Verwaltungsrecht

Dokumentationspflichten eines Berufungsausschusses

Aktenzeichen  7 CE 16.1989

Datum:
1.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHSchG BayHSchG Art. 30 Abs. 2 Nr. 6

 

Leitsatz

1. Der Bewerberverfahrensanspruch verlangt, dass die Auswahlentscheidung nach dem Prinzip der Bestenauslese erfolgt. Dabei ist es geboten, die wesentlichen Gründe, die zu der Auswahlentscheidung geführt haben, schriftlich nachvollziehbar zu dokumentieren (ebenso BVerfG BeckRS 2007, 25022). Diese Pflicht trifft auch einen Berufungsausschuss, der über die Besetzung einer Professur entscheidet. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entscheidung eines Berufungsausschusses ist nur dann nachvollziehbar, wenn im Auswahlverfahren ein unmittelbarer Bewerbervergleich anhand des erstellten Anforderungsprofils vorgenommen worden ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 3 E 15.2127 2016-08-24 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beigeladene wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 24. August 2016, mit dem es dem Antragsgegner untersagt hat, die an der Fakultät für Studium Generale und Interdisziplinäre Studien der Hochschule für angewandte Wissenschaften M.(im Folgenden: Hochschule) ausgeschriebene W 2-Professur für Psychologie zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist. Um diese Professur hatten sich u.a. die am … 1980 geborene, promovierte Beigeladene und der am … 1966 geborene, ebenfalls promovierte und seit dem Ende der 1990er Jahre als Professor an einer Fachhochschule tätige Antragsteller beworben.
Nach Durchführung von Probelehrveranstaltungen, an denen u.a. die Beigeladene und der Antragsteller teilgenommen hatten, setzte die zuständige Studiendekanin in ihrer Stellungnahme den Antragsteller aus pädagogischer Sicht mit dem Prädikat „hervorragend“ auf Platz 1 und die Beigeladene mit dem Prädikat „sehr gut“ auf Platz 2 vor einer weiteren Bewerberin. Der Berufungsausschuss dagegen beschloss, die Beigeladene, die zwei externe Gutachter ebenso wie den Antragsteller mit zweimal „sehr gut“ und einmal „hervorragend“ hinsichtlich fachlicher, persönlicher und pädagogischer Eignung beurteilt hatten, auf Platz 1 vor dem Antragsteller einzureihen.
Der Antragsteller hat insoweit Widerspruch eingelegt, den die Hochschule mittlerweile zurückgewiesen hat. Dem Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Der Antragsteller habe nicht nur einen Anordnungsgrund, sondern auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Berufungsausschuss habe von dem ihm eröffneten Beurteilungsspielraum in fehlerhafter Weise Gebrauch gemacht; es liege ein den Antragsteller in mehrfacher Hinsicht benachteiligendes Abwägungsdefizit vor. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers sei verletzt.
Mit ihrer Beschwerde verteidigt die Beigeladene die Entscheidung des Berufungsausschusses. Insbesondere seien entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts die erstellten Gutachten vollständig, die Zusatzqualifikationen des Antragstellers angemessen berücksichtigt und Anzahl und Inhalt ihrer eigenen Veröffentlichungen zutreffend gewürdigt worden.
Die Beigeladene hat beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts den Auftrag (gemeint: Antrag) auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 28. Mai 2015 abzulehnen.
Der Antragsteller verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und hat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Akten der Hochschule verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen ist die angefochtene Entscheidung nicht abzuändern oder aufzuheben (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Das Verwaltungsgericht geht im Ergebnis zutreffend davon aus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Insoweit nimmt der Verwaltungsgerichtshof zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses unter II., S. 18 bis 21 oben des amtlichen Beschlussumdrucks.
Ergänzend und klarstellend bleibt folgendes anzumerken:
