Verwaltungsrecht

Befreiung der Einleitung von Niederschlagswasser von der Abgabepflicht

Aktenzeichen  AN 1 K 15.00836

Datum:
29.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AO AO § 163
AbwAG AbwAG § 7 Abs. 1, Abs. 2, § 9 Abs. 4, § 11 Abs. 1
BayAbwAG BayAbwAG Art. 6 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 4b

 

Leitsatz

Die Befreiung der Einleitung von Niederschlagswasser von der Abgabepflicht (Abwasserabgabe) setzt voraus, dass eine wasserrechtliche Erlaubnis für die Einleitung bereits im Veranlagungszeitraum vorlag; das eventuelle Vorliegen der Voraussetzungen des § 163 AO berührt die Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides nicht. (amtlicher Leitsatz)
2. Das Vorliegen eines die Einleitung zulassenden wasserrechtlichen Erlaubnisbescheides ist tatbestandliche Voraussetzung für die Abgabefreiheit sowohl von Einleitungen im Trennsystem als auch im Mischsystem. Fehlt ein solcher Bescheid, scheidet eine Abgabefreiheit für das Einleiten von Niederschlagswasser gem. Art. 6 Abs. 2 S. 1 BayAbwAG aus (s. auch VGH München BeckRS 2013, 51462).             (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn eine Abgabe an sich zwar dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Einzelfall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Abgabe als unbillig erscheint. Das ist der Fall, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass die Besteuerung nach dem Gesetz zu einem vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollten Ergebnis führt und der Gesetzgeber die im Billigkeitsweg zu entscheidende Frage, hätte er sie geregelt, im Sinne der Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
Aktenzeichen: AN 1 K 15.00836
Im Namen des Volkes
Gerichtsbescheid
vom 29. Februar 2016
1. Kammer
Sachgebiets-Nr.: 1100
Hauptpunkte: Die Befreiung der Einleitung von Niederschlagswasser von der Abgabepflicht (Abwasserabgabe) setzt voraus, dass eine wasserrechtliche Erlaubnis für die Einleitung bereits im Veranlagungszeitraum vorlag; das eventuelle Vorliegen der Voraussetzungen des § 163 AO berührt die Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides nicht.
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache

vertreten durch den …
– Klägerin –
bevollmächtigt: Rechtsanwalt …
gegen

vertreten durch: Landratsamt …
– Beklagter –
wegen Abwasserabgabe
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 1. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht … den Richter am Verwaltungsgericht … den Richter … ohne mündliche Verhandlung am 29. Februar 2016 folgenden
Gerichtsbescheid:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Der Kläger betreibt eine Verbandskläranlage in …, aus welcher die gereinigten Abwässer in die … (Gewässer II. Ordnung) eingeleitet werden.
Die vom Landratsamt … mit Bescheid vom 10. August 1994, Az. 54-641-12/1, erteilte Erlaubnis für die Einleitung des gereinigten Abwassers in die … lief zum 31. Dezember 2012 ab.
Der Kläger beauftragte mit Schreiben vom 31. Mai 2012 das Ingenieurbüro Dr. … und Partner mit der Erstellung eines Folgeantrags. Der vom Ingenieurbüro am 14. Dezember 2012 gefertigte Antrag wurde mit Schreiben des Klägers vom 7. Januar 2013 an das Landratsamt … übermittelt, wo er am 8. Januar 2013 einging.
Das Landratsamt … leitete die Antragsunterlagen mit Schreiben vom 15. Januar 2013 an das Wasserwirtschaftsamt … weiter, mit der Bitte zu prüfen, ob die vorgelegten Unterlagen zur Durchführung eines wasserrechtlichen Erlaubnisverfahrens vollständig und brauchbar sind, und den Textvorschlag für die öffentliche Bekanntmachung zu erstellen.
Unter dem 31. Juli 2014 erkundigte sich das Landratsamt … beim Wasserwirtschaftsamt … nach dem Sachstand. Bei einer Besprechung des Klägers mit dem Wasserwirtschaftsamt … am 12. November 2014 teilte dieses mit, dass die beantragte Genehmigung nicht erteilt werden könne und weitere Unterlagen erforderlich seien. Es sei jedoch die Erteilung einer beschränkten Erlaubnis denkbar.
Diese wurde vom Kläger unter dem 21. November 2014 beantragt und am 19. Dezember 2014 vom Landratsamt … unter Auflagen erteilt.
Am 26. November 2013 ging die vom selben Tag datierende Abgabeerklärung des Klägers für das Einleiten von verschmutztem Niederschlagswasser für das Jahr 2013 (§ 7 AbwAG, Art. 6 BayAbwAG) beim Landratsamt … ein.
Unter „4. Abgabefreiheit nach Art. 6 Abs. 2 BayAbwAG“ enthält der Antrag folgende Angaben:
4.1 Speichervolumen zur Mischwasserbehandlung 9.340 m³.
4.2 An die Mischwasserkanalisation angeschlossene befestigte Fläche 684,66 ha.
4.3 Nach Bescheid erforderliches Speichervolumen je Hektar 13,64 m³/ha.
4.4 Die an die Mischwasser- und Abwasserbehandlung gestellten Anforderungen des die Einleitung zulassenden Bescheides werden erfüllt.
