Verwaltungsrecht

Beitritt und Anschluss von Mitgliedern des Deutschen Bundestages zum Verfahren “Berliner Mietendeckel” unzulässig

Aktenzeichen  AN 17 K 19.50345

Datum:
26.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7207
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
AsylG  § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1
AufenthG § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3, Abs. 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwGO§ 86 Abs. 2
Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU (Verfahrens-RL)
GRCh Art. 4
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage ist mit dem Klageantrag zu 1. als Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet, da der Bescheid des Bundesamtes vom 8. März 2019 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Hilfsantrag zu 2. ist als Verpflichtungsantrag auf die Feststellung von Abschiebungsverboten für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag zulässig, jedoch ebenfalls unbegründet, da der Bescheid des Bundesamtes rechtmäßig ist.
1. Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Zuge der Änderung des Asylverfahrensgesetzes infolge des Inkrafttretens des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I Nr. 39 v. 5.8.2016). Danach ist die Anfechtungsklage gegen Bescheide, die die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 AsylG feststellen, die allein statthafte Klageart. Hintergrund hierfür ist der Umstand, dass die Asylanträge in diesen Fällen ohne Prüfung der materiell-rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen, also ohne weitere Sachprüfung, abgelehnt werden. Insoweit kommt auch kein eingeschränkter, auf die Durchführung eines Asylverfahrens beschränkter Verpflichtungsantrag in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34.19 – juris, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9.17 – NVwZ 2017, 1625; BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris). Bei einer erfolgreichen Klage führt die isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelung zur weiteren Prüfung der Anträge durch die Beklagte und damit zum erstrebten Rechtsschutzziel. Dabei bleibt es auch nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; zuvor schon angelegt in EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris), der lediglich inhaltliche Vorgaben im Hinblick auf den effektiven Rechtsschutz für international Anerkannte im Sinne des Art. 47 GRCh und Art. 46 Verfahrens-RL macht, aber keine prozessualen oder verfahrensrechtlichen Vorgaben, die dem nationalen Recht überlassen sind.
Neben der Anfechtungsklage zulässig ist hingegen eine hilfsweise Verpflichtungsklage auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG, da das Bundesamt über das Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG bereits inhaltlich entschieden hat.
2. Die zulässige Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 8. März 2019 ist unbegründet. Das Bundesamt hat die Asylanträge des Klägers zu Recht nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt und die korrespondierenden Folgeentscheidungen getroffen.
a) Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedsstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Dem Kläger wurde am 23. Mai 2018 durch Griechenland der Flüchtlingsstatus zuerkannt.
Die Norm setzt Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der RL 2013/32/EU (Verfahrens-RL) in nationales Recht um und ist daher richtlinien- und europarechtskonform auszulegen. Nach Art. 33 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL dürfen die Mitgliedsstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig ablehnen, wenn ein anderer Mitgliedsstaat internationalen Schutz gewährt hat. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof der Vorschrift im Wege der Auslegung noch ein weiteres, negatives Tatbestandsmerkmal entnommen. Nach der Entscheidung vom 13. November 2019 ist es den Mitgliedsstaaten nämlich nicht möglich von der Befugnis des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL Gebrauch zu machen und einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, wenn dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedsstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, aber die Lebensverhältnisse, die ihn dort als anerkannter Flüchtling erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh zu erfahren (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; s.a. schon EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris). Nach Art. 52 Abs. 3 GRCh ist dabei auch die zu Art. 3 EMRK ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu berücksichtigen.
Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hat also in richtlinienkonformer Auslegung zu berücksichtigen, ob dem im anderen Mitgliedsstaat Anerkannten nach einer Rücküberstellung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
Dem steht auch nicht der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im Unionsrecht entgegen, welcher besagt, dass die Mitgliedsstaaten regelmäßig grundlegende Werte der Union, wie sie etwa in Art. 4 GRCh zum Ausdruck kommen, anerkennen, das sie umsetzende Unionsrecht beachten und auf Ebene des nationalen Rechts einen wirksamen Schutz der in der GRCh anerkannten Grundrechte gewährleisten sowie dies gegenseitig nicht in Frage stellen. Dieser Grundsatz gilt auch im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und gerade bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL, in dem er zum Ausdruck kommt (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 80 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 83 ff.; s.a. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Art. 4 GRCh Rn. 3).
Der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens gilt jedoch nicht absolut im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedsstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, bei einer Überstellung in diesen Mitgliedsstaat grundrechtswidrig behandelt werden. Dies zu prüfen obliegt den Mitgliedsstaaten einschließlich der nationalen Gerichte (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 83 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 86 ff.).
Derartige Funktionsstörungen müssen eine besonders hohe Schwelle an Erheblichkeit erreichen und den Antragsteller tatsächlich einer ernsthaften Gefahr aussetzen, im Zielland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, was von sämtlichen Umständen des Einzelfalles abhängt (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 36; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C -297/17 u.a. – juris Rn. 89). Nicht ausreichend für das Erreichen dieser Schwelle ist der bloße Umstand, dass die Lebensverhältnisse im Rückführungsstaat nicht den Bestimmungen des Kapitels VII der RL 2011/95/EU (Qualifikations-RL) entsprechen (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 36). Die Schwelle ist jedoch dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedsstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90). Plakativ formuliert kommt es darauf an, ob der Anerkannte bei zumutbarer Eigeninitiative in der Lage wäre, an „Bett, Brot und Seife“ zu gelangen (VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5). Angesichts dieser strengen Anforderungen überschreitet selbst eine durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichnete Situation nicht die genannte Schwelle, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden ist, aufgrund derer sich die betreffende Person in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 91).
Daher kann auch der Umstand, dass international Schutzberechtigte in dem Mitgliedsstaat, der sie anerkannt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten nur in deutlich reduziertem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne dabei anders als die Angehörigen dieses Mitgliedsstaats behandelt zu werden, nur dann zur Feststellung der Gefahr einer Verletzung des Standards des Art. 4 GRCh führen, wenn die Schutzberechtigten sich aufgrund ihrer besonderen Verletzbarkeit unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not im oben genannten Sinne befänden. Dafür genügt nicht, dass in dem Mitgliedsstaat, in dem ein neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, höhere Sozialleistungen gewährt werden oder die Lebensverhältnisse besser sind als in dem Mitgliedsstaat, der bereits internationalen Schutz gewährt hat (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93 f.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 97). Ebenso wenig ist das Fehlen familiärer Solidarität in einem Staat in Vergleich zu einem anderen eine ausreichende Grundlage für die Feststellung extremer materieller Not. Gleiches gilt für Mängel bei der Durchführung von Integrationsprogrammen (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 94, 96).
