Verwaltungsrecht

Dublin III-Verfahren: Aufschiebende Wirkung gegen Abschiebungsanordnung

Aktenzeichen  M 1 S7 17.53424

Datum:
14.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 13447
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin III-VO Art. 12 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 7

 

Leitsatz

Art. 12 Abs. 4 letzter Halbsatz Dublin III-VO greift, wenn der Ausländer das zwischenzeitliche Verlassen des Gebiets der Mitgliedsstaaten glaubhaft gemacht hat. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beschluss vom 19. Oktober 2017 – M 1 S 17.522765 -wird geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. August 2017 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die am … geborene Antragstellerin ist tansanische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben am … April 2017 in das Bundesgebiet ein. Zuvor sei sie geschäftlich am … März 2017 aufgrund eines vom 20. März bis 30. März 2017 gültigen Schengenvisums (Nr.) nach Italien eingereist und nach ca. 9 Tagen wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Am 24. April 2017 beantragte die Antragstellerin die Gewährung von Asyl im Bundesgebiet.
Mit Bescheid vom 17. August 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheids), stellte fest, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2), und ordnete die Abschiebung der Antragstellerin nach Italien an (Nr. 3). In Nr. 4 des Bescheids wurde das Einreiseund Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Die Antragstellerin erhob am … August 2017 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht mit dem Ziel der Aufhebung des genannten Bescheids (M 1 K 17. 52275). Zugleich hatte die Antragstellerin am selben Tag einen Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt (M 1 S 17.52276). Das Gericht hat hierüber mit Beschluss vom 19. Oktober 2017 entschieden und den Eilantrag der Antragstellerin als unbegründet abgelehnt.
Mit Schriftsatz vom … November 2017 – eingegangen beim Gericht am selben Tag -beantragt die Antragstellerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten, den Beschluss vom 19.10.2017 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, § 80 Abs. 7 VwGO.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Rückkehr der Antragstellerin aus Italien nach Sansibar und ihr dortiger Aufenthalt vom 30. März 2017 bis 8. April 2017 durch diverse Belege nachgewiesen werden könnten. Auch sei der Erstkontakt der Antragstellerin mit dem Bundesamt in Gießen erfolgt, bevor sie von dort nach München zur Erstaufnahmeeinrichtung der Regierung von Oberbayern geschickt worden sei. Dies sei ebenfalls ein Indiz dafür, dass die Antragstellerin über den Flughafen in Frankfurt eingereist sei. Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2018 wurden dem Gericht insbesondere folgende Dokumente – jeweils auf den Namen der Antragstellerin ausgestellt – im Original vorgelegt:
1. Schiffsticket von … nach Sansibar vom 30. März 2017
2. Auszahlungsquitting vom 31. März 2017 der … Bank of Zanzibar über 500.000 Schilling
3. Quittung des Zanzibar m … vom 31. März 2017 über Steuerzahlungen von 15.000 Schilling
4. Schiffsticket vom 6. April 2017 von Sansibar nach …
5. Ladung der Antragstellerin zu einem Gerichtstermin für den 12. April 2017 um 8.30 Uhr
6. Ticket der Deutschen Bahn vom 10. April 2017 für die Fahrt von G. nach M. Die Antragsgegnerin hat sich zu diesem Antrag nicht geäußert.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO auf Abänderung des gerichtlichen Beschlusses ist begründet.
Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen veränderter oder im vorausgegangenen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände, die ein Abweichen von der ursprünglichen Entscheidung rechtfertigen können.
Aufgrund der nunmehr im Original vorgelegten Belege – an deren Echtheit das Gericht keine Zweifel hat – ist hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin nach ihrem Aufenthalt in Italien tatsächlich das Gebiet der Mitgliedsstaaten verlassen hat und zwischenzeitlich nach Sansibar zurückgekehrt ist. Der Ausschlussgrund des Art. 12 Abs. 4 letzter Halbsatz Dublin III-VO greift somit aller Voraussicht nach ein, so dass nicht Italien, sondern die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des hier erstmals gestellten Asylantrags für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragstellerin zuständig ist.
Dem Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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