Verwaltungsrecht

Behandlung einer Petition

Aktenzeichen  M 30 K 18.303

Datum:
22.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 40152
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV Art. 115
BayPetG Art. 3, Art. 6
BayLTGeschO § 78, § 79, § 80 Nr. 4, § 83 S. 1
VwGO § 104 Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

1. Es ist nicht Sinn des Art. 115 BV, dem Petenten neben dem durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsweg zu den Gerichten ein Verfahren zu eröffnen, das hinsichtlich der Art und Weise sowie des Umfangs der Sachaufklärung und der Vorbereitung der Entscheidungsfindung den Verfahren nach den Prozessordnungen gleichkommt (wie BayVerfGH BeckRS 2000, 20016). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Petitionsrecht gewährleistet lediglich, dass der Petitionsadressat sich mit der vom Petenten vorgetragenen Sache befasst und ihm eine Antwort gibt, aus der sich die Tatsache der Behandlung und die Art der Erledigung ergeben. Einen Anspruch auf eine weitergehende Aufklärung des Sachverhalts, Beweiserhebungen, eine Begründung und damit eine schriftliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Petenten oder ähnliche Tätigkeiten des Petitionsadressaten sowie ein bestimmtes Tätigwerden in der Sache verleiht Art. 115 BV dem Petenten indes nicht (wie BayVerfGH BeckRS 2000, 20016). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Reichweite der gerichtlichen Kontrolle einer Petitionsentscheidung erstreckt sich allein darauf, ob sich der Petitionsadressat mit der Eingabe befasst und dem Petenten eine Antwort gegeben hat, aus der sich die Tatsache der inhaltlichen Behandlung des vorgetragenen Anliegens und die Art der Erledigung ergeben; Art und Umfang der sachlichen Prüfung unterliegen demgegenüber nicht der gerichtlichen Kontrolle (wie BVerfG BeckRS 9998, 48237). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Im Rahmen der Behandlung einer Petition hat der für die Petition zuständige Ausschuss nach Maßgabe von Art. 6 BayPetG das Recht – nicht jedoch eine Verpflichtung – zur Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere durch Anhörung der Staatsregierung, Anhörung des Petenten, Durchführung von Ortsbesichtigungen und Anforderung sachdienlicher Akten. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger ist nicht in seinem Petitionsrecht nach Art. 115 BV verletzt.
Nach Art. 115 Abs. 1 BV haben alle Bewohner Bayerns das Recht, sich schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Behörden oder an den Landtag zu wenden. Das Petitionsrecht erlaubt es dem Bürger mithin, seine Sorgen, Interessen und Anliegen ohne Bindung an bestimmte Verfahrens- und Rechtswege zur Geltung zu bringen. Es ist jedoch nicht Sinn des Art. 115 BV, dem Petenten neben dem durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsweg zu den Gerichten ein Verfahren zu eröffnen, das hinsichtlich der Art und Weise sowie des Umfangs der Sachaufklärung und der Vorbereitung der Entscheidungsfindung den Verfahren nach den Prozessordnungen gleichkommt (BayVerfGH, E.v. 12.11.1999 – Vf. 35-VI-99 – NVwZ 2000, 548; BayVerfGH, E.v. 29.7.1987 – Vf. 22-VII-85 – NVwZ 1988, 820; BayVGH, B.v. 30.7.2008 – 5 C 08.1993 – BeckRS 2010, 54189).
Das Petitionsrecht gewährleistet lediglich, dass der Petitionsadressat sich mit der vom Petenten vorgetragenen Sache befasst und ihm eine Antwort gibt, aus der sich die Tatsache der Behandlung und die Art der Erledigung ergeben. Einen Anspruch auf eine weitergehende Aufklärung des Sachverhalts, Beweiserhebungen, eine Begründung und damit eine schriftliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Petenten oder ähnliche Tätigkeiten des Petitionsadressaten sowie ein bestimmtes Tätigwerden in der Sache verleiht Art. 115 BV dem Petenten indes nicht (BayVerfGH, E.v. 12.11.1999 – Vf. 35-VI-99 – NVwZ 2000, 548; BVerfG,B.v. 15.5.1992 – 1 BvR 1553/90 – NJW 1992, 3033; BayVGH, B.v. 30.7.2008 – 5 C 08.1993 – BeckRS 2010, 54189). Diese inhaltliche Begrenzung des Petitionsrechts wirkt sich zugleich auf die Reichweite der gerichtlichen Kontrolle aus, die sich allein darauf erstreckt, ob sich der Petitionsadressat mit der Eingabe befasst und dem Petenten eine Antwort gegeben hat, aus der sich die Tatsache der inhaltlichen Behandlung des vorgetragenen Anliegens und die Art der Erledigung ergeben. Art und Umfang der sachlichen Prüfung unterliegen demgegenüber nicht der gerichtlichen Kontrolle (BVerfG, B.v. 15.5.1992 – 1 BvR 1553/90 – NJW 1992, 3033).
