Verwaltungsrecht

Dublin III-Verfahren: Abschiebungsanordnung rechtmäßig, keine systemischen Mängel in Italien

Aktenzeichen  M 30 S 18.51449

Datum:
30.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28056
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a
Dublin III-VO Art. 3
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Es ist im Grundsatz davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, völker- und unionsrechtskonformes, insbesondere richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss (OVG NRW BeckRS 2016, 52566). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es ist zu beachten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsstaaten nicht aus sich heraus dazu verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen und Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. NdsOVG BeckRS 2018, 6547). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3 Asylsuchende müssen sich auf den für alle italienischen Staatsangehörigen vorhandenen Lebensstandard verweisen lassen (vgl. OVG LSA BeckRS 2016, 53928). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Abschiebungsanordnung nach Italien im Rahmen eines asylrechtlichen Dublin-Verfahrens.
Die Antragsteller, seinen Angaben zufolge nigerianischer Staatsangehöriger vom Volke der Yoruba, reiste am 5. März 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerte am 6. März ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt für … (Bundesamt) am gleichen Tage Kenntnis erlangte. Am 12. April 2018 stellte der Antragsteller einen förmlichen Asylantrag. Dabei gab er an, sein Heimatland Mitte 2016 verlassen zu haben. Auf seiner Reise über Niger, Libyen, Italien und Österreich nach Deutschland habe er sich ein Jahr und ein paar Monate in Italien aufgehalten und dort einen Asylantrag gestellt und Fingerabdrücke abgegeben. Gegenüber der Regierung von Oberbayern hatte er am 5. April 2018 zudem angegeben, in Italien eine sechs Monate gültige permesso di soggiorno in Italien besessen zu haben. In Italien habe er auch einen Asylantrag gestellt, hierüber aber keine Entscheidung erhalten und keine Anhörung gehabt zu haben. In einer weiteren Befragung beim Bundesamt gab der Antragsteller habe, nicht nach Italien zurückkehren zu können, da seine Zukunft dort hoffnungslos wäre. Er wolle zur Schule gehen und Schutz bekommen. Auch habe er „etwas in seinem Körper, etwas wie Wasser“, in Italien aber keine Behandlung bekommen. In Deutschland sei er beim Arzt gewesen. Ärztliche Atteste habe er nicht und auch keine Medikamente verschrieben bekommen.
Auf ein Aufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b VO (EU) 604/2013 (Dublin III-VO) an Italien bezugnehmend auf den antragstellerischen Vortrag und einen EURODAC-Treffer (IT1CB00FCF) vom 20. April 2018 erfolgte keine Rückantwort seitens Italien.
Daraufhin lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 8. Mai 2018 – Gesch.Z.: … – den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Nr. 1), verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Asylgesetz (AsylG) unzulässig sei, da Italien gemäß Art. 3 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO sei davon auszugehen, dass die italienischen Behörden der Wiederaufnahme am 5. Mai 2018 stillschweigend zustimmten. Die humanitären Bedingungen in Italien führten nicht zu der Annahme, dass bei der Abschiebung der Antragsteller eine Verletzung des Art. 3 EMRK oder des Art. 4 EU-Grundrechtecharta (Gr-Charta) vorläge. Abschiebungsverbote i.S.v. § 60 Abs. 7 AufenthG in Bezug auf eine individuell-konkrete erhebliche Gefahr für den Fall der Abschiebung nach Italien seien nicht ersichtlich. Überhaupt könne ein zielstaatsbezogenes Überstellungshindernis nur bei systemischen Mängeln des Asylsystems in Betracht kommen. Solche bestünden nicht. Dies werde von der Mehrheit der deutschen Verwaltungsgerichte bestätigt. Im Anschluss daran wurde umfangreich ausgeführt, von welchen Erkenntnissen das Bundesamt insoweit ausgeht. Bezüglich seiner Erkrankung habe der Antragsteller zudem keinerlei Nachweise erbracht. Auch lägen keine Anhaltspunkte darüber vor, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Italien grundsätzlich die notwendige medizinische Versorgung versagt werden würde. Eine Reiseunfähigkeit läge nicht vor. Außergewöhnliche humanitäre Gründe für ein Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO seien nicht ersichtlich. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Bescheidsbegründung Bezug genommen.
Am 16. Mai 2018 erhob der Antragsteller zur Niederschrift Klage zum Verwaltungsgericht München gegen den Bescheid vom 8. Mai 2018 (…). Zudem hat er beantragt,
hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Italien die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung wurde auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug genommen. In Italien wäre der Antragsteller ohne Unterstützung und Hilfe und völlig auf sich alleine gestellt. Eine Rückkehr sei dorthin nicht zumutbar.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten … und … sowie die – in elektronischer Form – vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 8. Mai 2018 mit der nach § 75 AsylG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bescheides ist unbegründet, da die in der Hauptsache erhobene Klage … voraussichtlich keinen Erfolg hat.
