Verwaltungsrecht

Einschränkung öffentlicher und privater Veranstaltungen, Vergnügungen und sonstiger Ansammlungen sowie Versammlungen und Aufzüge aufgrund der Corona-Pandemie

Aktenzeichen  20 ZB 21.608

Datum:
31.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 27750
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 4, § 124 Abs. 2 Nr. 1
BayIfSMV § 1 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die Fortsetzungsfeststellungsklage kann einen zum Zeitpunkt der Erledigung des betreffenden Verwaltungsakts bereits vorhandenen Zulässigkeitsmangel (hier: fehlende Klagebefugnis) nicht heilen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 8 K 20.519 2021-01-22 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine Allgemeinverfügung der Stadt W. nach dem Infektionsschutzgesetz. Mit Allgemeinverfügung vom 11. März 2020 traf die Beklagte Regelungen zur Einschränkung aller öffentlicher und privater Veranstaltungen, Vergnügungen und sonstiger Ansammlungen sowie Versammlungen und Aufzüge.
Mit Allgemeinverfügung vom 16. März 2020, in Kraft getreten am 17. März 2020, untersagte der Freistaat Bayern sämtliche Veranstaltungen landesweit. Diese Allgemeinverfügung wurde durch Ziffer 4 der Allgemeinverfügung vom 3. April 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 174) mit Wirkung vom 4. April 2020 aufgehoben. Mit § 1 Abs. 1 Satz 1 der Bayerischen Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie (Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung – BayIfSMV) vom 27. März 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 158), in Kraft getreten am 31. März 2020 (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BayIfSMV) untersagte der Freistaat Bayern landesweit sämtliche Veranstaltungen und Versammlungen.
Mit Ablauf des 19. April 2020 ist die Allgemeinverfügung der Beklagten durch Zeitablauf außer Kraft getreten.
Mit Schriftsatz vom 7. April 2020, eingegangen bei Gericht am 8. April 2020 ließ die Klägerin Anfechtungsklage gegen die streitgegenständliche Allgemeinverfügung erheben. Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2020 änderte die Klägerin ihren Klageantrag dahingehend, dass festgestellt werde, dass die Allgemeinverfügung der Beklagten rechtswidrig war.
Mit Schreiben vom 15. Juli 2021 wies der Senat die Beteiligten darauf hin, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Erhebung der Klage am 8. April 2020 durch die Allgemeinverfügung der Beklagten nicht mehr beschwert gewesen sei und damit auch der Fortsetzungsfeststellungsantrag unzulässig sein dürfte.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass das angefochtene Urteil die Klage zu Recht abgewiesen hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht ging entscheidungstragend u.a. davon aus, dass der Klägerin die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO fehle, weil durch die landesweit geltende Allgemeinverfügung des Freistaates Bayern vom 16. März 2020, deren Nr. 1 alle Veranstaltungsarten untersagte und am 17. März 2020 in Kraft getreten war, die streitgegenständliche Allgemeinverfügung der Stadt Würzburg ab dem Gültigkeitszeitraum der Allgemeinverfügung des Freistaates Bayern keine (lokale) Beschwer mehr verursacht habe. Dieser Befund ist im Ergebnis richtig, weil die Anfechtungsklage der Klägerin im Zeitpunkt der Erhebung am 8. April 2020 mangels Klagebefugnis unzulässig war, weil sie aufgrund des damals geltenden landesweiten Veranstaltungsverbots nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BayIfSMV durch die Allgemeinverfügung der Beklagten nicht mehr beschwert war. Damit erweist sich das Urteil des Verwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage setzt die Ausgangsklage lediglich fort. Deshalb müssen im Moment der Erhebung deren sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sein (BVerwG, BVerwG, U.v. 3.3.1987 – 1 C 15.85 – BVerwGE 77, 70, 73) bzw. – soweit die Erledigung vor Klageerhebung eintrat – die Erhebung zu diesem Zeitpunkt noch möglich (i.S.v. zulässig) gewesen sein. Die Fortsetzungsfeststellungsklage kann einen zum Zeitpunkt der Erledigung des betreffenden Verwaltungsakts bereits vorhandenen Zulässigkeitsmangel nicht heilen. Daher ist insbesondere das Vorliegen einer Klagebefugnis zum Zeitpunkt der Erledigung notwendig, sofern diese für die ursprüngliche Klage erforderlich gewesen wäre (BVerwG, U.v. 23.3.1982 – 1 C 157.79 – BVerwGE 65, 167; Sodan/Ziekow/Wolff, § 113 VwGO Rn. 286). Durch das im Zeitpunkt der Klageerhebung geltende landesweite Veranstaltungsverbot nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BayIfSMV wurde die Klägerin bereits im Zeitpunkt der Erhebung der Anfechtungsklage durch die Veranstaltungsbeschränkungen der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung der Beklagten nicht mehr beschwert. Die Klage war damit bereits im Zeitpunkt ihrer Erhebung mangels Klagebefugnis unzulässig. Die unzulässige Anfechtungsklage konnte folglich nicht auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog geändert werden.
2. Weil die Klage unzulässig war, kommt es auf die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sowie der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) nicht an.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 Abs. 1 GKG.
Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.


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