Der verfassungsrechtlichen Lage entspricht die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Petitionsrechts im B. Petitionsgesetz sowie in §§ 76 bis 83 der Geschäftsordnung für den B. Landtag (vgl. hierzu BayVerfGH, E.v. 23.4.2013 – Vf. 22-VII-12 – BeckRS 2013, 18799).
Nach Art. 3 Satz 1 BayPetG hat, wer eine Petition einreicht, soweit diese nicht nach den Bestimmungen des B. Petitionsgesetzes und weiteren Festlegungen in der Geschäftsordnung des Landtags unzulässig ist, Anspruch auf sachliche Behandlung und Verbescheidung durch den Landtag bzw. seine Ausschüsse. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung des Landtags, Art. 3 Satz 2 BayPetG. Dabei steht dem B. Landtag kraft der ihm von der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 BV) eingeräumten Autonomie ein relativ weiter, gerichtlich nicht überprüfbarer Gestaltungsspielraum zu, wie er in seiner Geschäftsordnung die Behandlung eingehender Petitionen regelt (BayVerfGH, E.v. 23.4.2013 – Vf. 22-VII-12 – BayVBl 2014, 48).
Im Rahmen der Behandlung einer Petition hat der für die Petition zuständige Ausschuss nach Maßgabe von Art. 6 BayPetG das Recht – nicht jedoch eine Verpflichtung – zur Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere durch Anhörung der Staatsregierung, Anhörung des Petenten, Durchführung von Ortsbesichtigungen und Anforderung sachdienlicher Akten (§§ 78, 79 BayLTGeschO). Die Entscheidungsmöglichkeiten bei der Behandlung von Petitionen werden in § 80 BayLTGeschO geregelt, insbesondere können sie auf Grund einer Erklärung der Staatsregierung oder auf Grund eines Landtags- oder Ausschussbeschlusses für erledigt erklärt werden (§ 80 Nr. 4 BayLTGeschO). Nach § 83 Satz 1 BayLTGeschO wird dem Beschwerdeführer die Art der Erledigung mitgeteilt. Der Mitteilung kann eine Begründung beigefügt werden, § 83 Satz 2 BayLTGeschO.
Nach diesen Maßstäben ist die Behandlung der Petition des Klägers durch den B. Landtag nicht zu beanstanden. Sie genügt vielmehr den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Schreiben an den Kläger vom 27. Oktober 2015 und vom 13. März 2017 lassen erkennen, dass sich der zuständige Ausschuss mit dem Anliegen des Klägers befasst hat und wie er über dieses entschieden hat. Weitergehende Ansprüche des Klägers im Hinblick auf die Behandlung seiner Petition sind nicht gegeben.
Insbesondere sind vor dem Hintergrund der vorstehend wiedergegebenen verfassungsrechtlichen Anforderungen weder der Einsatz von Berichterstattern im Petitionsverfahren noch die nicht erfolgte Anhörung des Klägers zu beanstanden. Es begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, dass die vom Kläger mit seiner Petition vorgebrachten Anliegen, insbesondere die Überprüfung der drei Verfahren über die vom Kläger bezeichneten Dienstaufsichtsbeschwerden, nicht gesondert vom Ausschuss behandelt und beantwortet wurden. Eine Petition beinhaltet oftmals mehrere Anliegen. Dass diese nicht gesondert erfasst und einzeln beantwortet, sondern gemeinsam behandelt und in einem Antwortschreiben zusammengefasst werden, ist nicht zu beanstanden.
Auch die nicht erfolgte Übermittlung einer Ablichtung des Sitzungsprotokolls an den Kläger verletzt diesen nicht in seinem Petitionsrecht. Unabhängig davon, dass es sich, wie vom Beklagten ausgeführt, um kein autorisiertes Wortprotokoll, sondern ein Ergebnisprotokoll handelt und die Petenten grundsätzlich auch die Möglichkeit haben an der jeweiligen Ausschusssitzung teilzunehmen, in welcher ihre Petition behandelt wird, besteht gerade kein Anspruch des Klägers auf eine weitergehende Begründung.
