Verwaltungsrecht

Ausweisung eines türkischen Staatsangehörigen wegen schwerwiegender Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung

Aktenzeichen  10 ZB 20.138

Datum:
24.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9465
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 53 Abs. 1, Abs. 3, § 54 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Auch wenn der Kläger nur einmal durch ein Gewaltdelikt in Erscheinung getreten ist, sind angesichts der Massivität der Gewalttat und den schweren potentiellen Schäden, die vorliegend nur deswegen nicht eingetreten sind, weil sich das Tatopfer erfolgreich zur Wehr setzen konnte, an die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Straffälligkeit des Klägers relativ geringe Anforderungen zu stellen (Rn. 10). (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Gewaltstraftaten ist die Annahme des Wegfalls einer Wiederholungsgefahr erst gerechtfertigt, wenn eine Therapie zur Gewaltprävention abgeschlossen ist und sich der Ausländer für eine gewisse Zeit in Freiheit bewährt hat (Rn. 10). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 25 K 18.4323 2019-10-23 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen die Ausweisungsverfügung der Beklagten vom 16. August 2018 weiter.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch ein Verfahrungsmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (2.).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 17; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33). Dies ist hier in Bezug auf die Ausweisung des Klägers nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisungsverfügung der Beklagten aufgrund des Aufenthaltsrechts des Klägers nach Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 an den Anforderungen des § 53 Abs. 3 AufenthG gemessen. Es hat seine Annahme, das Verhalten des Klägers stelle eine gegenwärtige und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, damit begründet, dass der Kläger eine schwere Gewalttat begangen habe. Hinsichtlich der notwendigen Gefahrenprognose hat es abgenommen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen seien, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Der Kläger habe anlässlich eines Nachbarschaftsstreits in bedingtem Tötungsvorsatz mindestens zweimal mit einer 27 cm langen Axt auf den Kopf- und Halsbereich des Geschädigten eingeschlagen. Eine fortdauernde Gefährlichkeit sei gegeben, weil sich der Kläger ausweislich der testpsychologischen und forensisch-psychologischen Gutachten von 30. November 2015 und 18. Juni 2018 nicht mit der Tat auseinandergesetzt habe. Der Kläger schiebe die Verantwortung für die Tat von sich und habe gegenüber einer Gutachterin u.a. sinngemäß erklärt, dass man in seinem Kulturkreis einer Aufforderung zum Zweikampf nicht ausweichen dürfe. Der Kläger bestreite die Schläge in Richtung des Geschädigten und jede Tötungsabsicht. Zwar komme das Gutachten vom 18. Juni 2018 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger derzeit nur eine sehr geringe Gefahr bestehe, dass die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbestehe. Diese Einschätzung sei allerdings daran gebunden, dass der Kläger eine Gesprächspsychotherapie zur Gewaltprävention durchführe und jeden Kontakt zur Familie der Lebensgefährtin des Geschädigten meide. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben. Der Kläger werde nach der Haftentlassung wieder in seine bisherige Wohnung zurückkehren und dort auf jene (Nachbars-)Familie treffen. Das Risiko einer Auseinandersetzung mit dem Geschädigten sei dadurch erhöht, dass sich der Kläger Schadensersatzforderungen des Geschädigten ausgesetzt sehe. Das Gericht verkenne nicht, dass sich der Kläger in der Haft beanstandungsfrei geführt habe. Auf ein Entfallen der Wiederholungsgefahr könne daraus jedoch nicht geschlossen werden. Gestützt werde die Gefahrenprognose durch die Entscheidung des Landgerichts Augsburg vom 1. August 2018, mit dem die Strafaussetzung zur Bewährung wegen mangelnder Tataufarbeitung und einer fehlenden Gewaltpräventionstherapie abgelehnt worden sei. Auch noch aus dem Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt vom 1. Oktober 2019 ergebe sich, dass der Kläger die Tat und sein Gewaltproblem noch nicht aufgearbeitet habe. Dass der Kläger nunmehr einen Erstgesprächstermin am 1. April 2020 bei einer psychotherapeutischen Fachambulanz für Gewalt- und Sexualstraftäter vereinbart habe, führe nicht zum Entfallen der Wiederholungsgefahr. Bei Abwägung des besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses mit dem besonders schwerwiegenden Bleibeinteresse des Klägers überwiege das Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Der Kläger habe familiäre Beziehungen zu seiner Ehefrau sowie zu seinen drei im Bundesgebiet bzw. Österreich lebenden erwachsenen Söhnen. Der Kontakt zu den Söhnen könne mit modernen Medien und einzelnen Betretungserlaubnissen aufrechterhalten werden. Die Ehefrau habe angekündigt, den Kläger in die Türkei begleiten zu wollen. Der Kläger sei als 25-jähriger Mann nach Deutschland gekommen und lebe seit 39 Jahren in Deutschland. Er habe aber noch tragfähige soziale Beziehungen in die Türkei. Er sei dort aufgewachsen und habe seine Ausbildung dort abgeschlossen. Seine Schwester und sein (an ALS erkrankter) ältester Sohn lebten in der Türkei. Der älteste Sohn verfüge in Mersin über eine eigene Wohnung. Der Kläger und seine Frau könnten sich – wenn auch mit Abschlägen – ihre in Deutschland erworbenen Rentenansprüche in der Türkei ausbezahlen lassen, sodass auch der Lebensunterhalt in der Türkei gesichert sei. Der Kläger verfüge zudem über ein Grundstück in der Nähe von Izmir, da er nach eigenen Angaben seinen Lebensabend nach Renteneintritt in der Türkei habe verbringen wollen.
