Verwaltungsrecht

einstweiliger Rechtsschutz, gegen Verkürzung des Genesenenstatus gerichtetes Eilbegehren, Genesenennachweis, Genesenenstatus, fehlende Zulässigkeit, kein Rechtsschutzbedürfnis, kein Verwaltungsaktcharakter des Genesenennachweises, kein subjektiver Anspruch auf Ausstellung eines Genesenennachweises, kein subjektiver Anspruch auf Feststellung der bisherigen Dauer des Genesenenstatus durch Antragsgegnerin, kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zur Antragsgegnerin

Aktenzeichen  W 8 E 22.222

Datum:
23.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2935
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42
VwGO § 43
VwGO § 123
BayIfSMV § 3 15.
BayIfSMV § 4 15.
BayIfSMV § 5 15.
SchAusnahmV § 2 Nr. 5
BayVwVfG Art. 35

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die ungeimpfte Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Feststellung, dass ihr Genesenenstatus, wie er in ihrem Genesenennachweis vom 5. Januar 2022 ausgewiesen ist, fortbesteht und durch die Änderung der Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung zum 15. Januar 2022 keine Änderung erfahren hat. Die Antragstellerin verfügt über ein Genesenenzertifikat vom 5. Januar 2022 über ein positives Testergebnis vom 8. Dezember 2021 und einer Gültigkeit bis (höchstens 180 Tage ab dem Datum des ersten positiven Testergebnisses) 6. Juni 2022.
1. Am 14. Februar 2022 ließ die Antragstellerin bei Gericht einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung stellen und b e a n t r a g e n:
Im Wege der einstweiligen Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass der Genesenenstatus der Antragstellerin wie in dem Genesenennachweis vom 5. Januar 2022, Zertifikat Nr. … ausgewiesen fortbesteht und durch die Änderung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV zum 15. Januar 2022 (BAnzAT 14.1.2022 V 1) keine Änderung erfahren hat.
Zur Begründung ließ die Antragstellerin im Wesentlichen ausführen: Sie wende sich gegen die Verkürzung ihres Genesenenstatus infolge der am 15. Januar 2022 in Kraft getretenen Änderung der SchAusnahmV von sechs Monaten auf 90 Tage. Die Teilnahme am öffentlichen Leben sei unter 2G- bzw. 3G-Bedingungen ausschließlich für geimpfte und genesene Personen möglich. Insbesondere die vorgenommene Reduzierung des Genesenenzeitraums habe erhebliche Auswirkungen auf das persönliche Leben der Antragstellerin. Die aktuelle Regelung dürfte verfassungswidrig sein, wie zumindest die Verwaltungsgerichte Osnabrück und Ansbach bejahten. Statthaft sei vorliegend ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO. Bei der begehrten Bescheinigung über den Genesenenstatus handele es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Bei der Ausstellung eines Genesenennachweises handele es sich um einen Verwaltungsakt mit dem Regelungsausspruch, die Antragstellerin könne die an diesen geknüpften Vergünstigungen, etwa Besuch von 2G-pflichtigen Veranstaltungen, in Anspruch nehmen. Als noch in der Hauptsache zu erhebende Klage wäre die Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO statthaft. Der Genesenennachweis sei nach derzeit geltender Rechtslage als einziges Surrogat zum Impfnachweis Voraussetzung für die Teilnahme des Einzelnen am gesellschaftlichen und sozialen Leben in vielen Bereichen. Der Ausschluss von der Teilnahme am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben habe eine hohe Grundrechtsrelevanz. Die Antragsgegnerin habe die Dauer des Genesenenstatus der Antragstellerin fehlerhaft bestimmt. Die Verkürzung des Genesenenstatus auf drei Monate sei verfassungswidrig.
2. Die Antragsgegnerin, die kreisfreie Stadt Schweinfurt, b e a n t r a g t e mit Schriftsatz vom 21. Februar 2022,
den Antrag als unzulässig abzulehnen.