Ferner bestand bzw. besteht auch keine Verpflichtung des Ausschusses zur Beiziehung der Akten aus den vom Kläger bezeichneten Verfahren über seine Dienstaufsichtsbeschwerden. Soweit der Ausschuss die Akten aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren beigezogen hat, hat er diesbezüglich lediglich von seinem Recht aus Art. 6 Abs. 3 BayPetG i.V.m. 79 Abs. 3 BayLTGeschO Gebrauch gemacht. Aus der Beiziehung allein der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten ergibt sich auch nicht, dass der Ausschuss das Anliegen des Klägers bezüglich einer Überprüfung auch im Hinblick auf die von ihm genannten Verfahren über seine Dienstaufsichtsbeschwerden nicht in dem verfassungsrechtlich nach Art. 115 BV gebotenen Umfang zur Kenntnis genommen hat. Ebenso wenig ergibt sich dies aus dem Umstand, dass die Petition vom B. Landtag unter dem Betreff „Staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren“ und ohne Erwähnung der Dienstaufsichtsbeschwerden erfasst wurde. Im Gegenteil ergibt sich bereits aus dem Antwortschreiben des Landtagsamtes an den Kläger vom 27. Oktober 2015, in welchem dieser hinsichtlich der Beschlussfassung bezüglich seiner Petition informiert wurde, dass auch das Anliegen des Klägers hinsichtlich der Überprüfung der Verfahren über seine Dienstaufsichtsbeschwerden vom Beklagten zur Kenntnis genommen wurde. So wird in dem Schreiben ausgeführt, dass die Überprüfung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Sachbehandlung durch die Staatsanwaltschaft … … sowie die dienstaufsichtlichen Überprüfungen der Sach- und Rechtslage entsprechen würden. Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich vor diesem Hintergrund dem Umstand, dass im Schreiben des Landtagsamtes vom 13. März 2017 dieser Zusatz nicht nochmals enthalten ist, auch keine Bestätigung des Beklagten entnehmen, dass das Anliegen des Klägers von diesem nicht zur Kenntnis genommen worden sei. Dass auch das Anliegen des Klägers betreffend die Überprüfung der Verfahren über die Dienstaufsichtsbeschwerden Eingang in das Petitionsverfahrens gefunden hat, lässt sich auch den Stellungnahmen des B. Staatsministeriums der Justiz vom 30. März 2015 und vom 23. Dezember 2016 entnehmen sowie den diesen anliegenden Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts … … vom 16. März 2015 und vom 15. November 2016, welche dem Verfassungsausschuss vorlagen.
Vor diesem Hintergrund sah sich das Gericht auch nicht veranlasst, der vom Kläger mit Schriftsatz vom 11. Juni 2018 geäußerten Beweisanregung bezüglich einer Beiziehung der vom Landtagsamt gefertigten Arbeitskopien der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft … … nachzukommen. Da kein Anspruch des Klägers auf eine bestimmte Aufklärung des Sachverhalts, bestimmte Beweiserhebungen oder auf ein bestimmtes Tätigwerden in der Sache besteht und auch die gerichtliche Kontrolle sich allein darauf erstreckt, ob sich der Petitionsadressat mit der Eingabe befasst und dem Petenten eine Antwort gegeben hat, aus der sich die Tatsache der inhaltlichen Behandlung des vorgetragenen Anliegens und die Art der Erledigung ergeben, kam es auf den Inhalt der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten für das vorliegende Verfahren nicht an. Auf diese mangelnde Entscheidungserheblichkeit wurde der Kläger vom Gericht auch bereits mit Schreiben vom 24. August 2018 hingewiesen.
Ferner sah das Gericht keine Veranlassung für die vom Kläger mit Schriftsatz vom 12. Februar 2018 angeregte Zeugenvernehmung von fünf Abgeordneten, welche jeweils die Vorlage von Schriftstücken bzw. die laut der Landtagsdrucksache 17/2643 erfolgte Einrichtung des Dezernats 13 beim B. Landeskriminalamt bestätigen sollten. Unabhängig von der mangelnden Entscheidungserheblichkeit dieser Tatsachen werden diese seitens des Beklagten ausweislich der Klageerwiderung vom 6. März 2018 bereits nicht bestritten und lassen sich im Wesentlichen auch anhand der Behördenakte nachvollziehen.
Dem Antrag des Klägers auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO war nicht stattzugeben. Die Urteilsformel wurde bereits am 22. November 2018 der Geschäftsstelle übergeben und war somit für das Gericht bindend (BayVGH, B.v. 24.7.1998 – 25 ZB 98.32972 – juris). Unabhängig davon waren auch keine Gründe gegeben, die für eine Wiedereröffnung gesprochen hätten. Der Kläger hatte sowohl bis zur mündlichen Verhandlung als auch innerhalb der mündlichen Verhandlung ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Argumente vorzutragen. Die Sach- und Rechtslage wurde mit dem Kläger in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert. Darüber hinaus sind den Schriftsätzen des Klägers vom 17. Januar 2019, 25. Januar 2019, 28. Januar 2019 und 30. Januar 2019 auch keine neuen, entscheidungserheblichen Gesichtspunkte zu entnehmen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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