Bei dem so definierten Maßstab ist also weiter zu berücksichtigen, ob es sich bei der betreffenden Person um eine gesunde und arbeitsfähige handelt oder eine Person mit besonderer Verletzbarkeit (sog. Vulnerabilität), die leichter unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 95; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 29 AsylG Rn. 26). Damit schließt sich der Europäische Gerichtshof der Tarakhel-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel, 29217/12 – NVwZ 2015, 127), die wegen Art. 52 Abs. 3 GRCh auch im Rahmen des Art. 4 GRCh zu berücksichtigen ist.
Für die demnach zu treffende Prognoseentscheidung, ob dem Schutzberechtigten eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh droht, ist eine tatsächliche Gefahr („real risk“) des Eintritts der maßgeblichen Umstände erforderlich, d.h. es muss eine ausreichend reale, nicht nur auf bloße Spekulationen gegründete Gefahr bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 4 GRCh zuwiderlaufenden Behandlung muss insoweit aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein (OVG RhPf, B.v. 17.3.2020 – 7 A 10903/18.OVG – BeckRS 2020, 5694 Rn. 28 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 3.11.2017 – A 11 S 1704/17 – juris Rn. 184 ff. m.w.N. zur Rspr. des EGMR). Es gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die für eine solche Gefahr sprechenden Umstände müssen ein größeres Gewicht als die dagegensprechenden Tatsachen haben (OVG RhPf, a.a.O.; vgl. VGH BW, a.a.O., juris Rn. 187).
b) Dabei legt das Gericht hinsichtlich der in Griechenland herrschenden Lebensverhältnisse für zurückkehrende, anerkannt Schutzberechtigte die folgende Lage zugrunde (aa). Dem Beweisantrag, eine Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und des UNHCR Deutschland hinsichtlich der Tatsache einzuholen, dass der Kläger bei einer Abschiebung nach Griechenland unter den derzeit herrschenden Bedingungen nicht in der Lage sein werde, eine Unterkunft und legale Erwerbsarbeit zu finden, sowie keinen Zugang zu staatlichen Sozialleistungen haben werde, mit deren Hilfe er dort sein Existenzminimum sichern könne, war nicht nachzukommen (bb).
aa) Asylbewerber, die bereits von Griechenland als international Schutzberechtigte anerkannt worden sind, werden im Falle einer Abschiebung dorthin von den zuständigen Polizeidienststellen in Empfang genommen und mit Hilfe eines Dolmetschers umfassend über ihre Rechte aufgeklärt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3). Die betroffenen Personen erhalten insbesondere Informationen zur nächsten Ausländerbehörde, um dort ihren Aufenthaltstitel verlängern zu können. Anerkannt Schutzberechtigte haben sich sodann beim zuständigen Bürgerservice-Center zu melden.
Spezielle staatliche Hilfsangebote für Rückkehrer werden vom griechischen Staat nicht zur Verfügung gestellt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 8).
Eine funktionierende nationale Integrationspolitik bzw. Integrationsstrategie für anerkannte Flüchtlinge existiert, v.a. aufgrund fehlender Geldmittel, in Griechenland aktuell kaum (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland vom 30.8.2018, S. 11; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7 f.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, aktualisierte Gesamtausgabe vom 4.10.2019 mit Informationsstand vom 19.3.2020, Ziffer 6. Schutzberechtigte, S. 27 f.). Hinsichtlich staatlicher Kurse zu Sprache sowie Kultur und Geschichte des Landes ist das Bild unklar (für die Existenz kostenloser Kurse: Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 11), wobei aktuellere und insofern vorzugswürdige Erkenntnismittel ein solches Angebot verneinen (Raphaelswerk, Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand Dezember 2019, S. 12). Die Integrationsprogramme sind von der Finanzierung durch die EU abhängig, da auf nationaler und kommunaler Ebene keine nennenswerten Ressourcen zur Verfügung stehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7; BFA a.a.O.).
In diese Lücke stoßen jedoch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die auf verschiedensten Feldern Integrationshilfe leisten und mit denen die griechischen Behörden, insbesondere die lokalen, auch kooperieren (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Athen, Hilfsorganisationen – Hilfe für Flüchtlinge in Griechenland, Stand Dezember 2019; OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 91 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2; United States Departement of State [USDOS], Country Report of Human Rights Practices for 2019, Greece, Section 2. f. Protection for Refugees, S. 14; BFA a.a.O. S. 32). Die Arbeit der NGOs ist jedoch räumlich vorwiegend auf die Ballungsräume Athen und Thessaloniki konzentriert (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2).
Hinsichtlich des Zugangs zu einer Unterkunft gilt für anerkannte Schutzberechtigte der Grundsatz der Inländergleichbehandlung mit griechischen Staatsangehörigen. Da es in Griechenland kein staatliches Programm für Wohnungszuweisungen an Inländer gibt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Bayreuth vom 21.8.2020, S. 1), entfällt dies auch für anerkannt Schutzberechtigte. Auch findet keine staatliche Beratung zur Wohnraumsuche statt. Sie sind zur Beschaffung von Wohnraum grundsätzlich auf den freien Markt verwiesen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 2; BFA a.a.O., S. 30; Amnesty International, Amnesty Report Griechenland 2019 – Stand: 16.4.2020). Das Anmieten von Wohnungen auf dem freien Markt ist durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte oder Studenten sowie gelegentlich durch Vorurteile gegenüber Flüchtlingen erschwert (BFA a.a.O., S. 30).
Zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigten werden nicht in den Flüchtlingslagern oder staatlichen Unterkünften untergebracht. Zwar leben dort auch anerkannt Schutzberechtigte, jedoch nur solche, die bereits als Asylsuchende dort untergebracht waren; diese können über die Anerkennung hinaus für einen Übergangszeitraum von 30 Tagen dort verbleiben (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 1 f.). Zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigte haben insbesondere keinen Zugang zu einer Unterbringung im Rahmen des EUfinanzierten und durch das UNHCR betriebenen ESTIA-Programms (Emergency Support to Accomodation and Integration System). Über das ESTIA-Programm stehen derzeit zwar ca. 4.600 Appartements und insgesamt ca. 25.500 Unterbringungsplätze zur Verfügung (UNHCR, Fact Sheet Greece, Stand Mai 2020), aber nur für Asylsuchende und für anerkannten Schutzberechtigten in den ersten 30 Tage nach ihrer Anerkennung (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 1 f., an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f., an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2). Das neue Asylgesetz Nr. 4636/2019, das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, und eine weitere Gesetzesänderung von März 2020 haben die früheren Bedingungen, die einen Verbleiben in der Flüchtlingsunterkunft für sechs Monate ermöglicht haben, verschärft (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 und an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 1 f.). Seit Juni 2020 wird die Verpflichtung zum Auszug, von der ca. 11.500 Personen betroffen sind, auch umgesetzt.
Das Programm Hellenic Integration Support for Beneficiaries of International Protection (Helios II-Programm), ein von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Abstimmung mit dem griechischen Migrationsministerium entwickeltes und durch die EU finanziertes Integrationsprogramm, sieht zwar 5.000 Wohnungsplätze für anerkannte Schutzberechtigte vor. Die Wohnungsangebote werden dabei von NGOs und Entwicklungsgesellschaften griechischer Kommunen als Kooperationspartner der IOM zur Verfügung gestellt und von den Schutzberechtigten, unter Zahlung einer Wohnungsbeihilfe an sie, angemietet (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2 f.). Das Programm richtet sich aber nur an international Schutzberechtigte, die nach dem 1. Januar 2018 anerkannt wurden, die im Zeitpunkt der Unterrichtung über ihre Anerkennung in einer Flüchtlingsunterkunft (insbesondere im ESTIA-Programm) untergebracht waren und innerhalb von 30 Tagen nach ihrer Anerkennung einen entsprechenden Antrag gestellt haben (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 2 f. und an das VG Bayreuth vom 21.8.2020, S. 2). Ob Rückkehrern aus dem Ausland diese Möglichkeit offensteht, ist unklar, einen solchen Fall hat es bislang jedenfalls noch nicht gegeben (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020, S. 3). Seit September 2020 kann über das Helios – Programm auch eine zweimonatige Unterkunft von Anerkannten in Hotels sichergestellt werden. Zusätzlich sollen Notfallkapazitäten in einem Lager in Athen zur Verfügung gestellt werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 3).
Auch eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften für anerkannt Schutzberechtigte ist grundsätzlich möglich. Allerdings sind die Kapazitäten in den kommunalen und durch NGOs betriebenen Unterkünften, etwa in Athen, knapp bemessen und oft chronisch überfüllt (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Griechenland, Stand 19.3.2020, S.30; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3). Die Wartelisten sind entsprechend lang und teils stellen die Unterkünfte weitere Anforderungen an die Interessenten, wie etwa Griechisch- oder Englischkenntnisse und psychische Gesundheit. Ein Rechtsanspruch auf Obdachlosenunterbringung besteht nicht (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020). Im Hinblick auf die begrenzten Kapazitäten bewerben sich viele Schutzberechtigte erst gar nicht für einen Platz in einer dieser Herbergen. Im Ergebnis bleiben viele anerkannt Schutzberechtigte, die selbst nicht über hinreichende finanzielle Mittel für das Anmieten privaten Wohnraums verfügen oder nicht am Helios II-Programm teilnehmen können, obdachlos oder wohnen in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen (Pro Asyl, a.a.O, S. 6 ff.). Obdachlosigkeit ist unter Flüchtlingen in Athen dennoch kein augenscheinliches Massenphänomen, was wohl auf landsmannschaftliche Strukturen und Vernetzung untereinander zurückzuführen ist (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3). Allerdings deuten jüngere Berichte an, dass durchaus anerkannte Flüchtlinge auf öffentlichen Straßen und Plätzen in Athen schlafen (Wölfl, „Anerkannte Flüchtlinge auf griechischem Festland obdachlos“, Der Standard, 22.1.2021).
Wohnungsbezogene Sozialleistungen, die das Anmieten einer eigenen Wohnung unterstützen könnten, gibt es seit dem 1. Januar 2019 mit dem neu eingeführten sozialen Wohngeld, dessen Höhe maximal 70,00 EUR für eine Einzelperson und maximal 210,00 EUR für einen Mehrpersonenhaushalt beträgt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2). Für besonders Vulnerable können zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Mietsubventionierungen gezahlt werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020, S. 2). Das soziale Wohngeld bzw. die Mietsubventionierung setzen allerdings einen legalen Voraufenthalt in Griechenland von mindestens fünf Jahren voraus (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 und an das VG Schleswig vom 15.10.2020, S. 2).
Zugang zu weiteren Sozialleistungen besteht für anerkannt Schutzberechtigte, die nach Griechenland zurückkehren, auch sonst unter den gleichen Voraussetzungen wie für Inländer. Das im Februar 2017 eingeführte System der Sozialhilfe basiert auf drei Säulen. Die erste Säule sieht ein Sozialgeld in Höhe von 200,00 EUR pro Einzelperson vor, welches sich um 100,00 EUR je weiterer erwachsener Person und um 50,00 EUR je weiterer minderjähriger Person im Haushalt erhöht. Alle Haushaltsmitglieder werden zusammen betrachtet, die maximale Leistung beträgt 900,00 EUR pro Haushalt. Die zweite Säule besteht aus Sachleistungen wie einer prioritären Unterbringung in der Kindertagesstätte, freien Schulmahlzeiten, Teilnahme an Programmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen, aber auch trockenen Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Reis, Kleidung und Hygieneartikeln. Alles steht jedoch unter dem Vorbehalt der vorhandenen staatlichen Haushaltsmittel. Die dritte Säule besteht in der Arbeitsvermittlung. Neben zahlreichen Dokumenten zur Registrierung für die genannten Leistungen – unter anderem ein Aufenthaltstitel, ein Nachweis des Aufenthalts (z.B. elektronisch registrierter Mietvertrag, Gas-/Wasser-/Stromrechnungen auf eigenen Namen oder der Nachweis, dass man von einem griechischen Residenten beherbergt wird), eine Bankverbindung, die Steuernummer, die Sozialversicherungsnummer, die Arbeitslosenkarte und eine Kopie der Steuererklärung für das Vorjahr – wird ein legaler Voraufenthalt in Griechenland von zwei Jahren vorausgesetzt (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 f. und an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 4 ff.; BFA a.a.O., S. 28: Mindestaufenthalt ein Jahr). Das sogenannte Cash-Card System des UNHCR, welches über eine Scheckkarte Geldleistungen je nach Familiengröße zur Verfügung stellt, steht nur Asylbewerbern, nicht aber anerkannt Schutzberechtigten, die zurückkehren, offen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; BFA a.a.O., S. 29).
