Verwaltungsrecht

Durchsetzung einer Mindestwassermenge – Beseitigung von Biberverbauungen

Aktenzeichen  8 ZB 19.2185

Datum:
3.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1266
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
VwZVG Art. 21, Art. 38 Abs. 1 S. 3
BNatSchG § 39 Abs. 1 Nr. 3, § 44 Abs. 1 Nr. 3, § 45 Abs. 7 S. 4, § 71, § 71a
AAV § 2 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

1. Eine isolierte Zwangsgeldandrohung kann nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird; die Rechtmäßigkeit des zurgundeliegenden Verwaltungsaktes ist daher nicht mehr zu prüfen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aktivitäten zur Unterhaltung der Restwasseröffnung zur Sicherstellung einer Mindest-Restwasserabgabe können zu keiner Beeinträchtigung oder gar Zerstörung einer Biberlebensstätte (§ 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) führen; bei den Verbauungen handelt es sich auch um keine Fortpflanzungs- oder Ruhestätten (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) von Bibern. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 8 K 17.2019 2019-09-30 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen eine Zwangsgeldandrohung.
Der Kläger betreibt auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung S. (Stadt W …) am O. die Wasserkraftanlage E.
Mit bestandskräftigem Bescheid des Landratsamts Freyung-Grafenau vom 21. Dezember 2009 wurde dem Kläger die gehobene Erlaubnis zur Benutzung des O.s durch Aufstauen und Absenken, Ableiten von Wasser in den Triebwerkskanal und (Rück-)Einleiten von Wasser aus dem Triebwerkskanal in den O. erteilt. Unter Nr. II.3.2 des Bescheids wurde ihm aufgegeben, durch die Ableitung den Mindestzufluss im Mutterbett/A. bach nicht unter 0,120 m3/s zu mindern.
Bei mehreren Kontrollen seit Juli 2016 stellte das Wasserwirtschaftsamt fest, dass (nahezu) kein Restwasser abgegeben wurde, weil die Restwasseröffnung infolge von Biberaktivität mit Treibholz verlegt war. Das Landratsamt forderte den Kläger mit Schreiben vom 2. Februar 2017 auf, umgehend die festgesetzte Restwassermenge von 0,120 m3/s in den O. abzugeben. Der Kläger wies dies zurück, weil er durch die Wiederherstellung der Restwasseröffnung Gefahr liefe, gegen sanktionsbewehrte naturschutzrechtliche Vorschriften zu verstoßen; er stellte es der Naturschutzbehörde frei, dies selbst auf eigene Kosten zu veranlassen.
Mit Bescheid vom 26. Oktober 2017 drohte das Landratsamt dem Kläger für den Fall, dass er es unterlässt, gemäß des Bescheids vom 21. Dezember 2009 über die Fischaufstiegshilfe einen Mindest- bzw. Restwasserabfluss von mindestens 120 l/s in den O. abzugeben, ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro an (Nr. 1). Artenschutzrechtliche Verbote nach den Naturschutzgesetzen stünden der ordnungsgemäßen Restwasserabgabe nicht entgegen (Nr. 2 des Bescheids).
Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage mit Urteil vom 30. September 2019 abgewiesen. Der Erfüllung der Verpflichtung zur Abgabe der festgesetzten Restwassermenge stünde Artenschutzrecht nicht entgegen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieses Urteils geltend. Er befürchtet, wegen Verstößen gegen naturschutzrechtliche Vorschriften zum Schutz des Bibers belangt zu werden.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
1. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ist nicht hinreichend dargelegt oder liegt nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 = juris Rn. 19). Sie sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (BVerfG, B.v. 16.1.2017 – 2 BvR 2615/14 – IÖD 2017, 52 = juris Rn. 19).
Gemessen an diesen Grundsätzen zeigt der Zulassungsantrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auf.
1.1 Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die isolierte Zwangsgeldandrohung im angefochtenen Bescheid könne nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird, trifft zu (BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris Rn. 53). Die Vollstreckung aus einem Verwaltungsakt setzt dessen Wirksamkeit, nicht aber dessen Rechtmäßigkeit voraus (BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 C 5.08 – NVwZ 2009, 122 = juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 20 ZB 16.991 – juris Rn. 17). Die Rechtmäßigkeit des wasserrechtlichen Bescheids vom 21. Dezember 2009, insbesondere der Nebenbestimmung zur Ableitung einer Mindestwassermenge von 0,120 m3/s (Ziff. II.3.2 des Bescheids vom 21.12.2009), ist deshalb im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage gegen die isolierte Zwangsgeldandrohung nicht mehr zu prüfen.
