Verwaltungsrecht

Auswahlverfahren bei der Besetzung einer Stelle als Sonderschulrektor

Aktenzeichen  M 5 E 19.2666

Datum:
7.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 20285
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV Art. 94 Abs. 2 S. 2
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2
LlbG Art. 16
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Nach herrschender Auffassung in der Rspr. ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Besetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren der Antragstellerin, die Auswahlentscheidung zu ihren Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, weil der Dienstherr die Ernennung der Beigeladenen in der Regel nicht mehr rückgängig machen könnte (BVerwG BeckRS 2011, 45441). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die rechtliche Überprüfung von Auswahlgesprächen unterliegt einem eingeschränkten Beurteilungsspielraum dahingehend, ob Verfahrensfehler vorliegen, anzuwendendes Recht verkannt, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt wurden oder sachfremde Erwägungen erfolgt sind. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ergibt sich kein Beurteilungsvorsprung eines Bewerbers, wenn eine Beurteilungslage der Bewerberkonkurrenten vorliegt, bei der das im Statusamt A 14 erzielte Gesamtergebnis um eine Stufe höher ist als das im Statusamt A 15 um eine Stufe geringere Gesamtergebnis der Konkurrentin. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ergibt sich aus den „Superkriterien“ – und damit hinsichtlich einer Binnendifferenzierung – ein Beurteilungsvorsprung eines Bewerbers, ist die Durchführung eines Personalauswahlgesprächs nicht erforderlich. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 20.737,87 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Regierung von … Regierung) schrieb für den Antragsgegner im … Schulanzeiger Nr. 3 / 2019 die Stelle als Sonderschulrektorin /Sonderschulrektor (Besoldungsgruppe A 15 mit Amtszulage/Z) am Sonderpädagogischen Förderzentrum … aus. Auf diese Stelle bewarben sich die Antragstellerin und die Beigeladene.
Die Antragstellerin steht als Sonderschulrektorin (Besoldungsgruppe A 15) in Diensten des Antragsgegners. In ihrer letzten periodischen Beurteilung (als Schulleiterin) zum Beurteilungsstichtag 31. Dezember 2018 hatte sie das Gesamtergebnis „Leistung, die die Anforderungen übersteigt – UB“ erhalten und die Verwendungseignung „für die Leitung von Förderzentren A15Z“ zuerkannt bekommen. Beurteilende Dienstvorgesetzte war Leitende Regierungsschuldirektorin (Ltd. RSchDin) S.
Die Beigeladene steht als Sonderschulkonrektorin (Besoldungsgruppe A 14 Z) in Diensten des Antragsgegners. In ihrer letzten periodischen Beurteilung (als Förderlehrkraft) zum Beurteilungsstichtag 31. Dezember 2018 hatte sie das Gesamtergebnis „Leistung, die die Anforderungen besonders gut erfüllt – BG“ erhalten und die Verwendungseignung „Sonderschulrektorin A15 und A15AZ“ zuerkannt bekommen. Beurteilende Dienstvorgesetzte war ebenfalls Ltd. RSchDin S.
Nach Vorstellungsgesprächen bei der Regierung mit der Antragstellerin und der Beigeladenen jeweils am 12. April 2019, durchgeführt durch Regierungsschuldirektor (RSchD) F. und Regierungsschuldirektorin (RSchDin) J., erstellte RSchDin J. am 23. April 2019 einen Besetzungsvermerk, in dem die Beigeladene als für die Übernahme der Funktionsstelle besser geeignet angesehen wurde. In der Begründung hierzu heißt es unter anderem, dass es „aufgrund der unterschiedlichen Besoldungsgruppen nur schwer möglich“ sei, das Prädikat aus der aktuellen dienstlichen Beurteilung als Auswahlkriterium zwischen den beiden Bewerberinnen heranzuziehen. Aus diesem Grund sei ein Personalauswahlgespräch mit der Antragstellerin und der Beigeladenen geführt wurden. Dieses sei zugunsten der Beigeladenen ausgefallen.
