Verwaltungsrecht

Einem Bauvorhaben entgegenstehende Rechtsverordnung über einen geschützten Landschaftsbestandteil

Aktenzeichen  1 ZB 18.69

Datum:
24.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9498
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BNatSchG § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
BayBO Art. 59 S. 1 Nr. 3
BayNatSchG Art. 18 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

1. Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen‚ sind zu bejahen‚ wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfGBeckRS 2011, 48156) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG BeckRS 2004, 21684). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Baugenehmigungsbehörde steht grundsätzlich keine Normverwerfungskompetenz zu (BayVGH BeckRS 2013, 46142). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Schutzzweck des § 29 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist ästhetischer Natur, daher ist es unerheblich, dass es sich bei dem Silberahornbaum um eine nicht heimische, schnellwüchsige Art handelt und das er nicht in die Bundesartenschutzverordnung aufgenommen ist. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Darlegungsgebot nach § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO erfordert eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung‚ durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 16.833 2017-10-19 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage auf seinem Grundstück FlNr. …, Gemarkung K… (nachfolgend: Baugrundstück). Auf dem Baugrundstück befindet sich im südlichen Bereich ein Silberahorn, der mit Verordnung über den geschützten Landschaftsbestandteil „Silberahorn Ecke L… – S…“ (nachfolgend: Schutzverordnung) vom 22. Juni 2015, veröffentlicht am 3. Juli 2015 im Amtsblatt Nr. 15 für den Landkreis D…, unter Schutz gestellt wurde. Mit Bescheid vom 21. Januar 2016 lehnte das Landratsamt den Bauantrag ab. Um das Bauvorhaben ausführen zu können, sei ein Eingriff in den Silberahorn erforderlich. Die untere Naturschutzbehörde habe das Einvernehmen zur Erteilung einer Befreiung von der Schutzverordnung verweigert. Die daraufhin erhobene Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 19. Oktober 2017 abgewiesen. Das Gericht hat im Wesentlichen ausgeführt‚ dass dem Bauvorhaben des Klägers die Schutzverordnung entgegenstehe. Die Unterschutzstellung des Baumes sei jedenfalls im Hinblick auf die Pflege des Ortsbildes gerechtfertigt. Der augenscheinlich gesunde Baum weise eine beachtliche Größe hinsichtlich des Kronen- und Stammumfangs auf und stelle für das Ortsbild ein prägendes Element von erheblichem ästhetischem Wert dar. Der Baum sei schutzwürdig und schutzbedürftig. Eine unzumutbare Beeinträchtigung des Grundeigentums liege nicht vor. Befreiungsgründe seien weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor bzw. ist nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen‚ sind zu bejahen‚ wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG‚ B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011‚ 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG‚ B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004‚ 838). Das ist hier nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Zulässigkeit des Bauvorhabens verneint, weil ihm in Gestalt der Schutzverordnung öffentlich-rechtliche Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO), entgegenstehen und Befreiungsgründe nach Maßgabe des § 4 Schutzverordnung in Verbindung mit § 67 BNatSchG, Art. 18 Abs. 1 Halbsatz 1 BayNatSchG, nicht ersichtlich sind.
Soweit der Kläger gegen die Wirksamkeit der Schutzverordnung einwendet, dass der Erlass der Schutzverordnung nicht aus Naturschutzgesichtspunkten, sondern ausschließlich zur Verhinderung des Bauvorhabens erfolgt sei, lässt er unberücksichtigt, dass nach den auf einem Augenschein beruhenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts der Baum für das Ortsbild ein prägendes Element von erheblichem ästhetischen Wert darstellt und vergleichbare Bäume nach Art und Größe in der näheren Umgebung nicht existieren. Ebenso hat das Landratsamt bereits mit Bescheid vom 19. Juli 2013 gegenüber dem Voreigentümer vorläufig die Sicherung des Silberahorns ausgesprochen und hierbei auf die hohe ökologische Bedeutung großkroniger Bäume als Nahrungs- und Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren sowie auf die Bereicherung des Straßen- und Ortsbildes abgestellt. Dass die Unterschutzstellung ausschließlich zur Verhinderung des Bauvorhabens erfolgte, ist daher nicht ersichtlich. Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte dem Bauvorhaben zusätzlich einen nach Einschätzung des Klägers und des Verwaltungsgerichts obsoleten Baulinienplan entgegengehalten hat, kann entgegen dem Zulassungsvorbringen nicht auf eine bloße Verhinderungsabsicht geschlossen werden. Denn der Baugenehmigungsbehörde steht grundsätzlich keine Normverwerfungskompetenz zu (BayVGH, B.v. 21.12.2012 – 2 N 10.230 – juris Rn. 22; B.v. 18.3.2002 – 14 ZB 02.585 – juris).
Der Vortrag des Klägers, dass der Baum als eingeschlepptes, nicht heimisches Gewächs keinen geeigneten Schutzgegenstand darstelle, vermag ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat eine Unterschutzstellung des Baumes jedenfalls im Hinblick auf die Pflege des Ortsbildes im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG als gerechtfertigt angesehen. Für den vom Verwaltungsgericht angenommenen Schutzzweck „Pflege des Ortsbildes“ ist es unerheblich, dass es sich bei dem Baum um eine nicht heimische, schnellwüchsige Art handelt, ebenso kommt es nicht darauf an, dass ein Silberahorn nicht in die Bundesartenschutzverordnung aufgenommen ist. Denn der Schutzzweck des § 29 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist ästhetischer Natur (vgl. Gellermann in Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2019, § 29 BNatSchG Rn. 9).
Soweit der Kläger ausführt, dass der Baum zur Belebung des Orts- und Landschaftsbildes nicht geeignet sei, da der Gartenstadtcharakter des Viertels durch die Veränderungen der letzten Jahre ohnehin verloren gegangen sei und die verdichtete Bebauung dazu führe, dass ein Orts- und Landschaftsbild auch bei Veränderung oder Wegfall des Baumes nicht nachteilig beeinträchtigt werde, genügt der Vortrag nicht dem Darlegungsgebot nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Das Gebot der Darlegung erfordert eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung‚ durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird. Eine schlichte und nicht spezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht (vgl. BayVGH‚ B.v. 20.1.2016 – 22 ZB 15.2277 – juris Rn. 7). Hier fehlt es dem Zulassungsvorbringen an einer Auseinandersetzung mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, wonach der Baum für das Ortsbild ein prägendes Element von erheblichem ästhetischem Wert darstellt.
Auch der klägerische Vortrag, die Verordnung würde im Hinblick auf die baurechtliche Situation einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach sich ziehen, da die naturschutzrechtlichen Belange bei der Frage der Bebaubarkeit und bei Genehmigungen der Nachbargrundstücke keine Rolle gespielt hätten, genügt nicht dem Darlegungsgebot. Es fehlt bereits an einer substantiierten Darlegung von vergleichbaren Sachverhalten.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert hat (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag. Einwände gegen die Höhe des Streitwerts wurden im Zulassungsverfahren nicht erhoben.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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