Verwaltungsrecht

beamtenrechtlicher Konkurrentenstreit

Aktenzeichen  6 CE 19.1508

Datum:
5.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21182
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Dem Prinzip der Bestenauslese, das auch für die Besetzung sog. Beförderungsdienstposten gilt, entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen, die regelmäßig den aktuellen, auf das Statusamt bezogenen dienstlichen Beurteilungen und dabei in erster Linie den  erreichten Gesamturteilen zu entnehmen sind (vgl. BVerwG BeckRS 2013, 53574 Rn. 18, 21; BayVGH BeckRS 2015, 42478 Rn. 13  mwN). Bezugspunkt der Auswahlentscheidung auf der ersten Stufe der Auswahl ist das angestrebte Statusamt.  (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Bewerbern mit gleichen Gesamtnoten ist der Dienstherr nicht nur berechtigt, sondern im Grundsatz zugleich verpflichtet, die dienstlichen Beurteilungen inhaltlich danach auszuschöpfen, ob die jeweiligen Einzelfeststellungen eine gegebenenfalls unterschiedliche Prognose ermöglichen. Dabei hat er die Einzelfeststellungen mit Blick auf das Beförderungsamt in ihrer Wertigkeit zu gewichten; will er dagegen sich aufdrängenden oder zumindest naheliegenden Unterschieden keine Bedeutung beimessen, so trifft ihn insoweit eine Begründungs- und Substantiierungspflicht (vgl. BVerwG BeckRS 2011, 55138 Rn. 24). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bieten bei gleichlautenden Gesamturteilen auch die Beurteilungen der Einzelmerkmale keinen Ansatzpunkt für einen Qualifikationsunterschied, sind zunächst weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien wie beispielsweise die jeweiligen Vorbeurteilungen sowie gegebenenfalls die darin enthaltenen Aussagen zu den Einzelmerkmalen vergleichend zu berücksichtigen, sofern sie für den aktuellen Leistungsvergleich noch Aussagekraft besitzen. Sog. leistungsferne Hilfskriterien können erst dann zum Tragen kommen, wenn sich gemessen an den Kriterien der Bestenauslese (Eignung, Befähigung und fachliche Leistung) zwischen den Bewerbern kein beachtlicher Qualifikationsunterschied ergibt (vgl. BVerwG BeckRS 2003, 25254; NdsOVG BeckRS 2017, 100093 Rn. 26; OVG NRW BeckRS 2016, 50047 Rn. 11).  (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die unter den Begriff der Befähigung fallenden personenbezogenen Eigenschaften sind von Art. 33 Abs. 2 GG erfasst und können zur Auflösung einer „Pattsituation“ bei einer Auswahlentscheidung daher auch berücksichtigt werden (vgl. BVerwG BeckRS 2015, 47556 Rn. 42 f.). Es entspricht dem Grundsatz der Bestenauslese, der Befähigungsbeurteilung als weiterem (leistungsbezogenem) Hilfskriterium ein ausschlaggebendes Gewicht im Eignungsvergleich zuzumessen, um bei einem Gleichstand der Bewerber nach dem Leistungsvergleich zu einer Rangfolge der Konkurrenten zu kommen (vgl. OVG RhPf BeckRS 2007, 24073).   (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
5. Vor der Betrachtung der Vorbeurteilungen und der Anwendung sogenannter qualifikationsunabhängiger Hilfskriterien bedarf es zunächst eines Vergleichs der neben der Leistungsbeurteilung in der dienstlichen Beurteilung erfolgten Einschätzung der Befähigung der Konkurrenten. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Dienstherr vorab in der Stellenausschreibung durch die Vorgabe der beim künftigen Dienstposteninhaber erwünschten Kenntnisse und Fähigkeiten festgelegt hat. Diese Entscheidung ist für das weitere Auswahlverfahren bindend, so dass diesen Kriterien dann besondere Bedeutung zumessen ist, wenn die Leistungsbeurteilung der Bewerber als im Wesentlichen gleich zu bewerten ist (vgl. BVerwG BeckRS 2013, 53574 Rn. 49). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 16 E 19.00760 2019-07-16 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16. Juli 2019 – AN 16 E 19.760 – wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine etwaigen außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.336,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller steht als Regierungsamtmann (Besoldungsgruppe A11) im Dienst der Antragsgegnerin. Er wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Besetzung des mit der Besoldungsgruppe A12 bewerteten Dienstpostens „Sachgebietsleiter/in Reservistenbearbeitung“ mit dem Beigeladenen.