Der Zugang zum griechischen Arbeitsmarkt ist für international Schutzberechtigte grundsätzlich gleichermaßen wie für Inländer gegeben. Allerdings sind die Chancen auf Vermittlung eines Arbeitsplatzes gering, da die staatliche Arbeitsverwaltung schon für die griechischen Staatsangehörigen kaum Ressourcen für eine aktive Arbeitsvermittlung hat. Zudem haben sich die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen durch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise verschlechtert (BFA a.a.O., S. 31), in deren Folge zahlreiche Beschäftigte insbesondere der Dienstleistungsbranche, im Verkauf und in haushaltsnahen Tätigkeiten arbeitslos wurden, wobei Frauen noch stärker betroffen sind als Männer (Eures, kurzer Überblick über den Arbeitsmarkt, S. 1. u. 3). Dazu tritt der wirtschaftliche Einbruch in Folge der Corona-Pandemie: Das Corona-Virus und der staatliche angeordnete Lockdown haben zu einem Einbruch der griechischen Wirtschaft im dritten Quartal 2020 von 11,7% geführt. Im wirtschaftlich bedeutsamen Tourismus-Sektor, der im Jahr 2019 noch ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes beigetragen hatte, gingen die Urlauberzahlen 2020 um 80% zurück. Im Jahr 2021 erwartet die Regierung statt eines Zuwachses beim Bruttoinlandsprodukt von 7,5% nur noch ein Plus von 4,8%. Um den Folgen des Coronabedingten Wirtschaftseinbruchs zu begegnen, stellte der griechische Staat im Jahr 2020 23,9 Milliarden Euro an Hilfen für die Wirtschaft zur Verfügung und plant diese im Jahr 2021 um weitere 7,5 Milliarden Euro zu erhöhen. Trotz der hohen Schuldenquote von 209% des Bruttoinlandsproduktes ist die Finanzierung des griechischen Staates wegen eines Liquiditätspuffers von 30 Milliarden Euro derzeit nicht in Gefahr (Redaktionsnetzwerk Deutschland, Artikel vom 25.12.2020, „Corona wirft Griechenland weit zurück“). Im Dezember 2020 betrug die Arbeitslosenquote 15,8%, womit Griechenland an erster, jedenfalls an zweiter Stelle im Vergleich der Mitgliedsländer der Europäischen Union liegt (Homepage der Hellenic Statistical Authority, https://www.statistics.gr/en/home/). Rechtmäßig ansässige Drittstaatsangehörige sind, wenn sie überhaupt Arbeit finden, meist im niedrigqualifizierten Bereich und in hochprekären Beschäftigungsverhältnissen oder in der Schattenwirtschaft tätig (Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 9). Dazu treten regelmäßig die Sprachbarriere (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7) sowie bürokratische Hürden im Allgemeinen und im Speziellen bei der Beantragung der „Social Security Number (AMKA)“. Bezüglich letzterer wird vereinzelt berichtet, dass deren Beantragung seit Juli 2019 für nicht-griechische Staatsangehörige nicht mehr möglich sei (Respond, Working Papers, Integration – Greece Country Report, Stand Juni 2020, S. 26; zwar von Schwierigkeiten berichtend, aber keine Unmöglichkeit annehmend Asylum Information Database [AIDA], Country Report Greece, Update 2019, S. 166, 219 f.). Weiterhin wird von zahlreichen administrativen Schwierigkeiten und Verzögerungen bei der Beantragung der Steuernummer („Tax Registration Number“) berichtet (Respond, Working Papers, Integration – Greece Country Report, Stand Juni 2020, S. 25). Andererseits spricht der UNHCR, Stand November 2020 davon, dass 56% der Einwohner von ESTIA-Einrichtungen über eine Steuernummer verfügen (UNHCR, Fact Sheet Greece, November 2020, S. 1). Eine spezielle Förderung zur Arbeitsmarktintegration anerkannter Schutzberechtigter findet derzeit nicht statt (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 10), vereinzelt haben NGOs bzw. kirchliche Institutionen Initiativen zur Arbeitsvermittlung gestartet, etwa der Arbeiter-Samariter-Bund und die Diakonie. Für gut ausgebildete Schutzberechtigte besteht im Einzelfall auch die Chance auf Anstellung bei einer solchen Organisation, etwa als Dolmetscher oder Team-Mitarbeiter (für alles Vorstehende: Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7; BFA a.a.O., S. 31).
Der Zugang zu medizinischer Versorgung und zum Gesundheitssystem ist für anerkannt Schutzberechtigte zu den gleichen Bedingungen wie für griechische Staatsangehörige gegeben. Es besteht Zugang zum regulären öffentlichen Gesundheitssystem. Für Medikamente besteht eine Zuzahlungspflicht (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9). Die Versorgung unterliegt denselben Beschränkungen durch Budgetierung und restriktive Medikamentenausgabe wie für griechische Staatsbürger (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9; OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 141 f.). Von der im Grundsatz kostenfreien staatlichen Gesundheitsfürsorge ist auch die Hilfe bei psychischen Erkrankungen umfasst (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 5). Voraussetzung ist das Vorliegen einer Sozialversicherungsnummer (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 5). Hinsichtlich der Auswirkungen der Corona-Pandemie ist festzustellen, dass sich den Kalenderwochen 9 und 10 des Jahres 2021 für Griechenland eine Fallzahl von 280,33 pro 100.000 Einwohner und 54,76 Tote auf 1.000.000 Einwohner ergeben; für Deutschland werden 154,85 Infizierte pro 100.000 Einwohner und 39,84 Tote auf 1.000.000 Einwohner gemeldet. In absoluten Zahlen sind in Deutschland bislang 2.575.849 Menschen mit dem Corona-Virus infiziert (gewesen) und 73.418 daran verstorben. Griechenland verzeichnet bislang 221.147 Infektionsfälle und 7091 Tote (European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), COVID-19 situation update for the EU/EEA, as of 22 March 2021, abrufbar unter https://www.ecdc.europa.eu/en/cases-2019-ncov-eueea). Das Land hat zum Schutz der Bevölkerung vor dem Corona-Virus seit mehreren Monaten einen Lockdown verhängt, der u.a. auch die Schließung von Geschäften mit sich brachte (Redaktionsnetzwerk Deutschland, Artikel vom 25.12.2020, „Corona wirft Griechenland weit zurück“).
bb) Der unbedingt gestellte Beweisantrag, die Lage in Griechenland für zurückkehrende, anerkannte Schutzberechtigte hinsichtlich Unterkunft, Sozialleistungen und dem Zugang zum Arbeitsmarkt mit Blick auf die Sicherung des Existenzminimums des Klägers durch Stellungnahmen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe sowie des UNHCR aufzuklären, war gemäß § 86 Abs. 2 VwGO durch begründeten Beschluss abzulehnen.
Hinsichtlich der humanitären, wirtschaftlichen und sozialen Lage für zurückkehrende, anerkannte Schutzberechtigte nach Griechenland liegen dem Gericht bereits ausreichende und aktuelle Erkenntnismittel vor; die entsprechende Erkenntnismittelliste vom 8. März 2021 sowie aktuelle Coronazahlen wurden in das Verfahren eingeführt. Diese reichen für die Würdigung der durch die Klägerbevollmächtigte behaupteten Tatsachen aus. Insofern war es hier nicht ermessensfehlerhaft, die Einholung weiterer Auskünfte gemäß § 98 VwGO i.V.m. 412 Abs. 1 ZPO abzulehnen.
c) Unter Heranziehung des eben dargelegten strengen rechtlichen Maßstabes und der tatsächlichen Situation für rückkehrende anerkannte Schutzberechtigte (2. a) und b)) ergibt sich für den Kläger auch unter Berücksichtigung der derzeit besonders verschärften wirtschaftlichen Lage infolge der Corona-Pandemie keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bei einer Rückkehr nach Griechenland. Es ist nicht davon auszugehen, dass er in Griechenland unabhängig von seinem Willen und persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten wird und seine Grundbedürfnisse „Bett, Brot und Seife“ nicht wird befriedigen können.
aa) Der Kläger ist ein alleinstehender Mann im Alter von 29 Jahren und seine Arbeitsfähigkeit infolge der mehrfach operierten Schussverletzung nicht so stark beeinträchtigt, als dass er als vulnerabel einzustufen wäre. Dass der Kläger ein Syrien eine Schussverletzung am rechten Bein erlitten hat und deswegen dort auch mehrfach operiert und ihm eine Metallplatte mit Schrauben eingesetzt wurde, legt der Einzelrichter angesichts des in der Zusammenschau mit den vorgelegten Attesten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. …, …, vom 27. März 2019 und des Entlassungsbriefes der …-Kliniken in … vom 25. Oktober 2019 glaubhaften Klägervortrags als gegeben zugrunde. Die besagte Platte mit zehn Schrauben wurde jedoch laut des genannten Entlassungsbriefes der …-Kliniken am 23. Oktober 2019 durch einen operativen Eingriff entfernt. Der postoperative Verlauf habe sich unauffällig gestaltet, in der Röntgenkontrolle habe keine frische knöcherne Verletzung festgestellt werden können. Der Kläger habe unter adäquater Schmerztherapie an Unterarmgehstützen problemlos mobilisiert werden und am 25. Oktober 2019 in gutem Allgemeinzustand in die weitere ambulante Behandlung entlassen werden können. Am Ende des Entlassungsbriefes unter „Weiterbehandlungsvorschlag“ war unter anderem aufgeführt, dass eine Vollbelastung des operierten Beines erlaubt sei. Diese medizinische Einschätzung deckt sich mit der Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass es ihm besser gehe, wenn er auch noch Schmerzen in den Nerven habe und das Fußgelenk nicht richtig anheben könne. Da das Attest der Klinken … vom 25. Oktober 2019, welches nach Aufforderung des Gerichts durch Schreiben vom 1. Dezember 2020 vorgelegt wurde, das jüngste und einzige nach der geschilderten Operation ist und sich ihm nicht entnehmen lässt, dass der Kläger weiterhin so stark in seiner Geh- und Standfähigkeit beeinträchtigt ist, dass seine Erwerbsfähigkeit auf dem griechischen Arbeitsmarkt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Zweifel steht, geht der Einzelrichter von einer grundsätzlichen Arbeitsfähigkeit des Klägers aus. Diese Einschätzung wird durch die Angabe des Klägers in seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 19. Februar 2019 (Blatt 69 d. elektr. Akte) gestützt, dass er in Griechenland mehrfach versucht habe zu arbeiten, jedoch abgelehnt worden sei. Während seiner Zeit in Griechenland aber hatte der Kläger die Platte mit Schrauben, welche erst in Deutschland auf ärztliches Anraten entfernt wurde, noch in seinem rechten Bein und gleichwohl seine Arbeitsleistung auf dem griechischen Arbeitsmarkt, wenn auch im Ergebnis erfolglos, angeboten. Schließlich erscheint widersprüchlich, dass sich der Kläger trotz vorgetragener, nach der Operation im Oktober 2019 fortbestehender Beschwerden nicht wieder wenigstens für eine symptomatische Behandlung in ärztliche Hände begeben hat bzw. nichtärztliche Behandlungsmöglichkeiten wie Physiotherapie in Anspruch genommen hat.
Neuere qualifizierte ärztliche Atteste, die eine andere Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Klägers tragen könnten, wurden bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 23. März 2021 trotz der gerichtlichen Aufforderung nicht vorgelegt. Der Kläger hat sich seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung zufolge nach der Operation im Oktober 2019 auch nicht in weitere ärztliche Behandlung begeben, da weitere Operationen nach ärztlicher Aussage sehr kompliziert wären. Selbst wenn man das als zutreffend unterstellt, ist nicht ersichtlich, wieso bei weiterbestehenden Beeinträchtigungen kein neueres fachärztliches Attest hätte vorgelegt werden können. Allein die Angabe des Klägers in der informatorischen Befragung, dass er täglich zwei bis drei Tabletten Ibuprofen mit der Einheit „500“ (auf dem Arzneimittelmarkt existieren soweit ersichtlich nur die Einheiten 200, 400, 600, 800) einnehme und nach maximal zehn Minuten permanenten Gehens eine Pause machen müsse sowie beim Hinsetzen den Fuß schräg halten müsse und ihm schließlich das Stehen nur mit Schmerzen möglich sei, vermag ein qualifiziertes ärztliches Attest nicht zu ersetzen. Zwar dürfen die Anforderungen an die Mitwirkungspflicht des Klägers im Asylprozess nicht dergestalt überspannt werden, dass ihm eine Beweisführungspflicht auferlegt und das Gericht aus der Pflicht zu Amtsermittlung nach § 86 Abs. 1 VwGO entlassen wird (BVerwG, U.v. 29.6.1999 – 9 C 36/98 – NVwZ 2000, 81, 82 f.), gleichwohl darf vom Kläger im Falle der Geltendmachung von krankheitsbedingten Einschränkungen im Rahmen der Überprüfung einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG verlangt werden, dass er diese den Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG entsprechend geltend macht. Denn jedenfalls ist die Norm des § 60a Abs. 2c AufenthG in ihren Sätzen 2 und 3 – welche dem Ausländer auferlegen, der Abschiebung entgegenstehende gesundheitliche Gründe durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft zu machen – auf die Prüfung des nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG anzuwenden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG; s.a. BayVGH, B.v. 26.4.2018 – 9 ZB 18.30178 – juris Rn. 6) und nach überzeugender Ansicht auch auf § 60 Abs. 5 AufenthG. Denn Sinn und Zweck des § 60a Abs. 2c AufenthG ist es durch erhöhte Anforderungen an den Inhalt ärztlicher Bescheinigungen der Verhinderung der Rückführung aus medizinischen Gründen zu begegnen und einen diesbezüglichen Missbrauch bei der Inanspruchnahme von Abschiebungsschutz zu unterbinden. Diese Erwägung ist gleichsam für § 60 Abs. 5 wie für § 60 Abs. 7 AufenthG treffend, wenn auch § 60 Abs. 5 AufenthG keine ausdrückliche Inbezugnahme enthält. Denn auch für § 60 Abs. 5 AufenthG ist bei der Prognose, ob dem Kläger bei einer Rückkehr in den Zielstaat eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht, dessen individueller Gesundheitszustand maßgeblich zu berücksichtigen (NdsOVG, B.v. 13.3.2020 – 9 LA 46/20 – juris Rn. 14 ff.; wohl auch BayVGH, B.v. 4.10.2018 – 15 ZB 18.32354 – juris Rn. 10 ff.; ablehnend Röder in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und IntegrationsR, 7. Ed. 1.1.2021, § 60a AufenthG Rn. 47a). Wenn man wie hier von einer Anwendbarkeit des Substantiierungsmaßstabes des § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG hinsichtlich des Vorbringens von Krankheiten auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ausgeht, ist es nur folgerichtig § 60a Abs. 2c AufenthG auch im Rahmen der Prüfung der Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamtes nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG wegen einer bereits erfolgten Anerkennung in einem anderen Mitgliedstaat anzuwenden. Denn auch dort ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu prüfen, ob die Lebensverhältnisse, die ihn dort als anerkannter Flüchtling erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh zu erfahren (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; s.a. schon EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris). Art. 4 GRCh misst der Europäische Gerichtshof wegen Art. 52 Abs. 3 GRCh dabei die gleiche Bedeutung und Tragweite wie Art. 3 EMRK zu (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39).
bb) Insofern war der diesbezügliche unbedingt gestellte Beweisantrag zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger aufgrund der Folgen einer Schussverletzung im rechten Fuß in seiner Bewegungsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist, ein Sachverständigengutachten einzuholen, wegen mangelnder Substantiierung abzulehnen. Zwar obliegt der Klägerseite wie bereits ausgeführt keine allgemeine Beweisführungspflicht, jedoch legt § 60a Abs. 2c AufenthG ihr eine erhöhte Substantiierungslast auf, ohne aber den Vollbeweis zu fordern. Hinzu kommt, dass das Gericht den Kläger bereits mit Schreiben vom 1. Dezember 2020 (zusammen mit der Ladung zum Termin) dazu aufgefordert hatte, bis zum 4. Januar 2021 näher unter Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Attestes zum Gesundheitszustand des Klägers vorzutragen (§ 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO), woraufhin das erwähnte Attest des Dr. … bzw. der Entlassungsbrief der Kliniken … vom 25. Oktober 2019 vorgelegt wurde, jedoch bis zur mündlichen Verhandlung am 23. März 2021 kein jüngeres Attest, obgleich die im Oktober 2019 vorgenommene Operation ein wesentliches Ereignis für den Gesundheitszustand des Klägers darstellt und seitdem gut eineinhalb Jahre verstrichen sind. Ein trotz dessen gestellter Beweisantrag hinsichtlich der eingeschränkten Bewegungsfähigkeit des Klägers im rechten Fuß dient dann nur der unzulässigen Ausforschung, da andernfalls die Hürde des § 60a Abs. 2c AufenthG keine Bedeutung mehr hätte, könnte man sie durch bloßes Abwarten bis zur mündlichen Verhandlung und einen dann gestellten Beweisantrag umgehen.
cc) Als alleinstehendem und arbeitsfähigem jungem Mann droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Griechenland als anerkannter Flüchtling keine mit beachtliche Wahrscheinlichkeit zu erwartende erniedrigende und unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh.