Entfaltet ein Rechtsbehelf von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes abzuwägen hat. Insoweit sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs geht die Interessensabwägung vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, da für die erhobene Klage gegen den Bescheid vom 8. Mai 2018 keine Erfolgsaussichten erkennbar sind und sich die Abschiebungsanordnung der Antragsteller nach Italien gemäß § 34a AsylG im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird.
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Vorliegend ist aufgrund der Angaben des Antragstellers über seinen Reiseweg i.V.m. den Erkenntnissen aus dem EURODAC-Treffer Italien der zuständige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO. Das Bundesamt hat daher zutreffend den in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrag als unzulässig i.S.v. § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG abgelehnt. Gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO ist auch von der Wiederaufnahme des Antragstellers durch Italien auszugehen.
Die Zuständigkeit nach Art. 3 Dublin III-VO liegt auch nicht bei Bundesrepublik Deutschland (oder einem anderen Mitgliedsstaat), weil eine Überstellung an Italien an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 Gr-Charta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Konvention für Menschenrechte und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entspricht. Zwar ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedsstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedsstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedsstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Ls. und Rn. 9 zur Dublin-II-VO).
Eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GrCh bzw. Art. 3 EMRK liegt (insbesondere) vor, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass der Betroffene in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnisse, medizinische Grundversorgung) – im Unterschied zu den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats – nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann und der betreffende Mitgliedstaat dem mit Gleichgültigkeit begegnet, weil er auf die gravierende Mangel- und Notsituation nicht mit (geeigneten) Maßnahmen reagiert (OVG Lüneburg Urt. v. 4.4.2018 – 10 LB 96/17 – beck-online Rn. 34)).
Dies ist vorliegend in Bezug auf eine Rückkehr des Antragstellers nach Italien zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt nicht der Fall.
Das Gericht schließt sich insoweit sowohl in Bezug auf den rechtlichen Maßstab als auch auf die Bewertung der vorliegenden tatsächlichen Erkenntnismittel der herrschenden Auffassung in der (obergerichtlichen) Rechtsprechung an (OVG Lüneburg, U.v. 4.4.2018 – 10 LB 96/17 – beck-online Rn. 35 ff.; OVG Münster, U.v. 22.9.2016 – 13 A 2448/15.A – beck-online Rn. 52 ff.; VG München, u.a. B.v. 6.6.2018 – M 11 S 18.51151 – und B.v. 15.5.2018 – M 1 S 17.53667 – je beck-online; a.A. VG Hannover, U.v. 12.10.2017 – 3 A 4622/17 – beck-online).
Es ist im Grundsatz davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, völker- und unionsrechtskonformes, insbesondere richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss (OVG Münster, a.a.O. Rn. 66 ff.; VG München B.v. 15.5.2018 – 1 S 17.53667 – beck-online Rn. 14 m.w.N.).
In Italien bestehen ausdifferenzierte Strukturen zur Aufnahme von Asylbewerbern, auch speziell für Dublin-Rückkehrer (siehe auch die umfangreichen Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes). Diese befinden sich in staatlicher, in kommunaler, kirchlicher oder privater Trägerschaft und werden zum Teil zentral koordiniert, wenngleich starke regionale Unterschiede bestehen (so auch Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH) v. 23.4.2015 an das VG Schwerin). Das italienische Recht gewährt den Asylsuchenden zudem ab dem Zeitpunkt des Asylantrags Zugang zu diesen Unterbringungsmöglichkeiten, wenngleich es mitunter zu Verzögerungen zwischen dem Asylgesuch und der formellen Registrierung (verbalizzazione) kommen mag (u.a. SFH v. 23.4.2015 an das VG Schwerin).
In Bezug auf das staatliche Unterkunftssystem mag es – auch nach den neueren Erkenntnissen – zwar eine gewisse Überbelegung bzw. Engpässe geben. Ein evidentes Missverhältnis zwischen den vorhandenen Unterkunftskapazitäten zu den benötigten Kapazitäten ist hingegen nicht feststellbar (OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 43; a.A. Hannover a.a.O. Rn. 32).
