Verwaltungsrecht

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Aktenzeichen  Au 5 K 20.804

Datum:
14.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43397
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die nach § 43 Abs. 1 VwGO erhobene Feststellungsklage ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Fälligstellung des in B.6.2 des Bescheides des … vom 1. Februar 2018 angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 2.000,00 EUR wegen Nichterfüllung der Anordnung in 8.2 des Bescheides vom 1. Februar 2018 ist zu Recht erfolgt.
Wird die Pflicht zu einer Handlung nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt, so kann die Vollstreckungsbehörde den Pflichtigen nach Art. 31 Abs. 1 BayVwZVG zur Erfüllung anhalten. Das Zwangsgeld ist nach Art. 36 Abs. 1 Satz 1 BayVwZVG schriftlich anzudrohen. Hierbei ist nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann. Die Androhung des Zwangsgeldes kann nach Art. 36 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den die Handlung aufgegeben wird. Sie soll nach Art. 36 Abs. 2 Satz 2 BayVwZVG mit ihm verbunden werden, wenn der sofortige Vollzug angeordnet ist oder wenn dem Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung zukommt. Der Betrag des Zwangsgeldes ist nach Art. 36 Abs. 5 BayVwZVG in bestimmter Höhe anzudrohen.
Wird die Verpflichtung nach Art. 31 Abs. 1 BayVwZVG nicht bis zum Ablauf der gesetzten Frist des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG erfüllt, wird die Zwangsgeldforderung nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 BayVwZVG fällig.
Die Beklagte hat die in B.2 des Bescheides vom 1. Februar 2018 getroffenen Anordnung in B.5 des Bescheides vom 1. Februar 2018 für sofort vollziehbar erklärt. Die in 8.6.2 erfolgte Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung in B.2 des Bescheides vom 1. Februar 2018 ist bereits nach Art. 21a BayVwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Damit war die in B.2 des Bescheides vom 1. Februar 2018 getroffene Anordnung zum Zeitpunkt der Fälligstellung in der des Zwangsgeldes am 16. Juli 2018 sofort vollziehbar. Die Erklärung des mündlichen Verhandlung vom 21. März 2019, dass aus B.1 bis B.4 des Bescheides vom 1. Februar 2018 keine „weitere“ Zwangsvollstreckung bis zum bestandskräftigen Abschluss des Verfahrens Au 5 K 18.1361 (nunmehr Au 5 K 20.804) erfolge, lässt die bereits erfolgte streitgegenständliche Fälligstellung des Zwangsgeldes unberührt.
In einer gegen die Fälligstellung gerichteten Feststellungsklage kommen als selbstständige Rechtsverletzungen i.S.d. Art. 38 Abs. 3 BayVwZVG nur Umstände im Zusammenhang mit dem Bedingungseintritt nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 BayVwZVG in Betracht. Von Bedeutung ist nur die Frage, ob der Kläger die sofort vollziehbare Anordnung rechtzeitig und vollständig erfüllt hat.
Auf der Grundlage der dem Gericht vorgelegten Akten, des eingeholten Sachverständigengutachtens vom 26. Januar 2020 und der in der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2020 gewonnenen Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass der Kläger gegen die sofort vollziehbare Anordnung in B.2 des Bescheides vom 1. Februar 2018 verstoßen hat und das in B.6.2 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR zur Zahlung fällig geworden ist.
Nach B.1 des Bescheides vom 1. Februar 2018 hat der Kläger bis spätestens 28. Februar 2017 die in seiner Praxis verwendeten Medizinprodukte entsprechend der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert-Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ von 2012 (KRINKO/BfArM Empfehlung von 2012) einzustufen und anhand der Einstufung das Verfahren zur Aufbereitung der Medizinprodukte festzulegen. Die Einstufung ist nach B.2 zu dokumentieren und dem … unverzüglich, spätestens bis 15. März 2018, schriftlich mitzuteilen.
Auf Seite 40 des Gutachtens vom 6. Januar 2020 wird unter der BEMA-Nr. 56c festgestellt, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitraum in seiner Praxis eine Zysten-Operation – Zystektomie mit Osteotomie bzw. WSR durchgeführt hat. Für diesen Eingriff werden nach den Feststellungen des Gutachters ein chirurgisches Handstück mit chirurgischen Fräsen benötigt und die benötigten Instrumente sind nach den Feststellungen des Gutachters als kritisch B einzustufen. Für die Aufbereitung des als kritisch B eingestuften Handstückes ist nach dem Gutachten ein validitiertes Verfahren im RDG anschließend Verfahren 5: Sterilisation im Dampfsterilisator (verpackt) – Verfahren 1.1 – oder ein Verfahren im RDG, bei dem nur die Reinigung validierbar ist, anschließend Verfahren 5: Sterilisation im Dampfsterilisator (verpackt) – Verfahren 1.2 – erforderlich. Der Kläger hat in seiner dem … am 15. März 2018 vorgelegten Einstufung auf Bl. 191 der Akte des … Fräsen zur chirurgischen Behandlung dagegen als kritisch A eingestuft und dementsprechend auch dokumentiert und dem … schriftlich mitgeteilt. Es haben sich für das Gericht keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kläger entgegen der Feststellung auf S. 40 des Gutachtens unter der BEMA-Nr. 56c die dort erwähnte Zysten-Operation – Zystektomie mit Osteotomie bzw. WSR nicht durchgeführt hat. Es haben sich weiter keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die insoweit eindeutig formulierte Feststellung