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Sie sei nicht die richtige Antragsgegnerin. Bei der Schutzausnahmeverordnung handele es sich um eine Verordnung der Bundesregierung. In der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung werde auf die SchAusnahmV verwiesen. Insofern kämen die Begriffsdefinitionen der SchAusnahmV für die Antragstellerin direkt zur Anwendung, ohne dass es einer behördlichen Feststellung hierzu bedürfe. Eine solche Feststellung mittels Verwaltungsakt sei gegenüber der Antragstellerin auch nicht erlassen worden. Eine Rückfrage beim Gesundheitsamt Schweinfurt habe ergeben, dass dort für die Antragstellerin kein Genesenennachweis ausgestellt worden sei. Dort sei lediglich eine Quarantänebescheinigung über den Zeitraum der Quarantäne ausgestellt worden. Die Stadt Schweinfurt sei im Übrigen auch nicht Trägerin des Gesundheitsamtes Schweinfurt. Von der Antragstellerin sei lediglich ein digitales Genesenenzertifikat vorgelegt worden. Ein solches könne aufgrund von Dokumenten, die ein positives PCR-Testergebnis belegten, durch eine hierfür befugte Stelle, z.B. eine Apotheke, ausgestellt werden. Ein durch das Gesundheitsamt ausgestellter Genesenennachweis sei hierfür nicht erforderlich. Ein feststellender Verwaltungsakt mit der Dauer des Genesenenstatus liege nicht vor und damit auch kein streitiges Rechtsverhältnis, das Gegenstand einer einstweiligen Anordnung sein könnte. Darüber hinaus sei auch kein anderes Verwaltungsverfahren zwischen der Antragstellerin und der Stadt Schweinfurt, in dem die Geltungsdauer des Genesenenstatus von Relevanz wäre, anhängig.
3. Der Vertreter des öffentlichen Interesses bei der Regierung von Unterfranken nahm mit Schriftsatz vom 17. Februar 2022 im Wesentlichen wie folgt Stellung: Ausweislich des Antrages gehe es nicht um die Ausstellung eines Genesenennachweises, sondern um die Feststellung der Dauer des Genesenenstatus gemäß bestehendem Nachweis unter Berücksichtigung der Änderung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV. Die Feststellung/das Bestehen des Genesenenstatus ergebe sich unmittelbar aus den einschlägigen Bestimmungen der SchAusnahmV und bedürfe keines weiteren behördlichen Vollzugs- oder Umsetzungsakts. In der Hauptsache wäre hierfür entgegen der Ausführungen in der Antragsschrift die Feststellungsklage die statthafte Klageart. Hierfür und für die begehrte Feststellung im Wege der einstweiligen Anordnung fehle es jedoch an einem Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Stadt Schweinfurt als im Antrag benannte Antragsgegnerin, welches Gegenstand der begehrten Feststellung sein könnte. Mangels Bestehens eines Rechtsverhältnisses sei die Stadt nicht die richtige Antragsgegnerin. Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass die Stadt Schweinfurt bzw. das dafür zuständige Gesundheitsamt das Genesenenzertifikat ausgestellt habe oder tätig geworden sei. Auch weitere Stellen (z.B. Apotheken) seien zur Ausstellung entsprechender Zertifikate berechtigt. Auch bei der Ausstellung des Nachweises durch das Gesundheitsamt ergäben sich die für die Annahme eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses maßgeblichen Rechtswirkungen direkt und unmittelbar aus den Regelungen der SchAusnahmV. Der Hinweis auf das Gesundheitsamt als die für den Vollzug und die Überwachung zuständige Behörde vermöge ohne ein Tätigwerden ein hinreichend konkretes Rechtsverhältnis nicht zu begründen. Die Ausstellung lediglich eines Nachweises bezüglich des sich bereits kraft Gesetzes bei Vorliegen eines entsprechenden Testergebnisses ergebenden Genesenenstatus sei wegen fehlender Regelungs- bzw. Rechtswirkung nicht geeignet, ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zu begründen. Mangels Rechtsverhältnisses dürfte der Antrag abzuweisen bzw. bei Annahme eines Rechtsverhältnisses zu einem anderen Rechtsträger (Verhältnis der Antragstellerin als Normadressatin der SchAusnahmV zur Bundesrepublik Deutschland) an das insoweit zuständige örtliche Verwaltungsgericht zu verweisen sein.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der anwaltlich vertretenen Antragstellerin und des gestellten Antrags (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) ist dieser dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerin jedenfalls im Wege des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung begehrt, dass ihr Genesenenstatus wie in dem vorgelegten Genesenennachweis ausgewiesen fortbesteht und durch die Änderung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV vom 15. Januar 2022 keine Änderung erfahren hat.
