Verwaltungsrecht

Aussetzung der Abschiebung, Suizidgefahr (hier: verneint)

Aktenzeichen  10 CE 21.1969

Datum:
26.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22495
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60a Abs. 2, Abs. 2c, Abs. 2d

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 24 E 21.3903 2021-07-23 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) seine für den 27. Juli 2021 vorgesehene Abschiebung vorläufig zu untersagen.
Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen seiner Prüfung eines Anspruchs auf Duldung (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) festgestellt, dass die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit des Antragstellers (§ 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG) nicht durch die von ihm vorgelegte ärztliche Bescheinigung (“vorläufiger Entlassungsbericht”) vom 15. Juli 2021 widerlegt ist. Laut diesem Attest sei der Antragsteller in stabilisiertem psychischen und physischem Zustand entlassen worden und habe Suizidgedanken klar verneint. Später habe er auch gegenüber dem Anstaltsarzt der Abschiebehaftanstalt Suizidgedanken eindeutig verneint. Im Übrigen bestünde selbst bei Annahme einer nicht völlig auszuschließenden Suizidgefahr nicht zwangsläufig ein krankheitsbedingtes Abschiebehindernis; vielmehr sei in einem solchen Fall die Ausländerbehörde gehalten, die Abschiebung durch flankierende Maßnahmen so zu gestalten, dass einer eventuellen Suizidgefahr wirksam begegnet werden könne. Der Antragsgegner habe überzeugend vorgetragen, dass etwaigen selbstgefährdenden Handlungen während der Abschiebungsmaßnahme durch die Organisation medizinischer und Sicherheitsbegleitung entgegengewirkt werde.
Der Antragsteller hat hiergegen Beschwerde eingelegt mit dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antragsgegner zu verpflichten, Abschiebemaßnahmen gegen den Antragsteller einzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die vom Antragsteller in seiner Beschwerde dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof in seiner Prüfung beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben.
Es ist dabei schon zweifelhaft, ob das Beschwerdevorbringen den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entspricht, da es sich nicht hinreichend mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt und nicht ausreichend deutlich wird, mit welchen Gründen dessen tatsächliche und rechtliche Erwägungen in Frage gestellt werden sollen.
Jedenfalls ist die Beschwerde in der Sache nicht begründet.
Der vom Antragsteller selbst vorgelegte “Vorläufige Entlassungsbericht” der kbo-L. M2. Klinik L. a. L. vom 15. Juli 2021 bescheinigt eine Entlassung “in stabilisiertem psychischen und physischen Zustand” und stellt fest: “Suizidgedanken wurden vom Patienten klar verneint.” Der Antragsteller kann also mit dieser ärztlichen Unterlage keine Suizidgefahr, aus der ein Abschiebungshindernis abgeleitet werden könnte, schon nicht glaubhaft machen (s. § 60a Abs. 2c AufenthG). Diese auch vom Verwaltungsgericht vorgenommene Bewertung wird vom Beschwerdevorbringen gar nicht in Frage gestellt.
Nichts anderes ergibt sich auch aus der Mitteilung des Antragsgegners, der Antragsteller habe auch gegenüber dem Anstaltsarzt der Abschiebehafteinrichtung (JVA Eichstätt; vom Verwaltungsgericht wiedergegeben als JVA Weilheim) “erneut Suizidgedanken eindeutig verneint”. In der Beschwerdebegründung wird festgehalten, dass dazu keine Stellungnahme abgegeben werden könne; somit kann auch insoweit keine Suizidgefahr hergeleitet werden. Daher bestand auch kein Grund, seitens des Senats weitere Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen und beispielweise eine Auskunft des Anstaltsarztes einzuholen.
Gemäß § 60a Abs. 2d Satz 1 AufenthG ist der Antragsteller verpflichtet, zur Glaubhaftmachung einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung nach § 60a Abs. 2c AufenthG unverzüglich vorzulegen; da er dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, darf sein Vortrag zu seiner Krankheit nicht berücksichtigt werden. Irgendwelche Gesichtspunkte dafür, dass der Antragsteller unverschuldet an der Einholung einer solchen ärztlichen Bescheinigung gehindert gewesen wäre oder dass anderweitige tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vorliegen (§ 60a Abs. 2d Satz 2 AufenthG), sind weder vom Antragsteller substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Soweit in der Beschwerdebegründung noch gerügt wird, es sei nicht klar, mit welchen flankierenden Maßnahmen die Abschiebung begleitet werde, um einer eventuellen Suizidgefährdung wirksam zu begegnen, richtet sich dieser Einwand nur gegen die “Hilfsbegründung” des Verwaltungsgerichts, das bereits die Glaubhaftmachung einer Suizidgefahr verneint hat (“… selbst bei Annahme einer nicht völlig auszuschließenden Suizidgefahr…”, BA S. 10 Rn. 26). Da der Senat ebenfalls der Auffassung ist, dass eine Suizidgefahr nicht glaubhaft gemacht ist und entsprechende Anhaltspunkte auch nicht vorliegen, sind diese Ausführungen nicht mehr entscheidungserheblich. Im Übrigen wird in der Stellungnahme der Ausländerbehörde im erstinstanzlichen Verfahren, auf die das Verwaltungsgericht verweist, ausführlich dargelegt, welche konkreten Maßnahmen gegebenenfalls vorgesehen sind. So werde der Antragsteller in der Abschiebehaftanstalt durch den Anstaltsarzt erneut medizinisch begutachtet, er befinde sich unter entsprechender Aufsicht und könne z.B. in einem geeigneten Haftraum untergebracht werden. Gegebenenfalls verordnete Medikamente würden ihm für 10 Tage mitgegeben werden. Es erfolge ein gesichertes Verbringen zum Flughafen; der Flug selbst werde von Ärzten begleitet, die auch mit einer Notfallmedikation umgehend behandelnd eingreifen könnten. Ferner werde der Antragsteller mit einem entsprechenden Handgeld ausgestattet, so dass ihm unter weiterer Inanspruchnahme von Eigenmitteln eine Weiterbehandlung im Heimatland möglich sei. Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsgegner noch mitgeteilt, dass die Rückgeführten im Heimatland den dortigen Behörden übergeben würden. Eine weitere Betreuung im Heimatland durch deutsche Ärzte oder Behörden ist, wie die Beschwerdebegründung offenbar meint, jedenfalls nicht erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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