Verwaltungsrecht

Beschwerde, Hund, Tierhaltung, Hundehaltung, Gutachten, Frist, Hochschule, Verwaltungsgerichtshof, Zeitpunkt, Entscheidungsdatum, Festsetzung, Verfahren, Aktenlage, Krankheitsbild, Zeitpunkt des Erlasses, Entscheidung in der Hauptsache, juristische Personen

Aktenzeichen  AN 10 S 20.02456, AN 10 E 20.02457, AN 10 K 20.02458

Datum:
23.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6134
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 4) des Bescheides vom 13. Oktober 2020 wird angeordnet.
2. Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.
3. Die Kosten des Verfahrens AN 10 S 20.02456 tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin je zur Hälfte. Die Kosten des Verfahrens AN 10 E 20.02457 trägt die Antragstellerin.
4. Der Streitwert wird für das Verfahren AN 10 S 20.02456 auf 2.500,00 EUR und für das Verfahren AN 10 E 20.02457 auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
5. Soweit die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 13. Oktober 2020 angeordnet wird, wird der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für das Klage- und Eilverfahren bewilligt und Frau Rechtsanwältin …, …, beigeordnet. Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Prozessbevollmächtigten für das Klage- und Eilverfahren abgelehnt.

Gründe

Die Antragstellerin hat zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids den Vorschriften des § 2 TierSchG grob zuwiderhandelt.
Nach § 2 TierSchG muss jemand, der ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltens-gerecht unterbringen (§ 2 Nr. 1 TierSchG). Er darf die Möglichkeiten des Tieres zu artgerechter Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden (§ 2 Nr. 2 TierSchG) und muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen (§ 2 Nr. 3 TierSchG). Dabei umfasst das Pflegegebot in § 2 Nr. 1 TierSchG alle Maßnahmen, die das Wohlbefinden des Tieres herbeiführen und erhalten. Pflege schließt neben der Ermöglichung der Eigenkörperpflege und der regelmäßigen Überwachung all das ein, was unter einer guten Behandlung zu verstehen ist. Dazu zählt unter anderem die Gesundheitsvorsorge und -fürsorge und insbesondere die Vorstellung bei einem Tierarzt im Fall des Krankheitsverdachts (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 2 Rn. 24, 27; VG Oldenburg, U.v. 19.5.2003 – 7 A 2832/01 – juris).
Dass die Antragstellerin diesen Anforderungen nicht gerecht wurde, steht zur Überzeugung des Gerichts auf Grund der vorgelegten Behördenakte einschließlich der Stellungnahme der Amtsveterinärin vom 22. April 2020 mit mehreren Fotos fest. Den Ausführungen der Amtsveterinärin ist zu entnehmen, dass bei „…“ eine hochgradige eitrige Entzündung des äußeren Gehörgangs rechts diagnostiziert wurde. Das Krankheitsbild war nicht nur auf die Ohren begrenzt, sondern auch auf die Zwischenzehenbereiche, die kupierte Rute sowie den rechten Lefzenwinkel. Der Hund fiel durch seine Ängstlichkeit und Gedämpftheit auf. Der Gang war immer geduckt und er zitterte stark. Nach Aktenlage fand der einzige Tierarztbesuch im November 2019 statt.
Das geschilderte Unterlassen einer Nachkontrolle des Hundes bei einem fachkundigen Tierarzt mit anschließender Behandlung über knapp fünf Monate hat auch nach Auffassung des Gerichts zu erheblichen Schmerzen und Leiden bei dem Hund geführt. Eine Entzündung geht mit starken Schmerzen und Juckreiz einher. Dieser führt dazu, dass das Tier die bereits entzündeten Areale aufkratzt, was wiederum Sekundärinfektionen begünstigen kann. Dieses Aufkratzen der entzündeten Bereiche ist hochgradig schmerzhaft und führt zu Abschürfungen und Krustenbildung. Langanhaltender Juckreiz ist mit erheblichen Leiden gleichzusetzen. Dazu kommen noch die damit verbundenen, andauernden starken Schmerzen. Weiterhin können durch die aufgekratzten/offenen Stellen Infektionserreger über die Blutbahn im gesamten Organismus verteilen und somit zu weiteren Erkrankungen und Einschränkungen führen. Dies ist für einen sachkundigen und aufmerksamen Tierhalter Anlass, das Tier einem Tierarzt vorzustellen bzw. regelmäßige Nachkontrollen durchführen zu lassen.
