Verwaltungsrecht

Darlegungsanforderungen im Berufungszulassungsverfahren

Aktenzeichen  23 ZB 21.510

Datum:
4.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24974
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2, § 173
BayVwVfG Art. 41 Abs. 2
ZPO § 85 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Begründung zu einem Antrag auf Zulassung der Berufung erfüllt nicht die Darlegungsanforderungen, wenn es sich nicht mit den verschiedenen Begründungssträngen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt und so bereits von vornherein keine Zweifel an deren Ergebnisrichtigkeit darzulegen vermag. (Rn. 7 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es muss sichergestellt sein, dass der Fristenlauf nicht anhand des Eingangsstempels, sondern aufgrund des Zustellervermerks auf dem Umschlag des zugestellten Schriftstücks berechnet und notiert wird. (Rn. 11 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf der aufgeworfenen Frage wird nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 5 S. 2 VwGO entsprechend aufgezeigt, wenn sich das Zulassungsvorbringen nicht mit der vom Verwaltungsgericht zur Begründung seiner hierzu vertretenen Rechtsansicht angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandersetzt und somit nicht darzulegen vermag, dass hinsichtlich dieser Fragen eine Rechtsunsicherheit aufgrund divergierender Entscheidungen besteht, welche im Interesse der Rechtseinheit klärungsbedürftig ist. (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 4 K 20.589 2021-01-13 GeB VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf Euro 5.000,– festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
I. Die innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO sind nicht dargelegt bzw. liegen nicht vor.
1. Das Zulassungsvorbringen legt keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Urteils dar.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 ? BVerfGE 151, 173 = juris Rn. 32 m.w.N.). Um ernstliche Zweifel entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, muss sich die die Zulassung beantragende Partei substantiiert mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzen (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2011 – 8 ZB 10.129 – juris Rn. 7 m.w.N.). Eine bloße Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens genügt diesen Anforderungen nicht (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2020 – 24 ZB 19.2439 – juris Rn. 8; B.v. 12.8.2019 – 6 ZB 19.778 – juris Rn. 5 m.w.N.; B.v. 22.12.2017 – 22 CS 17. 2261 – juris Rn. 27 ff. m.w.N.; B.v. 21.7.2016 – 12 ZB 16.1206 – juris Rn. 6; B.v. 21.10.2014 – 21 ZB 14.876 – juris Rn. 8; B.v. 19.4.2011 – 8 ZB 10.129 – juris Rn. 18 m.w.N.). Denn Ausführungen, die noch in Unkenntnis des Inhalts der angefochtenen Entscheidung getätigt wurden, können nicht die erforderliche Auseinandersetzung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts beinhalten (vgl. BayVGH, B.v. 20.04.2012 – 11 ZB 11.1491 – juris Rn. 2; B.v. 9.1.2013 – 21 ZB 12.2586 – juris Rn. 4).
Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf mehrere Begründungen gestützt, muss im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt und gegeben sein (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2018 – 6 ZB 17.956 – juris Rn. 3 m.w.N.). Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (vgl. BVerwG, B.v. 21.8.2018 – 4 BN 44.17 – juris Rn. 3; B.v. 9.9.2009 – 4 BN 4.09 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 4.6.2020 – 6 ZB 20.647 – juris Rn. 3).