Die Auswahlentscheidung erfolgte am 26. April 2019 mittels Namenszeichnung in einer tabellarischen Übersicht „Bewerberliste für Leitungsfunktion“.
Die Personalvertretung zeichnete auf dieser Übersicht am 8. Mai 2019.
Die Regierung teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 9. Mai 2019 mit, dass die Beigeladene für die Besetzung der Stelle vorgesehen sei.
Dagegen ließ die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigte mit Schreiben vom 17. Mai 2019 Widerspruch einlegen, worauf von der Regierung mit Schreiben vom 21. Mai 2019 und 29. Mai 2019 erklärt wurde, dass die Zweiwochenfrist erst mit Eingang aller notwendigen Unterlagen bei der Bevollmächtigten beginne.
Am 4. Juni 2019 hat die Bevollmächtigte der Antragstellerin für diese beim Verwaltungsgericht München beantragt,
dem Antragsgegner aufzugeben, die im … Schulanzeiger Nummer 3/2019 ausgeschriebene Stelle einer Sonderschulrektorin / eines Sonderschulrektors (A 15 + Z) am Sonderpädagogischen Förderzentrum … … … … nicht zu besetzen, bevor über die Bewerbung der Antragstellerin bestandskräftig entschieden wurde.
Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin sei verletzt worden, weil bei dem Beurteilungsvergleich die aktuellen Beurteilungen nicht inhaltlich ausgeschöpft und die vorangegangenen Beurteilungen nicht berücksichtigt worden seien. Vor der periodischen Beurteilung 2018 als Sonderschulrektorin sei für die Antragstellerin im Jahr 2017 eine Anlassbeurteilung erstellt worden, mit der sie als Sonderschulkonrektorin in einem Amt der Besoldungsgruppe A 15 mit BG beurteilt worden sei. Dies sei in der Bewerberaufstellung fehlerhaft vermerkt worden.
Darüber hinaus sei die streitgegenständliche Auswahlentscheidung nicht so ausreichend dokumentiert worden, dass sie für Dritte und insbesondere das Gericht nachvollziehbar wäre. Dies gelte zum einen für die Frage der Binnendifferenzierung und zum anderen im Hinblick auf die Dokumentation der Auswahlgespräche. Insbesondere sei anhand der Akte nicht erkennbar, auf welche Angaben im Personalauswahlgespräch die Einschätzungen gestützt würden, dass sich die Antragstellerin als weniger reflektierte und zielorientierte Führungspersönlichkeit gezeigt habe.
Die Regierung hat für den Antragsgegner mit Schriftsatz vom 5. Juni 2019 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Auswahlverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die in der Stellenausschreibung dargelegte Vorgehensweise bei einem Gleichstand mehrere Bewerber sei eingehalten worden. Die ausgewählte Bewerberin habe in der dienstlichen Beurteilung 2018 in der Besoldungsgruppe A 14 Z das Gesamtergebnis BG erhalten. Die Antragstellerin habe in der dienstlichen Beurteilung 2018 in der Besoldungsgruppe A 15 das Gesamtergebnis UB erhalten. In der Binnendifferenzierung ergebe sich bei den Superkriterien ein Vorsprung der ausgewählten Bewerberin. Aufgrund der von den Bewerberinnen ausgeübten Funktionen lägen den Beurteilungen zwei verschiedene Beurteilungsformulare zugrunde. In den sich überschneidenden Superkriterien liege die ausgewählte Bewerberin jeweils vorne. Vor diesem Hintergrund wäre bereits ohne Durchführung eines Personalauswahlgespräches nicht zu beanstanden gewesen, die Beigeladene für die ausgeschriebene Stelle auszuwählen. Dennoch sei ergänzend ein Personalauswahlgespräch geführt worden. Die Antragstellerin habe hierdurch eine weitere Möglichkeit erhalten, das Stellenbesetzungsverfahren zu ihren Gunsten zu entscheiden. Jedoch sei auch das ordnungsgemäß durchgeführte Personalauswahlgespräch zugunsten der Beigeladenen ausgefallen.
