Verwaltungsrecht

Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung eines Antrags auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  15 ZB 17.30967

Datum:
6.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 18327
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 S. 4
VwGO § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 S. 4 AsylG erfordert, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (BayVGH BeckRS 2017, 107822 und BeckRS 2017, 126530). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 9 K 17.31237 2017-06-02 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Klägerin ist georgische Staatsangehörige. Sie wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 6. März 2017, mit dem (u.a.) der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie des subsidiären Schutzes abgelehnt und die Abschiebung nach Georgien angedroht wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat mit Urteil vom 2. Juni 2017 die auf Aufhebung des genannten Bescheids und auf Verpflichtung der Beklagten gerichtete Klage, der Klägerin subsidiären Schutz zuzuerkennen sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG festzustellen, abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin geltend, es liege ein Verfahrensmangel vor (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG), weil das Verwaltungsgericht gegen den Grundsatz der Amtsermittlung verstoßen und in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge abgelehnt habe. Außerdem habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 17. Juli 2017 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Klägerin bestand für das Verwaltungsgericht kein Anlass zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts. Es steht nach Aktenlage fest – und ist zwischen den Parteien auch unstreitig –, dass die mittlerweile 23-jährige und seit Geburt wegen eines Hirnschadens schwerstbehinderte und („absolut“) pflegebedürftige Klägerin gemeinsam mit ihren Eltern im September 2015 nach Deutschland ausgereist ist, weil sich die Eltern in Deutschland eine Verbesserung der Pflegesituation erhoffen. Der Vorlage weiterer „detaillierter“ fachärztlicher Stellungnahmen bedurfte es – auch aus Sicht des Verwaltungsgerichts – in diesem Zusammenhang nicht. Die Beeinträchtigungen der Klägerin stehen dabei – wie das Verwaltungsgericht in seiner angefochtenen Entscheidung ausführt – ebenso außer Zweifel wie die fachärztlich begründete Tatsache, dass die Klägerin „rehabilitationsunfähig“ ist und für sie in Deutschland – ebenso wie in Georgien – keine weiteren Therapiemöglichkeiten bestehen. Das Verwaltungsgericht geht unter Berücksichtigung der fachärztlichen Atteste zu Recht davon aus, dass der Klägerin, die zeit ihres Lebens in Georgien von ihren Eltern betreut worden ist, bei einer Rückkehr nach Georgien keine wesentliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustands droht. Die vom Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge hinsichtlich einer in Georgien – wegen der fehlenden Aufnahmemöglichkeit der Klägerin in eine „adäquate“ medizinische oder pflegerische „Einrichtung“ – angeblich drohenden menschenunwürdigen Behandlung der Klägerin „seitens des staatlichen Gesundheitssystems oder anderer vergleichbarer Stellen“ bzw. zur Notwendigkeit der Aufnahme und Behandlung der Klägerin in einer „professionellen medizinischen und/oder Pflegeeinrichtung“ hat das Verwaltungsgericht nach alledem zu Recht als „unsubstantiiert“ abgelehnt. Eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegt in der Ablehnung der Beweisanträge nicht.
2. Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG), hat er diesen weiteren Zulassungsgrund nicht in einer Weise dargelegt, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
a) Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2017 – 15 ZB 17.30355 – juris Rn. 4; B.v. 14.9.2017 – 11 ZB 17.31124 – juris Rn. 2).
b) Der Bevollmächtigte der Klägerin hat folgende nachstehende Frage formuliert:
„Ist bei der Bewertung des Vorliegens eines nationalen oder unionsrechtlichen Abschiebungsverbotes im Falle eines schwerbehinderten Menschen eine (nachgewiesene) schwerwiegende Verletzung von wesentlichen Vorschriften der UN-Menschenrechtskonvention [bzw. UNBehindertenrechtskonvention] zu berücksichtigen oder reicht es für die Verneinung eines solchen Abschiebeverbotes aus, dass wie bei nicht besonders schutzbedürftigen Asylbewerbern die rein physische Existenz im Abschiebeland zumindest knapp ausreichend gesichert ist? Ist es bildlich gesprochen für die Verneinung eines solchen Abschiebeverbotes ausreichend, wenn der Betroffene im Abschiebeland letztlich nur vor sich hinvegetiert, wenn nur zumindest sein physisches Überleben gesichert ist?“
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat – bei unterstellter Verletzung von in Georgien geltenden UN-Konventionen – bereits nicht dargelegt, weshalb seine allgemein formulierte Frage im vorliegenden Fall entscheidungserheblich und klärungsbedürftig sein soll, wenn – wie das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der fachärztlichen Atteste ausführt – für die Klägerin weder eine Therapiemöglichkeit besteht noch mit einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands bei einer Rückkehr in das Heimatland zu rechnen ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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