Der hier gestellte Antrag nach § 123 VwGO ist nicht durch die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO in einem eventuellen Normenkontrollverfahren gegen die Fünfzehnte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (15. BayIfSMV) vom 23. November 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 816) in der aktuell geltenden Fassung selbst ausgeschlossen. § 47 Abs. 6 VwGO ist hier nicht einschlägig, da sich die Antragstellerin unter Fortgeltung der einschlägigen Bestimmungen in den §§ 3, 4, 5 15. BayIfSMV nicht gegen die Notwendigkeit einer Vorlage eines Genesenennachweises als solche wendet, sondern eine Entscheidung über die Erteilung eines solchen Nachweises begehrt. Regelungen bezüglich des Genesenennachweises finden sich jedoch in der SchAusnahmV, welche als Bunderecht nicht in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO angegriffen werden kann (vgl. auch VG Osnabrück, B.v. 4.2.2022 – 3 B 4/22 – juris Rn. 12).
Abgesehen davon bleibt es der Antragstellerin unbenommen, gegen die Regelung der 15. BaylfSMV gegebenenfalls direkt beim zuständigen Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einen Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO zu stellen (vgl. VG München, B.v. 20.7.2021 – M 26a E 21.3315 – juris Rn. 34), etwa, wenn sie der Rechtsauffassung wäre, dass die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung selbst wegen der Regelung von Kontaktbeschränkungen und der Zugangsvoraussetzungen 2G und 3G hinsichtlich verschiedener Aktivitäten rechtswidrig wäre.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist schon unzulässig, gleichwohl, ob man in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage, eine allgemeine Leistungsklage oder eine Feststellungsklage als statthafte Klageart annehmen wollte.
Der Antrag der Antragstellerin gegen die kreisfreie Stadt, vorläufig festzustellen, dass sich ihr Genesenenstatus nicht verkürzt hat, ist schon mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Denn die Antragstellerin hatte sich vor Anrufung des Gerichts in der streitgegenständlichen Angelegenheit überhaupt nicht an die Antragsgegnerin gewandt. Die Antragstellerin war in der Angelegenheit nicht vorab befasst. Jedenfalls bedarf es besonderer Gründe für die Stellung eines Antrags nach § 123 VwGO bei Gericht, wenn die Antragstellerin die zuständige Behörde zuvor noch gar nicht mit ihrem Begehren befasst hat (BVerwG, B.v. 22.11.2021 – 6 VR 4/21 – juris Rn. 8 ff.). Die Antragsgegnerin hat explizit vorgetragen, dass sie an der Ausstellung des vorgelegten Genesenenzertifikats nicht beteiligt gewesen sei und auch sonst kein Verfahren in Bezug auf die Antragstellerin anhängig sei. Abgesehen davon sei sie auch nicht Trägerin des Gesundheitsamtes. Für die Antragsgegnerin kam der Eilantrag quasi „aus heiterem Himmel“. Das Rechtsschutzbedürfnis für ein gerichtliches Tätigwerden fehlt in der Regel, wenn das Anliegen nicht vor der Antragstellung bei Gericht zunächst bei der zuständigen Behörde vorgetragen worden ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wurde vorliegend nicht geltend gemacht. Weiter ist in dem Zusammenhang darauf aufmerksam zu machen, dass die Antragstellerin bereits über ein Genesenenzertifikat verfügt, in dem explizit vermerkt ist: „Zertifikat gültig bis (höchstens 180 Tage ab dem Datum des ersten positiven Testergebnisses): 2022-6-06“. Gleichwohl begehrt sie vom Gericht die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Ausstellung eines gleichlautenden Genesenennachweises. Auch unter dem Gesichtspunkt besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine unmittelbare Inanspruchnahme des Gerichts im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. VG Gelsenkirchen, B.v. 15.2.2022 – 2 L 143/22 – BA S. 2 f. – juris PM v. 16.2.2022; VG Ansbach, B.v. 11.2.2022 – AN 18 S 22.234 – BeckRS 2022, 1734 Rn. 20).