Mit Beschluss vom 12. Juni 2019 wurde die ausgewählte Bewerberin zum Verfahren beigeladen. Sie hat sich in der Sache nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung – vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen – notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragspartei hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
2. Der Anordnungsgrund in Form der besonderen Dringlichkeit der begehrten einst-weiligen Anordnung ist gegeben. Das Auswahlverfahren für die streitgegenständliche Stelle ist grundsätzlich abgeschlossen. Eine Ernennung der Beigeladenen steht unmittelbar bevor. Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin als übergangener Bewerberin lässt sich nur vor der Ernennung der ausgewählten Konkurrentin mittels einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO effektiv sichern, da sich der um eine Stellenauswahl geführte Rechtsstreit mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erledigt (vgl. BVerfG, B.v. 29.6.2003 – 2 BvR 311/03 – NVwZ 2004, 95). Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358) ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Besetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren der Antragstellerin, die Auswahlentscheidung zu ihren Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, weil der Dienstherr die Ernennung der Beigeladenen in der Regel nicht mehr rückgängig machen könnte.
3. Die Antragstellerin hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
a) Die Antragstellerin hat einen Bewerbungsverfahrensanspruch, das heißt einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 94 Abs. 2 Satz 2 Verfassung für den Freistaat Bayern (BV) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746; B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194; BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 2 C 36.04 – juris).
Die Ermittlung des – gemessen an den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung – am besten geeigneten Bewerbers hat stets in Bezug auf das konkret angestrebte Amt zu erfolgen. Maßgeblich ist insoweit der Aufgabenbereich des Amtes, auf den bezogen die einzelnen Bewerber untereinander zu vergleichen sind und anhand dessen die Auswahlentscheidung vorzunehmen ist (BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris Rn. 6).
Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Kandidaten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Der Bewerber hat daher einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Auswahl (BVerwG, U.v. 25.8.1988 – 2 C 28/85 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565; VG München, B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
Aus der Verletzung dieses Anspruches folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Einstellung oder Beförderung. Vielmehr ist es im Hinblick auf den Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichts, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 5.1.2012 – 7 CE 11.1432 – juris).
Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746). Aufgrund der Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden subjektiven Rechts und der Garantie von Art. 19 Abs. 4 GG sind die Verwaltungsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten gehalten, den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes im Eilverfahren besonders Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, B.v. 29.6.2003 – 2 BvR 311/03 – NVwZ 2004, 95).
b) Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle sind in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu stützen, denn sie bilden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand ab und können somit am besten als Grundlage für die Prognose dafür dienen, welcher der Konkurrenten die Anforderungen der zu besetzenden Stelle voraussichtlich am besten erfüllen wird (BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3/11 – NVwZ-RR 2012, 71; vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – juris; VG München, B.v. 26.10.2012 – M 5 E 12.3882 – juris; B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
Hierbei ist darauf zu achten, dass die dem Vergleich der Konkurrenten zugrunde gelegten Beurteilungen untereinander vergleichbar sind; das ist i.d.R. der Fall, wenn die Beurteilungen im selben Statusamt erzielt worden sind. (Erst) bei gleichem Gesamturteil hat der Dienstherr zunächst die Beurteilungen umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen, sog. Binnendifferenzierung oder inhaltliche Ausschöpfung.
Sind danach mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann der Dienstherr die Auswahl nach weiteren sachgerechten Merkmalen treffen, wobei er deren besondere Bedeutung begründen muss. So kann er der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren Beurteilungen ergibt, Vorrang einräumen (BVerwG, B.v. 22.11.2012 – 2 VR 5/12 – juris Rn. 25 f.; BayVGH, B.v. 16.4.2015 – 3 CE 15.815 – juris Rn. 52; VG München, B.v. 15.4.2019 – M 5 E 19.518 – Rn. 18).