4.5 Das zurückgehaltene Mischwasser wird einer Abwasserbehandlungsanlage zugeführt, welche die Anforderungen nach § 7a Abs. 1 und 2 WHG in der am 28. Februar 2010 geltenden Fassung oder nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 57 Abs. 2 WHG erfüllt.
Unter „5. Berechnung“ ist in dem Antrag ausgeführt:
26.210 angeschlossene Einwohner x 12 v. H. x 35,79 EUR (Abgabesatz) = 112.566,71 EUR.
Das Wasserwirtschaftsamt … bestätigte unter dem 6. März 2015 die Richtigkeit der Angaben zu Nr. 4.1 bis 4.3 und wies zu Nr. 4.4 darauf hin, dass für das Jahr 2013 kein „Kläranlagenbescheid“ vorgelegen habe.
Mit E-Mail vom 1. April 2015 teilte das Landratsamt … dem Kläger mit, es sei aktuell vorgesehen, sowohl die Großeinleiterabgabe als auch die Niederschlagswasserabgabe für das Jahr 2013 festzusetzen und abzurechnen (voraussichtlicher Erlass der Bescheide: ab 13.4.2015). Im Falle des Klägers komme es zu erheblichen Nachforderungen (deutlich über 100.000,00 EUR). Die Nachzahlungen seien – unabhängig von der Einlegung von Rechtsmitteln – innerhalb einer bestimmten Frist zur Zahlung fällig.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 27. April 2015 setzte das Landratsamt … gegenüber dem Kläger für das Veranlagungsjahr 2013 eine Niederschlagswasserabgabe in Höhe von 112.566,71 EUR fest.
In der Begründung des Bescheides wird darauf hingewiesen, das Vorliegen einer wasserrechtlichen Erlaubnis zur Einleitung von gereinigtem Abwasser in ein Gewässer für das Veranlagungsjahr 2013 sei eine Grundvoraussetzung, um eine Abgabebefreiung gemäß Art. 6 Abs. 2 BayAbwAG zu prüfen. Die Befreiungstatbestände des Art. 6 BayAbwAG würden kumulativ gelten. Für das Jahr 2013 liege keine gültige Einleitungserlaubnis vor. Die ursprüngliche Erlaubnis sei bis zum 31. Dezember 2012 befristet. Der Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis sei am 7. Januar 2013 gestellt worden. Erst mit Bescheid vom 19. Dezember 2014 sei eine beschränkte Erlaubnis erteilt worden.
Der Bescheid wurde dem Kläger am 4. Mai 2015 zugestellt.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 20. Mai 2015, eingegangen beim Verwaltungsgericht Ansbach am 26. Mai 2015, ließ der Kläger Klage erheben mit dem Antrag, den Bescheid des Landratsamtes … vom 27. April 2015 aufzuheben.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 22. Mai 2015 beantragte der Kläger beim Landratsamt … die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides.
An der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestünden ernstliche Zweifel. In der Erläuterung zu der für das Jahr 2013 abgegebenen Erklärung gemäß § 6 AbwAG heiße es, dass durch die Erklärung der Einleiter in abwasserabgabenrechtlicher Hinsicht so gestellt werde, als ob ein Einleitungsbescheid mit den notwendigen Festlegungen vorliegen würde. Die Erklärung solle die fehlenden Festsetzungen eines Bescheides ersetzen.
Es stelle einen Verstoß gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben dar, wenn eine Behörde in einem Über-/Unterordnungsverhältnis widersprüchlich handle. Das Landratsamt könne nicht einerseits einen Bescheid fingieren und andererseits sich bei der Festsetzung einer Abgabe auf das Fehlen eines solchen förmlichen Bescheides berufen.
Es werde der Erlass der für das Kalenderjahr 2013 festgesetzten Niederschlagswassergebühr gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 4b BayAbwAG i. V. m. § 163 AO beantragt. Da der Kläger bereits am 7. Januar 2013 die Einleitungsgenehmigung beantragt habe, diese jedoch erst am 19. Dezember 2014 erteilt worden sei, stelle die Erhebung einer Niederschlagswassergebühr jedenfalls eine unbillige Härte aus sachlichen Gründen dar.
Unter dem 28. Mai 2015 lehnte das Landratsamt … den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.
Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 27. April 2015 bestünden nicht. Die streitgegenständliche Niederschlagswasserabgabe sehe – anders als bei Großeinleitern – keine Eigenerklärung vor. Der bayerische Gesetzgeber habe die in den Abwasserabgaben angelegte Lenkungsfunktion speziell für das Niederschlagswasser ausgestaltet und insoweit zwingend das Vorliegen eines Einleitungsbescheides gefordert.