Darüberhinaus ist der Eilantrag nicht gemäß § 123 Abs. 1 i.V.m. § 42 Abs. 1 2. Alternative VwGO zulässig, weil in der Hauptsache keine Verpflichtungsklage statthaft ist. Denn entgegen der Auffassung der Antragstellerseite handelt es sich bei der begehrten Bescheinigung mangels Regelungswirkung nicht um einen feststellenden Verwaltungsakt, sondern allenfalls um einen Realakt (anderer Ansicht VG Osnabrück, B.v. 4.2.2022 – 3 B 4/22 – juris Rn. 10; VG Halle, B.v. 16.2.2022 – 1 B 41/22 HAL – juris Rn. 15). Denn ebenso wie etwa ein Impfzertifikat hat ein Genesenennachweis mangels Regelungswirkung keinen Verwaltungsaktcharakter gemäß Art. 35 Abs. 1 BayVwVfG. Denn der Genesenenstatus knüpft nach der Regelung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV allein an den tatsächlichen Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch die vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 an, wenn der Nachweis über einen PCR-Test geführt ist. Auch das EU-Zertifikat gemäß Art. 7 VO EU 2021/953 vom 14. Juni 2021 bescheinigt lediglich die Tatsache eines positiven Testergebnisses, der von Fachkräften und geschultem Personal durchgeführt worden ist (vgl. VG Schleswig, B.v. 17.2.2022 – 1 B 7/22 – juris Rn. 6 ff.; VG Gelsenkirchen, B.v. 15.2.2022 – 2 L 143/22 – BA S. 2 – juris PM v. 16.2.2022; VG Dresden, B.v. 11.2.2022 – 6 L 97/22 – juris Rn. 7; vgl. auch schon VG Würzburg, B.v. 11.2.2022 – W 8 E 22.193 – BA S. 5).
Unzulässig wäre der Antrag nach § 123 VwGO jedoch auch, wenn man in der Hauptsache eine allgemeine Leistungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative VwGO) annehmen wollte, weil die Antragstellerin nicht schlüssig vorgetragen hat, dass sie insofern möglicherweise einen subjektiv-rechtlichen Anspruch auf die begehrte Ausstellung des Genensenennachweises gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog gegen die Antragsgegnerin hat.
Denn die Antragstellerin hat schon keinen subjektiven Anspruch konkret gegenüber der Antragsgegnerin auf Ausstellung des begehrten Genesenennachweises glaubhaft gemacht. Die Ausstellung einer landesbehördlichen Bescheinigung sehen weder die bundes- noch die landesrechtlichen Regelungen vor. Die 15. BayIfSMV verweist vielmehr zur Privilegierung von Genesenen ausschließlich auf die Vorschrift des § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV. Nach derzeitiger Rechtslage ist die Antragsgegnerin zur Ausstellung des begehrten Dokuments nicht befugt. Die Feststellung bzw. das Bestehen des Genesenenstatus bedarf keines behördlichen Vollzugs- oder Umsetzungsaktes. Dieser ergibt sich vielmehr allein und unmittelbar aus § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV. Auch der Normgeber der 15. BayIfSMV verfügt nicht über die Befugnis, den Status der Antragstellerin abweichend von den Festlegungen des § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV zu gestalten, weil es sich um eine Rechtsverordnung des Bundes handelt, auf die sich die Regelungen der bayerischen Verordnung beziehen (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 7.2.2022 – 20 CE 22.226 – unveröffentlicht Rn. 4 f.; siehe auch BayVGH, B.v. 22.2.2022 – 20 CE 22.459 – unveröffentlicht Rn. 8; vgl. auch schon OVG NRW, B.v. 2.12.2021 – 13 B 1200/21 – juris Rn. 6; jeweils m.w.N.). Weder aus dem Infektionsschutzgesetz noch aus den Regelungen der VO EU 2021/953 vom 14. Juni 2021 folgt ein dahingehender subjektiver Anspruch, weil nur das positive Testergebnis festzustellen und zu dokumentieren ist (VG Schleswig, B.v. 17.2.2022 – 1 B 7/22 – juris – Rn. 9 ff.). Der Genesenennachweis ist nur das in verkörperter