Die Lebensverhältnisse von Schutzberechtigten in Griechenland stellen sich nach Auffassung des Einzelrichters, der sich der Kammerrechtsprechung anschließt (etwa VG Ansbach, U.v. 10.7.2020 – AN 17 K 18.50449), nicht schon allgemein für jedweden Personenkreis von Schutzberechtigten als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh dar. Zwar haben international Schutzberechtigte nach der Ankunft in Griechenland möglicherweise über einen längeren Zeitraum keinen effektiv gesicherten Zugang insbesondere zu Obdach und sanitären Einrichtungen. Zudem ist es für sie teilweise praktisch unmöglich, die Voraussetzungen für den Erhalt des sozialen Solidaritätseinkommens zu erfüllen. Bei dieser Sachlage ist die Abdeckung der Grundbedürfnisse „Bett, Brot und Seife“ für eine Übergangszeit nach der Rückkehr nach Griechenland durch das eigenverantwortliche Handeln des Einzelnen und die Hilfestellung von NGOs geprägt, die im Bereich der sozialen Unterstützung, Nahrungsmittelhilfe, Bildung, medizinischen Versorgung und teils auch der Unterbringung aktiv sind (eine Übersicht der zahlreichen in der Flüchtlingshilfe engagierten Organisationen in Griechenland bietet: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Athen, Hilfsorganisationen – Hilfe für Flüchtlinge in Griechenland, Stand Dezember 2019; s.a. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, aktualisierte Gesamtausgabe vom 4.10.2019 mit Informationsstand vom 19.3.2020, S. 28 ff.).
Vor diesem Hintergrund muss der jeweilige Schutzberechtigte nach Überzeugung des Einzelrichters grundsätzlich in der Lage sein, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative und unter Inanspruchnahme von Hilfsangeboten selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Ist davon auszugehen, dass er diese Schwierigkeiten bewältigen kann, fehlt es an der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Griechenland (so auch: VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A – juris Rn. 40; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 43; VG Leipzig B.v. 17.2.2020 – 6 L 50/19 – BeckRS 2020, 2228 Rn. 15). Es verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Art. 3 EMRK gewährt grundsätzlich keinen Anspruch auf den Verbleib in einem Mitgliedstaat, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Sofern keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse nach einer Überstellung erheblich verschlechtern würden, nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 39). Soweit es die spezifischen Bedürfnisse Schutzberechtigter verlangen, dass ihnen zumindest in einer ersten Übergangsphase ein Mindestmaß an Fürsorge und Unterstützung bei der Integration zukommt, ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich NGOs bei der Integration anerkannter Schutzberechtigter eine wichtige Rolle spielen und diese als Umsetzungspartner der internationalen, von der Europäischen Union finanzierten und vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen koordinierten Hilfsprojekte fungieren (VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A – juris Rn. 23, 25, 36; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 48 bis 54). Die Projekte der NGOs können in ihrer Gesamtheit das Fehlen eines staatlichen Integrationsplans nach Auffassung des Einzelrichters zumindest in einer Übergangsphase nach Rücküberstellung des anerkannten Flüchtlings, der keine Merkmale besonderer Schutzwürdigkeit aufweist, kompensieren und sicherstellen, dass die elementaren Bedürfnisse von anerkannten Schutzberechtigten für die erste Zeit befriedigt werden können. Sie unterstützen auch bei der Erlangung der sozialen Leistungen des griechischen Staates.
In diesem Sinne sind dem Kläger als alleinstehendem und arbeitsfähigem Mann von 29 Jahren vorübergehend auch schwierige Verhältnisse zuzumuten, da er in seiner Eigeninitiative nicht durch familiäre Zwänge oder Verpflichtungen eingeschränkt ist und sich vollständig der Erwirtschaftung seines Lebensunterhalts widmen kann. Insbesondere kann ihm die Aufnahme einer – gegebenenfalls auch informellen – (Hilfs) Tätigkeit zugemutet werden, mit der er jedenfalls einen Teil seines Lebensunterhalts bestreiten kann. In Griechenland ist zwischenzeitlich auch die Erteilung einer Steuer- und Sozialversicherungsnummer als Voraussetzung für eine legale Beschäftigung für Anerkannte realistisch; hierbei leisten die Hilfsorganisationen Unterstützung. Während einer ersten Zeit ist dem Kläger dabei eine Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft oder vorübergehend in informellen Strukturen zumutbar. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, dass er im Bedarfsfall eine Bleibe in einer Obdachlosenunterkunft findet, gegenüber einer Personenmehrheit an Schutzberechtigten (Familien) deutlich höher. Unterstützung bei der Alltagsbewältigung und Integration leisten in Griechenland NGOs, an die er sich wenden kann. Mit einer hilflosen Lage und Verelendung ist bei zuzumutender Eigeninitiative und bei Inanspruchnahme dieser Hilfeleistungen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit („real risk“) zu rechnen. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass der Kläger, wie sich aus seinen Schilderungen vor dem Bundesamt ergibt, in der Vergangenheit bereits Geld von seinen ebenfalls in Deutschland lebenden Schwestern erhalten hat und sich während seiner Zeit in Griechenland Geld von befreundeten Syrern leihen konnte. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, seine Schwestern lebten von „Hartz IV“ und hätten selbst Kinder, könnten ihn also nicht dauerhaft unterstützen. Jedoch genügt, um eine drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bei einer Rückkehr nach Griechenland zu verneinen bereits, dass der Kläger mit Hilfe finanzieller Unterstützung aus Deutschland in einer ersten Zeit in der Lage ist, sich mit „Bett, Brot und Seife“ zu versorgen, um dann von dieser Basis aus sein Existenzminimum selbst zu erwirtschaften.
Dieser Befund wird auch durch die momentane Pandemie-Lage in Griechenland infolge der Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 nicht grundlegend erschüttert. Zwar ist nach den oben unter 2. b) aa) aufgeführten Erkenntnismitteln von einem wirtschaftlichen Einbruch insbesondere im Tourismussektor infolge der Corona-Pandemie in Griechenland auszugehen, was die Arbeitsmarktchancen für anerkannte zurückkehrende Schutzberechtigte mindert, da gerade die Tourismusbranche Einstiegsmöglichkeiten auch für gering Qualifizierte bietet. Allerdings wird für das Jahr 2021 immerhin noch mit einem, wenn auch nach unten korrigiertem Wachstum der griechischen Wirtschaft gerechnet, was darauf schließen lässt, dass nicht sämtliche Wirtschaftsbereiche derartige Einbußen aufweisen wie die Tourismusbranche. Der griechische Staat ist diesbezüglich auch nicht untätig geblieben, sondern hat für 2020 Wirtschaftshilfen von knapp 24 Milliarden Euro bereitgestellt – eine angesichts eines Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2020 von 183 Milliarden Euro erhebliche Summe – und ist trotz der angespannten Haushaltslage weiter finanziell handlungsfähig.
Nach alledem ist von einer durchaus prekären sozioökonomischen Situation für nach Griechenland zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigte auszugehen, die sich allerdings noch nicht in einem Maße verdichtet hat, dass die Schwelle einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK erreicht wäre. Für den Kläger kommt individuell hinzu, dass eine familiäre finanzielle Unterstützung während einer ersten Zeit in Griechenland naheliegt.
Im Ergebnis stellt sich somit die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1. als rechtlich zutreffend dar und hat die Klage gegen Ziffer 1. des Bescheides vom 8. März 2019 keinen Erfolg.
d) Auch die in Ziffer 2. des Bescheides vom 8. März 2019 verneinte Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten ist rechtmäßig.
Hinsichtlich § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK stellen sich inhaltlich nämlich die gleichen rechtlichen Fragen wie bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (s.o. 2 a) – c)). Ein Anspruch auf Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ergibt sich aus der allgemeinen Lage für anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland für den Kläger konkret nicht. Auf die vorstehenden Ausführungen wird insoweit verwiesen.
Ein Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger auch nicht aus § 60 Abs. 7 AufenthG. Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten – insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage – kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Derartige Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen, der Ausländer müsste bei einer Rückkehr „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ sein und die Gefahren müssten sich alsbald nach der Rückkehr realisieren (BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris, Rn. 60).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht gegeben. Insoweit wird ebenfalls auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Insbesondere sind hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 13), so dass bei Nichtvorliegen eines Abschiebungsverbots nach Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht gegeben sind (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris).
Ein Abschiebehindernis ergibt sich auch nicht aufgrund des Infektionsgeschehens im Zusammenhang mit dem Corona-Virus. Eine die Rückkehr diesbezüglich unzumutbar machende Situation lässt sich der Erkenntnislage zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des § 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylG nicht entnehmen. Auch aus der stattgehabten Schussverletzung im rechten Bein aus dem Jahr 2014 ergibt sich keine Extremgefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
e) Schließlich begegnet die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken.
Die gesetzte einwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise entspricht zunächst den Vorgaben der § 35, § 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Dies könnte zwar mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Gnandi“ (U.v. 19.6.2018 – C-181/16 – NVwZ 2018, 1625) zweifelhaft erscheinen, allerdings sprechen nach Ansicht des Einzelrichters zum einen keine erheblichen Gründe für deren Übertragbarkeit auf Drittstaatenbescheide nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Denn die RL 2008/115/EG (Rückführungs-RL), auf die sich der Europäische Gerichtshof in der „Gnandi“ – Entscheidung maßgeblich stützt, definiert in deren Art. 3 Nr. 3 eine Rückkehr grundsätzlich als Rückführung in Drittländer, die keine EU-Mitgliedstaaten sind (so VG Würzburg, B.v. 19.12.2019 – W 4 S 19.32094 – BeckRS 2019, 34656 Rn. 27). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls wurde die „Gnandi“ – Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bislang nur für die hier nicht gegebenen Fälle einer inhaltlichen Ablehnung des Asylantrages als (einfach oder offensichtlich) unbegründet verbunden mit einer Abschiebungsandrohung nachvollzogen (BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 22.19 – BeckRS 2020, 12399; BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – BeckRS 2020, 8202). Eine Differenzierung zwischen Bescheiden, die einen Asylantrag inhaltlich ablehnen und bloßen Unzulässigkeitsentscheidungen erscheint auch nicht unbillig, da die Eingriffstiefe bei einer angedrohten Abschiebung in den Herkunftsstaat nach inhaltlicher Ablehnung des Asylantrages eine andere ist als bei der bloßen Rückführung gleichsam der Zuständigkeit halber in einen EU-Mitgliedstaat, in dem der Kläger bereits internationalen Schutz genießt (zur Übertragbarkeit der Gnandi-Rechtsprechung wohl anders Pietzsch in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 25. Edition Stand 1.3.2020, § 36 AsylG Rn. 3 ff.).
Zum anderen hat das Bundesamt, selbst wenn man die Argumentation zur fehlenden Übertragbarkeit der Gnandi-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf Drittstaatenbescheide ablehnt und eine solche annimmt, durch die in Ziffer 5 des Bescheides vom 8. März 2019 erklärte Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsandrohung nach § 80 Abs. 4 VwGO einen europarechtskonformen Zustand hergestellt (BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 19.19 – BeckRS 2020, 8209 Rn. 54 ff.).
f) Schließlich begegnet die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung gemäß §§ 11 Abs. 1, Abs. 2, 75 Nr. 12 AufenthG keinen rechtlichen Bedenken.
Auch unter Berücksichtigung des nunmehr geltenden § 11 Abs. 1 AufenthG, wonach das Ein-reise- und Aufenthaltsverbot nicht mehr aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung eintritt, sondern es hierfür vielmehr einer behördlichen Entscheidung bedarf (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 71), bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ziffer 4 des Bescheides vom 8. März 2019. Die nunmehr geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer ist in unionsrechtskonformer Auslegung regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG zu sehen (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 72). Eine solche hat die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid wirksam getroffen und in Ausübung des ihr nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eingeräumten Ermessens eine Befristung auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung vorgesehen. Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind unter Berücksichtigung des maßgeblichen Entscheidungszeitpunkts der gerichtlichen Entscheidung, § 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylG, im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden, da es keine zugunsten des Klägers berücksichtigungsfähige, in Deutschland dauerhaft bleibeberechtigte Kernfamilie gibt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.


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