1.2 Gleichwohl können Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch nach Maßgabe des Art. 21 VwZVG im Vollstreckungsverfahren vorgebracht werden. Solche sind nur zulässig, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsakts entstanden sind und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können (Art. 21 Satz 2 VwZVG).
1.2.1 Das Zulassungsvorbringen, für den Kläger habe kein Anlass zur Anfechtung des Bescheids vom 21. Dezember 2009 bestanden, weil damals kein Biber vor Ort gewesen sei, geht ins Leere. Das Verwaltungsgericht hat nicht darauf abgestellt, dass die Befürchtung, durch die Beseitigung von Biberverbauungen an der Restwasseröffnung gegen naturschutzrechtliche Vorschriften zu verstoßen, durch Anfechtung dieses Bescheids geltend zu machen gewesen wäre. Vielmehr hat es sich mit den materiellen Einwendungen des Klägers auseinandergesetzt (vgl. UA S. 10 ff.).
1.2.2 Soweit das Verwaltungsgericht dabei zu dem Ergebnis gelangt ist, der Erfüllung der Verpflichtung zur Freihaltung bzw. Freilegung der Restwasseröffnung stünden keine natur- bzw. artenschutzrechtlichen Bestimmungen entgegen, zeigt der Zulassungsantrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils auf.
Die Befürchtung des Klägers, durch die Freihaltung der Restwasseröffnung gegen natur- bzw. artenschutzrechtliche Vorschriften zum Schutz des Bibers zu verstoßen, erweist sich als unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 26. Oktober 2017 stellt in Nr. 2 seines Tenors fest, dass artenschutzrechtliche Verbote nach den Naturschutzgesetzen der ordnungsgemäßen Restwasserabgabe nicht entgegenstehen. Grundlage hierfür ist die Einschätzung der unteren Naturschutzbehörde, dass Aktivitäten zur Unterhaltung der Restwasseröffnung zur Sicherstellung einer Mindest-Restwasserabgabe von 120 l/s zu keiner Beeinträchtigung oder gar Zerstörung einer Biberlebensstätte (§ 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) führen können; bei den Verbauungen handle es sich auch um keine Fortpflanzungs- oder Ruhestätten (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) von Bibern (vgl. Behördenakte S. 292). Das Verwaltungsgericht hat diese Beurteilung als nachvollziehbar bewertet (vgl. UA S. 12). Der Zulassungsantrag zeigt keine Gründe auf, dass diese Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) durch das Ausgangsgericht augenscheinlich nicht zutrifft oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft ist (vgl. hierzu z.B. BVerwG, B.v. 26.9.2016 – 5 B 3.16 D – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 21.1.2013 – 8 ZB 11.2030 – ZfW 2013, 176 = juris Rn. 17).
1.2.3 Das Vorbringen des Klägers, aus dem Regelungsgeflecht des § 2 AAV könne er als “Laie” nicht beurteilen, welche Eingriffe in die Tätigkeit des Bibers artenschutzrechtlich zulässig sind, ist überholt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AAV dürfen Biberdämme, soweit besetzte Biberburgen nicht beeinträchtigt werden, und nicht besetzte Biberburgen abweichend von § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG beseitigt werden. Dass hierfür keine besonderen Kenntnisse nachzuweisen sind (§ 2 Abs. 5 Satz 1 AVV), wurde durch die Änderung der Verordnung vom 23. Mai 2017 (GVBl S. 184) klargestellt. Abgesehen davon bedarf es für den vorliegenden Fall keiner (allgemeinen) Ausnahme auf Grundlage des § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG, weil die zur Freiräumung der Restwasseröffnung notwendigen Maßnahmen keinen Tatbestand des § 44 Abs. 1 BNatSchG erfüllen (vgl. oben Rn. 16). Auf die diesbezügliche Aussage der unteren Naturschutzbehörde, die in Nr. 2 des angegriffenen Bescheids bestätigt wird, kann sich der Kläger verlassen; er muss nicht befürchten, wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 69 Abs. 2 BNatSchG, die nur vorsätzlich begangen werden kann (§ 10 OWiG; vgl. auch Sanden in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juni 2019, § 69 BNatSchG Rn. 10), belangt zu werden. Dass die von ihm verlangten Maßnahmen einen Straftatbestand (§§ 71, 71a BNatSchG) erfüllen könnten, ist nicht erkennbar; im Übrigen gilt insoweit die Verwaltungsakzessorietät des Nebenstrafrechts (BGH, U.v. 3.11.1993 – 2 StR 321/93 – NJW 1994, 670 = juris Rn. 20).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7 Satz 1 Alt. 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013; sie folgt der Festsetzung des Erstgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben