Verwaltungsrecht

Bauaufsichtsrechtliche Anordnung der Vorlage der Bescheinigung des Prüfsachverständigen für Brandschutz

Aktenzeichen  9 CS 19.1273

Datum:
7.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30459
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 77 Abs. 2, Art. 78 Abs. 2 S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Auch wenn die Bauaufsichtsbehörde es über längere Zeit versäumt hat, auf die Vorlage der Bescheinigung Brandschutz II hinzuwirken, ist dies für die Vorlagepflicht des Bauherrn unerheblich. Im Verhältnis zur Bauaufsichtsbehörde trifft die Vorlagepflicht den Bauherrn selbst, das Verhalten von vom Bauherrn beauftragten Personen ist diesem zuzurechnen.  Solange die Prüfbescheinigung nicht vorgelegt ist, kann von Seiten der Bauaufsichtsbehörde nicht von einer ordnungsgemäßen Bauausführung hinsichtlich des Brandschutzes ausgegangen werden. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 17 S 19.466 2019-05-21 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000,– Euro
festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2019, mit dem sie – für sofort vollziehbar erklärt und zwangsgeldbewährt – betreffend den Umbau eines Wohn-, Geschäfts- und Produktionsgebäudekomplexes in Ladenpassage mit Gastronomie, Wohnungen, Büros und Arztpraxis auf dem Anwesen … (FlNrn. … Gemarkung S…), verpflichtet wurde, spätestens acht Wochen nach Zustellung des Bescheids die Bescheinigung II des Prüfsachverständigen für Brandschutz über die mit dem geprüften Brandschutznachweis übereinstimmende Bauausführung dem Amt für Stadtplanung und Bauordnung der Antragsgegnerin vorzulegen.
Gegen den Bescheid vom 25. Januar 2019 erhob die Antragstellerin Klage zum Verwaltungsgericht, über die noch nicht entschieden ist. Ferner beantragte sie sinngemäß, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 21. Mai 2019 abgelehnt. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei ausreichend begründet. Die im Eilverfahren zu treffende Abwägungsentscheidung falle zu Lasten der Antragstellerin aus. Es könne offenbleiben, ob Rechtsgrundlage für die Anordnung Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO oder Art. 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBO i.V.m. Art. 80 Abs. 2 BayBO i.V.m. § 19 PrüfVBau sei, da die Voraussetzungen beider Normen erfüllt seien. Die Bescheinigung des Prüfsachverständigen über die ordnungsgemäße Bauausführung hinsichtlich des Brandschutzes (Bescheinigung Brandschutz II) sei in Bezug auf die Tekturgenehmigung vom 21. Dezember 2012 bislang nicht bei der Bauaufsichtsbehörde vorgelegt, obwohl dies vom Bauherrn beim vorliegenden Sonderbau zeitgleich mit der Anzeige der Nutzungsaufnahme hätte erledigt werden müssen. Die Bescheinigung Brandschutz II sei auch unstreitig noch nicht erstellt, weil der eingeschaltete Prüfsachverständige H… die Ausstellung zu Recht wegen fehlender notwendiger Unterlagen und noch nicht abgestellter Mängel verweigere. Die Anordnung sei verhältnismäßig, weil sie der Herstellung der Brandsicherheit diene. Die Antragstellerin sei als Bauherrin dafür verantwortlich und objektiv in der Lage, die Voraussetzungen zur Erteilung der Bescheinigung Brandschutz II zu schaffen. Die Auslastung von beauftragten Handwerkern und Subunternehmern bewirke keine objektive Unmöglichkeit der Umsetzung. Die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin sei unter Würdigung des Pflichtverstoßes und der Gefährdungssituation nicht zu beanstanden, auch nicht im Hinblick auf den Zeitablauf.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin hätten es seit August 2013 versäumt, für die Vorlage der Bescheinigung Brandschutz II Sorge zu tragen. Es werde weder die diesbezügliche Pflicht der Antragstellerin bestritten, noch dass die Antragstellerin die Voraussetzungen für die Prüfung durch das Ingenieurbüro zu schaffen habe. Es sei aber bei der Größe des Bauvorhabens absolut unmöglich, nach über sechs Jahren Untätigkeit die Dinge innerhalb von acht Wochen zu regeln, zumal die Antragstellerin auf die Zu- und Mitarbeit des Ingenieurbüros O… und H… sowie sonstiger Sub- und Nachunternehmer angewiesen sei. Dennoch habe die Antragsgegnerin eine beantragte Fristverlängerung bis 30. September 2019 nicht genehmigt. Das Ingenieurbüro habe signalisiert, dass sich die Prüfung mindestens noch bis in den Herbst 2019 hinziehen werde. Das Verwaltungsgericht verkenne auch, dass mit dem angefochtenen Bescheid die Verpflichtung ausgesprochen sei, die Bescheinigung Brandschutz II des Prüfsachverständigen für Brandschutz vorzulegen und nicht etwa, diesen lediglich in die Lage zu versetzen zu prüfen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 21. Mai 2019 aufzuheben und seine sofortige Vollziehbarkeit auszusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Der Senat nimmt zunächst auf die ausführlichen Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Hierzu wird folgendes ergänzt:
Die Pflicht der Antragstellerin zur Vorlage einer Bescheinigung des Prüfsachverständigen über die ordnungsgemäße Bauausführung (Bescheinigung Brandschutz II; Art. 77 Abs. 2 Satz 3, § 1 Abs. 3 BauVorlV i.V.m. Anlage 12 Vollzug BauVorlV) ergibt sich für ein Gebäude der Gebäudeklasse 5 bzw. einen Sonderbau – wie hier – aus Art. 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Art. 62b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 BayBO (vgl. auch Art. 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Art. 62 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 und 3 BayBO, jeweils in der bis 31.8.2018 gültigen Fassung). Es liegt kein Fall des Art. 62b Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 BayBO vor (vgl. Art. 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 BayBO und vorhergehende Fassung), weil die Antragstellerin ihr im Baugenehmigungsverfahren bestehendes Wahlrecht nach Art. 62 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 und 3 BayBO in der bis 31. August 2018 gültigen Fassung dahingehend ausgeübt hatte, den Brandschutznachweis durch einen Prüfsachverständigen für Brandschutz bescheinigen und somit nicht bauaufsichtlich prüfen zu lassen. Die entsprechende Bescheinigung Brandschutz I (§ 1 Abs. 3 BauVorlV i.V.m. Anlage 11 Vollzug BauVorlV) wurde der Antragsgegnerin nach Aktenlage, entgegen Art. 68 Abs. 5 Nr. 2 BayBO (vgl. Art. 68 Abs. 5 Nr. 2 BayBO in der bis zum 31.7.2017 gültigen Fassung) bislang nicht vorgelegt. Ihre Existenz wird aber von der Antragstellerin bestätigt und ergibt sich mittelbar aus dem Prüfbericht Nr. 11/1094-3 des von der Antragstellerin eingeschalteten Prüfsachverständigen H… vom 8. August 2013. Die Bescheinigung Brandschutz II wäre bereits gemeinsam mit der Anzeige der Nutzungsaufnahme im Sinne von Art. 78 Abs. 2 Satz 1 BayBO vom Bauherrn vorzulegen gewesen, die wiederum zwei Wochen vor der Nutzungsaufnahme zu erfolgen hatte. Die Nutzungsaufnahme erfolgte hier ausweislich der Anzeige vom 4. Juni 2013 am 1. Juli 2013. Die Bescheinigung Brandschutz II war der Anzeige der Nutzungsaufnahme jedoch nicht beigefügt und wurde bis jetzt auch nicht nachträglich vorgelegt. Folge nicht vollständig vorgelegter Nachweise ist gemäß Art. 78 Abs. 2 Satz 3 letzter Halbsatz BayBO ein gesetzliches Nutzungsverbot (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2014 – 2 CS 14.75 – juris Rn. 3). Verstöße können zur Nutzungsuntersagung führen und sind bußgeldbewehrt (BayVGH, B.v. 30.6.2016 – 15 CS 15.1615 – juris Rn. 26 m.w.N.).
Die von der Antragstellerin mit dem Beschwerdevorbringen erhobenen Einwände gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2019 greifen nicht durch. Dass die Antragsgegnerin es seit August 2013 über längere Zeit versäumt habe, auf die Vorlage der Bescheinigung Brandschutz II hinzuwirken, ist unerheblich. Sie hat die Vorlage jedenfalls mit an die Antragstellerin gerichtetem Schreiben vom 15. Mai 2017 erstmals eingefordert. Im Verhältnis zur Bauaufsichtsbehörde trifft die Vorlagepflicht den Bauherrn selbst, das Verhalten von vom Bauherrn beauftragten Personen ist diesem zuzurechnen. Das Verwaltungsgericht verweist insoweit zu Recht auf die Verantwortlichkeiten des Bauherrn (vgl. Art. 78 Abs. 2 Satz 1 und 2, vgl. auch Art. 49 und Art. 50 Abs. 1 Satz 2 BayBO). Für den Nachweis, dass die bauordnungsrechtlichen Vorgaben an den Brandschutz bei der Bauausführung eingehalten sind, dient gerade die oben dargestellte Vorlagepflicht des Bauherrn, der die Antragstellerin über Jahre nicht nachgekommen ist. Nach der Regelung in Art. 77 Abs. 2 Satz 3 BayBO (vgl. auch Art. 77 Abs. 2 Satz 3 BayBO in der bis 31.8.2018 gültigen Fassung), gelten die jeweiligen bauaufsichtlichen Anforderungen als eingehalten, wenn die entsprechende Bescheinigung des Prüfsachverständigen vorliegt. Bis dahin kann von Seiten der Bauaufsichtsbehörde nicht von einer ordnungsgemäßen Bauausführung hinsichtlich des Brandschutzes ausgegangen werden. Weshalb die streitgegenständliche Verfügung trotz der mit nicht brandschutzgerechter Bauausführung verbundenen Gefahren dennoch unverhältnismäßig sein soll, obwohl die Antragsgegnerin nach obigen Ausführungen grundsätzlich sogar unmittelbar eine Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO hätte aussprechen können, erschließt sich nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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