Verwaltungsrecht

Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Zuweisung einer Richterin in einen anderen Senat

Aktenzeichen  6 CE 15.2800

Datum:
26.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2016, 813
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 5, Art. 97 Abs. 2
GVG § 21e Abs. 1
VwGO § 123, § 78 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Der Geschäftsverteilungsplan eines Gerichts ist bezogen auf den einzelnen Richter kein Verwaltungsakt, sondern ein gerichtsinterner Organisationsakt, gegen den in der Hauptsache eine Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO erhoben werden kann. Im vorläufigen Rechtsschutz ist deshalb ein Antrag nach § 123 VwGO statthaft. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein schwerwiegendes Zerwürfnis zwischen den Mitgliedern eines Senates rechtfertigt die Zuweisung eines Richters des Senats durch den Geschäftsverteilungsplan des Präsidiums in einen anderen Senat, wenn eine sinnvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist. Dabei kommt es nicht darauf an, wer “Auslöser” des Konflikts war oder die “Schuld” trägt. Diese Maßnahme des Präsidiums greift nicht in die richterliche Unabhängigkeit ein.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 E 15.5395 2015-12-18 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Dezember 2015 – M 5 E 15.5395 – wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin steht als Richterin am Bundesfinanzhof im Dienst der Antragsgegnerin. Sie wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes dagegen, dass sie durch das Präsidium des Gerichts für das Geschäftsjahr 2016 einem anderen Senat zugeteilt worden ist.
Das Präsidium des Bundesfinanzhofs hat am 24. November 2015 beschlossen, dass die Antragstellerin ihren bisherigen Senat wegen offensichtlicher Zerrüttung des Verhältnisses zu den anderen Senatsmitgliedern zum 1. Januar 2016 verlassen und einem anderen Senat zugewiesen wird. Gleichzeitig hat es die Anträge der Antragstellerin, den Vorsitzenden oder den Beisitzer M. ihres bisherigen Senats einem anderen Senat zuzuweisen, abgelehnt.
Am 1. Dezember 2015 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses des Präsidiums vom 24. November 2015 (M 5 K 15.5394) erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Gleichzeitig hat sie beim Verwaltungsgericht beantragt,
1. bis zur Entscheidung in der Hauptsache einstweilen anzuordnen, dass dem Präsidiumsbeschluss vom 24. November 2015 auf Umsetzung der Antragstellerin vorläufig bis zur Entscheidung über die in dieser Sache eingereichte Feststellungsklage nicht nachzukommen ist,
2. den Präsidenten des Bundesfinanzhofs als Vorsitzenden des Präsidiums umgehend aufzufordern, bis zur Entscheidung über den Antrag zu 1. den Präsidiumsbeschluss vom 24. November 2015 nicht in Vollzug zu setzen und die Antragstellerin von jeder Umsetzung im Geschäftsverteilungsplan des Bundesfinanzhofs für das Jahr 2016 auszunehmen;
hilfsweise: gerichtlich vorläufig festzustellen, dass die Antragstellerin nicht verpflichtet ist, ihrer Umsetzung bis zur Entscheidung über den Antrag zu 1. nachzukommen.
Das Verwaltungsgericht hat diese Anträge mit Beschluss vom 18. Dezember 2015 als unbegründet oder unzulässig erachtet und abgelehnt.
Die Antragstellerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt, mit der sie beantragt,
1. den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2015 aufzuheben und bis zur Entscheidung in der beim Verwaltungsgericht anhängigen Hauptsache einstweilen anzuordnen, dass dem Präsidiumsbeschluss vom 24. November 2015 vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsklage nicht nachzukommen ist,
2. für den Zeitraum bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag zu 1. im Anordnungsverfahren vorläufig festzustellen, dass die Antragstellerin nicht verpflichtet ist, ihrer Umsetzung nachzukommen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.
