Verwaltungsrecht

Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens

Aktenzeichen  10 C 20.1417

Datum:
16.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2021, 276
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 94

 

Leitsatz

1. Bestehen ernsthafte Zweifel an der Vorgreiflichkeit i.S.d. § 94 VwGO, ist der Aussetzungsbeschluss vom Beschwerdegericht bereits dann aufzuheben, wenn das Verwaltungsgericht sich mit diesen Zweifeln nicht auseinandergesetzt hat. (Rn. 27)
2. Umstände, die für das Ausgangsverfahren nicht entscheidungserheblich sind, können eine Vorgreiflichkeit im Sinne des § 94 VwGO nicht begründen. (Rn. 30)

Verfahrensgang

M 30 K 18.5358 2020-05-27 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Mai 2020 wird aufgehoben.

Gründe

I.
Der Kläger (Islamische Gemeinde N. … e.V.) wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts. Gegenstand des Klageverfahrens ist die Nennung des Klägers in den Verfassungsschutzberichten Bayern 2017, 2018 und 2019.
Streitgegenstand eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Berlin (VG 1 K 40.19) ist ein Unterlassungsbegehren des „Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V.“ ehemals „Islamische Gemeinde in Deutschland e.V.“ (im Folgenden: DMG/IGD) gegen die Bundesrepublik Deutschland anlässlich der Erwähnung des DMG/IGD im Verfassungsschutzbericht des Bundes 2017.
Der Kläger wurde im Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 wie folgt erwähnt:
„Mehrere zum Teil formell eigenständige „Islamische Zentren (IZ) sind der IG in Deutschland nachgeordnet. In Bayern sind dies die „Islamische Gemeinde N* …“ (IGN), ehemals „Islamisches Zentrum N* …“. […] in der IGN treten Mitglieder des Rates der Imame und Gelehrten in Deutschland e.V. (RIGD) auf.“
In den Verfassungsschutzberichten 2018 und 2019 wurde der Kläger wie folgt erwähnt:
„In Bayern werden […] und die „Islamische Gemeinde N* …“ (IGN) dem DMG/IGD zugerechnet. Sowohl […] als auch IGN haben Verbindungen zu DMG/IGD beziehungsweise MBnahen Organisationen/Personen.“
Der Kläger hatte am 2. November 2018 Klage erhoben und beantragte – entgegen der Darstellung im angefochtenen Beschluss – zuletzt (vgl. Schriftsatz vom 20.3.2020),
dem Beklagten zu untersagen:
die Islamische Gemeinde N* … e.V. im bayerischen Verfassungsschutzbericht zu erwähnen, so, wie geschehen im Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 auf S. 42 (und) so, wie geschehen im Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 auf S. 46.
zu behaupten oder zu verbreiten, die Islamische Gemeinde N* … e.V. sei der IGD in Deutschland nachgeordnet; und/oder in Bayern werde die Islamische Gemeinde N* … (IGN) der DMG/IGD zugerechnet; die IGN habe Verbindungen zur DMG/IGD bzw. MBnahen Organisationen.
Begründet wurde die Klage – soweit ersichtlich ausschließlich – mit der Behauptung, der Kläger sei dem DMG/IGD nicht nachgeordnet und habe keine Verbindungen zum DMG/IGD. Hierzu wurde umfassend vorgetragen und Beweis angeboten. Substanzielle Einwände gegen die Annahme, der DMG/IGD verfolge verfassungsfeindliche Bestrebungen, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen und regte bereits mit der Klageerwiderung vom 18. Februar 2019 an, das Verfahren im Hinblick auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin nach § 94 VwGO auszusetzen. Grundlage für die Nennung des Klägers im Verfassungsschutzbericht Bayern sei die Nennung des DMG/IGD im Verfassungsschutzbericht des Bundes.
Bereits mit Schriftsätzen vom 28. Februar 2019 und 24. April 2019 teilte der Kläger mit, dass mit einer Aussetzung des Verfahren kein Einverständnis bestehe. Streitgegenstand sei „die Frage, ob der Kläger in Zukunft im Bayerischen Verfassungsschutzbericht erwähnt werden darf und ob die Äußerung, er sei de(m) DMG/IGD in Deutschland nachgeordnet, zulässig ist“. Selbst wenn der DMG/IGD verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgte, besage dies nichts darüber, ob auch der Kläger das tue. Die Frage, ob der Kläger dem DMG/IGD nachgeordnet sei, hänge nicht davon ab, ob der DMG/IGD im Verfassungsschutzbericht des Bundes habe erwähnt werden dürfen, sie sei vielmehr unabhängig davon zu entscheiden. Der Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Berlin werde sich voraussichtlich jahrelang hinziehen. Dem Kläger sei nicht zuzumuten, so lange im Verfassungsschutzbericht erwähnt zu werden.