Das Verwaltungsgericht, auf dessen Sachverhaltsdarstellung im Tatbestand des Urteils Bezug genommen wird, hat die Klage mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2020, mit welchem gegenüber dem Kläger unter Androhung eines Zwangsgeldes verschiedene tierschutzrechtliche Anordnungen betreffend dessen Hundehaltung getroffen worden waren, aufzuheben, wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgelehnt. Dem Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht stattzugeben, da der Kläger nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Klagefrist gehindert gewesen sei. Der durch die Kanzlei des vormaligen Bevollmächtigten des Klägers auf dem Bescheid angebrachte (fehlerhafte) Eingangsstempel vermöge nur den Zeitpunkt des tatsächlichen Eingangs der Post in den Büroräumen zu belegen, gebe nach der Rechtsprechung des BGH und des BFH aber keinen sicheren Nachweis über den Zeitpunkt des Zugangs bzw. der Zustellung. Daher hätte sich der nunmehrige Bevollmächtigte des Klägers in geeigneter Weise eigenverantwortlich über das Zugangs- bzw. Zustelldatum vergewissern müssen. Eine entsprechende Vergewisserung hätte – da eine spätere Nachfrage bei der Kanzlei der vormaligen Bevollmächtigten im Gerichtsverfahren ergeben habe, dass der Ablauf der Klagefrist im dortigen Fristenkalender korrekt notiert worden sei – Aufschluss über den tatsächlichen Fristablauf gegeben, so dass das Verschulden des jetzigen Klägerbevollmächtigten ursächlich für die Versäumung der Klagefrist gewesen sei. Dieses Verschulden sei dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO zuzurechnen. Eine Wiedereinsetzung gemäß § 60 VwGO scheide aber auch deshalb aus, weil die früheren Bevollmächtigten den Kläger nach erfolgter Zustellung des angegriffenen Bescheids über den Fristablauf hätten informieren müssen. Nach dem Vortrag des Klägers sei eine entsprechende Information nicht erfolgt. Der auf dem Bescheid angebrachte Eingangsstempel habe, da er einen sicheren Nachweis über den Zeitpunkt des Zugangs bzw. der Zustellung gerade nicht gebe, eine entsprechende Information nicht ersetzen können. Weshalb eine entsprechende Mitteilung unterblieben sei, sei seitens des Klägers trotz ausdrücklicher Rüge durch die Beklagte weder vorgetragen noch i.S.v. § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO glaubhaft gemacht worden. Das Verschulden seiner damaligen Verfahrensbevollmächtigten sei dem Kläger zuzurechnen, § 85 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO. Eine entsprechende Mitteilung hätte Aufschluss über den Ablauf der Klagefrist gegeben, so dass das Verschulden ursächlich für die Versäumung der Klagefrist gewesen sei. Ein Mitverschulden der Beklagten an dem Fristversäumnis liege nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der (Ergebnis) richtigkeit dieser Erwägungen sind nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechend dargelegt. Zur Begründung seines Zulassungsantrags macht der Kläger geltend, er habe den mit einem fehlerhaften Eingangsstempel versehenen, ursprünglich den früheren Bevollmächtigten des Klägers zugestellten Bescheid erhalten, ohne dass hieraus oder aus den Akten jeglicher Hinweis hervorgegangen wäre, dass dieser mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden war. Die Beklagte habe es unterlassen, die Art der Zustellung auf dem Bescheid zu vermerken. Der Klägerbevollmächtigte habe daher keinerlei Kenntnis von der Art der Zustellung des Bescheides gehabt und von einer Bekanntgabe nach Art. 41 Abs. 2 BayVwVfG ausgehen dürfen. Die Situation habe sich ihm vor diesem Hintergrund so dargestellt, dass nach Satz 3 dieser Vorschrift der gemäß Eingangsstempel ausgewiesene tatsächliche Zugang ausschlaggebend sei. Anlass zu einer zusätzlichen Erkundigung bei den früheren Klägerbevollmächtigten habe er daher nicht gehabt. Außerdem hätten die dem Bevollmächtigten des Klägers zur Verfügung stehenden Informationsquellen sowohl aus seiner ex-ante-Sicht als auch in tatsächlicher Weise jeweils kein anderes Zugangsdatum und damit verbunden keine andere Klagefristberechnung ergeben. Insbesondere habe dem Klägerbevollmächtigten als Information der früher bevollmächtigten Kanzlei ja bereits der Eingangsstempel auf dem Bescheid vorgelegen, so dass es fernliegend gewesen sei, dass die Auskunft bei einer entsprechenden Erkundigung eine davon abweichende gewesen wäre. Der (jetzige) Prozessbevollmächtigte habe selbst eine Klagefristberechnung vorgenommen, welche unter Zugrundelegung des ihm vorliegenden Akteninhalts korrekt gewesen wäre. Überdies habe der Klägerbevollmächtigte in seinem Akteneinsichtsersuchen vom 2. April 2020 gegenüber der Beklagten ausdrücklich auf die “am 9. April 2020 endende Klagefrist” hingewiesen. Hierauf hätte die Beklagte entweder mit dem Hinweis reagieren müssen, dass die Frist bereits am 6. April 2020 ende, oder aber zumindest rechtzeitig Akteneinsicht gewähren müssen. Diese sei jedoch erst mit Schreiben vom 7. April 2020 durch Übersendung der Originalakten und damit nach Ablauf der tatsächlichen Klagefrist gewährt worden. Auch die übersandte, paginierte Akte habe die Postzustellungsurkunde nicht enthalten, so dass für den Klägerbevollmächtigten selbst im Rahmen der Akteneinsicht noch immer keine Möglichkeit bestanden habe, den falschen Eingangsstempel als solchen zu erkennen und Zweifel am Datum der Bekanntgabe zu wecken. Selbst wenn der Klägerbevollmächtigte also alle ihm zur Verfügung stehenden Informationsquellen bis zum äußersten angestrengt hätte, wäre der Fehler, wenn überhaupt, nur zufällig offensichtlich geworden.