Die Gründe, die mit der Beschwerde fristgerecht dargelegt worden sind und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i. V. m. Satz 1 und 3 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem mit dem Rechtsmittel weiterverfolgten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entsprechen.
Die Rügen, das Verwaltungsgericht habe seiner Entscheidung einen unvollständigen und teilweise unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt und ein „rechtswidriges unfaires Verfahren“ durchgeführt, gehen von vornherein fehl. Denn das Gesetz sieht für das Rechtsmittel der Beschwerde anders als die Vorschriften über Berufung und Revision kein vorgeschaltetes, etwa von der erfolgreichen Rüge eines Verfahrensfehlers abhängiges Zulassungsverfahren (mehr) vor. Der Verwaltungsgerichtshof prüft vielmehr als Beschwerdegericht – innerhalb des durch § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO gezogenen Rahmens – den Rechtsfall im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2011 – 6 CS 11.1338 – juris Rn. 10; B.v. 5.6.2009 – 11 CS 09.873 – juris Rn. 17 f.; OVG NW, B.v. 12.6.2014 – 1 B 271/14 – juris Rn. 22 ff. m. w. N.).
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
a) Der Antrag ist zulässig. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht seine Statthaftigkeit bejaht, weil der Geschäftsverteilungsplan eines Gerichts bezogen auf den einzelnen Richter keinen Verwaltungsakt darstellt, sondern einen gerichtsinternen Organisationsakt, gegen den in der Hauptsache eine Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO erhoben werden kann (BayVGH, B.v. 8.3.2010 – 3 CE 10.171 – juris Rn. 19; VGH BW, B. v. 17.1.2011 – 4 S 1.11 – juris Rn. 2).
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht ferner nach dem in § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zum Ausdruck kommenden Amtsträgerprinzip davon ausgegangen, dass richtige Antragsgegnerin die Bundesrepublik Deutschland und nicht das Präsidium des Gerichts ist (BayVGH, B.v. 8.3.2010 – 3 CE 10.171 – juris Rn. 20; VGH BW, B.v. 17.1.2011 – 4 S 1.11 – juris Rn. 2).
b) Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Die Entscheidung des Präsidiums des Bundesfinanzhofs, die Antragstellerin mit Wirkung zum 1. Januar 2016 einem anderen Senat zuzuweisen, ist rechtmäßig.
aa) Die von der Antragstellerin vorgebrachten formellen Einwände greifen nicht durch.
(1) Das Präsidium hat der Antragstellerin entsprechend § 21e Abs. 5 GVG vor seiner am 24. November 2015 getroffenen Entscheidung ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Es hat zwar in der Sitzung vom 10. November 2015 den Vertagungsantrag der Antragstellerin abgelehnt, ihr aber die Möglichkeit eingeräumt, den Präsidiumsmitgliedern bis zur nächsten Sitzung am 24. November 2015 weitere Unterlagen zu übermitteln. Die Antragstellerin hat sich u. a. mit Schreiben vom 19. November 2015 geäußert und wurde mit Schreiben des Gerichtspräsidenten vom 20. November 2015 gebeten, dem Präsidium am 24. November 2015 für ein Gespräch zur Verfügung zu stehen. Das Präsidium hat sich mit den Einwänden der Antragstellerin gegen ihre Umsetzung u. a. in den Sitzungen vom 10. und 24. November 2015 befasst. Wenn diese sich trotz der ausdrücklichen Teilnahmebitte dafür entscheidet, an der Präsidiumssitzung vom 24. November 2015 nicht teilzunehmen, hat sie selbst eine wesentliche Gelegenheit ausgelassen, sich persönlich – neben dem bereits umfangreich schriftlich Vorgebrachten – zu den ihr weiter wichtig erscheinenden Gesichtspunkten Gehör zu verschaffen. Sie kann dann im späteren gerichtlichen Verfahren eine Verletzung des Anhörungsrechts oder ein „unfaires Verfahren“ nicht mehr mit Erfolg rügen (vgl. BayVGH, B.v. 16.6.2011 – 6 ZB 11.248 – juris Rn. 12).