Auf seinen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 16. Juli 2019 der Antragsgegnerin untersagt, den Dienstposten mit einem Mitbewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist.
Die Antragsgegnerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt. Sie beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Der Maßstab für die einaktige Auswahlentscheidung, die Stellenbesetzung und (nach erfolgreicher Erprobungszeit) Beförderung zugleich betreffe, ergebe sich nicht, wie das Verwaltungsgericht meine, aus den Anforderungen des konkreten Dienstpostens, sondern in erster Linie aus den Anforderungen des Statusamtes. Bei der streitgegenständlichen Auswahlentscheidung zur Besetzung der Beförderungsstelle sei das Prinzip der Bestenauslese beachtet worden. Die Antragsgegnerin habe sowohl die aktuelle als auch die Vorbeurteilung von Antragsteller und Beigeladenem ausgeschärft und dabei jeweils eine im Wesentlichen gleiche Qualifikation der Konkurrenten festgestellt. Aus diesem Grund habe sie letztlich für die Entscheidung auf die „Stehzeit“ im Amt der Besoldungsgruppe A11 abgestellt. Bei der Ausschärfung der aktuellen Beurteilung seien die das Führungsverhalten betreffenden leistungsbezogenen Einzelmerkmale nicht bewertet worden, da diese beim Beigeladenen (für den hier maßgeblichen Beurteilungszeitraum) nicht bewertet worden seien. Dass auch der Beigeladene die im Rahmen der Ausschreibung als erwünschtes Qualifikationsmerkmal aufgeführte „Erfahrung in der Führung von Mitarbeitern/innen“ aufweise, sei durch die in der Vorbeurteilung enthaltene Bewertung der Einzelkriterien unter dem Punkt „Führungsverhalten“ belegt.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Beigeladene unterstützt die Beschwerde der Antragsgegnerin, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerdegründe, die die Antragsgegnerin fristgerecht dargelegt hat und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und 3 VwGO), rechtfertigen nicht die Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Antragsteller wegen der Ablehnung seiner Bewerbung um einen Beförderungsposten einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Ungeachtet dessen, dass verfahrensgegenständlich nicht die Vergabe eines statusrechtlichen Amtes ist, könnte die Verwirklichung seiner eigenen Rechte, nämlich des in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Bewerbungsverfahrensanspruchs, durch die Besetzung des streitigen, nach Besoldungsgruppe A12 bewerteten Dienstpostens mit dem Beigeladenen vereitelt oder wesentlich erschwert werden, weil dies – worauf die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung auch ausdrücklich hinweist – jedenfalls Vorwirkungen auf die nachfolgende Vergabe des Statusamtes A12 entfalten kann (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO; BVerwG, B.v. 21.12.2016 – 2 VR 1.16 – juris Rn. 13).
2. Im Ergebnis zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch einen Anordnungsanspruch des Antragstellers bejaht, weil die Auswahlentscheidung seinen aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt hat und die Auswahl des Antragstellers im Falle einer fehlerfreien Wiederholung des Auswahlverfahrens möglich erscheint.
a) Öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne dürfen nach dem Verfassungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Das gilt auch für sogenannte Beförderungsdienstposten, die dem ausgewählten Bewerber bei erfolgreicher Erprobung die Chance auf eine Beförderung eröffnen. Kommen mehrere Bewerber für einen höherwertigen Dienstposten in Betracht, ist daher das Prinzip der Bestenauslese zu beachten. Dem Prinzip der Bestenauslese entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Dies sind regelmäßig die aktuellen dienstlichen Beurteilungen, die auf das Statusamt bezogen sind und eine Aussage dazu treffen, ob und in welchem Maße der Beamte den Anforderungen seines (Status-)Amts und dessen Laufbahn gewachsen ist (vgl. BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 18, 21; BayVGH, B.v. 4.2.2015 – 6 CE 14.2477 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.). Demgemäß ist Bezugspunkt der Auswahlentscheidung auf der ersten Stufe der Auswahl das angestrebte Statusamt. Maßgebend für den Leistungsvergleich ist dabei in erster Linie das erreichte Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist. Sind Bewerber nach ihren aktuellen Beurteilungen mit der gleichen Gesamtnote beurteilt worden, ist der Dienstherr nicht nur berechtigt, sondern im Grundsatz zugleich verpflichtet, die dienstlichen Beurteilungen der im Gesamturteil gleich bewerteten Bewerber inhaltlich auszuschöpfen, d.h. (im Wege einer näheren „Ausschärfung“ des übrigen Beurteilungsinhalts) der Frage nachzugehen, ob die jeweiligen Einzelfeststellungen eine gegebenenfalls unterschiedliche Prognose betreffend den Grad der Eignung für das Beförderungsamt, also für die künftige Bewährung in diesem (Status-)Amt ermöglichen. Diese Binnendifferenzierung ist dementsprechend ebenfalls auf das Statusamt bezogen. Bei der „Ausschärfung“ der dienstlichen Beurteilungen hat der Dienstherr auch darüber zu entscheiden, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zählenden Umständen er bei der Auswahlentscheidung größeres Gewicht beimisst. Denn es ist Sache des Dienstherrn, bei der gebotenen inhaltlichen Ausschöpfung der Beurteilungen einer etwaigen ungerechtfertigten Überbewertung nur geringfügiger Unterschiede zu begegnen, insbesondere dadurch, dass er die Einzelfeststellungen mit Blick auf das Beförderungsamt in ihrer Wertigkeit gewichtet. Will der Dienstherr dagegen sich aufdrängenden oder zumindest naheliegenden Unterschieden in den dienstlichen Beurteilungen keine Bedeutung beimessen, so trifft ihn insoweit eine Begründungs- und Substantiierungspflicht (vgl. BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3.11 – juris Rn. 24).
Bieten bei gleichlautenden Gesamturteilen auch die Beurteilungen der Einzelmerkmale keinen Ansatzpunkt für einen Qualifikationsunterschied, sind zunächst weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien wie beispielsweise die jeweiligen Vorbeurteilungen sowie gegebenenfalls die darin enthaltenen Aussagen zu den Einzelmerkmalen der Leistungsbeurteilung und sich eine möglicherweise abzeichnende Leistungsentwicklung der Bewerber vergleichend zu berücksichtigen, sofern sie für den aktuellen Leistungsvergleich noch Aussagekraft besitzen (vgl. BVerwG, U.v. 21.8.2003 – 2 C 14.02 – juris Rn. 22 f.; NdsOVG, B.v. 3.1.2017 – 5 ME 157/16 – juris Rn. 27; OVG NW, B.v. 8.8.2016 – 6 B 646/16 – juris). Sogenannte leistungsferne Hilfskriterien – wie etwa Dienst- und Lebensalter oder die „Stehzeit“ in einem bestimmten Statusamt – können erst dann zum Tragen kommen, wenn sich gemessen an den Kriterien der Bestenauslese (Eignung, Befähigung und fachliche Leistung) zwischen den Bewerbern kein beachtlicher Qualifikationsunterschied ergibt.
b) Nach diesen Maßgaben erweist sich die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin als fehlerhaft.
Die Entscheidung zugunsten des Beigeladenen wird mit der Erwägung begründet, weder die aufgrund der formal gleichen Gesamtbeurteilung erforderliche Binnendifferenzierung der Leistungsbeurteilungen in der aktuellen Beurteilung noch die Vorbeurteilung habe einen Qualitätsunterschied im Vergleich zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen ergeben. Da leistungsbezogene Hilfskriterien nach den Ziffern 310 ff. der analog anzuwendenden Bereichsdienstvorschrift C-1410/12 (Aufstellung von Beförderungsreihungen für Beamtinnen und Beamte) bei beiden Konkurrenten nicht gegeben seien, sei schließlich auf das leistungsferne Hilfskriterium der Stehzeit im Amt (Ziffer 314 der Bereichsdienstvorschrift) zurückgegriffen und der Beigeladene ausgewählt worden, weil dieser bereits seit November 2003 das Amt eines Regierungsamtmannes innehabe, der Antragsteller dagegen erst seit September 2014.
Dieses letztlich nicht am Leistungsgrundsatz orientierte Ergebnis der Auswahlerwägungen entspricht nicht den oben dargestellten, aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anforderungen.
