Verwaltungsrecht

Einstellung von Bauarbeiten im Dachgeschoss

Aktenzeichen  1 CS 20.143

Datum:
14.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6728
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 75
VwZVG Art. 31, Art. 36

 

Leitsatz

1. Der rechtmäßige Erlass einer Baueinstellungsverfügung als Dauerverwaltungsakt setzt nur das Vorliegen objektiv konkreter Anhaltspunkte voraus, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Recht formell oder materiell widersprechender Zustand geschaffen wird. In der Folgezeit muss die Behörde aufgrund der jeweils aktuellen Sach- und Rechtslage von Amts wegen prüfen, ob der Rechtsverstoß tatsächlich vorliegt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zielt ein Zwangsmittel darauf ab, künftige objektive Rechtsverletzungen zu vermeiden, sind auch entscheidungserhebliche Veränderungen der Sach- und Rechtslage, die nach seinem Erlass eintreten, der Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit zugrunde zu legen, es sei denn das Vollstreckungsverfahren für das angedrohte Zwangsmittel war zuvor abgeschlossen worden. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 S 19.4569 2019-12-18 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen Zwangsgeldandrohungen.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2019 stellte der Antragsgegner auf dem Grundstück der Antragstellerin sämtliche Bauarbeiten im Dachgeschoss innen und außen ein und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000 Euro an. Drei von vier Wandscheiben des Büroraumes (Turm) seien planabweichend ausgeführt worden. Aus der Werkplanung ergebe sich eine erheblich höhere Wand- und Firsthöhe (ca. 2,5 m bzw. 2,3 m) auf der Seeseite. Mit Schreiben vom 8. Juli 2019 stellte der Antragsgegner das angedrohte Zwangsgeld fällig, da die tragende Zeltdachkonstruktion über dem Turm errichtet worden sei, und drohte mit Bescheid vom selben Tag für den Fall der erneuten Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 40.000 Euro an. Die mit Bescheid vom 27. Juni 2019 verfügte Baueinstellung wurde am 11. Juli 2019 dahingehend konkretisiert, dass die Baueinstellung nunmehr sämtliche Bauarbeiten am Turm (Büro) im Dachgeschoss innen und außen umfasse. Die Dachterrasse im Osten sei von der Baueinstellung nicht mehr betroffen, soweit sie entsprechend der genehmigten Eingabepläne errichtet werde.
Die Antragstellerin hat gegen die Bescheide vom 27. Juni 2019 und 8. Juli 2019 Klage erhoben und begehrt die Feststellung, dass das Zwangsgeld in Höhe von 20.000 Euro nicht fällig geworden ist. Den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der Zwangsgeldandrohungen anzuordnen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Dezember 2019 ab.
Mit der Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, dass die im Antragsverfahren ergänzte Ermessensentscheidung zu der festgesetzten Zwangsgeldhöhe nicht berücksichtigt habe, dass die Beschränkung der Baueinstellungsverfügung mit Schreiben vom 11. Juli 2019 zwangsläufig auch zu einer Reduzierung der Zwangsgeldhöhe hätte führen müssen. Da sich die Ermessensausübung bezüglich der Zwangsgeldhöhe von 20.000 Euro als unrichtig darstelle, stelle sich auch die Verdoppelung des Zwangsgeldes und die nahezu Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens als übermäßig und somit ermessensfehlerhaft dar.
Der Antragsgegner trägt vor, dass die Beschwerde bereits unzulässig sei, weil sie nicht in einer den Erfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise begründet worden sei.
Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die (noch) zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird, so dass das Interesse an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegenüber dem Vollzugsinteresse bei der angefochtenen Zwangsgeldandrohung nachrangig ist. Die Beschränkung der Baueinstellungsverfügung mit Schreiben vom 11. Juli 2019 musste nicht zu einer Reduzierung der Zwangsgeldhöhen führen.