(2) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, mit Umsetzung des Präsidiumsbeschlusses würden die Rechte von (anderen) Verfahrensbeteiligten auf die Wahrung rechtlichen Gehörs und auf ihren gesetzlichen Richter verletzt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG sichert, wie sich schon aus dem Wortlaut dieser Verfassungsnorm ergibt, nur die Anhörung des Rechtsträgers selbst und die Berücksichtigung seines eigenen Vorbringens; er vermittelt dagegen keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Anhörung Dritter oder darauf, eine angebliche Gehörsverletzung eines anderen Prozessbeteiligten rügen zu können (BVerwG, B.v. 23.6.2011 – 9 B 94.10 – juris Rn. 3). Das gleiche gilt hinsichtlich der Rüge, durch eine Umsetzung der Antragstellerin werde der gesetzliche Richter (anderer Verfahrensbeteiligter) gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht gewahrt.
(3) Fehl geht schließlich die Rüge, der Geschäftsverteilungsplan 2016 sei rechtswidrig zustande gekommen, weil den nicht dem Präsidium angehörenden Richtern des Bundesfinanzhofs vor der Beschlussfassung über den Geschäftsverteilungsplan 2016 kein Entwurf zugeleitet worden sei, weshalb keine Gelegenheit zur Äußerung bestanden habe. Das gilt unabhängig davon, ob der Vorwurf zutrifft oder nicht. Nach § 21e Abs. 2 GVG ist zwar vor der Geschäftsverteilung den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Eine Verletzung dieser Pflicht hat indessen keine rechtlichen Folgen (Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 21e Rn. 44).
bb) Die Zuteilung der Antragstellerin an einen anderen Senat begegnet auch materiellrechtlich keinen Bedenken. Sie ist weder willkürlich noch verletzt sie die richterliche Unabhängigkeit.
(1) Nach § 21e Abs. 1 Satz 1 und 2 GVG bestimmt das Präsidium (u. a.) die Besetzung der Spruchkörper und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Das Präsidium hat für die ordnungsgemäße Erledigung der anfallenden Rechtsprechungsaufgaben durch Einsatz der dem Gericht zugeteilten Richter zu sorgen. Dabei gibt es kein Recht eines Richters auf die Erledigung bestimmter Rechtsangelegenheiten. Ein Richter muss grundsätzlich für jede Tätigkeit im Rahmen der gerichtlichen Zuständigkeit einsetzbar und einsatzbereit sein (BayVGH, B.v. 8.3.2010 – 3 CE 10.171 – juris Rn. 26; VGH BW, B.v. 17.1.2011 – 4 S 1.11 – juris Rn. 5). Da die Verteilung der richterlichen Geschäfte eine organisatorische Maßnahme darstellt, die einer beamtenrechtlichen Umsetzung entspricht oder vergleichbar ist, ist das dem Präsidium eingeräumte Ermessen innerhalb der gesetzlichen Grenzen grundsätzlich weit (VGH BW, B.v. 17.1.2011 – 4 S 1.11 – juris Rn. 5). Für eine Veränderung des bisherigen Aufgabengebiets eines Richters kann es mannigfache sachliche Gründe geben. Dementsprechend kann auch bei persönlichen Spannungen eine Änderung der Geschäftsverteilung zweckmäßig sein (BayVGH, B.v. 8.3.2010 – 3 CE 10.171 – juris Rn. 26). Als mögliche Verletzungen der persönlichen Rechtsstellung des Richters, die den Ermessensspielraum des Präsidiums begrenzen, kommen insbesondere Verstöße gegen die richterliche Unabhängigkeit (Art. 97 GG) und gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) in Betracht (VGH BW, B.v. 17.1.2011 – 4 S 1.11 – juris Rn. 5).
Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass eine Störung der reibungslosen Zusammenarbeit innerhalb des öffentlichen Dienstes durch innere Spannungen und durch Trübung des Vertrauensverhältnisses regelmäßig als Beeinträchtigung des täglichen Dienstbetriebs zu werten ist, für deren Abstellung das Präsidium eines Gerichts im richterlichen Bereich zu sorgen hat. Wenn dafür nach Lage des Falles die Umsetzung eines der Streitbeteiligten geboten erscheint, ist ein dienstliches Bedürfnis für die Umsetzung grundsätzlich bereits aufgrund der objektiven Beteiligung an dem Spannungsverhältnis zu bejahen, also unabhängig von der Verschuldensfrage (BVerwG, B.v. 26.11.2004 – 2 B 72.04 – juris; BayVGH, B.v. 24.3.2015 – 3 ZB 14.591 – juris Rn. 9; B.v. 21.8.2012 – 6 ZB 11.3015 – juris Rn. 6).
Die persönliche Unabhängigkeit eines Richters nach Art. 97 Abs. 2 GG unterfällt als hergebrachter Grundsatz des richterlichen Amtsrechts dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG. Von diesem Schutz erfasst wird neben den in Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG ausdrücklich genannten Handlungen jede Maßnahme, die materiell einer Entlassung, einer dauernden oder zeitweisen Amtsenthebung oder einer Versetzung in den Ruhestand gleichkommt, durch welche also faktisch dasselbe wie durch eine der in Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG genannten förmlichen Maßnahmen erreicht wird. Zwar hat ein Richter keinen Anspruch auf die Entscheidung eines nach der Geschäftsverteilung zu seiner Zuständigkeit gehörenden Rechtsstreits. Jedoch ist es dem Präsidium verwehrt, einen planmäßig bei einem Gericht ernannten Richter als für die Rechtsprechung dieses Gerichts untragbar, völlig ungeeignet oder unzumutbar zu qualifizieren und aus diesem Grund von der Rechtsprechung fernzuhalten. Hingegen können die Festlegungen im Rahmen der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans, wenn keine besonderen Umstände hinzukommen, keine Eingriffe in die richterliche Unabhängigkeit begründen (BVerfG, B.v. 28.11.2007 – 2 BvR 1431/07 – juris Rn. 17).
(2) Gemessen an diesem Maßstab greifen die Einwände, die die Antragstellerin gegen ihre Umsetzung in einen anderen Senat zum Geschäftsjahr 2016 vorbringt, nicht durch.
Anlass für die streitige Anordnung war, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, ein – erhebliches – Spannungsverhältnis zwischen der Antragstellerin und den anderen Mitgliedern ihres bisherigen Senats. Dieses Spannungsverhältnis tritt allein schon durch die Aktenvorgänge deutlich in Erscheinung. Erkennbar wird es insbesondere durch den – auch im Namen der drei anderen Senatsmitglieder gestellten – Antrag des Senatsvorsitzenden vom 7. Oktober 2015 an den Präsidenten des Bundesfinanzhofs als Vorsitzenden des Präsidiums, die Antragstellerin einem anderen Senat zuzuweisen. Die Antragstellerin wiederum hat mit Schreiben vom 7. Oktober 2015 mit Nachtrag vom 11. Oktober 2015 den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz gebeten, im Wege der „Dienstaufsicht“ tätig zu werden und gegebenenfalls disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen Mitglieder ihres bisherigen Senats zu ergreifen, sowie ihrerseits mit Schreiben vom 15. Oktober 2015 beantragt, den Senatsvorsitzenden oder den Kollegen M. einem anderen Senat des Bundesfinanzhofs zuzuweisen. Die drei Beisitzer aus dem bisherigen Senat der Antragstellerin haben mit Schreiben vom 3. und 4. November 2015 für den Fall, dass das Präsidium dem Antrag auf Umsetzung der Antragstellerin in einen anderen Senat nicht entspreche, hilfsweise ihre eigene Zuweisung zu einem anderen Senat beantragt, weil ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit der Antragstellerin im Senat nicht mehr möglich sei. Dass diese Schreiben der Antragstellerin nach ihrem Beschwerdevorbringen erst im Rahmen des „Tatbestandsberichtigungverfahrens“ vor dem Verwaltungsgericht bekannt gegeben worden sind, ist rechtlich unerheblich. Sie sind Teil der bereits dem Verwaltungsgericht vorgelegten Verfahrensakten der Antragsgegnerin, in die die Antragstellerseite jederzeit hätte Akteneinsicht nehmen können. Im Übrigen ist die Antragstellerin durch den Auszug aus dem Protokoll der Präsidiumssitzung vom 10. November 2015 davon informiert worden, dass „von den Mitgliedern“ des bisherigen Senats Anträge gestellt worden waren. Auch insoweit hätte sie sich daher selbst ausreichende Kenntnis verschaffen können (vgl. oben II. 1. b) (1)).