Dabei ist auch zu beachten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsstaaten nicht aus sich heraus dazu verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen und Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 33). Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch den Vertragsstaat zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Personen auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen. Asylsuchende müssen sich deshalb auf den für alle italienischen Staatsangehörigen vorhandenen Lebensstandard verweisen lassen (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 31.8.2016 – 3 L 94/16 -, juris Rn. 9 und 11). Durch Missstände im sozialen Bereich wird die Eingriffsschwelle von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCh mithin nur unter strengen Voraussetzungen überschritten. Es wäre aber mit Art. 3 EMRK unvereinbar, wenn sich ein Asylbewerber, der von staatlicher Unterstützung vollständig abhängig ist und sich in einer gravierenden Mangel- oder Notsituation befindet, staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sieht. Dies ist angesichts der belegten und erkennbaren Bestrebungen und Aktivitäten des italienischen Staats jedoch nicht der Fall (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 47). Während zuletzt eine deutliche Verringerung der Ankunftszahlen in Italien vermeldet wird (vgl. u.a. OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 45 m.w.N.), hat Italien hingegen in den Jahren 2015 bis 2017 die Zahl der Unterkunftsplätze erheblich erhöht (OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 47). Im Übrigen ergäbe sich selbst dann, wenn unterstellt würde, die in Italien aktuell vorhandenen Kapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerbern reichten derzeit oder in naher Zukunft nicht aus, auch nach Auffassung des Gerichts noch kein systemisches, die Grenze zur drohenden Verletzung der Rechte aus Art. 4 GrCh und Art. 3 EMRK überschreitendes Versagen des Staates. Denn diese Rechte verpflichten die Staaten weder, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer „Spitzenbelastung“ vorzuhalten (OVG Münster, a.a.O. Rn. 82 ff.; OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 46). Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn – was nicht erkennbar ist – absehbar wäre, dass auf eine erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden und der italienische Staat mit Gleichgültigkeit die Obdachlosigkeit eines erheblichen Teils der Migranten hinnimmt (vgl. OVG Münster, U.v. 21.6.2016 – 13 A 569/16.A -, juris Rn. 90 ff.; OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 48; vgl. auch VG München, B.v. 7.11.2017 – M 9 S 17.52825 – juris Rn. 39).
Es mag immer wieder vorkommen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihres Asylantrags in Italien auf sich allein gestellt, zum Teil auch obdachlos sind und auch Dublin-Rückkehrer zumindest nicht in allen Fällen eine staatliche Unterkunft erhielten (so auch OVG Lüneburg a.a.O.). Diese Berichte sind jedoch nicht verallgemeinerungsfähig, sondern belegen allein, dass Dublin-Rückkehrer in Einzelfällen von Obdachlosigkeit bedroht sind (OVG Lüneburg a.a.O.). Zwar leben in Italien insgesamt viele Migranten auf der Straße oder in besetzten Häusern unter teils sehr schlechten Bedingungen (OVG Lüneburg, a.a.O.). Hierüber liegen jedoch keine genauen Zahlen und Erkenntnisse vor. Die Annahme systemischer Mängel ist darauf fußend somit (noch) nicht begründet (so auch OVG Lüneburg a.a.O., a.A. Hannover, a.a.O.).Zudem bestehen auch außerhalb der staatlichen Einrichtungen Unterkunftsmöglichkeiten durch Nichtregierungsorganisationen (OVG Lüneburg a.a.O.).
Auch im Bereich der Bedingungen in den Unterkünften, der Versorgung mit zum Lebensunterhalt notwendigen Leistungen sowie der Gesundheitsversorgung i.S.v. Art. 17 i.V. Art. 2g, Art. 18, Art. 19 der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtline) mag es teilweise Mängel und Defizite geben. Insbesondere ist aber der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem mit einer kostenfreien Notversorgung gewährleistet (OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 62; SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 54; Auswärtiges Amt v. 23.2.2016 an das OVG Münster und v. 3.8.2016 an das VG Leipzig). Den Grad systemischer Mängel erreichen die teilweisen Defizite diesbezüglich noch nicht (OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 53 ff., insb. Rn. 65; OVG Münster, a.a.O. Rn. 86, 113).
Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Bescheid vom 8. Mai 2018 wird hierzu gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen.
Auch andere Gründe, dass die Abschiebung nicht durchgeführt werden könnte, vgl. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG, sind nicht ersichtlich. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bzw. eines inlandsbezogenen Abschiebungsverbots. Der Antragsteller hat weder ärztliche Atteste vorgelegt noch substantiiert vorgetragen, inwieweit er erkrankt sei, in Italien keine medizinische Vorsorgung erhalte und eine Verschlimmerung seiner Erkrankung befürchte bzw. weshalb seine Reisefähigkeit eingeschränkt sein soll. Auf die diesbezüglichen, zutreffenden Ausführungen im Bescheid wird insoweit Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 77 Abs. 2 AsylG abgesehen. Ebensowenig sind die Ausführungen im Bescheid in Bezug auf die Ausübung eines Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Dublin III-VO zu beanstanden.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.…


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben