Verwaltungsrecht

Beschwerde bei Hauptsacheentscheidung trotz beantragter einstweiliger Anordnung – Zurückweisungshaft

Aktenzeichen  62 T 1/17

Datum:
3.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 158506
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 15 Abs. 5
FamFG § 417

 

Leitsatz

Die Anordnung von Zurückweisungshaft im Hauptsacheverfahren trotz Antrags auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung führt nicht zur Begründetet einer dagegen gerichtete Beschwerde. (Rn. 4 – 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

6 XIV 45/16 (B) 2016-12-23 Bes AGERDING AG Erding

Tenor

1. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Erding vom 23.12.2016 wird z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Der Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Betroffene ist nach eigenen Angaben senegalesischer Staatsangehöriger. Er wurde am 09.12.2016 aus Tunis kommend bei der Einreisekontrolle am Flughafen München vorstellig. Dabei legte er einen durch Lichtbildaustausch verfälschten senegalesischen Reisepass vor, der auf einen Aliasnamen lautete und in dem sich ein verfälschtes italienisches Schengenvisum befand.
Nachdem der Betroffene ein Schutzersuchen gestellt hatte, wurde das sogenannte Flughafenverfahren nach § 18 a AsylG eingeleitet. Am 12.12.2016 ging der Asylantrag des Betroffenen bei der Außenstelle des BAMF ein. Am 13.12.2016 erfolgte die Anhörung durch einen Entscheider des BAMF gemäß 25 AsylG. Im Rahmen der Anhörung gab der Betroffene an, er habe sich am 04.12.2016 in Dakar aufgemacht und sei über Casablanca und Tunis nach München gereist mit dem Ziel, von dort nach Frankreich weiterzureisen. Den gefälschten Pass habe ihm ein Freund besorgt.
Mit Bescheid vom 14.12.2016, zugestellt am 21.12.2016, wurden der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, der Antrag auf Asylanerkennung und der Antrag auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt und dem Betroffenen wurde die Abschiebung angedroht. Mit weiterem Bescheid vom 15.12.2016 wurde dem Betroffenen von der Bundespolizeidirektion München die Einreise verweigert. Ein Eilantrag des Betroffenen gegen die Entscheidungen des BAMF vom 14.12.2016 und der Bundespolizei vom 15.12.2016 wurde von dem Verwaltungsgericht München mit Entscheidung vom 23.12.2016 abgelehnt.
Ebenfalls am 23.12.2016 beantragte die Bundespolizeidirektion München Haft von 4 Wochen zur Sicherung der Zurückweisung in den Senegal. Der Betroffene wurde hierzu am 23.12.2016 persönlich angehört. Er erklärte, er werde nunmehr freiwillig in den Senegal zurückkehren. Mit Entscheidung vom gleichen Tag ordnete das Amtsgericht Erding Haft zur Sicherung der Zurückweisung bis längstens 22.01.2017 an. Unmittelbar nach Verkündung des Beschlusses legte der Betroffene Beschwerde ein unter Hinweis auf seine bekundete Absicht zur freiwilligen Ausreise.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Angelegenheit dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der anwaltschaftliche Vertreter des Betroffenen hat auf telefonische Nachfrage am 02.01.2017 erklärt, dass er in dieser Sache keine weitere Stellungnahme abgeben wird.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde gegen die Haftanordnung ist nicht begründet.
1. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft gemäß §§ 15 V Aufenthaltsgesetz liegen vor. Dem Betroffenen wurde nach Ablehnung seines Asylantrages als offensichtlich unbegründet die Einreise in das Bundesgebiet verweigert. Der Antrag des Betroffenen auf Eilrechtsschutz wurde von dem Verwaltungsgericht abgelehnt. Die Zurückweisung kann mangels Ausweisdokumenten nicht unmittelbar vollzogen werden.
Auch liegen die Haftvoraussetzungen vor. Es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene sich der Abschiebung durch Flucht entziehen werde (§ 62 III 1 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz). Der Betroffene reiste mit gefälschten Papieren. Er verfügt über keine Reisedokumente. Er wollte unter einem Aliasnamen einreisen. Damit bestehen konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne des § 2 XIV Aufenthaltsgesetz. Konkrete Anhaltspunkte nach § 2 XIV Nr. 2 können dann vorliegen, wenn der Ausländer über seine Identität täuscht, insbesondere durch das Vorgeben einer falschen Identität. So war der Fall hier. Der Betroffene hat sich mit gefälschten Dokumenten und einem gefälschten Aufenthaltstitel ausgewiesen. Er wollte nach Frankreich weiterreisen. Er sieht für sich im Senegal keine Perspektive. Sein Ziel ist es, seine Eltern in Frankreich zu besuchen.
Unter diesen Voraussetzungen ist nicht davon auszugehen, dass der Betroffene ohne besondere Sicherung freiwillig im ungesicherten Transitbereich bleiben wird bis seine Identität zweifelsfrei festgestellt ist und sich im Anschluss daran zur freiwilligen Heimreise bereithalten wird. Es ist eher zu erwarten, dass der Betroffene unbewacht im Bundesgebiet untertauchen und versuchen wird, illegal nach Frankreich zu gelangen.
Soweit der Betroffene bei der Haftrichterin angegeben hat, er werde freiwillig ausreisen, ist alleine diese Aussage nicht ausreichend, um die Befürchtung einer Flucht auszuräumen. Das oben beschriebene Verhalten des Betroffenen und seine Motivation (Weiterreise nach Frankreich) sprechen vielmehr dafür, dass es sich bei der nunmehr bekundeten Heimreisebereitschaft lediglich um Lippenbekenntnisse handelt.
2. Der Antrag auf Anordnung der Haft entsprach den Vorgaben des § 417 FamFG. Der Antrag wurde dem Betroffenen ausgehändigt und vollständig übersetzt. Aus dem Haftantrag ergibt sich auch, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann und innerhalb welcher Zeit. Es ist ein Anhörungstermin bei der Botschaft der Republik Senegal durchzuführen, was voraussichtlich noch im Januar geschehen kann. Im Hinblick auf seine Angaben zur senegalisischen Staatsangehörigkeit und seine detaillierten Angaben über seine Herkunft ist damit zu rechnen, dass die Identität des Betroffenen festgestellt und ihm Reisedokumente ausgestellt werden können. Es bedarf dann der Organisation der Heimreise, was etwas 3 – 4 Wochen in Anspruch nehmen wird. Bezüglich der weiteren Einzelheiten zur Notwendigkeit der Haftdauer und zur Prognose der zeitlichen Durchführbarkeit der Rückführung wird im übrigen auf die Ziffern 5. und 6. des Haftantrages Bezug genommen.
3. Die Anordnung einer Haft von einem Monat ist angemessen unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Betroffene mit gefälschten Papieren gereist ist und keine echten Papiere mit sich führte. Dies macht nunmehr die Vorsprache bei der Botschaft, verbunden mit einem entsprechenden Zeitaufwand, erforderlich.
4. Auch die sonstigen Verfahrensbestimmungen wurden beachtet. Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft ist gemäß § 72 IV AuslG nicht erforderlich, da der Betroffene lediglich Urkundsdelikte von geringem Gewicht begangen hat. Eine Vertrauensperson wurde verständigt. Die Verständigung der Auslandsvertretung wurde nicht gewünscht. Die Haft wird in einer speziellen Einrichtung für abzuschiebende Personen vollzogen.
5. Die Kammer kann ohne persönliche Anhörung des Betroffene entscheiden. Der Betroffene hat sich gegenüber dem Amtsgericht geäußert. Der Sachverhalt ist ausreichend aufgeklärt. Es kann ausgeschlossen werden, dass eine erneute Anhörung des Betroffenen zu Erkenntnissen führt, die für die Entscheidung von Bedeutung wären (§ 68 III 2 FamFG).
III.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 81 FamFG.
IV.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Verfahrens beruht auf §§ 36, 79 GNotKG.


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