Aus alldem sowie dem umfangreichen Schriftwechsel musste sich dem Präsidium aufdrängen, dass aufgrund schwerwiegender Zerwürfnisse zwischen der Antragstellerin einerseits und den übrigen Senatsmitgliedern andererseits eine sinnvolle und zielgerichtete Zusammenarbeit ernstlich gefährdet war. Dieses objektiv bestehende Spannungsverhältnis rechtfertigt es, die Senatsbesetzung zu ändern und schon zur Vermeidung umfangreicher personeller Wechsel nur die Antragstellerin und nicht die übrigen Senatsmitglieder einem anderen Senat zuzuweisen.
Entgegen der Ansicht der Beschwerde kam es bei der Entscheidung des Präsidiums nicht darauf an, was Auslöser des Konflikts im bisherigen Senat gewesen ist und welche „Schuld“ die daran Beteiligten hatten. So ist es insbesondere unerheblich, ob die Auffassung der Antragstellerin bezüglich der von ihr gerügten senatsinternen Geschäftsverteilung bei bestimmten Verfahren (Vergabe von Aktenzeichen, Zuteilung von Verfahren auf Berichterstatter) richtig war oder nicht. Dies gilt unabhängig davon, dass die Antragstellerin diese Frage als den ausschließlichen „Herd“ der Konfliktsituation darstellt und hierzu u. a. eine „unabhängige Untersuchung“ wünscht. Das gleiche gilt für sämtliche von der Beschwerde dazu im Einzelnen vorgetragene Umstände. Es kommt grundsätzlich allein auf die objektive Beteiligung der Antragstellerin an dem im bisherigen Senat zweifelsfrei bestehenden Spannungsverhältnis an, nicht aber auf ein Verschulden oder „Rechthaben“ (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2004 – 2 B 72.04 – juris; BayVGH, B.v. 24.3.2015 – 3 ZB 14.591 – juris Rn. 9; B.v. 21.8.2012 – 6 ZB 11.3015 – juris Rn. 6). Es ist weder Aufgabe des Präsidiums noch der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die unterschiedlichen Rechtsauffassungen, die die Antragstellerin und die übrigen Senatsmitglieder zu Fragen der senatsinternen Geschäftsverteilung oder gar zu einzelnen Streitverfahren jeweils vertreten haben, zu bewerten und als Richtschnur für Umsetzungen heranzuziehen. Das Präsidium durfte unabhängig davon annehmen, dass das senatsinterne Spannungsverhältnis im Interesse eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes anders als durch eine Trennung der Beteiligten nicht lösbar ist. Nachdem sämtliche Richter des bisherigen Senats eine weitere Zusammenarbeit mit der Antragstellerin abgelehnt hatten, war es entgegen der Ansicht der Beschwerde – ohne weiteres – sachgerecht und verhältnismäßig, die Konfliktsituation durch Umsetzung der Antragstellerin in einen anderen Senat aufzulösen. Dem stehen weder die langjährige Zugehörigkeit der Antragstellerin zum bisherigen Senat entgegen noch der mit dem Senatswechsel verbundene Verlust der Funktion als stellvertretende Vorsitzende noch ein von der Antragstellerin befürchteter Ansehensverlust in der Fachwelt. Bei einer Gesamtschau des Akteninhalts unter Würdigung des umfangreichen Beschwerdevorbringens gibt es zur Überzeugung des Senats keinen greifbaren Anhaltspunkt für die Annahme, das Präsidium hätte bei seiner Entscheidung ausnahmsweise (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.1967 – VI C 58.65 – juris Rn. 37) das Verschulden der Streitbeteiligten berücksichtigen und von einer Umsetzung der Antragstellerin als dem „Opfer“ einer systematischen ungerechtfertigten Behandlung absehen müssen. Auch wenn die Beschwerde aus der subjektiven Sicht der Antragstellerin eine solche Situation behauptet, fehlt es an objektiven und belastbaren Anhaltspunkten.