(1) Zwar haben Antragsteller und Beigeladener in der aktuellen dienstlichen Beurteilung beide das Gesamturteil „1 (sehr gut)“ erreicht, wobei auch beide dem oberen Bereich der Bewertungsstufe zugeordnet wurden. Die Antragsgegnerin hat jedoch ihre weitere Annahme, es bestehe auch nach Vornahme der Binnendifferenzierung ein Qualifikationsgleichstand, angesichts der von ihr aufgezeigten Unterschiede in der Bewertung der einzelnen Leistungsmerkmale nicht ausreichend nachvollziehbar plausibilisiert.
Dem Dienstherrn kommt bei der Würdigung von Einzelfeststellungen einer Beurteilung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Seine Entscheidung, welche Bedeutung er einzelnen Feststellungen für die Auswahl zwischen im Wesentlichen gleich geeigneten Bewerbern beimisst oder ob er Gewichtungsunterschiede vornimmt oder nicht, ist im Grundsatz daher nur dann zu beanstanden, wenn der gesetzliche Rahmen, in dem sich der Dienstherr frei bewegen kann, verkannt worden ist oder wenn von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind.
Danach begegnet es zwar grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken, dass die Antragsgegnerin bei der Ausschärfung des Beurteilungsinhalts vorliegend auch mit Blick auf die Anforderungen des Beförderungs(status) amts offensichtlich keiner der im Rahmen der Leistungsbeurteilung getroffenen Einzelfeststellungen besondere Bedeutung beigemessen hat. Wenngleich eine entsprechende Gewichtung zur Ausschärfung durchaus nahegelegen hätte, hält sich die Antragsgegnerin damit noch innerhalb des ihr insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums. Allerdings ist dann nicht nachvollziehbar, weshalb sie in der Folge von einem Qualifikationsgleichstand der Beteiligten ausgegangen ist, obwohl der Antragsteller in der aktuellen Beurteilung bei den 15 zu vergleichenden Einzelmerkmalen sieben Mal die Bestnote („S“) und acht Mal die zweitbeste Note („1“) erhalten hat, der Beigeladene dagegen nur fünf Mal die Bestnote und zehn Mal eine „1“ erreichte. Haben alle Einzelfeststellungen dasselbe Gewicht, ergibt sich – rein numerisch gesehen – objektiv ein Qualifikationsvorsprung des Antragstellers gegenüber dem Beigeladenen, der nicht offensichtlich ohne Gewicht ist. Die pauschale Aussage der Antragsgegnerin, „im Vergleich der Binnendifferenzierung der Leistungsbeurteilungen sei kein wesentlicher Unterschied festzustellen“, hat das Verwaltungsgericht zu Recht nicht als ausreichende Plausibilisierung ausreichen lassen. Vielmehr hätte es einer besonderen Begründung dafür bedurft, weshalb die Antragsgegnerin den ermittelten Unterschieden keine Bedeutung beimessen wollte. Ihrer besonderen Begründungs- und Substantiierungspflicht ist die Antragsgegnerin somit nicht nachgekommen.
(2) Ungeachtet dessen leidet die Auswahlentscheidung auch an einem weiteren Fehler. Neben der Leistungsbeurteilung werden in den dienstlichen Beurteilungen der Antragsgegnerin Befähigungsbeurteilungen verlangt und abgegeben. Mit den darin enthaltenen „Potenzialeinschätzungen“ zu den fünf Merkmalen Denk- und Urteilsvermögen, Organisationsvermögen, Befähigung zur Kommunikation und Zusammenarbeit, Verhandlungsgeschick und Führungsfähigkeit werden allgemein für die dienstliche Verwendung bedeutsame Eigenschaften des Beamten angesprochen, die – weil nicht auf ein bestimmtes (Status-)Amt und die hierfür bestehenden Anforderungen bezogen – unter den Begriff der Befähigung im Sinn von Art. 33 Abs. 2 GG fallen. Diese personenbezogenen Eigenschaften sind von Art. 33 Abs. 2 GG erfasst und können zur Auflösung einer „Pattsituation“ bei einer Auswahlentscheidung daher auch berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 2 C 12.14 – juris Rn. 43). Dies gilt auch dann, wenn – wie vorliegend – nach Festlegung des Dienstherrn der Leistungsbeurteilung im Verhältnis zur Befähigungsbeurteilung eine herausgehobene Bedeutung zukommt. Mit der Beurteilung der Befähigungsmerkmale sollen die individuellen Stärken und Schwächen des Beamten dargestellt werden, um eine fundierte Erkenntnisgrundlage für die zukünftige Verwendung des Beamten zu schaffen (vgl. VGH BW, B.v. 23.1.2017 – 4 S 2241/16 – juris Rn. 11). Daher entspricht es dem Grundsatz der Bestenauslese, der Befähigungsbeurteilung als weiterem (leistungsbezogenem) Hilfskriterium ein ausschlaggebendes Gewicht im Eignungsvergleich zuzumessen, um bei einem Gleichstand der Bewerber nach dem Leistungsvergleich zu einer Rangfolge der Konkurrenten zu kommen (vgl. OVG RhPf, B.v. 23.5.2007 – 10 B 10318/07 – juris Rn. 9).