Nach telefonischer Mitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Februar 2020 an den Berichterstatter des Verwaltungsgerichts München sei im Verfahren VG 1 K 40.19 ins Auge gefasst, Termin zu mündlichen Verhandlung in der zweiten Jahreshälfte 2020 oder 2021 zu bestimmen.
Das Verwaltungsgericht hatte zunächst auf wiederholte Nachfrage des Klägers Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2020 bestimmt. Mit Verfügung vom 24. März 2020 teilte das Gericht den Beteiligten mit, dass eine Vertagung der mündlichen Verhandlung „im Hinblick auf die derzeitige Lage („Coronavirus“) (…) sehr wahrscheinlich“, das Gericht aber bemüht sei, anhängige Verfahren soweit möglich im schriftlichen Verfahren voranzutreiben. Deshalb (sic) ergehe der richterliche Hinweis, dass beabsichtigt sei, das Verfahren nach § 94 VwGO auszusetzen. Nach vorläufiger Rechtsauffassung des Gerichts sei die Klägerin dem DMG/IGD nachgeordnet. Damit bestehe Vorgreiflichkeit des den DMG/IGD betreffenden Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Den Parteien wurde Gelegenheit gegeben, hierzu innerhalb von vier Wochen Stellung zu nehmen. Noch vor Ablauf dieser Frist hob das Verwaltungsgericht den Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2020 mit Verfügung vom 7. April 2020 „umständehalber“ auf.
Mit Schriftsatz vom 9. April 2020 bat der Kläger, von einer Aussetzung abzusehen. Bei der Terminierung zum 28. Mai 2020 sei das Gericht davon ausgegangen, dass der Rechtsstreit entscheidungsreif sei, andernfalls wäre nicht terminiert worden. Der Beklagte gehe ausweislich der Klageerwiderung zutreffend davon aus, dass der Kläger mit der Äußerung, der Kläger sei dem DMG/IGD nachgeordnet, eine Tatsachenbehauptung angreife. Eine Aussetzung widerspreche der erklärten Absicht des Verwaltungsgerichts, das Verfahren voranzutreiben.
Mit Beschluss vom 27. Mai 2020 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem beim Verwaltungsgericht Berlin anhängigen Verfahren VG 1 K 40.19 ausgesetzt. Der Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Berlin sei für das vorliegende Verfahren vorgreiflich, da eine Erwähnung des Klägers im bayerischen Verfassungsschutzbericht unmittelbar mit der Erwähnung des DMG/IGD im Verfassungsschutzbericht des Bundes zusammenhänge und eine Nachordnung des Klägers „unter die Strukturen der ehemaligen IGD bzw. DMG“ nach derzeitiger Sachlage anzunehmen sei. Es bestünden jedenfalls hinreichende Verbindungen zwischen dem Kläger und dem DMG/IGD (wird ausgeführt).
Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2020 erhob der Kläger Beschwerde, der nicht abgeholfen wurde. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin sei für das vorliegende Verfahren nicht vorgreiflich. Unabhängig vom Verhalten des DMG/IGD sei entscheidungserheblich, ob der Kläger selbst verfassungsfeindlichen Bestrebungen nachgehe. Mit den Voraussetzungen einer Erwähnung im Verfassungsschutzbericht beschäftige sich der angegriffene Beschluss überhaupt nicht. Die Nachordnung des Klägers bzw. Verbindungen zwischen ihm und dem DMG/IGD sei nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Berlin. In der dortigen Klageerwiderung des Bundes werde der Kläger ein einziges Mal erwähnt. Das Verhalten des Klägers werde vom Bund nicht als Beleg für das Verhalten des DMG/IGD herangezogen, sodass auch insofern keine Feststellungen zu verfassungsfeindlichen Bestrebungen des Klägers zu erwarten seien. Das vorliegende Verfahren sei entscheidungsreif, sodass eine Aussetzung nicht mehr im Ermessen des Verwaltungsgerichts stehe. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin habe der dortige Kläger noch nicht einmal zur Klageerwiderung Stellung genommen. Eine rechtskräftige Entscheidung sei nicht vor Ablauf von fünf Jahren zu erwarten. Ein zu erwartender Stillstand des Verfahrens von fünf Jahren sei für den Kläger mit der Gefahr der Rechtsvereitlung verbunden.
Der Beklagte hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (vgl. zur Statthaftigkeit der Beschwerde gegen Beschlüsse nach § 94 VwGO etwa BayVGH, B.v. 22.8.2018 – 13a C 18.954 – juris Rn. 2 m.w.N.) und begründet.
Nach § 94 VwGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits ausgesetzt wird.
Die in dem anderen Verfahren anstehende Entscheidung muss für die im anhängigen Verfahren zu treffende Entscheidung vorgreiflich sein, also ein Rechtsverhältnis zum Gegenstand haben, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung im anhängigen Verfahren abhängt. Dabei braucht die andere Entscheidung das Prozessgericht nicht zu binden, vielmehr genügt jeder rechtliche Einfluss, auch etwa für die Beweiswürdigung (BayVGH, B.v. 26.11.2019 – 10 C 19.2267 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Ob bei Vorliegen der Voraussetzungen das Verfahren auszusetzen ist, steht im Ermessen des Gerichts; es kann die vorgreifliche Frage auch selbst beantworten. Das Ermessen ist nach dem Zweck der Vorschrift, divergierende Entscheidungen zu vermeiden, sowie nach Gesichtspunkten der Prozessökonomie auszuüben. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn das Prozessgericht an die vorgreifliche Entscheidung nach deren Ergehen rechtlich gebunden ist; sie muss erfolgen, wenn anders eine sachgerechte Entscheidung nicht möglich ist, etwa wenn es selbst an der Beantwortung der vorgreiflichen Frage rechtlich gehindert ist (BayVGH, B.v. 26.11.2019 – 10 C 19.2267 – juris Rn. 8 m.w.N.). Eine Aussetzung nach § 94 VwGO kommt vor dem Hintergrund des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) dagegen insbesondere dann nicht in Betracht, wenn ein Stillstand des Verfahrens für einen der Beteiligten mit der Gefahr der Rechtsvereitelung verbunden wäre (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 3 C 15.2578 – juris Rn. 13; B.v. 26.8.2016 – 7 C 16.1226 – juris Rn. 5).
Dem Beschwerdegericht obliegt dabei im Rahmen der Beschwerde nur die Nachprüfung, ob die Voraussetzungen der Aussetzung gemäß § 94 VwGO vorliegen und das Verwaltungsgericht sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat (BayVGH, B.v. 22.8.2018 – 13a C 18.954 – juris Rn. 3 m.w.N.; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 94 Rn. 41).
1. Unter Anwendung dieser Grundsätze führt bereits der Umstand, dass das Verwaltungsgericht nicht ausreichend begründet hat, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin für das vorliegende Verfahren vorgreiflich ist, zur Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses.
Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, anstelle des Verwaltungsgerichts die Prüfung der Vorgreiflichkeit vorzunehmen. Andernfalls würde die gesetzliche Reihenfolge der Instanzen dadurch verändert, dass das Beschwerdegericht in einem Zwischenstreit über die Aussetzung den gesamten Streitstoff beurteilen und dem Ausgangsgericht die Entscheidung in der Hauptsache praktisch vorgeben müsste. Deshalb legt das Beschwerdegericht hinsichtlich der Vorgreiflichkeit grundsätzlich die Rechtsauffassung des Ausgangsgerichts zu Grunde. Hat das Verwaltungsgericht die Vorgreiflichkeit des anderen Verfahrens allerdings nicht geprüft, führt schon dies zum Erfolg der Beschwerde (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 8.3.2003 – 14 C 03.1428 – juris Rn. 9 m.w.N.; in diesem Sinne auch Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 94 Rn. 41). Bestehen ernstliche Zweifel an der Vorgreiflichkeit, ist der Aussetzungsbeschluss bereits dann aufzuheben, wenn das Verwaltungsgericht sich mit diesen Zweifeln nicht auseinandergesetzt hat.
So liegt der Fall hier. Das Verwaltungsgericht hat seine Rechtsauffassung zur Vorgreiflichkeit über die allgemein gehaltene Erwägung, dass „eine Erwähnung des Klägers im bayerischen Verfassungsschutzbericht unmittelbar mit der Erwähnung der DMG im Verfassungsschutzbericht des Bundes zusammenhäng(e)“ hinaus nicht weiter begründet, obwohl – nicht zuletzt aufgrund des Vortrags beider Parteien – ernsthafte Zweifel an der Vorgreiflichkeit des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Berlin bestehen.
a) Zweifel an der Vorgreiflichkeit bestehen zunächst im Hinblick auf den (ersten) Klageantrag, mit dem der Kläger die Verpflichtung des Beklagten verfolgt, ihn künftig nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr in einer bestimmten Form im Verfassungsschutzbericht Bayern zu erwähnen.
Das Verwaltungsgericht hat sich im Aussetzungsbeschluss nicht zu der vom Beklagten aufgeworfenen Frage verhalten, ob der erste Klageantrag als vorbeugende Unterlassungsklage in dieser Form überhaupt zulässig ist. Wäre die Klage bereits unzulässig, wäre dem Verwaltungsgericht eine Sachentscheidung ohnehin versagt (vgl. etwa BVerwG, B.v. 2.11.2011 – 3 B 54/11 – juris Rn. 5), kumulative Ausführungen zur Begründetheit wären bei der Bestimmung des maßgeblichen Urteilsinhalts „als nicht geschrieben“ zu behandeln (BVerwG, U.v. 12.7.2000 – 7 C 3/00 – BVerwGE 111, 306 – juris Rn. 17 – stRspr). Umstände, die für das Ausgangsverfahren nicht entscheidungserheblich sind, können eine Vorgreiflichkeit im Sinne des § 94 VwGO nicht begründen (Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 94 Rn. 18; im Ergebnis auch BVerwG, B.v. 27.6.2008 – 3 B 101/07 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 10.4.2007 – 1 ZB 05.574 – juris Rn. 8).
Die Zulässigkeit der vom Kläger mit dem ersten Klageantrag verfolgten vorbeugenden Unterlassungsklage erscheint ernsthaft zweifelhaft. Rechtsschutz gegen die Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht ist in erster Linie im Hinblick auf den konkreten Verfassungsschutzbericht zu suchen, der die jeweilige Erwähnung enthält, und regelmäßig darauf zu richten, dessen weitere Verbreitung mit der inkriminierten Erwähnung (so z.B. bei BayVGH, B.v. 7.2.2018 – 10 ZB 15.795 – juris Rn. 1; U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 14; für den Fall der Erwähnung in einer Rede BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 16) oder bestimmte Tatsachenbehauptungen (so bei BayVGH, B.v. 6.12.2007 – 24 ZB 06.2048 – juris Rn. 2 ff.) zu unterlassen. Einer Klage, die darauf gerichtet ist, eine Erwähnung in künftigen Verfassungsschutzberichten zu verhindern, könnte das erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse schon deshalb fehlen, weil eine zukünftige Erwähnung nach ihrem Inhalt und ihren tatsächlichen wie rechtlichen Voraussetzungen noch nicht so weit bestimmt ist, dass eine Rechtmäßigkeitsprüfung möglich wäre (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 10 ZB 15.1085 – juris Rn. 6; B.v. 30.7.2015 – 10 ZB 15.819 – juris Rn. 9 ff. jeweils zum vorbeugenden Anspruch auf Unterlassung künftiger Beobachtung durch den Verfassungsschutz). In diesem Sinne hat bereits die 17. Kammer des Erstgerichts entschieden, dass es den zuständigen Sicherheitsbehörden obliege, zu entscheiden, ob eine Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht des jeweiligen Jahres gerechtfertigt ist und eine gerichtliche Beschränkung dieser zukünftigen Entscheidung bei noch völlig unbekannter Tatsachenbasis nicht möglich sei (VG München, U.v. 25.3.1999 – M 17 K 96.1685 – juris Rn. 21).
Sollte das Verwaltungsgericht zu der Auffassung gelangen, dass der erste Klageantrag unzulässig ist, könnte es auf die für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin anhängige Frage der Beurteilung des DMG/IGD selbst dann nicht mehr entscheidungserheblich ankommen, wenn man entsprechende Verbindungen der betroffenen Vereine annehmen wollte. Dann jedoch kann das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin bzw. das dort streitgegenständliche Rechtsverhältnis auch nicht vorgreiflich im Sinne des § 94 VwGO sein.
b) Dass das Verwaltungsgericht die Vorgreiflichkeit i.S.d. § 94 VwGO im Hinblick auf den ersten Teil des Klagebegehrens nicht ausreichend dargelegt hat, ist auch nicht deswegen unschädlich, weil § 94 VwGO auch eine teilweise Abhängigkeit („ganz oder zum Teil“) genügen lässt und es deshalb ausreicht, wenn hinsichtlich eines von mehreren Streitgegenständen Vorgreiflichkeit besteht (Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 94 Rn. 23). Denn auch hinsichtlich des (zweiten) Klagebegehrens, den Beklagten zu verpflichten, künftig nicht mehr zu behaupten oder zu verbreiten, dass der Kläger dem DMG/IGD nachgeordnet sei bzw. Kontakte und Verbindungen zu diesem habe, hat das Verwaltungsgericht die Vorgreiflichkeit des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Berlin nicht ausreichend dargelegt.
Eine Nachordnung in den Strukturen des oder Verbindungen zum DMG/IGD dürften als Tatsachenfragen unabhängig von der rechtlichen Qualifizierung der Tätigkeit des DMG/IGD als verfassungsfeindlich zu beurteilen sein, sodass eine rechtliche Abhängigkeit der Entscheidung im vorliegenden Verfahren vom Ausgang des Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin im engeren Sinne nicht bestehen dürfte. Dass entsprechende Feststellungen des Verwaltungsgerichts Berlin zu den Verbindungen zwischen dem DMG/IGD und dem Kläger einen maßgeblichen Einfluss auf die tatrichterliche Beweiswürdigung im vorliegenden Verfahren haben könnten, wird vom Verwaltungsgericht nicht dargelegt. Ein solch maßgeblicher Einfluss erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil die Beteiligten des vorliegenden Ausgangsfahrens – offenbar anders als die Beteiligten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Berlin – hierzu umfassend vorgetragen haben und sich das Verwaltungsgericht ausweislich der in dieser Hinsicht umfangreichen Ausführungen im Aussetzungsbeschluss offensichtlich bereits eine – wenn auch nur vorläufige – Meinung gebildet hat.
2. Unabhängig von der Frage der Vorgreiflichkeit lässt der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts keinerlei Ermessenserwägungen erkennen. Solche wären umso notwendiger gewesen, als die Nennung im Verfassungsschutzbericht erkennbar schwerwiegende Folgen für den Kläger hat (vor allem den – im Fall des Klägers bereits eingetretenen – Verlust der Anerkennung der Gemeinnützigkeit aufgrund der Vermutungsregel des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO) und der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Berlin derzeit nicht ansatzweise absehbar ist. Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) erfordert in solch einer Situation eine sorgsame Abwägung der Gründe, die für eine Aussetzung sprechen, mit den drohenden Nachteilen für den Rechtsschutzsuchenden im Falle einer Aussetzung.
In diesem Zusammenhang wird das Verwaltungsgericht auch erwägen müssen, ob es statt der Aussetzung eine sachdienliche Auslegung des Klagebegehrens (§ 88 VwGO) vornehmen oder jedenfalls auf eine Beschränkung des Streitstoffes hinwirken sollte. Aufgrund des Gesamtvorbringens des Klägers liegt nahe, dass es dem Kläger weniger um die Qualifizierung der Tätigkeit des DMG/IGD, sondern in allererster Linie um seine (von ihm bestrittene) Verbindung zum DMG/IGD geht. Insofern bietet es sich möglicherweise an, darauf hinzuwirken (§ 86 Abs. 3 VwGO), die Klage auf den zweiten Klageantrag zu beschränken. Denkbar erscheint auch, die Verfahren zu trennen (§ 93 Satz 2 VwGO) und zunächst nur über den zweiten Klageantrag und/oder die Zulässigkeit des ersten Klageantrags zu entscheiden.
3. Einer Kostenentscheidung bedarf es für das – wie hier – erfolgreiche Beschwerdeverfahren nicht, weil die Kosten dieses nichtstreitigen Zwischenverfahrens, in dem sich die Beteiligten nicht als Gegner gegenüberstehen, von den Kosten des Rechtsstreits in der Hauptsache erfasst werden und Gerichtskosten gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nur im Falle der Verwerfung bzw. Zurückweisung der Beschwerde entstehen (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2018 – 15 C 18.795 -, Rn. 40, juris; B.v. 25.10.2010 – 6 C 10.2262 – juris Rn. 9; NdsOVG, B.v. 9.1.2018 – 5 OB 224/17 – juris Rn. 22 m.w.N.). Deshalb bedarf es auch keiner Streitwertfestsetzung.


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