Soweit die Antragstellerin vorträgt, aufgrund der Besserung des Zustandes des Hundes im Bereich der Hautentzündung sei sie nicht erneut zum Tierarzt gegangen, erscheint dies aufgrund der Begutachtung der Amtsveterinärin nicht glaubhaft. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 6.11.2017 – 9 ZB 15.2608, B.v. 10.8.2017 – 9 C 17.1134, B.v. 21.10.2016 – 9 C 16.526, jeweils juris) ist den beamteten Tierärzten bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG und sonstige tierschutzrechtliche Vorschriften eingehalten sind, eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt. Denn das Gutachten von beamteten Tierärzten erachtet der Gesetzgeber gemäß §§ 15 Abs. 2, 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG grundsätzlich als ausreichend und maßgeblich dafür, einen Verstoß gegen Grundpflichten zur artgerechten Tierhaltung nach § 2 TierSchG nachzuweisen (vgl. BVerwG, B.v. 2.4.2014 – 3 B 62.13, juris). Die Amtstierärzte sind als gesetzlich vorgesehene Sachverständige gemäß § 15 Abs. 2 TierSchG für diese Aufgaben eigens bestellt. Schlichtes Bestreiten vermag die Aussagekraft einer amtstierärztlichen Beurteilung nicht zu entkräften, dasselbe gilt für unsubstantiierte, pauschale Behauptungen (VG Schleswig-Holstein, U.v. 2.7.2018 – 1 A 52/16 – juris Rn. 82 mit Verweis auf VG Würzburg, B.v. 22.11.2011 – W 5 S 11.849 – juris Rn. 38; VG Würzburg, B.v. 19.4.2011 – W 5 S 11.242 – juris Rn. 47). Nach diesem Maßstab ist die Vorlage verschiedener Lichtbilder nicht geeignet, die Begutachtung der Amtsveterinärin zu entkräften. Anlass, an der Richtigkeit der Feststellungen der Amtsveterinärin zu zweifeln, besteht nicht. Vielmehr ist das Gericht – auch aufgrund der in der Behördenakte befindlichen Bilder zum Zustand des Hundes – davon überzeugt, dass die Amtsveterinärin von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist.
Die Antragstellerin hat gegen die genannten Vorschriften auch grob verstoßen. Ein grober Verstoß im Sinne von § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG liegt beispielsweise bei einem vorsätzli-chen Verstoß gegen eine Strafvorschrift vor. Unterhalb dieser Schwelle kommt es auf die Intensität und Dauer der Verstöße, auf die Größe der herbeigeführten Gefahren sowie auf das Ausmaß und die Dauer der verursachten Schmerzen, Leiden und Schäden sowie auf den Grad des Verschuldens an (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 45). Vorliegend ist aufgrund der geschilderten massiven tierschutzrechtlichen Verstöße, die in der unterlassenen Vorstellung der Hunde bei einem Tierarzt sowie in der unterlassenen tierärztlichen Behandlung liegen, und der damit verbundenen erheblichen Schmerzen, Leiden und Schäden von einem groben Verstoß gegen § 2 TierSchG auszugehen, insbesondere aufgrund des über knapp fünf Monate andauernden Unterlassens des Tierarztbesuches, zumal die Hauterkrankungen auch für einen Laien unschwer äußerlich erkennbar waren.
Es liegen auch Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass die Antragstellerin weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 2. Halbs. TierSchG). Da die Antragstellerin eine tierärztliche Behandlung über knapp fünf Monate unterließ, ist davon auszugehen, dass eine Verhaltensänderung der Antragstellerin jedenfalls nach aktuellem Sach- und Streitstand nicht eingetreten ist. Allein die unterlassene tierärztliche Nachkontrolle trotz deutlicher Krankheitsanzeichen zeigt, dass die Antragstellerin dem Wohlbefinden des Hundes gleichgültig gegenübersteht. Dies wird auch dadurch ersichtlich, dass die Antragstellerin nach ihren eigenen Angaben gegenüber der Antragsgegnerin ihren Hund Ende November 2019 loswerden wollte, obwohl dieser zu diesem Zeitpunkt bereits eine Hauterkrankung aufwies. Aufgrund der dadurch zum Ausdruck kommenden Einstellung und der groben Verstöße gegen das Tierschutzrecht ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin weiterhin Zuwiderhandlungen begehen wird. Eine nachhaltige Verbesserung der Hundehaltung der Antragsteller ist nicht zu erwarten. Die Prognose fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.
Anhaltspunkte für Ermessensfehler der Behörde sind nicht erkennbar. Die Antragsgegnerin hat das ihr eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt und insbesondere den verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Zweck und Mittel in ausreichendem Maß berücksichtigt. Angesichts des tierschutzwidrigen Zustands der Hundehaltung der Antragstellerin stellt das Tierhaltungsverbot im Hinblick auf den verfassungsrechtlich verankerten Tierschutz (Art. 20a GG) eine geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme dar. Die Anordnung ist geeignet, die tierschutzrechtlichen Missstände zu beheben. Auch steht kein anderes Mittel zur Verfügung, die Antragstellerin zur Einhaltung der gebotenen Haltungsanforderungen anzuhalten. Die Antragstellerin hat ihrem Hund durch die unterlassene