Die Baueinstellung ist ein sog. Dauerverwaltungsakt. Der rechtmäßige Erlass einer Baueinstellungsverfügung setzt nur das Vorliegen objektiv konkreter Anhaltspunkte voraus, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Recht formell oder materiell widersprechender Zustand geschaffen wird. In der Folgezeit muss die Behörde aufgrund der jeweils aktuellen Sach- und Rechtslage von Amts wegen prüfen, ob der Rechtsverstoß tatsächlich vorliegt. Die Bauaufsichtsbehörde hat mithin die Baueinstellungsverfügung unter Kontrolle zu halten und bei Hinweisen auf eine Veränderung der Sach- und Rechtslage ihre Aufrechterhaltung zu prüfen (vgl. BayVGH, B.v. 19.1.2007 – 2 CS 06.3083 – juris Rn. 3; B.v. 10.5.2005 – 14 ZB 04.3407 – juris Rn. 11; VGH BW, U.v. 11.10.2006 – 3 S 337/06 – BauR 2007, 358; ThürOVG, B.v. 29.11.1999 – 1 EO 658/99 – BauR 2000, 719). Dies hat der Antragsgegner hier getan und mit der „Konkretisierung“ im Schreiben vom 11. Juli 2019 die Dachterrasse im Osten für Baumaßnahmen freigegeben mit der Maßgabe, dass diese den genehmigten Eingabeplänen entsprechen.
Die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohungen gemäß Art. 36 i.V.m. Art. 31 VwZVG beurteilt sich ebenso wie bei der Baueinstellung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung der Tatsacheninstanz. Zielt das Zwangsmittel wie hier darauf ab, künftige objektive Rechtsverletzungen zu vermeiden, sind auch entscheidungserhebliche Veränderungen der Sach- und Rechtslage, die nach seinem Erlass eintreten, der Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit zugrunde zu legen, es sei denn das Vollstreckungsverfahren für das angedrohte Zwangsmittel war zuvor abgeschlossen worden (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2006 – 1 C 3.05 – BayVBl 2007, 440). Das Vollstreckungsverfahren ist nach Aktenlage noch nicht abgeschlossen. Die teilweise Aufhebung der Baueinstellungsverfügung hat aber, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der im Bescheid vom 27. Juni 2019 angedrohten Zwangsgeldhöhe.
Eine entscheidungserhebliche Änderung der Sachlage liegt nur vor, wenn sich nach dem Erlass der Zwangsgeldandrohung die Sachlage dergestalt ändert, dass nunmehr Anhaltspunkte für eine abweichende Sachentscheidung vorliegen. Das ist hier nicht der Fall. Das Zwangsgeld soll den Pflichtigen effektiv zur Befolgung einer Anordnung anhalten, es soll eine „Beugewirkung“ auf den Pflichtigen ausgeübt werden (vgl. BayVGH, B.v. 19.7.2017 – 10 ZB 16.133 – juris Rn. 12). Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG gibt hierzu als eine Ermessensüberlegung vor, dass diese Wirkung vor allem erzielt wird, wenn durch das Zwangsgeld ein wirtschaftlicher Vorteil abgeschöpft wird (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2008 – 15 CS 08.455 – juris Rn. 19). Diese Bemessungsgesichtspunkte für die Höhe des Zwangsgeldes, die der Antragsgegner auch seiner Ermessensausübung zugrunde gelegt hat, werden durch die Freigabe von Bauarbeiten hinsichtlich der genehmigten Dachterrasse nicht berührt. Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass maßgeblicher Grund für die gewählte Zwangsgeldhöhe die erfolgten bzw. geplanten Arbeiten im Büroraum („Turm“) waren, die erheblich abweichend von der Baugenehmigung durchgeführt wurden bzw. durchgeführt werden sollten. Diese waren auch Anlass für die Baueinstellung, die abweichende Bauausführung und Werkplanung wird in den Gründen des Bescheides vom 27. Juni 2019 dargestellt.
Substantiierte Einwände gegen die Höhe des in dem Bescheid vom 8. Juli 2019 angedrohten Zwangsgeldes werden nicht vorgetragen. Die Schlussfolgerung, dass die Zwangsgeldforderung ermessensfehlerhaft sei, da das erstmalig angedrohte Zwangsgeld nicht rechtmäßig bestimmt worden sei, ist aus den dargestellten Gründen unzutreffend.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 1.7.1. Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben