Verwaltungsrecht

Einstweilige Anordnung zur Sitzverteilung in den Ausschüssen des Stadtrats

Aktenzeichen  4 CE 20.2238

Datum:
26.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30443
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 7, § 123, § 146 Abs. 4 S. 1, S. 6
BayGO Art. 33 Abs. 1 S. 2, S. 5

 

Leitsatz

1. Eine erst mit der abschließenden Beschwerdeentscheidung bekannt gewordene Änderung der Rechtsauffassung des für die Auslegung des Landesrechts maßgeblichen Gerichts muss wie eine nachträgliche Änderung der Rechtslage behandelt werden, denn bei Beschwerden im Eilrechtsschutzverfahren sind nur die bis zum Ablauf der Begründungsfrist vorgetragenen Beschwerdegründe zu prüfen, späteres Vorbringen bleibt grundsätzlich unberücksichtigt (§ 146 Abs. 4 Satz 1, Satz 6 VwGO). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die bloße Tatsache, dass sich eine auf einer stattgebenden Eilentscheidung beruhende Neuverteilung der Ausschusssitze im Falle einer späteren Klageabweisung nicht mehr ungeschehen machen ließe, stellt keine (grundsätzlich unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache dar. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Machen kleinere Parteien oder Wählergruppen von der Möglichkeit der Bildung einer Ausschussgemeinschaft nach Art. 33 Abs. 1 Satz 5 BayGO Gebrauch, so unterliegen sie bei der Sitzverteilung den gleichen Regeln wie alle anderen im Rat vertretenen Gruppierungen; eine exklusive Zuteilung von eigens für sie geschaffenen zusätzlichen Ausschusssitzen ist unzulässig. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 4 E 20.1670 2020-09-25 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten darum, ob den Antragstellern in den Ausschüssen des Stadtrats der Antragsgegnerin ein Sitz zusteht.
Die Geschäftsordnung des Stadtrats sieht für die Ausschüsse eine Zahl von jeweils 14 Sitzen vor; für die Besetzung gilt das Verfahren nach d’Hondt. In dem 70 Mitglieder umfassenden Stadtrat sind neben drei größeren Fraktionen (22, 18 und 14 Mandate) und der vierköpfigen Gruppe der Antragsteller noch acht weitere Listen mit einmal drei, zweimal zwei und fünfmal einem Mandatsträger vertreten. Die mit drei oder weniger Sitzen vertretenen Parteien und Wählergruppen haben zwei Ausschussgemeinschaften gebildet, die insgesamt fünf bzw. sieben Sitze repräsentieren und damit jeweils einen Ausschusssitz erhalten haben. Die vierköpfige Gruppe der Antragsteller, die keiner Ausschussgemeinschaft angehört, ging bei der Sitzverteilung leer aus.
Die Antragsteller erhoben hiergegen Klage zum Verwaltungsgericht und stellten einen Antrag nach § 123 VwGO, den das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. Juni 2020 (Az. AN 4 E 20.973) ablehnte. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. August 2020 zurück (Az. 4 CE 20.1442). In den Gründen der Beschwerdeentscheidung wies der Senat darauf hin, dass die Vorschrift des Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO entgegen früherer Rechtsprechung verfassungskonform dahingehend auszulegen sei, dass die Bildung von Ausschussgemeinschaften kleinerer, ansonsten nicht in den Ausschüssen vertretener Gruppen nur insoweit zur Vergabe von Ausschusssitzen führen dürfe, als damit nicht eine größere Gruppe den einzigen ihr zustehenden Sitz verliere.
Mit Schriftsatz vom 24. August 2020 beantragten die Antragsteller beim Verwaltungsgericht eine Abänderung des Beschlusses vom 5. Juni 2020. Sie nahmen dabei Bezug auf die geänderte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und trugen weiter vor, dass die Antragsgegnerin mit der Wahl der Ausschussgröße und des Zählverfahrens ihr Gestaltungsrecht missbraucht habe, wie sich u. a. aus einem Audio-Mitschnitt der konstituierenden Sitzung ergebe.
Mit Beschluss vom 25. September 2020 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung, über die Besetzung der Ausschüsse ihres Stadtrats unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts bis zum 26. Oktober 2020 neu zu beschließen. Es könne offenbleiben, inwieweit die Beschränkungen des § 80 Abs. 7 VwGO auf den Antrag nach § 123 VwGO anwendbar seien. Eine Abänderung des ursprünglichen Beschlusses sei hier nicht erforderlich, da eine Entscheidung nach § 123 VwGO ohne Eingehen auf den bereits getroffenen Beschluss nicht grundsätzlich ausgeschlossen wäre. Mit Blick auf den veränderten Verfahrensstand wäre auch ein neuer Beschluss von Amts wegen nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO analog gerechtfertigt, weshalb es auf die in § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO normierten Beschränkungen nicht ankomme. Der Antrag auf Abänderung des früheren Beschlusses sei gemäß § 88 VwGO in einen selbständigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO umzudeuten gewesen. Tragend für den Beschluss vom 5. Juni 2020 sei insbesondere die frühere Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gewesen, dass eine Ausschussgemeinschaft auch eine andere Gruppierung verdrängen könne. Hiervon habe sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof anlässlich der Beschwerdeentscheidung vom 7. August 2020 distanziert; nur wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO sei der Ausgangsbeschluss im Beschwerdeverfahren nicht aufgehoben worden. An seiner in der vorhergehenden Eilentscheidung geäußerten vorläufigen Rechtsauffassung halte das Verwaltungsgericht nicht mehr fest. Zudem hätten sich zwischenzeitlich maßgebliche politische Vertreter aus dem Stadtrat in einer Weise geäußert, die auf eine unzulässige gezielte Ausgrenzung der Antragsteller hindeute. Diese beiden Gründe rechtfertigten eine Neubewertung des Beschlusses vom 5. Juni 2020, ohne dass die Antragsteller an formalen Hürden hinsichtlich der erneuten Stellung eines ähnlichen Antrags scheitern müssten. Bezüglich des Eilantrags auf Verpflichtung zur erneuten Beschlussfassung über die Ausschussbesetzung hätten die Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können. Das Gericht schließe sich insoweit der neueren Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs an. Unabhängig davon verdichteten sich die Hinweise, dass die Regelungen zur Ausschussbildung einer rechtlich nicht mehr zu vertretenden Benachteiligung der Antragsteller dienen sollten.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde. Sie beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. September 2020 abzulehnen.
hilfsweise: den Vollzug der einstweiligen Anordnung bis zu einer Entscheidung über die Beschwerde auszusetzen.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde und den Hilfsantrag zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO im Abänderungsverfahren zu Recht stattgegeben. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände führen zu keinem anderen Ergebnis.
a) Die Antragsgegnerin trägt vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass sich hinsichtlich seines Beschlusses vom 5. Juni 2020 der Verfahrensstand geändert habe, wobei es den damaligen Stand mit dem aktuellen Verfahrensstand verglichen habe. Ausgangspunkt für die Entscheidung über eine Abänderung könne aber nur die Beschwerdeentscheidung des Senats vom 7. August 2020 sein; seitdem hätten sich jedoch die Verhältnisse nicht geändert. In dem Beschluss sei bereits erörtert worden, welche Auswirkungen die Bildung von Ausschussgemeinschaften auf die Sitze anderer Gruppierungen habe. In dem Erlass der einstweiligen Anordnung liege zudem eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache bzw. die Schaffung vollendeter Tatsachen. Es sei auch kein Anordnungsanspruch gegeben. Die Erhöhung der Zahl der Ausschusssitze von ursprünglich 12 auf 14 sei erst erfolgt, nachdem sich zwei Ausschussgemeinschaften gebildet hätten, die diese zusätzlichen Sitze erhalten hätten. Durch die Bildung der Ausschussgemeinschaften seien daher den Antragstellern keine Sitze weggenommen worden. Das Spiegelbildlichkeitsprinzip gelte nach Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO für die im Stadtrat vertretenen Parteien und Wählergruppen, nicht aber nach Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO für die Möglichkeit der Bildung von Wählergruppen. Die Verteilung nach dem Spiegelbildlichkeitsprinzip und die Bildung von Ausschussgemeinschaften müssten zeitlich getrennt werden. Damit würden Konfliktsituationen vermieden, die kaum zufriedenstellend zu lösen seien. So könne hier die kleinere Ausschussgemeinschaft, wenn sie ihren Sitz verliere, damit argumentieren, dass der Sitz der CSU-Fraktion wegzunehmen sei, die nach dem d’Hondtschen Verfahren den vierzehnten und damit letzten Sitz innehabe. Dagegen könne die CSU-Fraktion argumentieren, dass einer Fraktion der Vorrang vor einer Ausschussgemeinschaft gebühre. In beiden Fällen werde der Stadtrat durch die Zusammensetzung der Ausschüsse nicht mehr spiegelbildlich abgebildet. Die vom Bundesverwaltungsgericht als entscheidend erachtete Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen werde besser gewährleistet, wenn die Verteilung der Ausschusssitze, die sich ohne Ausschussgemeinschaften ergebe, unverändert bleibe und Ausschussgemeinschaften lediglich als Ergänzung dieser Sitzverteilung behandelt würden. Hinsichtlich der Motivlage der Stadtratsmehrheit bei der Ausschussbesetzung gelte nach wie vor, dass die Beschlüsse nicht, zumindest aber nicht vorrangig gefasst worden seien, um die Gruppe der Antragsteller als unerwünschte politische Kraft in ihrer Tätigkeit zu beeinträchtigen oder gar auszuschalten.
b) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in Zweifel zu ziehen.
aa) Das Verwaltungsgericht war durch die Rechtskraft der ablehnenden Entscheidung im vorhergehenden Eilverfahren nicht gehindert, einen davon abweichenden neuen Beschluss zu erlassen.
Nach überwiegender Auffassung finden für das Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Vorschriften des § 80 Abs. 7 VwGO entsprechende Anwendung (BayVGH, B.v. 15.4.2019 – 10 CE 19.650 – juris Rn. 17; Wollenschläger in Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 123 Rn. 153 m.w.N.). Danach kann das Gericht der Hauptsache, hier also das Verwaltungsgericht, jederzeit von Amts wegen einen Eilbeschluss ändern oder aufheben (§ 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO) oder auf Antrag eines Beteiligten wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände eine solche Änderung oder Aufhebung vornehmen (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO).
In der angegriffenen Entscheidung, die im Tenor keine ausdrückliche Abänderung der vorangegangenen Eilentscheidung enthält, bleibt offen, ob der von der herrschenden Meinung vorgenommene Rückgriff auf § 80 Abs. 7 VwGO hier überhaupt geboten ist (verneinend für die Fälle einer vorherigen Ablehnung des Eilantrags Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 81) und – sofern dies bejaht wird – ob es angesichts der Möglichkeit einer Entscheidung nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO auf die in Satz 2 enthaltenen Beschränkungen ankommt. Ungeachtet dieser rechtlichen Zweifelsfragen hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine rechtliche Neubewertung seines Beschlusses vom 5. Juni 2020 gegeben seien, so dass ein erneuter Eilantrag nicht an formalen Hürden scheitern müsse. Dies ist jedenfalls im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
Nimmt das Gericht der Hauptsache wie hier nicht ausdrücklich von Amts wegen eine Abänderung seines früheren Beschlusses in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO vor, sondern entscheidet es über einen Abänderungsantrag eines unterlegenen Beteiligten analog § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO oder über einen erneuten Antrag nach § 123 VwGO des im ersten Anlauf erfolglos gebliebenen Antragstellers, so müssen – wie auch sonst bei der Durchbrechung der Rechtskraft einer in der gleichen Angelegenheit ergangenen Gerichtsentscheidung – veränderte tatsächliche oder rechtliche Umstände vorliegen (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 129 m.w.N.). Grundsätzlich kommt es dabei zwar, wie in der Beschwerdebegründung dargelegt, auf den Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung, hier also auf den in dem früheren Beschwerdeverfahren ergangenen Beschluss des Senats vom 7. August 2020 an. Dies hat aber entgegen der Annahme der Antragsgegnerin nicht zur Folge, dass die dort in Rn. 30 ff. enthaltenen, von einer älteren Senatsentscheidung abweichenden Ausführungen zur verfassungskonformen Auslegung des Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO nicht als spätere Änderung der obergerichtlichen Rechtsprechung anzusehen wären.
Bei Beschwerden im Eilrechtsschutzverfahren sind nur die bis zum Ablauf der Begründungsfrist vorgetragenen Beschwerdegründe zu prüfen, späteres Vorbringen bleibt grundsätzlich unberücksichtigt (§ 146 Abs. 4 Satz 1, Satz 6 VwGO). Eine erst mit der abschließenden Beschwerdeentscheidung bekannt gewordene Änderung der Rechtsauffassung des für die Auslegung des Landesrechts maßgeblichen Gerichts muss daher wie eine nachträgliche Änderung der Rechtslage behandelt werden. Dies entspricht der gesetzlichen Wertung des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO, wonach die Abänderung eines rechtskräftigen Eilbeschlusses auch dann beantragt werden kann, wenn der betreffende Umstand im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemacht werden konnte. Bei dem früheren Beschwerdeverfahren der Antragsteller war diese Voraussetzung gegeben, da es bis zur Entscheidung des Senats vom 7. August 2020 als abschließend geklärt galt, dass die Vergabe von Ausschusssitzen an Ausschussgemeinschaften auch zu einer gänzlichen Verdrängung von ansonsten ausschussfähigen Parteien oder Wählergruppen führen darf.
bb) Dem im Wege einer einstweiligen Anordnung verfolgten Begehren der Antragsteller, die Antragsgegnerin zu einer neuen Beschlussfassung über die Besetzung der Stadtratsausschüsse unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten, steht nicht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen.
Der Eilrechtsschutzantrag kann im Erfolgsfall nur zu einer vorläufigen, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache geltenden Regelung führen. Er stellt daher sowohl im Rechtssinne als auch – angesichts der noch bis zum 30. April 2026 laufenden Wahlperiode – in faktischer Hinsicht keine (vollständige) Vorwegnahme der Hauptsache dar, mit der sich die beim Verwaltungsgericht anhängige Klage erledigen würde. Die bloße Tatsache, dass sich eine auf einer stattgebenden Eilentscheidung beruhende Neuverteilung der Ausschusssitze im Falle einer späteren Klageabweisung nicht mehr ungeschehen machen ließe, ändert daran nichts. Von einer (grundsätzlich unzulässigen) Vorwegnahme der Hauptsache ließe sich vielmehr erst dann sprechen, wenn sich aus der einstweiligen Anordnung auch noch nach Abschluss des Hauptverfahrens irreversible Folgen ergäben (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 14 m.w.N.).
c) Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung besteht auch der für eine einstweilige Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch.
Das Recht der Gruppe der Antragsteller auf eine dem Spiegelbildlichkeitsprinzip nach Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO Rechnung tragende Teilhabe an der Ausschussarbeit richtet sich grundsätzlich nach der vom gegenwärtigen Stadtrat verbindlich festgesetzten Ausschussgröße von 14 Sitzen. Dass die Stadtratsausschüsse in den vorhergehenden Wahlperioden lediglich 12 Mitglieder hatten und den Antragstellern danach in keinem Fall ein Sitz zugestanden hätte, kann daher ihrem Begehren auf gleichberechtigte Teilhabe an der Ausschussarbeit nicht entgegengehalten werden.
Nicht gefolgt werden kann auch der Auffassung der Antragsgegnerin, das sog. Spiegelbildlichkeitsprinzip, demzufolge die Sitzverteilung in den Ausschüssen den ratsinternen Stärkeverhältnissen Rechnung zu tragen hat, gelte nur für die in den Stadtrat gewählten Parteien und Wählergruppen und nicht für die nachträglich durch Zusammenschluss kleinerer Gruppen gebildeten Ausschussgemeinschaften. Die in diesem Verständnis liegende Abschwächung des normativen Geltungsanspruchs des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO, mit der eine Aufspaltung der Sitzverteilung in zwei zeitlich getrennte Schritte ermöglicht werden soll, findet im Gesetzestext keine Grundlage. Sie widerspricht darüber hinaus dem in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG enthaltenen Grundsatz der demokratischen Repräsentation, wonach die Ausschüsse als verkleinerte Abbilder des Plenums dessen Zusammensetzung und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln müssen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2003 – 8 C 18.03 – BVerwGE 119, 305/308 = BayVBl 2004, 344). Machen kleinere Parteien oder Wählergruppen von der Möglichkeit der Bildung einer Ausschussgemeinschaft nach Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO Gebrauch, so unterliegen sie bei der Sitzverteilung den gleichen Regeln wie alle anderen im Rat vertretenen Gruppierungen; eine exklusive Zuteilung von eigens für sie geschaffenen zusätzlichen Ausschusssitzen ist unzulässig.
