Verwaltungsrecht

Beschwerde gegen Änderungsbeschluss

Aktenzeichen  9 CS 16.586

Datum:
30.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 7 S. 2, § 146 Abs. 4 S. 6

 

Leitsatz

Die Abänderung eines vollziehbaren tierschutzrechtlichen Rinderhaltungsverbotes kommt bei offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache im Rahmen der dann anzustellenden Interessensabwägung in Betracht, wenn das Verbot den Antragsteller finanziell erheblich belastet und zwischenzeitlich Verbesserungen bei der Tierhaltung eingeteten sind. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 23 S7 16.1021 2016-03-09 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Unter Aufhebung der Nrn. I. und II. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 9. März 2016 wird der Antrag des Antragsgegners auf Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 4. Februar 2016 abgelehnt.
II.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungsverfahrens in beiden Rechtszügen.
III.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 9. März 2016, mit dem das Verwaltungsgericht unter Änderung seines Beschlusses vom 4. Februar 2016 den Antrag auf Anordnung/Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts München vom 29. Dezember 2015 abgelehnt hat. Sie vertritt die Auffassung, es gebe keine Veranlassung zur Änderung des Beschlusses vom 4. Februar 2016, weil sie alle in diesem Beschluss angeordneten Auflagen erfüllt habe und es den Tieren gut gehe.
Die Antragstellerin beantragt,
der Beschwerde gegen den Beschluss vom 9. März 2016, M 23 S7 16.1021 abzuhelfen und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragstellers wieder herzustellen bzw. anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Es bestünden Zweifel, ob die Beschwerde hinreichend begründet worden sei. Abgesehen davon habe die Antragstellerin die Auflagen des Gerichts nicht fristgerecht bzw. gar nicht umgesetzt und erfülle nicht die tierschutzrechtlichen Anforderungen an die Tierhaltung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Unter Berücksichtigung der zwar erst nach Erlass des angefochtenen Beschlusses vom 9. März 2016 erfolgten, von der Antragstellerin aber noch fristgerecht dargelegten Verbesserung der Haltungsbedingungen überwiegt gegenwärtig das Aufschubinteresse der Antragstellerin das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids. Der Abänderungsantrag des Antragsgegners nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO war daher abzulehnen.
1. Zwar sind nach Erlass des ursprünglichen Beschlusses vom 4. Februar 2016 veränderte Umstände eingetreten, die auf Antrag des Antragsgegners gem. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ein neues, selbstständiges, vom vorangegangenen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO losgelöstes Verfahren zur Überprüfung eröffnen, ob eine Änderung der im Eilrechtsschutzverfahren getroffenen Entscheidung geboten ist. Diese veränderten Umstände hat das Verwaltungsgericht in der nicht fristgerechten Erfüllung von zumindest zwei im Beschluss vom 4. Februar 2016 aufgeführten Auflagen gesehen.
Zum einen hat die Antragstellerin entgegen der im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. Februar 2016 angeordneten Auflage I. 4 bis zum 17. Februar 2016 weder die geforderten weiteren Unterstände mit einer Stellfläche von 80 m² auf der Weide in G…-… zusätzlich aufgestellt, noch die Herde dort so reduziert, dass pro Rind eine Unterstandfläche von ca. 2 m² zur Verfügung steht. Dies ist dem Kontrollbericht des Tierarztes Dr. M… vom 18. Februar 2016 zu entnehmen und ergibt sich darüber hinaus auch aus den Einlassungen der Antragstellerin v.a. im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 21. März 2016. Darin wird nämlich die Lieferung von Zelten zur Errichtung der geforderten Unterstände mit einer Stellfläche von 80 m² erst für die Zeit nach Ostern angekündigt, „so dass auch für alle Tiere entsprechend den Auflagen des Gerichts 2 m² zur Verfügung stehen“, und auch nur von der Bereitschaft gesprochen, die Herde so zu reduzieren, dass jedem Rind eine Unterstellfläche von 2 m² zur Verfügung stehen wird.