Die angegriffene Anordnung des Präsidiums verstößt nicht gegen Art. 97 GG. Die Antragstellerin wird durch ihre Umsetzung in einen anderen Senat nicht in ihrer richterlichen Unabhängigkeit verletzt. Sie hat aufgrund der Geschäftsverteilung für das Geschäftsjahr 2016 Rechtsprechungsaufgaben in einem anderen Senat zugewiesen erhalten. Dieser Senat bearbeitet zudem im Wesentlichen dieselben Rechtsgebiete wie der bisherige Senat, so dass insoweit keine Einarbeitung in eine neue Rechtsmaterie erforderlich ist. Aus dem in § 21e Abs. 1 Satz 2 GVG verankerten Jährlichkeitsprinzip der Geschäftsverteilung folgt im Übrigen, dass ein Richter vor einer Änderung der ihm zukommenden Aufgaben nicht generell geschützt ist. In dieser Festlegung zu Beginn des Geschäftsjahres kann daher, ohne dass besondere Umstände hinzukommen, kein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit gesehen werden (BVerfG, B.v. 28.11.2007 – 2 BVR 1431/07 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 8.3.2010 – 3 CE 10.171 – juris Rn. 34). Eine Maßnahme des Präsidiums im Rahmen der Geschäftsverteilung unterliegt den Anforderungen an die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens und darf sich nicht als willkürlich darstellen (BVerfG, a. a. O., Rn. 11). Dem genügt die Umsetzung der Antragstellerin. Aus den oben genannten Gründen liegen keine „besonderen Umstände“ vor.
Bei der Zuteilung an einen anderen Senat handelt es sich nicht um eine verdeckte Disziplinarmaßnahme, die gegen das Prinzip richterlicher Unabhängigkeit gemäß Art. 97 GG verstößt. Die richterliche Unabhängigkeit, die Art. 97 Abs. 1 GG gewährleistet, stellt kein persönliches Privileg dar, sondern eine funktionsbezogene Gewährleistung eines Freiraums, dessen der Richter zur sachgerechten Erfüllung der ihm gestellten Rechtsprechungsaufgaben bedarf. Inhaltlich bedeutet die gewährleistete sachliche Unabhängigkeit Weisungsfreiheit. Die Unabhängigkeitsgarantie bietet nur Schutz gegen auf die Rechtsprechung bezogene Maßnahmen. Ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit der Antragstellerin läge dann vor, wenn die Neuverteilung der Geschäfte eine Reaktion des Präsidiums auf die rechtsprechende Tätigkeit der Antragstellerin darstellen würde. Vorliegend geht es jedoch nicht um Kritik an richterlichen Entscheidungen der Antragstellerin, sondern um die objektiv vorliegenden innerdienstlichen Spannungen innerhalb ihres bisherigen Senats (vgl. BayVGH, B.v. 8.3.2010 – 3 CE 10.171 – juris Rn. 36).
2. Mit der Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt sich der weitere Antrag auf eine vorläufige Regelung für die Zeit bis zum Abschluss des Eilverfahrens.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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