Ginge man daher mit der Antragsgegnerin davon aus, dass auch die „Binnendifferenzierung“ der Leistungsmerkmale in der aktuellen Beurteilung – gegebenenfalls unter Heranziehung der für das beschreibende Anforderungsprofil besonders bedeutsamen Beurteilungsmerkmale und der dort erzielten Ergebnisse (vgl. dazu BayVGH, B.v. 22.11.2017 – 3 CE 07.2274 – juris Rn. 68) – keinen Beurteilungsvorsprung eines Konkurrenten ergeben hat, hätte es vor der Betrachtung der Vorbeurteilungen und der Anwendung sogenannter qualifikationsunabhängiger Hilfskriterien zunächst eines Vergleichs der neben der Leistungsbeurteilung in der dienstlichen Beurteilung erfolgten Einschätzung der Befähigung der beiden Konkurrenten auch im Hinblick auf die laut Stellenausschreibung beim künftigen Dienstposteninhaber erwünschten Kenntnisse und Fähigkeiten bedurft. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Antragsgegnerin sich vorab in der Stellenausschreibung durch die Vorgabe der beim künftigen Dienstposteninhaber erwünschten Kenntnisse und Fähigkeiten festgelegt hat. Diese Entscheidung ist für das weitere Auswahlverfahren bindend. Die Antragsgegnerin muss diesen Kriterien deshalb dann besondere Bedeutung zumessen, wenn die Leistungsbeurteilung der Bewerber als im Wesentlichen gleich zu bewerten ist (vgl. BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 49).
Einen Vergleich der Befähigungsbeurteilungen hat die Antragsgegnerin jedoch nicht vorgenommen. Hierbei lässt sich wiederum ein Vorsprung des Antragstellers nicht ohne weiteres von der Hand weisen, weil dieser hinsichtlich aller fünf, bezüglich ihrer Wertigkeit in der Zentralen Dienstvorschrift A-1340/83 nicht abgestuften Merkmale die beste Bewertung („A“ = besonders stark ausgeprägt) erzielt hat, der Beigeladene dagegen nur drei Mal die Note „A“ und für die Merkmale „Verhandlungsgeschick“ und „Führungsfähigkeit“ „nur“ die zweitbeste Bewertung („B“ = stark ausgeprägt) erhalten hat. Dies durfte bei dem Qualifikationsvergleich nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben.
Nach alledem hat die Antragsgegnerin das Gebot der umfassenden inhaltlichen Auswertung und „Ausschärfung“ der letzten dienstlichen Beurteilung verletzt und in rechtswidriger Weise auf das nicht leistungsbezogene Hilfskriterium der „Stehzeit im Amt“ abgestellt. Damit hat sie den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt. Da seine Auswahl möglich erscheint, kann der Antragsteller daher eine erneute Auswahlentscheidung beanspruchen. Die Beschwerde der Antragsgegnerin muss demnach erfolglos bleiben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 sowie auf § 162 Abs. 3 VwGO. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens allein zu tragen. Dem Beigeladenen ist kein Kostenanteil aufzuerlegen, obwohl er auf der Seite der unterlegenen Antragsgegnerin steht, da er keinen eigenen Antrag gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO). Aus dem gleichen Grund entspricht es aber auch der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, weil er sich im Beschwerdeverfahren keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG sowie § 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG. Anzusetzen ist danach im Ergebnis ein Viertel der für ein Kalenderjahr in dem angestrebten Amt zu zahlenden Bezüge der Endstufe (BayVGH, B.v. 24.10.2017 – 6 C 17.1429 – BayVBl 2018, 390; hier: 1/4 von 61.344,00 €).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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