Die Möglichkeit zur Eigenerklärung bei Einleitungen finde sich in § 6 AbwAG. Der Freistaat sei jedoch aufgrund von § 7 Abs. 2 AbwAG ermächtigt, die Voraussetzungen zu regeln, unter denen die Einleitung von Niederschlagswasser ganz oder zum Teil abgabefrei bleibe. Von dieser Öffnungsklausel habe der bayerische Gesetzgeber in Art. 6 BayAbwAG Gebrauch gemacht. Absatz 2 Nr. 3 der Vorschrift setze dabei zwingend das Vorliegen eines die Einleitung genehmigenden Bescheides voraus.
Die sehr allgemein gehaltene Argumentation zu Treu und Glauben oder Vertrauensschutz könne nicht nachvollzogen werden. Es habe ein die Einleitung regelnder Bescheid existiert, der zum 31. Dezember 2012 ausgelaufen sei. Es sei dem Kläger also bekannt, dass ein Bescheid erforderlich sei. Der Antrag vom 7. Januar 2013 sei allein schon wegen der im Wasserrecht ein zu kalkulierenden Bearbeitungszeit verspätet und im Übrigen auch nicht vollständig. Der Kläger habe aufgrund dieses Sachverhalts kein anerkennenswertes Vertrauen darauf, die Voraussetzungen für die Befreiung von den Abwasserabgaben zu erfüllen.
Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2015 stellte der Bevollmächtigte des Klägers einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung wurde vorläufig auf die Ausführungen im Schreiben vom 22. Mai 2015 an das Landratsamt … verwiesen.
Das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wurde unter dem Aktenzeichen AN 1 S 15.00877 erfasst.
Unter dem 22. Juni 2015 wandte sich der Kläger mit einer Eingabe an das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz und rügte die verzögerte Bearbeitung des Antrags auf Erteilung der gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis. Die hieraus resultierenden abgabenrechtlichen Folgen (Entstehen der Abgabepflicht für die Einleitung von Niederschlagswasser) habe der Kläger nicht erkennen können.
Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2015 trug der Bevollmächtigte des Klägers vor, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid sei anzuordnen, weil bei einer Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Klägers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse des Beklagten an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides dem Interesse des Klägers der Vorzug zu geben sei. Hierbei seien die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als maßgebliche Grundlage heranzuziehen.
Der Beklagte stütze sich offensichtlich auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 5. Oktober 2011 – Au 6 K 10.1969, die zwischenzeitlich auch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bestätigt worden sei. Das Verwaltungsgericht Augsburg sehe eine Abgabefreiheit gemäß Art. 6 BayAbwAG nur als gegeben an, wenn ein förmlicher Einleitungsbescheid vorliege. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus der Gesetzgebungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Regelung.
Im vorliegenden Fall wäre indessen aus Gründen des Vertrauensschutzes die Anwendung des § 163 AO geboten gewesen. Nach dieser Vorschrift, die gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4b BayAbwAG im Verfahren über die Erhebung einer Abwasserabgabe einschlägig sei, könnten Abgaben niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Abgabe nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.
Ein solcher Fall der sachlichen Unbilligkeit liege hier vor.
Diese sei gegeben, wenn die Abgabe an sich zwar dem Gesetz entspreche, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Einzelfall derart zuwiderlaufe, dass die Erhebung der Abgabe als unbillig erscheine. Das sei der Fall, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers anzunehmen sei, dass die Abgabenerhebung zu einem vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollten Ergebnis führe und der Gesetzgeber die im Billigkeitsweg zu entscheidende Frage, hätte er sie geregelt, im Sinne der Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte.
Habe der Gesetzgeber auch Härtefälle in Betracht gezogen und die Abgabenerhebung trotzdem angeordnet, liege ein Fall sachlicher Unbilligkeit nicht vor (VG Koblenz vom 16.11.2009 – 3 K 1436/08 mit Verweis auf: Klein, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 163 Rn. 32 f.).
Wenn man dem Verwaltungsgericht Augsburg folge, dass der Gesetzgeber als Voraussetzung für die Abgabefreiheit gemäß Art. 6 BayAbwAG bewusst an das formelle Kriterium der Existenz eines Bescheides anknüpfe, der die Einleitung von Niederschlagswasser gestatte, so liege die Begründung darin, dass derjenige, der sich nicht oder nicht rechtzeitig um die Erteilung eines solchen Bescheides gekümmert habe, nicht demjenigen gleichgestellt werden solle, der das notwendige Gestattungsverfahren durchlaufen habe. In dem vom Verwaltungsgericht Augsburg entschiedenen Fall habe der betreffende öffentliche Einleiter offenbar bis zum Jahr 2008 über keine wasserrechtliche Gestattung für die Einleitung von Niederschlagswasser verfügt. Dies sei von der für den Vollzug des Wasserrechts zuständigen Behörde offenbar stillschweigend geduldet worden, bis sich die Rechtsauffassung in Bezug auf Art. 6 BayAbwAG geändert habe.
Im vorliegenden Fall habe der Kläger mit Schreiben vom 31. Mai 2012 das Ingenieurbüro Dr. … und Partner mit der Erstellung eines Folgeantrags auf den bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Einleitungsbescheid beauftragt. Der Antrag auf Erteilung einer Einleitungserlaubnis (gehobene Erlaubnis) sei von den Entwurfsverfassern Dr. … und … unter dem 14. Dezember 2012 und vom Vorsitzenden des Klägers, …, unter dem 7. Januar 2013 unterzeichnet und am selben Tag an das Landratsamt … versandt worden.
Im Zeitraum zwischen Herbst 2013 und dem 12. November 2014 habe der Klärmeister … im Auftrag des Klägers fernmündlich mehrfach beim Sachbearbeiter des Wasserwirtschaftsamtes … in Bezug auf den Sachstand des Verfahrens nachgefragt. Stets sei er auf die personelle Überlastung der Behörde hingewiesen worden, die einer Verbescheidung entgegenstehe. Zu keinem Zeitpunkt sei seitens der Wasserrechtsbehörde oder des Wasserwirtschaftsamtes auf unvollständige Auftragsunterlagen hingewiesen oder seien solche Unterlagen nachgefordert worden.
Erst am 12. November 2014, also 22 Monate nach Antragstellung, seien Vertreter des Klägers zu einer Besprechung beim Wasserwirtschaftsamt gebeten worden. Dort sei dem Kläger erklärt worden, die eingereichten Antragsunterlagen seien nicht ausreichend, um über den Antrag einer gehobenen Erlaubnis zu entscheiden. Es sei eine neue umfassende Schmutzfrachtberechnung einschließlich eines neuen Beckenbewirtschaftungskonzeptes einzureichen. Es sei anheimgestellt worden, zur Überbrückung eine beschränkte Erlaubnis zu beantragen. Diese sei vom Landratsamt … auf Antrag des Klägers am 19. Dezember 2014 erteilt worden. Da der Bescheid sich aber fälschlicherweise auf die Kläranlage der Gemeinde … beschränkt habe, habe das Landratsamt … auf Hinweis des Klägers einen neuen Bescheid, ebenfalls datiert auf den 29. Dezember 2014 erlassen.
Der Gesetzgeber habe ersichtlich nicht die Absicht gehabt, denjenigen schlechter zu stellen, der im Vertrauen auf die Aussagen der zuständigen Behörden aktiv daran mitgewirkt habe, die Anforderungen an die Abwasserbehandlung im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayAbwAG nachzuweisen.
Der Kläger habe die sich aus der schleppenden Bearbeitung seines Antrags auf Erteilung einer gehobenen Erlaubnis ergebenden negativen Folgen in Bezug auf die Abgabefreiheit gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayAbwAG nicht erkennen können. Er habe am 24. Oktober 2012 für das Jahr 2013 eine Erklärung über die Einhaltung der Überwachungswerte für CSB, Phosphor und Stickstoff sowie über die zu erwartende Menge der Einleitung abgegeben. In der Erläuterung zu diesem Bescheid heiße es wörtlich:
„Durch die Erklärung soll der Einleiter in abwasserabgabenrechtlicher Hinsicht so gestellt werden, als ob ein Einleitungsbescheid mit den notwendigen Festlegungen vorliegen würde, d. h., die Erklärung soll die fehlende Festlegung dieses Bescheides gleichwertig ersetzen. Die Erklärung bezieht sich auch auf die nach der AbwV geltenden und im Einleitungsbescheid regelmäßig enthaltenen Festlegungen, die für die Abwasserabgabe relevant sind.“
Mit der Erklärung habe der Kläger nach seiner Vorstellung alles getan, was vom Landratsamt … verlangt wurde, um die Abgabefreiheit nach Art. 6 BayAbwAG nachzuweisen.
Der Kläger sei weder vom Landratsamt … als zuständiger Wasserrechtsbehörde noch vom Wasserwirtschaftsamt während des Jahres 2013 auf die Unvollständigkeit seiner Unterlagen hingewiesen worden. Der Kläger hätte ansonsten umgehend einen Antrag auf Erteilung einer beschränkten Erlaubnis oder eines Bescheides nach § 17 Abs. 1 WHG (Zulassung vorzeitigen Beginns) gestellt. Damit hätte er die formalen Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayAbwAG erfüllen können.
Die Erhebung einer Abwasserabgabe in einem Fall, in dem der Abgabepflichtige zwar (noch) nicht über einen aktualisierten Einleitungsbescheid verfüge, jedoch rechtzeitig eine Erklärung über die materiellen Anforderungen für eine Abgabefreiheit abgebe und er zusätzlich von der zuständigen Behörde ausdrücklich signalisiert bekomme, dass diese Erklärung einem formalen Bescheid gleichwertig sei, sei sachlich unbillig. Letztlich komme es dem Gesetzgeber darauf an, mit der Abwasserabgabe eine Lenkungswirkung zum Schutz der Gewässer zu erreichen. Die Einleitung von Niederschlagswasser solle quantitativ soweit wie möglich beschränkt und qualitativ so gewässerschonend wie möglich erfolgen.