Zum anderen hat die Antragstellerin entgegen Auflage I. 5 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 4. Februar 2016 die auf der Weide in G…-… vorhandenen Stiere und deckfähigen Jungtiere nicht umgehend, spätestens bis zum 15. Februar 2016 entfernt oder kastrieren lassen. Dies wurde vom Bevollmächtigten der Antragstellerin bereits dadurch eingeräumt, dass er mit Schriftsatz vom 21. März 2016 einen auf der Weide befindlichen Zuchtstier und mit Schriftsatz vom 11. April 2016 sogar – nunmehr von der übrigen Herde separierte – 14 Zuchtstiere bzw. Jungstiere erwähnte, die nach Angaben der Antragstellerin zum Großteil aber noch nicht deckungsfähig bzw. geschlechtsreif seien. Unabhängig davon ist auch dem Kontrollbericht des Tierarztes Dr. M… vom 18. Februar 2016 zu entnehmen, dass von ihm am 18. Februar 2016 mindestens drei Stiere in der Herde identifiziert worden sind und nach Auskunft von Herrn S… etwa 15 Stiere noch kastriert werden sollen.
2. Diese Verstöße rechtfertigen im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung keine Abänderung des Beschlusses vom 9. März 2016. Denn die Interessenabwägung des Senats fällt unter Berücksichtigung der im Beschwerdevorbringen genannten neuen Tatsachen gegenwärtig zugunsten der Antragstellerin aus.
a) Nach Erlass des Beschlusses vom 9. März 2016 hat die Antragstellerin – wenn auch zögerlich – weitere Unterstände geschaffen, so dass nunmehr ein Mindestmaß an Unterständen für die Herde zur Verfügung stehen dürfte. Nach vom Antragsgegner bestätigten Angaben der Antragstellerin wurden zudem 15 Stiere nunmehr von der Mutterkuhherde separiert. Weiterhin ist den vorgelegten Lichtbildern zu entnehmen, dass auf der Weide zusätzliche Wassertränken aufgestellt sind. Vorgetragen und vom Antragsgegner nicht substantiiert bestritten wurde auch, dass die Versorgung der Tiere mit Futter und Wasser (nunmehr) regelmäßig erfolgt. Diese Verbesserungen der Haltungsbedingungen sind im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 146 Rn. 29; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 146 Rn. 42).
b) Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände lassen sich bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen, aber auch ausreichenden lediglich summarischen Prüfung die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens infolge weiterhin bestehender tatsächlicher und rechtlicher Unklarheiten, die das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 4. Februar 2016 ausgeführt hat, nicht hinreichend genau abschätzen. Die demnach anzustellende (reine) Interessenabwägung führt zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu einem Überwiegen der privaten Interessen der Antragstellerin gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der getroffenen Anordnungen.
Für ein vorläufiges Belassen der Rinder in G…-… unter der Obhut der Antragstellerin sprechen die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin, weil eine sofortige vollständige Bestandsauflösung eine sehr einschneidende Maßnahme im Tierschutzgesetz darstellt, die vollendete Tatsachen schafft und für die Antragstellerin einen finanziell erheblichen und kaum wieder gutzumachenden Eingriff zur Folge hätte. Auf der anderen Seite sprechen zwar gewichtige Gründe des Tierschutzes für das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners. Angesichts der in der Zwischenzeit vorgenommenen Maßnahmen der Antragstellerin, insbesondere der Aufstellung weiterer Tierunterstände und der Trennung der Stiere von der Mutterkuhherde, spricht nach derzeitiger Sachlage aber Einiges für das Vorliegen noch hinnehmbarer Haltungsbedingungen. Hinzu kommt, dass der Gesundheitszustand der Tiere in der tierärztlichen Stellungnahme des Tierarztes Dr. M… der Klinik für Wiederkäuer der L…-…-… … vom 14. Januar 2016 „als gut“ bewertet wurde und auch in seiner Bescheinigung vom 15. April 2016 eine „Absonderung einzelner Tiere aufgrund eines schlechten Allgemeinzustands“ nicht für notwendig erachtet wird.
Die Tiere werden damit gegenwärtig unter der Obhut der Antragstellerin wohl nicht erheblich vernachlässigt; es wurden auch keine schwerwiegenden Verhaltensstörungen festgestellt. Ein weiterer Verbleib der Tiere in G…-… unter der Obhut der Antragstellerin erscheint daher aus tierschutzrechtlichen Gründen gegenwärtig noch vertretbar.
Der Sachverhalt gibt jedoch Anlass, darauf hinzuweisen, dass sich bei Feststellung erneuter Verstöße gegen tierschutzrechtliche Anforderungen oder aus anderen Gründen veränderte Umstände i. S. v. § 80 Abs. 7 VwGO ergeben könnten, die die Abänderung des Beschlusses vom 4. Februar 2016 zulasten der Antragstellerin trotz ihrer erheblichen wirtschaftlichen Interessen nach Maßgabe einer dann anzustellenden umfassenden Interessenabwägung nicht ausgeschlossen erscheinen lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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