1.1. Dieses Zulassungsvorbringen verfehlt bereits deshalb die Darlegungsanforderungen, weil es sich nicht mit den verschiedenen Begründungssträngen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt und so bereits von vornherein keine Zweifel an deren Ergebnisrichtigkeit darzulegen vermag. Die Klagepartei thematisiert in ihrer Zulassungsbegründung ausschließlich ein fehlendes Verschulden der jetzigen Klägerbevollmächtigten; die pauschale Bezugnahme auf erstinstanzliche Schriftsätze (S. 2 der Zulassungsbegründung) genügt – wie ausgeführt – dem Darlegungserfordernis von vornherein nicht. Das Verwaltungsgericht hat seine, die Unzulässigkeit der Klage bedingende Annahme, dass eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist ausscheide, aber darüber hinaus selbständig tragend mit der Erwägung begründet, dass auch die früheren Bevollmächtigten des Klägers ein für die Fristversäumnis ursächliches Verschulden treffe, welches dem Kläger zuzurechnen sei. Denn unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BGH hätten diese den Kläger nach erfolgter Zustellung des angegriffenen Bescheids über den Fristablauf informieren müssen. Weshalb dies nicht erfolgt sei, sei weder dargelegt noch glaubhaft gemacht worden (Abdruck des Gerichtsbescheids, S. 8). Die Frage, ob der jetzige Klägerbevollmächtigte es schuldhaft unterlassen hat, bei den vormaligen Klägerbevollmächtigten Erkundigungen über das Fristende einzuholen und ob ein etwaiges diesbezügliches Verschulden ursächlich für das Fristversäumnis war, war mithin für das Erstgericht letztlich nicht entscheidungserheblich.
Soweit man das klägerische Vorbringen, der (jetzige) Klägerbevollmächtigte habe in seinem Akteneinsichtsersuchen vom 2. April 2020 gegenüber der Beklagten ausdrücklich auf die “am 9. April 2020 endende Klagefrist” hingewiesen, woraufhin die Beklagte ihn entweder auf das Fristende bereits am 6. April 2020 hätte hinweisen oder ihm zumindest rechtzeitig Akteneinsicht hätte gewähren müssen, als Geltendmachung eines zur Wiedereinsetzung führenden Mitverschuldens der Beklagten verstehen wollte, erfolgen diese klägerischen Ausführungen losgelöst von den diesbezüglich angestellten rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts (vgl. Abdruck des Gerichtsbescheids, S. 8 f) und damit nicht in Auseinandersetzung hiermit, was dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ebenfalls nicht genügt. Das Verwaltungsgericht hat hierzu – im Übrigen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise – ausgeführt, dass der Beklagten unabhängig von der Frage, ob das Mitverschulden amtlicher Stellen überhaupt eine Wiedereinsetzung begründen kann oder ob es für eine Versagung der Wiedereinsetzung bereits ausreicht, dass ein Verschulden des Antragstellers zumindest mitursächlich für die Fristversäumung war, keine Verletzung einer Fürsorgepflicht vorzuwerfen ist. Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass der anwaltlich vertretene Kläger die Klagefrist eigenverantwortlich und korrekt berechnen werde. Dafür, dass die Beklagte die fehlerhafte Fristberechnung im Akteneinsichtsgesuch vom 2. April 2020 erkannt hat, ist nichts ersichtlich, so dass ihr ein Arglistvorwurf nicht gemacht werden kann (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 25.11.1977 – V C 12.77 – juris Rn. 14). Die Beklagte hat das Akteneinsichtsgesuch auch im ordentlichen Geschäftsgang mit Schreiben vom 7. April 2020 erledigt. Akteneinsicht ist im Übrigen nicht Voraussetzung für eine Klageerhebung zur Fristwahrung, da die Klagebegründung nachgereicht bzw. ergänzt werden kann. Darauf, dass sich die Postzustellungsurkunde dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten zufolge nicht in der ihm übersandten Behördenakte befand, so dass er aufgrund der Akteneinsicht den Fristablauf nicht erkennen konnte, kommt es daher nicht mehr an, weil die Klagefrist zum Zeitpunkt der Akteneinsicht bereits abgelaufen war und dieser Umstand mithin nicht mitursächlich für das Fristversäumnis war.
