelungen für die Bearbeitung von Wirtschaftsdelikten durch Schwerpunkt-KPI für alle in § 74c GVG aufgeführten Tatbestände gelten, besagt aber nicht, dass das Anforderungsprofil nur durch eine überwiegende Verwendung im Bereich der Wirtschaftsdelikte i.S.d. § 74c GVG erfüllt werden kann. Darüber hinaus hat der Beigeladene im Rahmen seiner Verwendung bei der KPS D. nicht nur (allgemeine) Vermögensbzw. Geldfälschungsdelikte bearbeitet, sondern größtenteils sog. K3-Delikte, darunter auch spezielle Wirtschaftsstraftaten i.S.d. § 74c GVG wie Kreditbetrug, Computerbetrug, Subventionsbetrug, Anlagebetrug, Insolvenzverschleppung und Verstöße gegen das UWG bzw. HGB.
3. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen. Da der Beigeladene im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, wenn er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 bis 4 GKG und Nr. 1.4 des Streitwertkatalogs 2013 und beträgt 1/4 des sich danach errechnenden Jahresbetrags (wie Vorinstanz).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben