Verwaltungsrecht

Aussetzung der Klage gegen die Entlassung aus dem Soldatenverhältnis bis zur Entscheidung im Disziplinarverfahren

Aktenzeichen  6 C 15.1364

Datum:
1.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 94
WDO WDO § 36 Abs. 1, § 145
SG SG § 55 Abs. 5

 

Leitsatz

Die Aussetzung einer Klage gegen die Entlassung aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit nach § 55 Abs. 5 SG wegen einer Dienstpflichtverletzung bis zur Entscheidung im Disziplinarverfahren wegen Vorgreiflichkeit ist nicht zu beanstanden, weil der Entscheidung im Disziplinarverfahren Bindungswirkung zukommt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21 K 13.5314 2015-06-15 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 15. Juni 2015 – M 21 K 13.5314 – wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtsbehelf des Klägers gegen die Entscheidung seines damaligen Disziplinarvorgesetzten vom 14. August 2013 auszusetzen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach § 94 VwGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
Voraussetzung für eine Aussetzung ist die Abhängigkeit der Entscheidung von jener, die in einem anderen Rechtsstreit zu treffen ist. Diese muss also vorgreiflich sein für die Entscheidung, die im auszusetzenden Verfahren ergehen soll. Das ist nur der Fall, wenn im anderen Verfahren über ein Rechtsverhältnis entschieden wird, dessen Bestehen für den vorliegenden Rechtsstreit präjudizielle Bedeutung hat. Für eine Aussetzung genügt es nicht, wenn die Feststellung des Rechtsverhältnisses in dem anderen Verfahren nicht im Rahmen einer rechtskraftfähigen Regelung erfolgt, sondern das Rechtsverhältnis dort seinerseits nur eine Vorfrage betrifft (vgl. VGH BW, B. v.7.1.2013 – 2 S 2189/12 – NVwZ-RR 2013, 622 m. w. N.).
Die Voraussetzung für eine Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit ist erfüllt. Der Kläger wendet sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gegen seine Entlassung aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit nach § 55 Abs. 5 SG. Die Rechtmäßigkeit der Entlassung setzt unter anderem voraus, dass der Kläger durch das ihm im Einzelnen zur Last gelegte ungenehmigte Fernbleiben vom Dienst seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt, also ein Dienstvergehen im Sinn des § 23 Abs. 1 SG begangen hat. Derselbe Vorwurf ist Gegenstand der Entscheidung des damaligen Disziplinarvorgesetzten vom 14. August 2013, gegen die der Kläger bislang noch nicht abschließend verbeschiedene Rechtsbehelfe eingelegt hat. Der Disziplinarvorgesetzte hat feststellt, dass der Kläger ein Dienstvergehen begangen habe, indem er an näher bezeichneten Tagen ohne Genehmigung dem Dienst ferngeblieben sei und sich vor Soldaten im Mannschaftsdienstgrad seiner Einheit damit gebrüstet habe, er wisse, wie man Urlaub spare; in Anbetracht der Entlassungsverfügung hat er von der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme abgesehen. Ein solches Absehen von einer Disziplinarmaßnahme im Rahmen des disziplinaren Ermessens nach § 36 Abs. 1 WDO zählt zu den Entscheidungen, die nach § 145 Abs. 2 WDO im Fall ihrer Wirksamkeit für die Beurteilung der vor einem Gericht geltend gemachten Rechte aus dem Dienstverhältnis bindend und mithin vom Verwaltungsgericht bei der Beurteilung der auf denselben Vorwurf gestützten Entlassungsverfügung zu beachten sind (vgl. Weiß in Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, Yt § 145 WDO Rn. 33). Während der Vorwurf des Dienstvergehens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren lediglich eine Vorfrage für die Rechtmäßigkeit der Entlassung darstellt, bildet er im disziplinarrechtlichen Verfahren den „eigentlichen“ Gegenstand und wird dort mit – in ihrem konkreten Umfang allerdings streitigen (vgl. BVerwG, U. v. 27.6.1984 – 6 C 78.82 – BVerwGE 69, 334/337 ff. und Weiß, a. a. O. Rn. 36 ff.) – Bindungswirkung entschieden. Die Entscheidung über die vom Kläger eingelegten Rechtsbehelfe im Disziplinarverfahren ist demnach vorgreiflich.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist auch unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die nach § 94 VwGO in das Ermessen des Gerichts gestellte Entscheidung, das Verfahren auszusetzen, ist vom Beschwerdegericht nur begrenzt, nämlich auf Ermessensfehler überprüfbar. Solche sind auch unter Berücksichtigung des Interesses an einem effektiven Rechtsschutz gegen die Entlassungsverfügung nicht ersichtlich. Da die Entscheidung im Disziplinarverfahren Bindungswirkung hat, durfte das Verwaltungsgericht eine Aussetzung für geboten erachten. Der Einwand des Klägers, die Entscheidung seines damaligen Disziplinarvorgesetzten vom 14. August 2013 sei bei dem Verwaltungsgericht erst nach Ablauf der nach § 87b VwGO gesetzten Frist eingegangen und deshalb präkludiert, geht schon deshalb fehl, weil sie dem Verwaltungsgericht von der Beklagten bereits frühzeitig als Bestandteil der Behördenakten vorgelegt worden war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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