Nach alledem kann dahinstehen, ob die Behauptung des Klägers, seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten treffe kein für das Fristversäumnis ursächliches Verschulden, zutrifft, denn jedenfalls im Hinblick auf den zweiten Begründungsstrang der erstinstanzlichen Entscheidung (ursächliches, dem Kläger zuzurechnendes Verschulden seiner früheren Bevollmächtigten und kein Mitverschulden der Beklagten) zeigt die Klägerseite keinen Zulassungsgrund auf (s.o.), so dass sich am Ergebnis des angefochtenen Gerichtsbescheids (Klageabweisung als unzulässig) jedenfalls nichts ändert, selbst wenn das Vorbringen der Klägerseite sich abweichend von der angefochtenen Entscheidung als zutreffend erweisen sollte.
1.2. Ohne das es darauf noch entscheidungserheblich ankommt, setzt die Klagepartei mit ihren Ausführungen zu einem fehlenden ursächlichen Verschulden des nunmehrigen Klägerbevollmächtigten lediglich ihre eigene Tatsachenwürdigung und Rechtsansicht anstelle der des Verwaltungsgerichts, ohne sich inhaltlich-argumentativ mit den diesbezüglichen Erwägungen des Erstgerichts auseinanderzusetzen, so dass das Zulassungsvorbringen auch insoweit dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO nicht gerecht wird (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2011 – 8 ZB 10.129 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Soweit die Klagepartei ausführt, der bevollmächtigte Rechtsanwalt habe vorliegend von einer Bekanntgabe nach Art. 41 Abs. 2 BayVwVfG ausgehen und nach Satz 3 der Vorschrift von der Maßgeblichkeit des Datums des von der zuvor bevollmächtigten Kanzlei auf dem Bescheid angebrachten Eingangsstempels vertrauen dürfen, weil aus dem Bescheid nicht ersichtlich gewesen sei, dass dieser mittels Postzustellungsurkunde zugestellt worden sei, verkennt er, dass der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Rechtsprechung des BFH eine Fallgestaltung der Zustellung nach § 122 Abs. 2 AO, welcher dem Art. 41 Abs. 2 BayVwVfG inhaltlich insoweit entspricht, zugrunde lag. Auch in Anwendung der in dieser Vorschrift statuierten Drei-Tages-Fiktion hat der BFH in der vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidung (B.v. 25.2.2010 – IX B 149/09 – juris Rn. 4) angenommen, dass zur Begründung von Zweifeln am Zugang innerhalb der Drei-Tages-Frist ein abweichender Eingangsstempel allein nicht ausreicht. Auch nach der Rechtsprechung des BGH (B.v. 22.6.2010 – VIII ZB 12/10 – juris Rn. 10) muss sichergestellt sein, dass der Fristenlauf nicht anhand des Eingangsstempels, sondern aufgrund des Zustellervermerks auf dem Umschlag des zugestellten Schriftstücks berechnet und notiert wird. Die Sorgfaltspflicht bei Erteilung eines Rechtsmittelauftrages trifft nicht nur den vormaligen Bevollmächtigten, sondern in gleicher Weise den mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragten Anwalt, welcher sich auf eine bloße Eingangsmitteilung durch den vormals Bevollmächtigten nicht verlassen darf (vgl. BGH, B.v. 13.2.2001 – VI ZB 34/00 – juris Rn. 7). Eine Darlegung, dass oder weshalb diese vom Verwaltungsgericht angeführte höchstgerichtliche Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar oder ihr generell nicht zu folgen sei, fehlt in der Zulassungsschrift gänzlich.