Zwar weise der Gesetzgeber das Risiko von nicht vom Einleiter zu vertretenden „Störfällen“ oder einer zögerlichen Bearbeitung des Antrags auf die erforderliche wasserrechtliche Gestattung nach der einschlägigen Rechtsprechung grundsätzlich dem Einleiter zu. Trotzdem dürfe das Kernelement der Abwasserabgabe dabei nicht aus den Augen verloren werden: Dem Gesetzgeber gehe es darum, das hohe Umweltschutzniveau der Fließgewässer zu erhalten und zu verbessern. An diesem Maßstab sei letztlich auch die Frage der sachlichen Unbilligkeit einer Abgabenerhebung zu messen.
Daran gemessen dränge sich ein Erlass oder eine wesentliche Herabsetzung der Abwasserabgabe gemäß § 163 AO im vorliegenden Fall förmlich auf. Eine solche habe der Kläger im Übrigen mit anwaltlichem Schreiben vom 22. Mai 2015 ausdrücklich beantragt.
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 18. Juni 2015,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 14. Juli 2015 unter anderem ausgeführt, zum Unterschied zwischen Großeinleiterabgabe und Niederschlagswasserabgabe könne auf die Ablehnung des § 80 Abs. 4 VwGO-Antrags verwiesen werden. Das Gesetz fordere für die Befreiung von der Niederschlagswasserabgabe in Art. 6 BayAbwAG das Vorliegen eines Bescheides.
Das Umweltministeriumsschreiben vom 10. November 2014 lege die Befreiungsvoraussetzungen bei der Niederschlagswasserabgabe dar. Demnach sei ein Erlass allenfalls mit Wirkung zu Beginn des laufenden Jahres (Jahr des Bescheidserlasses) möglich und auch nur dann, wenn vollständige Antragsunterlagen vor Ablauf der Befristung einer bestehenden Gewässerbenutzung vorlägen. Bezug genommen werde insoweit auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2005.
Die vom Kläger nunmehr näher dargelegten Vertrauensschutzargumente seien nicht ausreichend, um hinreichende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabebescheides, auch im Blick auf § 163 AO, auszulösen. Um zu einer Unbilligkeit zu kommen, brauche es vielmehr einen fundamentalen Dissens zwischen der positiven Norm und der sachgerechten Normanwendung in der Praxis, gerade unter Zugrundelegung aller Umstände des Einzelfalls. Bereits aufgrund des eigenen Vortrags könne der Kläger einen solchen Vertrauensschutz nicht in Anspruch nehmen.
Anders als in dem zitierten Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg sei ein die Einhaltung genehmigender Bescheid auch vor dem streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum 2013 gefordert worden. Die Notwendigkeit eines Bescheides sei dem Kläger also bekannt gewesen. Dennoch sei der Genehmigungsbescheid zum 31. Dezember 2012 ausgelaufen, ohne dass ein neuer Antrag vorgelegen habe. Dieser neue – unvollständige – Antrag habe erst Anfang 2013 vorgelegen. Allein deswegen sei auf Grundlage des UMS keine rückwirkende Anwendung des Bescheides möglich. Deshalb habe auch kein Vertrauensschutz bestanden.
Das maßgebliche Versäumnis habe hier aber nicht – wie vom Kläger dargestellt – in der Bearbeitungszeit des Amtes bestanden. Vielmehr seien seitens des Einleiters zunächst vollständige Unterlagen zu besorgen, die in der Praxis das beauftragte Ingenieurbüro mit der Fachbehörde abstimme. Der Antrag müsse dabei vor Auslauf des bisher genehmigenden Bescheids bei der Wasserrechtsbehörde gestellt sein. Bereits die formale Antragstellung sei verspätet erfolgt. Regelmäßige Rückfragen bei der Fachbehörde änderten daran nichts – für den Bescheid und das Verfahren sei ohnehin die Wasserrechtsbehörde zuständig.
Auf Basis der vom Kläger selbst vorgetragenen Argumentation – der Gesetzgeber wolle nicht denjenigen belasten, der sich um eine wasserrechtliche Erlaubnis kümmere – verfehle der Kläger mit dem nicht rechtzeitigen Einleiten eines Folgeverfahrens den Anspruch auf Vertrauensschutz. Die dem Kläger gestattete Einleitung sei bis Ende 2012 befristet gewesen. Ab 2013 seien demnach die Umweltauswirkungen der Einleitung in einem neuen Verfahren zu beurteilen gewesen. Die Abwasserabgabe diene auch der Disziplinierung. Unter welchen Umständen eine weitere Einleitung zulässig sei, hänge vom Ausgang des Folgeverfahrens ab. Insoweit bilde die erhobene Abgabe auch das Umweltrisiko ab.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2015 bot der Beklagte dem Kläger den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs an.
Dieser solle folgenden Inhalt haben:
1. Der Kläger wird so gestellt, als würde ab dem 1. Oktober 2013 die notwendige Gestattung zur Einleitung vorliegen.
2. Die Zahlungspflicht aus dem streitgegenständlichen Bescheid wird damit auf 84.193,73 EUR reduziert.
3. Das Gericht entscheidet über die Kosten nach billigem Ermessen.
Mit dem Vergleich solle der zugunsten des Klägers sprechende lange Bearbeitungszeitraum berücksichtigt werden. Der Kläger hätte im Mittel mit einer Vorlaufzeit von acht oder neun Monaten rechnen müssen, um rechtzeitig einen „Antrag“ (gemeint wohl: Genehmigung) zu erhalten. Die Parteien hätten sich daher auf den 1. Oktober 2013 als fiktives Geltungsdatum für den späteren Bescheid geeinigt.