tierärztliche Behandlung über einen nicht unerheblichen Zeitraum (knapp fünf Monate) erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt. Auch ist das Kriterium der Erforderlichkeit zu bejahen. Es drohen weitere Verstöße und andere, weniger in die Rechte der Antragstellerin einschneidende Maßnahmen zum Schutz der von der Antragstellerin gehaltenen oder betreuten Tiere erscheinen nicht effektiv genug, zumal die Antragstellerin nach ihren eigenen Angaben ihren Hund mit seinen Schmerzen und Leiden seinem Schicksal überlassen wollte. Die angeordnete Untersagung ist auch verhältnismäßig. Dieser gravierende Eingriff ist angesichts der massiven Verstöße letztlich unumgänglich, um die gesetzlich vorgegebenen Ziele des Tierschutzes durchsetzen zu können. Daher hat das Interesse der Antragstellerin, weiterhin Tiere halten zu dürfen, hinter dem Interesse des Staates am Schutz dieser Tiere zurückzutreten. Dieses Ermessen hat die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 13. Oktober 2020 ausreichend dargelegt.
Daher erweist sich das gegenüber der Antragstellerin verhängte Haltungs- und Betreuungsverbot von Tieren jeder Art als rechtmäßig.
b) Hinsichtlich der Androhung des unmittelbaren Zwangs (Ziffer 4) für die Vollstreckung des in Ziffer 1 des Bescheids ausgesprochenen Haltungs- und Betreuungsverbots war die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Die Kammer geht davon aus, dass es sich bei der Formulierung „angeordnet“ im Tenor des Bescheids (Ziffer 4) offenkundig um einen Tippfehler der Antragsgegnerin handelt. Dies ergibt sich aus dem Abgleich mit der Begründung der Ziffer 4. Das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs ist allerdings gemäß Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 BayVwZVG nur zur Vollstreckung von Verwaltungsakten zulässig, die eine Handlung, Duldung oder Unterlassung fordern. Das Haltungs- und Betreuungsverbot ist kein solcher gebietender Verwaltungsakt, sondern hat rechtsgestaltenden Charakter, so dass er der Vollstreckung nicht zugänglich ist. Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids stellt sich daher als rechtswidrig dar. Die in Ziffer 4 des Bescheids enthaltene Anordnung der Wegnahme und Veräußerung der Tiere stellt zudem eine Regelung nach § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG dar, nicht jedoch eine förmliche Androhung eines Zwangsmittels im Sinne des Art. 36 BayVwZVG (vgl. VG Augsburg B.v. 12.8.2010 – Au 2 S 10.1014, BeckRS 2010, 35280). Eine solche Anordnung kann nur dann getroffen werden, wenn es einen konkreten Anlass hierfür geben würde. Das ist – soweit ersichtlich – aber nicht der Fall.
3. Der Antrag nach § 123 VwGO auf Herausgabe des Hundes ist bereits unzulässig, da insoweit der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO gegenüber § 123 Abs. 5 VwGO Vorrang hat.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154, 155 Abs. 4 VwGO. Vorliegend ist die Erledigung durch Veräußerung des streitgegenständlichen Hundes an einen neuen Tierhalter bereits Monate vor Erlass des Bescheides eingetreten. Wann dies nochmals angeordnet wurde, ist unklar. Durch ihr insoweit widersprüchliches Verhalten und den des Weiteren verfügten Sofortvollzug hat die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich Ziffer 2 des Bescheides vom 13. Oktober 2020 provoziert. Im Rahmen des § 155 Abs. 4 VwGO kommt in Bezug auf die Verwaltungsbehörde als Ursache unter anderem vorprozessuales Fehlverhalten in Betracht (vgl. BeckOK VwGO/Hartung/Zimmermann-Kreher, 56. Ed. 1.1.2021, VwGO § 155 Rn. 10-13), weswegen insoweit der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen sind.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht für das Verfahren AN 10 S 20.02456 auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und für das Verfahren AN 10 E 20.02457 auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
5. Soweit sich die der Klage auf Ziffer 4 des Bescheids vom 13. Oktober 2020 bezieht ist der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für das Klage- und Eilverfahren zu bewilligen. Insoweit hat die Antragstellerin auch dargelegt, dass sie bedürftig ist. Insoweit wird die Prozessbevollmächtigte nach § 121 Abs. 2 ZPO beigeordnet. Im Übrigen ist der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Prozessbevollmächtigten für das Klage- und Eilverfahren abzulehnen, da hinreichende Erfolgsaussichten nicht bestehen.
Hinsichtlich Ziffern 1 bis 4 des Beschlusses gilt folgende


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