Es ist rechtlich aber auch nicht fehlerhaft, bei einem Gleichstand hinsichtlich der aktuellen dienstlichen Beurteilungen auf weitere Erkenntnismittel zum Leistungsvergleich zurückzugreifen, insbesondere Auswahlgespräche (BayVGH, B.v. 29.8.2013 – 3 CE 13.443 – juris Rn. 35; VG München, B.v. 15.4.2019 – M 5 E 19.518 – Rn. 28).
Daran hat sich auch durch Art. 16 Abs. 1 Satz 4 und 5 Gesetz über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) in der seit 1. August 2013 geltenden Fassung nichts geändert, weil durch diese Regelungen dem Dienstherrn die Möglichkeit eröffnet wird, von vornherein zu bestimmen, dass er als Grundlage für eine bestimmte Auswahlentscheidung neben dienstlichen Beurteilungen auch wissenschaftlich fundierte Auswahlverfahren, wie insbesondere systematisierte Personalauswahlgespräche, strukturierte Interviews oder Assessment-Center, sofern diese von Auswahlkommissionen durchgeführt werden, heranzieht. Das heißt, dass die bestimmte(n) weitere(n) Auswahlmethode(n) auf jeden Fall – ggfs. stufenweise – durchgeführt werden, nicht erst sozusagen ad hoc bei einem Beurteilungsgleichstand. Geht der Dienstherr so vor, hat er die Gewichtung zu den dienstlichen Beurteilungen zu bestimmen, und zwar ebenfalls im Vorhinein, wobei die dienstliche Beurteilung nicht zur „Marginalie“ werden darf (BayVGH, B.v. 25.2.2019 – 3 CE 18.2550 – juris Rn. 7; B.v. 8.2.2018 – 3 CE 17.2304 – juris Rn. 13).
c) Da ein Auswahlgespräch nach Ablauf und Inhalt einer Prüfungssituation ähnlich ist, sind bei der Rechtskontrolle von Auswahlgesprächen die für die gerichtliche Überprüfung von Prüfungsentscheidungen entwickelten Grundsätze entsprechend heranzuziehen. Danach gilt, dass konkrete und substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung erhoben werden müssen. Darüber hinaus steht der Kommission ein Bewertungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar ist, ob die objektiven Grenzen des Bewertungsspielraums verletzt wurden. Dies ist nur der Fall, wenn die Auswahlkommission Verfahrensfehler begeht, anzuwendendes Recht verkennt, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgeht, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lässt. Darüber hinaus ist auf schlüssige Rüge zu untersuchen, ob die Kommission ihre Bewertung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt hat, die einer sachlichen Überprüfung standhalten, ob sie bei ihrer Bewertung den Zweck, dem das Auswahlverfahren dient, verkannt hat, ob die Bewertung in sich schlüssig und nachvollziehbar ist und ob sie den Anforderungen rationaler Abwägung nicht widerspricht (BayVGH, B.v. 25.2.2019 – 3 CE 18.2550 – juris Rn. 12 m.w.N.).
4. Die streitgegenständliche Auswahlentscheidung entspricht diesen Grundsätzen und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Dokumentation der Auswahlentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen genügt den formellen rechtlichen Anforderungen an die Darstellung der wesentlichen Auswahlerwägungen.
aa) Aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt die Verpflichtung des Dienstherrn, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen – deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber ggf. durch Akteneinsicht verschaffen kann – wird dieser in die Lage versetzt, sachgerecht darüber zu befinden, ob er die Entscheidung hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Bewerbungsverfahrensanspruch bestehen. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Verwaltungsgericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen (vgl. Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, 1. Auflage 2015, Anhang 5 Rn. 2; BayVGH, B.v. 8.2.2018 – 3 CE 17.2304 – juris Rn. 4; BVerfG, B.v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07 – juris Rn. 22; BVerwG, B.v. 16.12.2008 – 1 WB 19/08 – juris Rn. 35).
bb) Vorliegend besteht die Dokumentation der Auswahlerwägungen aus dem Besetzungsvermerk der Regierung vom 23. April 2019 und der die Auswahlentscheidung selbst enthaltenden „Bewerberliste für Leitungsfunktion“ vom 26. April 2019 in der Zusammenschau mit den Protokollen über die Auswahlgespräche mit der Antragstellerin und der Beigeladenen jeweils vom 12. April 2019 unter Berücksichtigung der Hinweise im … Schulanzeiger Nr. 3 / 2019 zur Ausschreibung der hier umstrittenen Stelle. Aus dieser Dokumentation insgesamt gehen nachvollziehbar die Erwägungen hervor, aus denen heraus die Bewerbung der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.
Bereits in der Ausschreibung ist die Vorgehensweise für das Auswahlverfahren dargelegt. Insbesondere ist der Hinweis enthalten, dass bei einem Gleichstand mehrerer Bewerber in deren aktuellen dienstlichen Beurteilungen eine Binnendifferenzierung anhand der vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Staatsministerium) festgelegten Superkriterien erfolgen wird. Sollte sich danach weiterhin ein Gleichstand ergeben, erfolge die Auswahlentscheidung nach Durchführung eines strukturierten Personalauswahlgesprächs.
Aus der tabellarischen Übersicht „Bewerberliste für Leitungsfunktion“ geht hervor, dass die aktuellen periodischen Beurteilungen 2018 der Antragstellerin und der Beigeladenen miteinander verglichen und einer Binnendifferenzierung anhand von drei bzw. fünf Superkriterien unterzogen worden sind. Ausweislich des Besetzungsvermerks vom 23. April 2019 ergab sich daraus kein Beurteilungsvorsprung für eine der beiden Bewerberinnen.
Zu den Auswahlgesprächen vom 12. April 2019 sind die Fragen und die gegebenen Antworten in den hierzu erstellten Protokollen ausführlich wiedergegeben, sodass diese für das Gericht nachvollziehbar und überprüfbar sind. Auf diese nimmt der Besetzungsvermerk vom 23. April 2019 inhaltlich Bezug, der von RSchDin J. erstellt wurde, die zusammen mit RSchD F. die Auswahlgespräche geführt hatte. Darin sind jeweils die Bewertungen der Auswahlgespräche mit der Antragstellerin und der Beigeladene enthalten.
Die Namenszeichnung in der tabellarischen Übersicht „Bewerberliste für Leitungsfunktion“ unter dem Datum „26.4.“ in der Spalte „Entscheidung ROB – BL 4 – SG 43“ dokumentiert letztlich die zugunsten der Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung.
b) Die Auswahlentscheidung ist auch materiell nicht zu beanstanden.
Wie oben dargelegt enthielt bereits die Ausschreibung Hinweise auf die Vorgehensweise für das Auswahlverfahren. Die dort genannten Superkriterien ergeben sich aktuell aus dem Schreiben des Staatsministeriums vom 21. Dezember 2017 zur Periodischen Beurteilung 2018 für Lehrkräfte an Grundschulen, an Mittelschulen, an Förderschulen und Schulen für Kranke mit der Anlage „Tabelle Superkriterien“, über dessen Regelungen die jeweils beurteilenden Personen und die zu beurteilenden Lehrkräfte zu informieren waren (Nr. 6 des KMS v. 21.12.2017, Seite 9). Es wurde nichts dazu vorgetragen, dass der Antragstellerin diese Superkriterien nicht bekannt gewesen wären, zumal sie derzeit selbst als Schulleiterin tätig ist.
Die periodischen Beurteilungen 2018 der Antragstellerin und der Beigeladenen sind für die hier strittige Auswahlentscheidung ausreichend vergleichbar.
Zwar wurde die Antragstellerin als Schulleiterin nach Abschnitt B der Richtlinien des Staatsministeriums für die dienstliche Beurteilung und Leistungsfeststellung der staatlichen Lehrkräfte sowie der Schulleiterinnen und Schulleiter an Schulen in Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 2015 (KWMBl 2015, S. 121; nachfolgend: Beurteilungsrichtlinien), mit Wirkung vom 1. Januar 2015 in Kraft getreten, unter Verwendung des Beurteilungsformulars gemäß Anlage E beurteilt, die Beigeladene hingegen als Förderlehrkraft nach Abschnitt B der Beurteilungsrichtlinien unter Verwendung des Beurteilungsformulars gemäß Anlage C.
