Verwaltungsrecht

Drittanfechtung einer wasserrechtlichen Erlaubnis

Aktenzeichen  8 ZB 20.1891

Datum:
16.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6120
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1
UmwRG § 4, § 6

 

Leitsatz

1. Die Möglichkeit steigender Trinkwasserpreise begründet für einen Dritten keine Klagebefugnis gegen eine wasserrechtliche Erlaubnis, welche der öffentlichen Trinkwasserversorgung dient, da höhere Trinkwasserpreise keine Folge der erteilten Erlaubnis, sondern Folge einer auf einer entsprechenden Satzung beruhenden Gebührenkalkulation wären. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Präklusion nach § 6 UmwRG führt nicht zur Unzulässigkeit einer Klage. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 18.2281 2020-06-30 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte gehobene wasserrechtliche Erlaubnis. Er ist ehemaliger Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung B. und Einwohner des Marktes B.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2018 erteilte das Landratsamt dem Beigeladenen die stets widerrufliche gehobene Erlaubnis für das Zutagefördern von Grundwasser aus dem Brunnen 4 (FlNr. … Gemarkung W.), dem Brunnen 5 (FlNr. … Gemarkung B.) und dem Brunnen 6 (FlNr. … Gemarkung B.). Die erlaubte Gewässerbenutzung dient der öffentlichen Trinkwasserversorgung.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 30. Juni 2020 abgewiesen hat. Die Klage sei bereits mangels Klagebefugnis unzulässig. Es sei unter keinem Gesichtspunkt ein rechtlich geschütztes Interesse erkennbar, dass der Kläger von der beantragten Gewässerbenutzung in individualisierter und qualifizierter Weise betroffen wäre.
Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils in diesem Sinn bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2020 – 1 BvR 1521/17 – juris Rn. 10; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36). Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht unrichtig ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Ersturteils auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. OVG NW, B.v. 15.4.2020 – 1 A 2501/18 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 6.8.2019 – 20 ZB 18.2418 – juris Rn. 2; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206).
Nach diesem Maßstab bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Das Erstgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Klage mangels Klagebefugnis des Klägers nach § 42 Abs. 2 VwGO bereits unzulässig ist. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten durch die dem Beigeladenen erteilte gehobene Erlaubnis für das Zutagefördern von Grundwasser weder aus § 4 UmwRG noch aus sonstigen Gesichtspunkten herleiten lässt.
Eine Anfechtungsklage ist nach § 42 Abs. 2 VwGO zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Da der Kläger im Hinblick auf die angegriffene wasserrechtliche Gestattung nicht Adressat des Bescheides ist, muss er geltend machen können, durch den an den Beigeladene gerichteten Verwaltungsakt möglicherweise in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein oder dass der Bescheid gegen Normen verstößt, die auch dem Schutz seiner Rechte zu dienen bestimmt sind. Öffentlichrechtlicher Nachbarschutz lässt sich für den Bereich des Wasserrechts – nicht anders als für andere Gebiete des öffentlichen Rechts – grundsätzlich nur aus Rechtsvorschriften ableiten, die das individuell geschützte private Interesse Dritter und die Art der Verletzung dieser Interessen hinreichend deutlich erkennen lassen (vgl. BVerwG, U. v. 15.7.1987 – 4. C 56.83 – BVerwGE 78, 40 = juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 8.10.2019 – 8 B 18.809 – juris Rn. 41 f. zu § 13 WHG).
1.1 Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Möglichkeit steigender Trinkwasserpreise eine Klagebefugnis nicht begründen kann, stellt der Kläger nicht ernstlich in Frage. Das Erstgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass höhere Trinkwasserpreise keine Folge der erteilten Erlaubnis, sondern Folge einer auf einer entsprechenden Satzung beruhenden Gebührenkalkulation wären, die gegebenenfalls in einem eigenständigen gerichtlichen Verfahren angegriffen werden könnte (vgl. UA S. 19). Soweit der Kläger geltend macht, dass eine Übertragung der im Planfeststellungsrecht durch das Bundesverwaltungsgericht verfolgten „Zwangspunkt-Rechtsprechung“ auf den vorliegenden Fall geboten sei, da die Erlaubnis einen „Zwangspunkt“ darstelle, der im weiteren Verlauf zwangsläufig Rechte des Klägers beeinträchtige, ist dem nicht zu folgen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich ein Eigentümer gegen eine heranrückende Planung, die sein Grundstück noch nicht unmittelbar betrifft, zur Wehr setzen, wenn ein Zwangspunkt geschaffen wird, der im weiteren Planungsverlauf zwangsläufig dazu führen muss, dass er in seinen Rechten betroffen wird. Dadurch soll der künftig notwendig Rechtsbetroffene zur Sicherung seines effektiven Rechtsschutzes vor der Schaffung vollendeter Tatsachen bewahrt werden (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.2012 – 9 A 6.10 – NVwZ 2012, 567 = juris Rn. 21 m.w.N.).
Es erscheint zweifelhaft, ob die Zwangspunkt-Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall überhaupt übertragbar ist, zumal es sich um gemeindliche Beitrags- und Gebührensatzungen für die Trinkwasserversorgung handelt und die Höhe der Trinkwasserpreise damit nicht vom beklagten Freistaat Bayern festgelegt wird. Selbst bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung wären die Voraussetzungen im vorliegenden Fall zu verneinen, da eine mögliche Trinkwasserpreiserhöhung gerade keine zwingende Folge der erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis für das Zutagefördern von Grundwasser aus den drei Brunnen ist.
1.2 Entgegen der Ansicht des Klägers ist eine Klagebefugnis auch nicht daraus abzuleiten, dass die erteilte Erlaubnis die Grundstücke des Klägers partiell entwerte, da sie nicht mehr als Abbauflächen für den Sandabbau künftig in Betracht kommen könnten und versprochene Verkaufserlöse nicht mehr im bereits vertraglich gesicherten Umfang realisiert werden könnten. Zum einen hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, inwiefern allein die erteilte Erlaubnis für das Zutagefördern von Grundwasser zu einer Entwertung des Grundstücks führen soll. Zum anderen ist der Kläger nicht mehr Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung B., so dass er sich nicht auf Art. 14 GG berufen kann. Allein der Umstand, dass die im Grundstückskaufvertrag vereinbarten Verkaufserlöse im Fall einer späteren Festsetzung eines Wasserschutzgebiets nicht mehr realisiert werden können, stellt keine unmittelbare Betroffenheit des Klägers in eigenen Rechten dar.
2. Die Berufung ist nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 20; BVerwG, B.v. 4.8.2017 – 6 B 34.17 – juris Rn. 3 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Diese Vorgaben erfüllt das Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger hat lediglich darauf hingewiesen, dass die Einordnung des § 6 UmwRG als Zulässigkeitskriterium nicht ober- oder höchstrichterlich geklärt sei. Damit hat er bereits keine Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert, deren grundsätzliche Bedeutung geklärt werden könnte. Im Übrigen führt eine Präklusion nach § 6 UmwRG nicht zur Unzulässigkeit einer Klage (vgl. Beschluss des Senats v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – Rn. 20).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO (zur Nichterstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen im Zulassungsverfahren vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 8 ZB 15.2664 – ZfB 2018, 33 = juris Rn. 24). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG; sie entspricht der verwaltungsgerichtlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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