des Gutachters, dass für die Durchführung des Eingriffs ein chirurgisches Handstück mit chirurgischen Fräsen benötigt wird, das als kritisch B einzustufen ist, nicht zutreffend ist. Der erforderlichen Einstufung der benötigten chirurgischen Fräse als kritisch B und der Verpflichtung zu einer entsprechenden Mitteilung der Einstufung an das … ist der Kläger danach nicht nachgekommen, soweit er in seiner dem … am 15. März 2018 vorgelegten Einstufung chirurgische Fräsen auf Bl. 191 der Akte des … lediglich als kritisch A eingestuft hat. Damit ist hinreichend belegt, dass der Kläger jedenfalls bei der unter der BEMA-Nr. 56c aufgeführten Behandlung gegen die in B.2. des Bescheids vom 1. Februar 2018 angeordnete Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Einstufung und Dokumentation der von ihm verwendeten Medizinprodukte gemäß B.1 des Bescheides vom 1. Februar 2018 verstoßen hat. Soweit der Kläger dem entgegenhält, die unter der BEMA-Nr. 56c für die Durchführung des Eingriffs vom Gutachter für erforderlich gehaltenen Instrumente chirurgisches Handstück mit chirurgischen Fräsen seien in seiner Praxis gar nicht vorhanden und könnten daher auch nicht eingestuft werden, überzeugt das nicht, da der Kläger in seiner dem … am 15. März 2018 vorgelegten Einstufung Fräsen zur chirurgischen Behandlung ausdrücklich erwähnt und diese entgegen der vom Gutachter vorgenommenen Einstufung als kritisch B als lediglich kritisch A einstuft. Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, das Gutachten lasse keine Rückschlüsse darauf zu, welche Instrumente der Kläger verwende und wie diese einzustufen seien, trägt das jedenfalls in Bezug auf die BEMA-Nr. 56c nicht. Aus den Feststellungen auf S. 40 des Gutachtens ergibt sich zweifelsfrei die fachliche Notwendigkeit der Verwendung der dort aufgeführten Instrumente für den beschriebenen Eingriff. Die bloße Behauptung des Klägers, er verwende solche Instrumente nicht und diese würden für den Eingriff auch nicht benötigt, reichen nicht aus, um durchgreifende Zweifel an den Feststellungen des Gutachters zu begründen. Gleiches gilt für die vom Gutachter vorgenommene Einstufung der Instrumente als kritisch B.
Damit steht aber jedenfalls in Bezug auf die unter der BEMA-Nr. 56c beschriebene Zysten-Operation – Zystektomie mit Osteotomie bzw. WSR fest, dass der Kläger in Bezug auf diesen Eingriff gegen B.2 des Bescheides vom 1. Februar 2018 verstoßen hat.
Bereits aufgrund dieses einmaligen Verstoßes ist damit das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden.
Ungeachtet dessen ist davon auszugehen, dass der Kläger auch unter der BEMANr. 28 gegen B.2 des Bescheides vom 1. Februar 2018 verstoßen hat, soweit dort festgestellt wird, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitraum eine Exstirpation der vitalen Pulpa durchgeführt hat, für die laut S. 37 des Gutachtens Wurzelkanalinstrumente benötigt werden, die als kritisch A bzw. kritisch B einzustufen sind, wobei laut Gutachter gemäß dem Musterhygieneplan der BZÄK die Einstufung dieser Instrumente in die Risikogruppe kritisch B erforderlich ist, wenn die Effektivität der Reinigung durch Inspektion nicht unmittelbar beurteilbar ist. Davon ist vorliegend auszugehen, da der Kläger auf Bl. 13 der Akte des … angegeben hat, dass er in seiner Praxis nicht über eine Lichtlupe zur Inspektion verfüge. Im Zweifel hätten danach die für den Eingriff erforderlichen Wurzelkanalinstrumente als kritisch B eingestuft werden müssen. Das hat der Kläger auf Bl. 155 der Akten des … aber gerade nicht getan, soweit er die Exstirpationsnadel als kritisch A eingestuft hat. Soweit der Kläger dem entgegenhält, er habe für diesen Eingriff ein Einweginstrument verwendet, steht das der Feststellung des Gutachters, dass für den Eingriff Wurzelkanalinstrumente benötigt werden, die jedenfalls vorliegend als kritisch B einzustufen sind, weil die Effektivität der Reinigung nicht durch Inspektion unmittelbar beurteilbar ist, nicht entgegen.
Ob darüber hinaus durch den Gutachter auf S. 39 des Gutachtens unter den BEMANrn. 45, 47a und 48 weitere Verstöße des Klägers gegen die Anordnung unter B.2 des Bescheides vom 1. Februar 2018 dokumentiert sind, kann letztlich dahingestellt bleiben.
Das in B.6.2 des Bescheides vom 1. Februar 2018 angedrohte Zwangsgeld wird nämlich bereits durch einen einmaligen Verstoß gegen die Anordnung in B.2 des Bescheides vom 1. Februar 2018 fällig. Die Höhe des Zwangsgeldes ist auch bei einem lediglich einmaligen Verstoß angemessen. Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG beträgt das Zwangsgeld mindestens 15,00 EUR und höchstens 50.000,00 EUR und soll nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BayVwZVG das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen. Das Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR bewegt sich damit am unteren Rand des gesetzlich vorgesehenen Rahmens und ist auch hinsichtlich seiner Höhe nicht unverhältnismäßig.
Zusammenfassend ist danach festzustellen, dass das in B.6.2 des Bescheides vom 1. Februar 2018 für den Fall der Nichtbefolgung der Anordnung in B.2 des Bescheides vom 1. Februar 2018 angedrohte Zwangsgeld fällig geworden ist und mit dem Schreiben vom 16. Juli 2018 geltend gemacht werden konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO, § 711 ZPO.


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