Mit einem nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Schreiben vom 26. August 2015 teilte das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz dem Kläger mit, eine gleich gelagerte Fallgestaltung wie in der vom Kläger zitierten Härtefallentscheidung bei der Gemeinde … im Landkreis … liege nach den nunmehr vorliegenden Unterlagen nicht vor. Zudem habe das Landratsamt … in eigener Zuständigkeit dem Anliegen des Klägers mit dem vorliegenden Vergleichsangebot sehr weitgehend Rechnung getragen. Einen darüber hinausgehenden Spielraum sehe das Ministerium nicht.
Der Kläger lehnte die Annahme des Vergleichsvorschlags des Beklagten mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 8. September 2015 ab. Wäre der Bescheid innerhalb der üblichen Bearbeitungszeit im Oktober 2013 erlassen worden, wäre die Abgabe für das gesamte Kalenderjahr 2013 entfallen.
Nach Einsichtnahme in die Verwaltungsakte zum wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren vertiefte der Bevollmächtigte des Klägers den Sachvortrag mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2015. Wie der Beklagte in seinem Rundschreiben durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz vom 10. November 2014 selbst einräume, sei es bei der Bearbeitung von Einleitungsbescheiden in einer Vielzahl von Fällen zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen gekommen. Das Umweltministerium sehe in der Regel eine Bearbeitungszeit von sieben Monaten zwischen dem Eingang des Antrags und der vollständigen Unterlagen und dem Erlass des Bescheides als angemessen an. Sofern das Verfahren innerhalb dieses Zeitraums nicht abgeschlossen werden könne, solle mit Zustimmung des jeweiligen Klägers eine beschränkte Erlaubnis für eine Übergangszeit erteilt werden. Das Umweltministerium führe in dem Rundschreiben vom 10. November 2014 folgendes aus:
„Entscheidet die Kreisverwaltungsbehörden nicht in angemessener Zeit und führt dies zu einem Verlust der im Abwasserabgabenrecht eröffneten Vergünstigungen, kann bei rechtzeitiger und vollständiger Antragstellung der Vorwurf der Amtshaftung gegenüber dem Freistaat Bayern (…) im Raum stehen.“
Den Vorwurf der Amtspflichtverletzung müsse sich das Landratsamt … im vorliegenden Falle gefallen lassen:
Der Kläger habe den Antrag auf Erteilung einer gehobenen Erlaubnis nur wenige Tage nach dem Auslaufen der Gültigkeit der vorangegangenen wasserrechtlichen Einleitungserlaubnis am 7. Januar 2013 eingereicht. Gemäß § 4 der Verordnung über Pläne und Beilagen in wasserrechtlichen Verfahren vom 13. März 2000 (WPBV) seien grundsätzlich die in dieser Vorschrift aufgezählten Unterlagen vorzulegen. Soweit keine baulichen Anlagen errichtet würden oder deren Funktionsfähigkeit überprüft werden müsse, seien entsprechende Unterlagen auch nicht erforderlich. Der Kläger habe gemäß Blatt 29 ff. der Akte für das wasserrechtliche Erlaubnisverfahren einen Antrag eingereicht, der eine ausführliche Erläuterung sowie Pläne und eine Bestandslageplan beinhalte. Welche weiteren Unterlagen gemäß § 4 WPBV der Kläger von sich aus hätte einreichen sollen, sei nicht ersichtlich. Gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 WPBV erörtere die Verwaltungsbehörde mit dem Vorhabenträger das Vorhaben sowie seine Umweltauswirkungen, sobald der Vorhabenträger die Verwaltungsbehörde über das geplante Vorhaben unterrichtet habe. Dabei werde im Benehmen mit der zuständigen Wasserwirtschaftsfachbehörde bestimmt, welche Unterlagen vom Vorhabenträger vorzulegen seien. Die Verwaltungsbehörde könne dabei auf die Vorlage einzelner Unterlagen im Sinne des § 4 Abs. 1 verzichten und/oder weitere Pläne und Beilagen verlangen, wenn diese für die Beurteilung des Vorhabens notwendig seien.
Im vorliegenden Fall habe das Landratsamt … den Antrag zwar am 15. Januar 2013 an das Wasserwirtschaftsamt … weitergeleitet. In der Folge habe das Landratsamt dann aber nichts mehr unternommen. Erst am 12. November 2014, also zwei 20 Monate nach Eingang des Antrags, sei auf Drängen des Klägers eine Besprechung mit dem Wasserwirtschaftsamt angesetzt worden, bei welcher weitere Unterlagen angefordert worden seien. Erst zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger auf die Möglichkeit hingewiesen worden, für die Übergangszeit eine beschränkte Erlaubnis bis zum 31. Dezember 2017 zu beantragen.