Die Bildung von Ausschussgemeinschaften kann allerdings, wie der Senat im Beschluss vom 7. August 2020 (Az. 4 CE 20.1442 – juris) klargestellt hat, im Hinblick auf das prinzipielle Mitwirkungsrecht der größeren Gruppierungen nur anerkannt werden, wenn dadurch nicht eine ansonsten ausschussfähige andere Partei oder Wählergruppe den einzigen ihr zustehenden Sitz verliert. Ist dies der Fall, bleibt die betreffende Ausschussgemeinschaft bei der Sitzverteilung unberücksichtigt, wie dies auch der Fall wäre, wenn sich größere Gruppierungen unzulässigerweise (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2020, a.a.O. Rn. 26) zwecks Erlangung zusätzlicher Mandate zu einer Ausschussgemeinschaft zusammengeschlossen hätten. An eine Ausschussgemeinschaft dürfen somit von vornherein nur solche Ausschusssitze vergeben werden, die – im Falle der Nichtberücksichtigung der Ausschussgemeinschaft – einer Partei oder Wählergruppe zugefallen wären, die noch über mindestens einen weiteren Sitz in den betreffenden Ausschüssen verfügt. Ist dies nicht der Fall, so wird der Ausschussgemeinschaft nicht etwa ein ihr ursprünglich zustehender Sitz „weggenommen“. Der Zusammenschluss zur Ausschussgemeinschaft geht dann vielmehr ins Leere, weil dadurch kein Ausschusssitz erlangt werden kann, ohne zugleich eine aus eigener Kraft ausschussfähige Gruppe vollständig aus den Ausschüssen zu verdrängen.
Hieraus folgt für die derzeit im Stadtrat der Antragsgegnerin bestehende Konstellation, dass bei Anwendung des d’Hondtschen Höchstzahlverfahrens eine unzulässige Verdrängung der Gruppe der Antragsteller durch die Ausschussgemeinschaften nur vermieden wird, wenn die Zahl der Ausschusssitze auf 15 oder mehr erhöht wird und somit alle Parteien, Wählergruppen und Ausschussgemeinschaften bei der Sitzverteilung zum Zuge kommen. Im Falle einer unveränderten Ausschussgröße von 14 Sitzen müsste dagegen die kleinere der beiden Ausschussgemeinschaften bei der Vergabe der Ausschusssitze von vornherein außer Betracht gelassen werden, so dass der Gruppe der Antragsteller jeweils der dadurch freiwerdende Ausschusssitz zufiele. Bei einer Reduzierung auf 13 Ausschusssitze müssten sogar beide Ausschussgemeinschaften außer Betracht bleiben, da nur dann der vorrangige Anspruch der Antragsteller auf Mitwirkung in den Ausschüssen erfüllt werden könnte.
Hätte der Stadtrat die in früheren Wahlperioden geltende Zahl von 12 Ausschusssitzen beibehalten, so wären die Antragsteller dagegen selbst dann nicht in den Ausschüssen vertreten, wenn beide Ausschussgemeinschaften, denen dann jeweils ein Sitz zugestanden hätte, bei der Sitzverteilung nicht berücksichtigt würden; die freiwerdenden Sitze kämen dann den beiden größten Stadtratsfraktionen zugute. Eine Festlegung der Ausschussgröße auf 12 Sitze wäre demnach rechtlich nicht zu beanstanden gewesen, sofern sich die Stadtratsmehrheit von Beginn an auf diese oder eine noch kleinere Ausschussgröße verständigt hätte (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2020, a.a.O. Rn. 18; U.v. 7.10.1992 – 4 B 91.2372 – BayVBl 1993, 180/182). Nachdem allerdings bei der Konstituierung des Stadtrats eine Erhöhung auf 14 Sitze beschlossen und damit auch kleineren Gruppen von Mandatsträgern eine Mitwirkung in den Ausschüssen ermöglicht wurde, könnte eine nunmehrige Rückkehr zu der früheren Ausschussgröße kaum anders verstanden werden, als dass damit das Ziel verfolgt würde, der Gruppe der Antragsteller jene Ausschusssitze vorzuenthalten, die den Vertretern der beiden Ausschussgemeinschaften ohne weiteres zugestanden wurden. Darin läge unter den gegebenen Umständen eine von der Geschäftsordnungsautonomie des Stadtrats nicht mehr gedeckte diskriminierende Gestaltung des ratsinternen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesses (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2020, a.a.O. Rn. 23 m.w.N.).
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2020, a.a.O., Rn. 34).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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