In seinem Zulassungsantrag lässt der Kläger zunächst einen von den strafgerichtlichen Feststellungen abweichenden Tathergang schildern, wonach es zu einer „Rangelei“ gekommen sei, in deren Verlauf der Kläger den Geschädigten nach einer Beleidigung durch den Geschädigten „leicht“ mit der Axt verletzt habe. Zu keinem Zeitpunkt habe Lebensgefahr bestanden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestünden, weil das Erstgericht weder dargelegt noch begründet habe, wie es zur Überzeugung gelangt sei, dass eine Wiederholungsgefahr bestehe. In der mündlichen Verhandlung sei lediglich über die familiären Verhältnisse des Klägers und seine Bindungen in die Türkei gesprochen worden. Die vom Gericht angeführte Rechtsprechung sei durchgehend zu Wiederholungstätern ergangen. Der Kläger habe dagegen „aus dem Nichts heraus“ eine erhebliche Straftat begangen. Bis dahin habe es keinerlei Anhaltspunkte für eine besondere Gefährlichkeit des Klägers gegeben. Auch sein vorbildliches Verhalten in der Haft spreche gegen eine Wiederholungsgefahr. Damit hätte sich das Gericht bei der erforderlichen eigenständigen Prognose auseinandersetzen müssen. Da es dies unterlassen habe, fehle eine wesentliche Tatsachenfeststellung für die Annahme einer Wiederholungsgefahr. Auch die Abwägung sei rechtsfehlerhaft. Zum einen habe das Gericht zu Unrecht eine Wiederholungsgefahr angenommen. Zum anderen sei das Bleibeinteresse nicht ausreichend berücksichtigt worden. Insbesondere verfüge der Kläger über seine Schwester und seinen Sohn hinaus über keine sozialen Kontakte in die Türkei. Der Kläger habe seine Familie in Deutschland und sei auch in die Hausgemeinschaft integriert.
Diese Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils insbesondere hinsichtlich der Annahme einer Wiederholungsgefahr.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18).
Gemessen an diesen Grundsätzen kommt der Senat zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung zu der Bewertung, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, das persönliche Verhalten des Kläger stelle gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar (§ 53 Abs. 3 AufenthG), nach wie vor zutreffend ist.
Sollte der Kläger durch die Schilderung eines von den strafgerichtlichen Feststellungen abweichenden Tathergangs implizieren wollen, das Verwaltungsgericht sei von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, würde dies keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils begründen. Eine erneute Prüfung durch Ausländerbehörde oder Verwaltungsgericht, ob die einer Verurteilung zugrunde liegenden Taten tatsächlich begangen wurden, ist regelmäßig nicht erforderlich. Allenfalls in Sonderfällen kann etwas anderes gelten, wenn Ausländerbehörde oder Verwaltungsgericht ausnahmsweise in der Lage sind, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären, oder ohne weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht (BVerwG, B. v. 24.2.1998 – 1 B 21.98 – juris Rn. 4 m.w.N.; BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 10 ZB 17.1535 – juris Rn. 17; B.v. 28.7.2015 – 10 ZB 15.858 – juris Rn. 9). Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Urteil des Landgerichts, mit dem der Kläger wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde, offensichtlich auf einem Irrtum beruht.
Ausgehend von der abgeurteilten Tat ist das Verwaltungsgericht zu der zutreffenden Annahme gelangt, dass beim Kläger von einer Wiederholungsgefahr auszugehen ist. Richtig ist zwar, dass der Kläger nur einmal durch ein Gewaltdelikt in Erscheinung getreten ist. Angesichts der Massivität der Gewalttat und den schweren potentiellen Schäden, die vorliegend nur deswegen nicht eingetreten sind, weil sich das Tatopfer erfolgreich zur Wehr setzen konnte, sind an die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Straffälligkeit des Klägers relativ geringe Anforderungen zu stellen. Dazu hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass keine der im Gutachten vom 18. Juni 2018 formulierten Bedingungen für die Annahme einer geringen Wiederholungsgefahr bisher eingetreten ist. Weder hat sich der Kläger bislang einer erfolgreichen Gewaltpräventionstherapie unterzogen noch sind ausreichende Vorkehrungen getroffen worden, dass der Kläger dem Geschädigten nicht wieder begegnet. Wenn der Kläger hierzu vortragen lässt, dass der Geschädigte seinen Schadensersatzanspruch bislang nicht weiterverfolgt habe, führt dies nicht zur Annahme, dass zwischen dem Geschädigten und dem Kläger kein Konfliktpotential mehr bestehe. Denn angesichts der mangelnden Bereitschaft des Klägers zu einer finanziellen Entschädigung des Geschädigten – es war der Kläger, der auf den Vorschlag einer gütlichen Einigung nicht mehr antwortete (vgl. S. 69 ff. der Akte des Verwaltungsgerichts) -, könnte dies auch lediglich der Vermeidung weiterer Rechtsverfolgungskosten bei ungewisser Zahlungsfähigkeit des Klägers gedient haben. Auch der nunmehr vereinbarte Erstgesprächstermin bei einer psychotherapeutischen Fachambulanz für Gewalt- und Sexualstraftäter am 1. April 2020 führt zu keiner anderen Beurteilung, denn insofern hat das Verwaltungsgericht zu Recht und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (z.B. B.v. 12.7.2017 – 10 ZB 17.730 – juris Rn. 18; B.v. 3.3.2016 – 10 ZB 14.844 – juris Rn. 15) ausgeführt, dass bei Gewaltstraftaten die Annahme des Wegfalls einer Wiederholungsgefahr erst gerechtfertigt ist, wenn eine Therapie zur Gewaltprävention abgeschlossen ist und sich der Ausländer für eine gewisse Zeit in Freiheit bewährt hat.
Schließlich ist auch die Abwägungsentscheidung des Verwaltungsgerichts im maßgeblichen Zeitpunkt der Senatsentscheidung nicht zu beanstanden. Der Kläger setzt insofern lediglich seine eigene Würdigung zur Frage der Zumutbarkeit einer Rückkehr in die Türkei an die Stelle der Würdigung des Erstgerichts, ohne insoweit ernstliche Zweifel aufzuzeigen. Angesichts der mit dem Zulassungsvorbringen nicht in Frage gestellten Feststellung des Verwaltungsgerichts, der heute 64-jährige Kläger habe nach eigenen Angaben vorgehabt, mit Renteneintritt in die Türkei zurückzukehren und deswegen dort bereits ein Grundstück erworben, kann die Annahme, dem Kläger sei eine Rückkehr zumutbar, nicht ernsthaft zweifelhaft sein.
2. Auch Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind schon nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
Soweit der Kläger die Gehörsrüge erhebt, ist schon nicht dargelegt, dass das Gericht einen bestimmten Vortrag des Klägers übergangen hätte. Insbesondere hat das Gericht in seiner Entscheidung die beanstandungslose Führung des Klägers in der Haft berücksichtigt. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt auch unter dem Gesichtspunkt einer Überraschungsentscheidung nicht vor. Das wäre nur dann der Fall, wenn das Verwaltungsgericht einen bis dahin nicht erörterten oder sonst hervorgetretenen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hätte, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchten, und die Beteiligten sich dazu nicht äußern konnten (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 27.7.2015 – 9 B 33.15 – juris Rn. 8; B.v. 19.7.2010 – 6 B 20.10 – juris Rn. 4). Wenn der Kläger insofern rügt, das Verwaltungsgericht habe in der mündlichen Verhandlung weder die Distanzierung des Klägers von der Tat noch die Wiederholungsgefahr angesprochen, wird ein Gehörsverstoß nicht aufgezeigt. Denn angesichts der entsprechenden detaillierten Ausführungen im Ausweisungsbescheid der Beklagten war die Entscheidungserheblichkeit dieser Umstände offensichtlich. Dementsprechend hat der Kläger kurz vor der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz an das Verwaltungsgericht vom 27. September 2019 ausführlich zu diesen Punkten vorgetragen.
Der Sache nach – und unter Berücksichtigung seines Vorbringens zum Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO – rügt der Kläger im Gewand der Gehörsrüge vielmehr eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung und eine unzureichende Würdigung des Tatsachenstoffes. Mit beidem dringt er jedoch nicht durch.
Eine Aufklärungsrüge nach § 86 Abs. 1 VwGO setzt die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten und welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (BVerwG, B.v. 8.7.2009 – 4 BN 12.09 – juris Rn. 7). Solche Darlegungen enthält der Zulassungsantrag nicht.
Auch lässt die Würdigung des Tatsachenstoffes durch das Verwaltungsgericht einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nicht erkennen. Das Gericht darf nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist deshalb nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn es nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (vgl. BVerwG, B.v. 9.6.2015 – 6 B 59.14 – juris Rn. 53). Anhaltspunkte hierfür hat der Kläger mit der Zulassungsbegründung nicht aufgezeigt.
Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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