Durch dieses Verhalten habe der Beklagte – gleichgültig, ob durch das Landratsamt … oder durch das Wasserwirtschaftsamt … verschuldet – seine Amtspflicht aus § 1 Abs. 3 WPBV verletzt, mit dem Kläger – selbstredend zeitnah – den Antrag zu besprechen. Es sei deshalb unbillig, dem Kläger die alleinige Verantwortung dafür zuzuweisen, dass ein Antrag nicht vollständig und rechtzeitig eingereicht worden sei. Hätte die oben erwähnte Besprechung innerhalb des im Rundschreiben des Umweltministeriums genannten Zeitraums von 7 Monaten stattgefunden, wäre die beschränkte Erlaubnis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch im Jahr 2013 erteilt worden, so dass die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 BayAbwAG für das Kalenderjahr 2013 erfüllt gewesen wären.
Unter den 12. Oktober 2015 trug der Beklagte vor, der Kläger sei bereits durch ein Schreiben vom 29. September 2011 darauf hingewiesen worden, dass die erteilte wasserrechtliche Erlaubnis innerhalb der nächsten beiden Jahre ablaufen werde.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde mit Beschluss vom 14. Oktober 2015 – AN 1 S 15.00877 abgelehnt. Die Beschwerde des Klägers wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Januar 2016 – 8 CS 15.2387 zurückgewiesen.
Mit gerichtlichen Schreiben vom 3. Februar 2016 wurden die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Landratsamtes … vom 27. April 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Der bezeichnete Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 7 Abs. 1 AbwAG i. V. m. § 9 Abs. 4 AbwAG.
Gemäß § 7 Abs. 1 AbwAG beträgt die Zahl der Schadeinheiten von Niederschlagswasser (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 AbwAG), das über eine öffentliche Kanalisation eingeleitet wird, 12 vom Hundert der Zahl der angeschlossenen Einwohner. Der Abgabesatz je Schadeinheit beträgt 35,79 EUR im Jahr (§ 9 Abs. 4 AbwAG).
Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 AbwAG i. V. m. mit dem vorliegend einschlägigen Art. 6 Abs. 2 BayAbwAG für eine Abgabefreiheit bei der Einleitung von Niederschlagswasser aus einer Kanalisation im Mischsystem liegen nicht vor.
Nach der genannten Bestimmung bleibt die Einleitung abgabefrei, wenn
1. diese so bemessen ist, dass je Hektar befestigter Fläche ein Speichervolumen zur Mischwasserbehandlung von mindestens fünf Kubikmeter vorhanden ist,
2. das zurückgehaltene Mischwasser einer Abwasserbehandlungsanlage zugeführt wird, welche die Anforderungen nach § 7a Abs. 1 und 2 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) in der bis zum 28. Februar 2010 geltenden Fassung oder nach § 57 Abs. 1 und 2 WHG erfüllt und
3. die Anforderungen der die Einleitung zulassenden Bescheide an das Speichervolumen zur Mischwasserbehandlung und die Abwasserbehandlung eingehalten werden.
Wie der eindeutige Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayAbwAG zeigt, setzt die Abgabefreiheit – wie im Falle des Art. 6 Abs. 1 BayAbwAG (Einleitung des Niederschlagswassers im Trennsystem) – auch nach Art. 6 Abs. 2 BayAbwG voraus, dass die jeweiligen Anforderungen aus den die Einleitung zulassenden wasserrechtlichen Erlaubnisbescheiden erfüllt werden. Das Vorliegen eines die Einleitung zulassenden wasserrechtlichen Erlaubnisbescheides ist somit tatbestandliche Voraussetzung für die Abgabefreiheit sowohl von Einleitungen im Trennsystem als auch im Mischsystem. Fehlt ein solcher Bescheid, scheidet eine Abgabefreiheit für das Einleiten von Niederschlagswasser gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayAbwAG aus (BayVGH, B.v. 4.1.2016 – 8 CS 15.2397 und v. 13.5.2013 – 8 ZB 11.2773; VG Regensburg, U.v. 4.2.2013 – RO 9 K 12.988; Vogel/Klenner/Heuss, a. a. O., Erl. 3.3.3 zu Art. 6 BayAbwAG).
Vorliegend bestand im Veranlagungsjahr 2013 (vgl. § 11 Abs. 1 AbwAG) keine wasserrechtliche Erlaubnis für das Einleiten der gereinigten Abwässer aus der Verbandskläranlage in die Schwarzach, da die wasserrechtliche Erlaubnis vom 10. August 1994 zum 31. Dezember 2012 abgelaufen war. Der unter dem 19. Dezember 2014 erteilten beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis für die Einleitung kommt keine Rückwirkung für das Veranlagungsjahr zu.
Dagegen kann nicht eingewandt werden, dass es ausreichen müsste, wenn rein faktisch die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Erlaubnis bereits im Jahr 2013 vorgelegen hätten. Diese Argumentation steht nicht nur in eindeutigem Widerspruch zum Wortlaut des Art. 6 BayAbwAG, da dort jeweils die Erfüllung bzw. die Einhaltung des die Einleitung zulassenden Bescheides verlangt wird. Sie ist auch problematisch im Hinblick darauf, dass die Entscheidung über eine wasserrechtliche Erlaubnis im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde steht (vgl. § 12 Abs. 2 WHG). Im Übrigen muss auch jeweils das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis (und die Einhaltung dieser Voraussetzungen) dezidiert nachgewiesen sein (zum Ganzen: VG Regensburg, Urteil vom 4.2.2013, a. a. O.).
Fehler hinsichtlich der Ermittlung der Höhe der Niederschlagswasserabgabe im streitgegenständlichen Bescheid wurden nicht gerügt. Solche sind auch nicht ersichtlich.
Es ist auch nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger – wie von ihm geltend gemacht – einen Anspruch auf eine abweichende Festsetzung der Abgabe aus Billigkeitsgründen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 b) BayAbwAG i. V. m. § 163 AO hat.
Nach der genannten Bestimmung können Steuern niedriger festgesetzt werden wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Entscheidung über die abweichende Festsetzung kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.
Im vorliegenden Falle ist allein eine sachliche Unbilligkeit in Betracht zu ziehen. Diese liegt vor, wenn die Abgabe an sich zwar dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Einzelfall derart zuwider läuft, dass die Erhebung der Abgabe als unbillig erscheint. Das ist der Fall, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass die Besteuerung nach dem Gesetz zu einem vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollten Ergebnis führt und der Gesetzgeber die im Billigkeitsweg zu entscheidende Frage, hätte er sie geregelt, im Sinne der Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Billigkeitsmaßnahmen sollen daher ein vom Gesetz gedecktes, aber vom Gesetzgeber nicht gewolltes Ergebnis vermeiden. Hat der Gesetzgeber die Härte gewollt und Besteuerungsmaßnahmen angeordnet, obwohl in bestimmt gelagerten Fällen der Eintritt von Härten voraussehbar war, der Gesetzgeber diese jedoch bewusst in Kauf genommen hat, scheidet eine Billigkeitsmaßnahme folglich aus. Eine Korrektur des Gesetzes in seinen allgemeinen Regeln ist unzulässig. Sachliche Unbilligkeit verlangt demnach das Vorliegen eines Überhanges des gesetzlichen Tatbestandes über die mit Sinn und Zweck des Gesetzes zu vereinbarende Regelung hinaus, der deshalb auf das vom Gesetzgeber gewollte Maß zurückzuführen ist (vgl. VG Koblenz, U.v. 16.11.2009 – 3 K 1436/08.KO; Klein, Abgabenordnung, Rn. 32 f. zu § 163).
Ob die genannten Voraussetzungen hier vorliegen, braucht nicht entschieden zu werden.
Da der Antrag auf eine abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen erst nach Erlass des Bescheides vom 27. April 2015 gestellt wurde, war in diesem – hier allein streitgegenständlichem – Bescheid hierüber keine Entscheidung zu treffen. Zudem würde eine eventuell zugunsten des Klägers zu treffende Entscheidung nach § 163 AO ohnehin die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 27. April 2014 nicht berühren, da es sich um einen eigenständigen, gesondert rechtlich zu überprüfenden Verwaltungsakt handelt (vgl. Sächsisches OVG, B.v. 10.12.2013 – 5 A 779/12, juris; Klein, a. a. O. Rn. 138 zu § 163 m. w. N.).
Die vom Kläger begehrte Billigkeitsentscheidung könnte das Landratsamt … zudem nicht treffen, da in der Sache eine vollständige Aufhebung der festgesetzten Abgabe in Höhe von 112.566,71 EUR gemäß § 163 AO begehrt wird. Für Entscheidungen auf der Grundlage des§ 163 AO ist gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 4 BayAbwAG i.V. m. Ziffer 1.3. VwVAbwAG das Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit (nunmehr: Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz) zuständig, soweit – wie vorliegend – über einen Betrag von mehr als 100.000.- EUR zu entscheiden ist. Es bedarf in diesem Fall auch zusätzlich der Einwilligung des Staatsministeriums der Finanzen.
Der Kläger hat folglich zunächst eine rechtsmittelfähige Entscheidung des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 163 AO herbeizuführen, die ggf. im Rahmen einer nachfolgenden Verpflichtungsklage überprüft werden könnte (Sächsisches OVG, B.v. 10.12.2013, a. a. O.; Vogel/Klenner/Heuss, a. a. O., Erl. 3.4.3 zu Art. 14 BayAbwAG). Das auf eine Eingabe des Klägers ergangene Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 26. August 2015 stellt keinen anfechtbaren Bescheid in diesem Sinne dar.
Die Klage war demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 1 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Gerichtsbescheid steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Gerichtsbescheids sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München:
Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München:
Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1.
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids bestehen,
2.
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist
3.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Anstelle der Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten mündliche Verhandlung beantragen.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Dem Antrag eines Beteiligten sollen jeweils vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 112.566,71 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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