Verwaltungsrecht

Darlegung von Verfahrensmängeln

Aktenzeichen  20 ZB 18.2525

Datum:
12.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1674
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1, § 116 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 5

 

Leitsatz

1 Die Darlegung eines Verfahrensmangels verlangt, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht konkret bezeichnet wird und dass dargelegt wird, inwiefern die Entscheidung hierauf beruhen kann. Bei einer Aufklärungsrüge wird daneben die Darlegung verlangt, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären und weshalb sich die unterbliebene Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine separate Ladung zum Verkündungstermin ist in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht generell vorgesehen, ein separater Verkündungstermin wird von § 116 Abs. 1 S. 2 VwGO vielmehr als Ausnahme gesehen, die im Ermessen des Gerichts liegt. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Erledigungserklärung für den Fall, dass das Gericht die Klage als unbegründet ansieht, ist unwirksam. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 11 K 17.1664 2018-10-17 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 1.427,57 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da der geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO teilweise bereits nicht in einer § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt wurde und im Übrigen nicht vorliegt.
Soweit die Begründung des Zulassungsantrags einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend macht, da das Verwaltungsgericht keinen Beweis zu der klägerseits behaupteten Tatsache erhoben habe, dass der umlagefähige Aufwand im Zeitpunkt der Gemeinderatssitzung am 15. November 2018 bereits festgestanden habe, sind bereits die Anforderungen an die Darlegung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht erfüllt. Denn die Darlegung eines Verfahrensmangels verlangt einerseits, dass der Verfahrensmangel in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht konkret bezeichnet wird. Daneben ist darzulegen, inwiefern die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf den Verfahrensmangel beruhen kann (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 74). Bei einer Aufklärungsrüge wird daneben insbesondere die Darlegung verlangt, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, weshalb sich die unterbliebene Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen oder womit insbesondere in der mündlichen Verhandlung auf die Aufklärungsmaßnahme hingewirkt worden ist (Happ a.a.O., Rn. 75). Die Aufklärungsrüge ist kein Mittel, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten, vor allem das Unterlassen des Stellens von Beweisanträgen in der mündlichen Verhandlung, zu kompensieren. Bloße Ankündigungen von Beweisanträgen in vorbereitenden Schriftsätzen ersetzen weder förmliche Beweisanträge noch lösen sie für sich genommen eine Ermittlungspflicht aus (Happ a.a.O., Rn. 75).
Legt man diese Anforderungen an die Begründung des Zulassungsantrags, so ist einerseits festzustellen, dass dieser keine Ausführungen dazu enthält, warum in der mündlichen Verhandlung, deren Durchführung von Seiten des Klägers eigens beantragt wurde, kein Beweisantrag nach § 86 Abs. 2 VwGO gestellt wurde. Daneben fehlt auch eine Begründung, warum sich dem Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall eine Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 49). Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil ausführlich begründet, warum den angekündigten Beweisanträgen im Rahmen der Amtsermittlung nicht nachzugehen war. Daneben wurde in dem Gerichtsbescheid, auf den das Urteil zur Begründung ergänzend verwies, auf Seite 9/10 ausgeführt, warum sich aus dem klägerseits angeführten Artikel in der Mittelbayerischen Zeitung vom 30. September 2017 nicht ergebe, dass der umlagefähige Aufwand zum Zeitpunkt des Satzungserlasses bereits festgestanden habe. Hiermit setzt sich die Begründung des Zulassungsantrags nicht auseinander. Stattdessen enthält sie allein die Behauptung, dass das Gericht im Rahmen der Amtsermittlungspflicht verpflichtet gewesen wäre, insoweit Beweis zu erheben. Dies genügt den Darlegungsanforderungen jedoch nicht.
Ungeachtet der Darlegungsanforderungen hat das Verwaltungsgericht, indem es das Urteil ohne Bestimmung eines Verkündungstermins direkt im Anschluss an die mündliche Verhandlung verkündet hat, nicht gegen verfahrensrechtliche Bestimmungen i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO verstoßen. Denn nach § 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfolgt die Verkündung des Urteils in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird. Vorliegend hat die Einzelrichterin die mündliche Verhandlung im Anschluss an diese geschlossen und sich zur Beratung zurückgezogen. Im Anschluss daran hat sie ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung das Urteil verkündet. Eine separate Ladung zum Verkündungstermin ist in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht generell vorgesehen, ein separater Verkündungstermin wird von § 116 Abs. 1 Satz 2 VwGO vielmehr als Ausnahme gesehen, die im Ermessen des Gerichts liegt (Kilian/Hissnauer in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 116 Rn. 14). Die Verwaltungsgerichtsordnung trifft daher für die Verkündung von Urteilen eine gegenüber der Zivilprozessordnung eigenständige Regelung, sodass die Argumentation des Klägers in der Begründung des Zulassungsantrags mit der Zivilprozessordnung an der Sache vorbeigeht. Diese ist nämlich hier insoweit nach § 173 VwGO nicht entsprechend anwendbar. Eine Reduzierung des Ermessens nach § 116 Abs. 1 Satz 2 VwGO auf Null lag nicht vor.
Die daneben ergänzend zur Begründung eines Verfahrensfehlers im Zulassungsantrag enthaltene Vermutung, dass angesichts der Kürze der mündlichen Verhandlung noch kein niedergelegter Tenor habe vorgelegen, entbehrt angesichts des Inhalts der Niederschrift jeglichem nachvollziehbaren Grund und bedarf keiner genaueren Erörterung. Da das Urteil bereits verkündet war, bestand auch keine Möglichkeit, wie mit dem klägerischen Schriftsatz vom 15. November 2018 (statt wie im Begründungsschriftsatz ausgeführt vom 15.10.2018) beantragt, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Aus diesem Grunde kann auch keine Rede davon sein, dass nur ein „Scheinurteil“ vorliege.
Entgegen der Antragsbegründung lag eine wirksame (einseitige) Erledigungserklärung weder im Schriftsatz vom 1. Januar 2018 noch in der Wiederholung dieses Vortrags im Schriftsatz vom 23. September 2018. Eine Erledigungserklärung ist eine prozessuale Bewirkungshandlung und als solche grundsätzlich bedingungsfeindlich (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 35. Ergänzungslieferung September 2018, § 161 Rn. 14 m.w.N.). Als Ausnahme von diesem Grundsatz wird verbreitet eine innerprozessuale Bedingung wie die Wirksamkeit eines geschlossenen Prozessvergleichs (BVerwG, B.v. 29.12.1992 – 4 B 223/92 – NJW 1993, 1940) als zulässig angesehen. Diese innerprozessuale Bedingung darf aber jedenfalls nicht die Entscheidung des Gerichts über den Hauptantrag sein (vgl. nur Schulz in Münchner Kommentar, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 91a Rn. 32). Genau dies hat der Kläger aber getan, indem er die Klage für den Fall, dass das Gericht sie als unbegründet ansieht, für erledigt erklärt hat. Das Verwaltungsgericht hat daher zutreffend die von dem Kläger ausgesprochene Erledigungserklärung als unwirksam angesehen. Eine Klageänderung ist daher durch diese nicht erfolgt, sodass es bei der zunächst erhobenen Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Bescheid blieb. Über einen Feststellungsantrag war daher durch das Verwaltungsgericht nicht zu entscheiden, ebensowenig war das Urteil um eine solche Feststellung zu ergänzen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 GKG, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.


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