Zudem sind von den vom Staatsministerium mit Schreiben vom 21. Dezember 2017 festgelegten sechs Superkriterien für die Besetzung von Funktionsstellen im Funktionsbereich „Leitungsfunktionen“ (Verwendungseignung, Zusammenarbeit, Einsatzbereitschaft, Entscheidungsvermögen, Berufskenntnisse und ihre Erweiterung sowie Führungsverhalten) vier (Verwendungseignung, Einsatzbereitschaft, Entscheidungsvermögen bzw. Entscheidungsfreude sowie Führungsverhalten) in beiden Beurteilungsformularen enthalten, zwei (Zusammenarbeit sowie Berufskenntnisse und ihre Erweiterung) jedoch nur im Formular gemäß Anlage C für Lehrkräfte.
Anhand der sich überschneidenden Superkriterien kann aber eine ausreichend aussagekräftige Binnendifferenzierung vorgenommen werden, wobei sich aus dem Superkriterium „Verwendungseignung“ ergibt, ob eine Bewerberin überhaupt in die Auswahlentscheidung einbezogen werden kann. Dadurch haben die Beurteilungsrichtlinien des Staatsministeriums dem Umstand Rechnung getragen, dass sich auf eine Funktionsstelle einer Schulleitung unter Umständen nicht nur Lehrkräfte bewerben, sondern auch Beamtinnen oder Beamte, die bereits Schulleiter/in sind. Ansonsten wäre bei solchen gemischten Bewerbergruppen ein Leistungsvergleich anhand der aktuellen periodischen Beurteilungen von vornherein ausgeschlossen.
Auch wenn es im Besetzungsvermerk auf Seite 1 unter „Begründung“ heißt, dass die Heranziehung der Beurteilungen der beiden Bewerberinnen als Auswahlkriterium „nur schwer möglich“ sei, kann daraus nicht geschlossen werden, dass ein Vergleich und eine Binnendifferenzierung – anhand der Superkriterien – nicht erfolgt wäre. Ausweislich der „Bewerberliste für Leitungsfunktion“ ist gerade das erfolgt.
Zunächst ist festzustellen, dass sich aufgrund des Gesamtergebnisses kein Beurteilungsvorsprung einer der Bewerberinnen ergibt. Die Antragstellerin hat in der Beurteilung 2018 im Statusamt A 15 das Gesamtergebnis UB erhalten. Die Beigeladene hat im Statusamt A 14 Z das Gesamtergebnis BG erhalten. Das um eine Stufe höhere Statusamt der Antragstellerin wird durch das eine Stufe bessere Gesamtergebnis der Beigeladenen kompensiert, so dass hier ein Gleichstand festzustellen ist. Die jeweiligen Angaben sind in der „Bewerberliste“ in der Spalte „Dienstl. Beurteilung – DB 2018 …“ zutreffend enthalten. Auch die – jeweils gegebene – Verwendungseignung ist in einer eigenen Spalte zutreffen vermerkt.
In der Rubrik „Superkriterien“ – und damit hinsichtlich einer Binnendifferenzierung – finden sich zutreffende Eintragungen zu den Kriterien Zusammenarbeit, Führungsverhalten, Entscheidungsvermögen, Einsatzbereitschaft und Berufskenntnisse und ihre Erweiterung. Dabei fehlen bei der Antragstellerin Angaben zur Zusammenarbeit und zu Berufskenntnissen und ihrer Erweiterung, weil diese im Beurteilungsformular gemäß Anlage E eben nicht enthalten sind. Das Prädikat UB bei Entscheidungsvermögen und Einsatzbereitschaft ergibt sich aus Nr. 2.2 der Beurteilung 2018 für die Antragstellerin. Die Beigeladene hat hier jeweils BG erhalten (Nr. 2.2.1 und 2.2.2 der Beurteilung 2018), was jeweils wiederum zur Kompensation führt. Bei Führungsverhalten hat die Antragstellerin VE erhalten, die Beigeladene – die ebenfalls tatsächlich Führungsaufgaben wahrgenommen hat – hingegen HQ, also ein um drei Stufen besseres Prädikat.
Dass in der Spalte „vorangegangene DB“ bei der Antragstellerin unzutreffend vermerkt ist „BG 2. SoKR/in A 14 Z 2017“, also – hinsichtlich ihres tatsächlichen damaligen Amtes A 15 unrichtig – Angaben zu einer Anlassbeurteilung im Jahr 2017 vermerkt sind, anstelle einer Eintragung in der Spalte „Anlassbeurteilung …“, ist unschädlich. Denn mit der periodischen Beurteilung 2018 hat sich die Anlassbeurteilung 2017, ebenso wie die vorherige von 2016, erledigt. In der dienstlichen Beurteilung 2014 ergab sich bei Antragstellerin und Beigeladener hinsichtlich des Gesamtergebnisses und des damaligen Statusamts zudem kein Unterschied – beide waren in der Beurteilung 2014 im Statusamt A 13 mit UB beurteilt worden.
Bei dieser Sachlage wäre es rechtlich wohl nicht zu beanstanden gewesen, wenn die Regierung bei der Beigeladenen einen Beurteilungsvorsprung gesehen hätte, weil diese beim Führungsverhalten HQ erhalten hatte, die Antragstellerin hingegen nur VE. HQ ist nach den Beurteilungsrichtlinien jeweils die beste von sieben Bewertungsstufen, VE jedoch „nur“ die mittlere. Zwischen der Beigeladenen und der Antragstellerin liegen damit die Bewertungsstufen (von unten) UB und BG. An sich wäre danach ein Personalauswahlgespräch nicht erforderlich gewesen, wobei dessen Durchführung die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt, wenn das Auswahlgespräch den Leistungsvorsprung der Beigeladenen nach Beurteilungslage bestätigt (BayVGH, B.v. 16.9.2011 – 3 CE 11.1132 – juris Rn. 44; VG München, B.v. 15.4.20019 – M 5 E 19.518 – Rn. 24 a.E.).
Aber auch gegen das Ergebnis der Auswahlgespräche und die zugrunde liegenden Bewertungen ist rechtlich nichts zu erinnern.
Die Fragen und gegebenen Antworten sind in den Protokollen der Auswahlgespräche vom 12. April 2019 ausführlich wiedergegeben. Hiergegen wurden auch keine Einwände erhoben, etwa dergestalt, dass diese Angaben im Protokoll sachlich unzutreffend wären.
Gerügt wurde von der Antragstellerin lediglich, dass anhand der Akte nicht erkennbar sei, auf welche Angaben im Personalauswahlgespräch die Einschätzungen gestützt würden, dass sich die Antragstellerin als weniger reflektierte und zielorientierte Führungspersönlichkeit gezeigt habe. Das stellt zum einen schon keine konkrete und substantiierte Einwendung gegen die Bewertung des Auswahlgesprächs mit der Antragstellerin dar. Zum anderen ergibt sich die Bewertung der Auswahlgespräche aus dem Besetzungsvermerk vom 23. April 2019. In der Gesamtschau lässt sich somit nicht erkennen, dass die oben dargestellten objektiven Grenzen des Bewertungsspielraums verletzt worden wären.
5. Die Antragstellerin hat als unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten unter Billigkeitsgesichtspunkten selbst, da sie sich mangels Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
6. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit, nämlich ein Viertel der ruhegehaltsfähigen Jahresbezüge der Antragstellerin im an-gestrebten Amt einschließlich der jährlichen Sonderzahlung (82.951,49 EUR lt. Mitteilung des Landesamts für Finanzen vom 6.6.2019; davon ¼ = 20.737,87 EUR; vgl. BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung aus B.v. 11.8.2017 – 3 CS 17.512 – juris).


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