Soweit der Kläger schließlich ausführt, eine Erkundigung seines jetzigen Bevollmächtigten über das Zustellungsdatum bei der vormals bevollmächtigten Kanzlei hätte sowohl aus seiner ex-ante-Sicht als auch in tatsächlicher Weise kein anderes Zustellungsdatum und damit verbunden keine andere Klagefristberechnung ergeben, blendet er aus, dass seitens der vormals bevollmächtigten Kanzlei die Klagefrist tatsächlich korrekt im Fristenkalender notiert worden war, was ihm die Kanzlei bei einer späteren Nachfrage während des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens mitgeteilt hatte.
2. Im Übrigen lässt die Zulassungsbegründung weder besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hervortreten.
Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer erstens eine konkrete und gleichzeitig verallgemeinerungsfähige Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, zweitens ausführt, aus welchen Gründen diese klärungsfähig ist, also für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich war, und drittens erläutert, aus welchen Gründen sie klärungsbedürftig ist, mithin aus welchen Gründen die ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Rechtsfragen, die höchstrichterlich hinreichend geklärt sind, sind nicht als klärungsbedürftig anzusehen (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 ? BVerfGE 151, 173 = juris Rn. 33 f.; vgl. auch Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36 ff. m.w.N.).
Eine Rechtssache weist besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, wenn das Zulassungsvorbringen gegen das erstinstanzliche Urteil Fragen von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass sie sich wegen der Komplexität nicht im Berufungszulassungsverfahren klären lassen. Keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten weist eine Rechtssache auf, wenn die rechtlichen Fragen sich ohne Weiteres aus den Normen ergeben oder in der Rechtsprechung geklärt sind und wenn kein besonders unübersichtlicher oder schwer zu ermittelnder Sachverhalt vorliegt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 28 u. 33 m.w.N.). Auch hier muss sich die die Zulassung beantragende Partei substantiiert mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzen. Insbesondere soweit die Schwierigkeiten darin gesehen werden, dass das Verwaltungsgericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, sind diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darzustellen und ihr Schwierigkeitsgrad plausibel zu machen (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – juris Rn. 17).
Gemessen hieran ist kein Zulassungsgrund dargelegt.
2.1. Soweit die Klägerseite die Frage,
“wie weit bei der Übernahme eines Mandats die Pflichten des Rechtsanwalts zur Einhaltung der Klagefrist reichen und ob ein Rechtsanwalt bei der Übernahme eines Mandats von einer anderen Anwaltskanzlei von der Richtigkeit des Eingangsstempels auf einem Bescheid ausgehen darf, sofern sich an dieser keine Zweifel aus der Aktenlage ergeben”,
grundsätzlich geklärt wissen möchte, fehlt es bereits an der Klärungsfähigkeit, weil diese Frage – wie ausgeführt – aufgrund der Mehrfachbegründung der Entscheidung für das Verwaltungsgericht schon nicht entscheidungserheblich war. Unabhängig hiervon wird ein grundsätzlicher Klärungsbedarf der aufgeworfenen Frage nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechend aufgezeigt, weil sich das Zulassungsvorbringen nicht mit der vom Verwaltungsgericht zur Begründung seiner hierzu vertretenen Rechtsansicht angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandersetzt (s.o.) und somit nicht darzulegen vermag, dass hinsichtlich dieser Fragen eine Rechtsunsicherheit aufgrund divergierender Entscheidungen besteht, welche im Interesse der Rechtseinheit klärungsbedürftig ist.
2.2. Aus denselben Gründen scheidet auch eine Zulassung der Berufung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten aus.
II. Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Sie entspricht der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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