Ob die getroffene Auswahlentscheidung dem Bewerberverfahrensanspruch des Antragstellers und damit den Anforderungen an eine Auswahlentscheidung nach dem Prinzip der Bestenauslese, also nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung genügt (vgl. dazu: BayVGH, B.v. 21.1.2005 – 3 CE 04.289 – juris), lässt sich den vorgelegten Behördenakten nicht entnehmen. Es ist zwar nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07; BayVGH, B.v. 5.1.2012 – 7 CE 11.1432 – jeweils juris) geboten, die wesentlichen Gründe, die zu der getroffenen Auswahlentscheidung geführt haben, schriftlich zu fixieren. Denn eine derartige Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen dient nicht nur dazu, das Auswahlverfahren für die Bewerber bzw. Bewerberinnen transparent zu machen, sondern auch der Selbstkontrolle derjenigen, die die Entscheidung zu treffen haben und eröffnet dem Gericht erst die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung in der aus rechtsstaatlicher Sicht gebotenen Form eigenständig nachzuvollziehen.
Welche Erwägungen den Berufungsausschuss hier dazu bewogen haben, die Antragstellerin hinsichtlich ihrer fachlichen, pädagogischen und persönlichen Eignung zweimal mit dem Prädikat „hervorragend“ und einmal mit „sehr gut“ zu bewerten, den Antragsteller dagegen nur mit einmal „hervorragend“ und zweimal „sehr gut“ und sie vor dem Antragsteller an die Spitze seiner Vorschlagsliste zu setzen, ist aus den Akten aber nicht ansatzweise ersichtlich.
Aus den Akten geht vielmehr bereits aufgrund eines überschlägigen Vergleichs der eingereichten Bewerbungsunterlagen hervor, dass der – im Vergleich mit der Beigeladenen deutlich ältere – Antragsteller im Gegensatz zu dieser bereits seit Ende der 1990er Jahre eine Professur an einer Fachhochschule innehat, ein wirtschaftswissenschaftliches Zweitstudium abgeschlossen hat und u.a. aufgrund dessen wohl über ein höheres Maß an Erfahrung verfügt als diese. Auch seine Veröffentlichungsliste ist erheblich länger als die der Beigeladenen.
Weshalb diese Umstände angesichts der Stellenausschreibung, mit der „eine wissenschaftlich ausgewiesene Persönlichkeit gesucht wird, die umfassende praktische Erfahrungen in verantwortlicher Position außerhalb einer Hochschule erworben hat und diese nun in Lehre und angewandter Forschung an die Studierenden weitergeben möchte“ und die außerdem u.a. Wirtschaftspsychologie zu den Aufgaben der zu besetzenden Professur zählt, ohne Einfluss bleiben und die Beigeladene gleichwohl als vorzugswürdig erscheinen lassen, hätte – zumindest – einer nachvollziehbaren Erörterung bedurft.
Dies gilt umso mehr, als sich bei den Akten überdies die gemäß Art. 30 Abs. 2 Nr. 6 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) abgegebene Stellungnahme der Studiendekanin befindet, in der diese den Antragsteller hinsichtlich seiner pädagogischen Eignung als der Beigeladenen „klar“ und „mit Abstand“ überlegen einschätzt. Ausschlaggebend dafür seien neben den oben genannten Umständen u.a. auch seine Führungserfahrung als – derzeit – stellvertretender Abteilungsleiter sowie sein im Rahmen der Probevorlesungen gezeigter Souveränitätsvorsprung gegenüber der Beigeladenen. Und schließlich kommen auch die beiden externen Gutachter (allerdings ohne sich mit den dokumentierten Qualifikationen vor allem des Antragstellers sichtbar auseinander zu setzen) – nur – zu dem Schluss, Beigeladene und Antragsteller seien hinsichtlich ihrer fachlichen, pädagogischen und persönlichen Eignung gleichermaßen jeweils zweimal mit „sehr gut“ und einmal „hervorragend“ zu bewerten.
Woraus sich vor diesem Hintergrund der von dem Berufungsausschuss gleichwohl erkannte und mit zweimal „hervorragend“ und einmal „sehr gut“ beurteilte Eignungsvorsprung der Beigeladenen ergeben soll, erschließt sich nicht. Die Entscheidung des Berufungsausschusses ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil im gesamten Auswahlverfahren kein unmittelbarer Bewerbervergleich anhand des erstellten Anforderungsprofils vorgenommen worden ist.
Aufgrund des insoweit fehlerhaften Auswahlverfahrens hat das Verwaltungsgericht dem Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht stattgegeben; die Beschwerde der Beigeladenen ist unbegründet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.


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