oder digitaler Form vorliegende, personalisierte, positive Testergebnis als solches, soweit der Test den vorgeschriebenen Anforderungen entspricht, ohne dass eine weitergehende Ausstellung einer Bescheinigung vorgeschrieben ist, geschweige denn dass ein Anspruch darauf bestehen würde. Selbst eine Verpflichtung des Gesundheitsamtes, im Falle eines labordiagnostisch geführten Nachweises einer Infektion eine Bescheinigung darüber auszustellen, wann die Infektion festgestellt worden ist und welche Rechtsfolgen sich daraus im Hinblick auf die Regelungen der Schutzausnahmeverordnung ergeben, besteht nicht. Ein Anspruch besteht auch nicht gemäß § 22 Abs. 6 IfSG, wonach die Durchführung einer Überwachung einer Testung in Bezug auf einen positiven Erregernachweis des Corona-Virus SARS-CoV-2 der betroffenen Person auf deren Wunsch in einem digitalen Zertifikat (COVID-19-Genesenenzertifikat) zu bescheinigen ist. Denn diese Regelung verpflichtet nicht die Antragsgegnerin, sondern die zur Durchführung oder Überwachung der Testung berechtigte Person oder nachträglich Ärzte oder Apotheker (VG Dresden, B.v. 11.2.2022 – 6 L 97/22 – juris Rn. 10 ff.).
Schließlich kommt ein Eilantrag gemäß § 123 VwGO auch nicht mit Bezug auf eine eventuelle Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO in der Hauptsache in Betracht, weil es insoweit an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis fehlt (anderer Ansicht VG Halle, B.v. 16.2.2022 – 1 B 41/22 HAL – juris Rn. 7; VG Hamburg, B.v. 14.2.2022 – 14 E 414/22 – juris Rn. 3 f.; VG Ansbach, B.v. 11.2.2022 – AN 18 S 22.234 – BeckRS 2022, 1734 Rn. 26; VG München, B.v. 9.2.2022 – M 26b E 22.447 – BA Rn. 50 f. sowie B.v. 22.2.2022 – M 26a E 22.662, M 26a E 22.663, M 26b E 22.730 – juris PM v. 22.2.2022).
Der Eilantrag der Antragstellerin nach § 123 VwGO zielt sich im Kern auf die Feststellung der Normergänzung bzw. Normänderung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV, weil die Antragstellerin in der Sache die Aufnahme einer längeren Dauer ihres Genesenenstatus in diese Norm begehrt. Der Antrag ist unzulässig, weil zwischen den Beteiligten kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO besteht. Weder der Freistaat Bayern und erst recht nicht die Antragsgegnerin als kreisfreie Stadt sind Rechtsträger des Normgebers. Ein Rechtsverhältnis besteht insoweit allenfalls zwischen der Antragstellerin und dem Normgeber, also der Bundesrepublik Deutschland, für die die Bundesregierung gehandelt hat (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 7.2.2022 – 20 CE 22.226 – unveröffentlicht Rn. 2 f. und Rn. 6 ff. mit Bezug auf OVG Berlin, B.v. 16.4.2021 – OVG 1 S 43/21 – LKV 2021, 264). Das Verwaltungsgericht Berlin hat ein betreffendes Rechtsverhältnis ausdrücklich bejaht (vgl. VG Berlin, B.v. 18.2.2022 – VG 14 L 15/22 – BeckRS 2022, 2261 Rn. 3 ff.; siehe auch B.v. 16.2.2022 – VG 14 L 24/22 – juris PM v. 17.2.2022; siehe auch Verweisungsbeschluss VG Augsburg, B.v. 14.2.2022 – Au 9 E 22.329).
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung vom 22. Februar 2022 ausdrücklich bestätigt, dass in Bezug auf § 2 SchAusnahmV allenfalls ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis in Bezug zum Bundesverordnungsgeber besteht, aber nicht zum bayerischen Verordnungsgeber (siehe BayVGH, B.v. 22.2.2022 – 20 CE 22.459 – unveröffentlicht Rn. 8). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in dieser Entscheidung ausdrücklich ausgeführt:
Es sei zwar richtig, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine gegen den Normgeber gerichtete Feststellungsklage dann in Betracht komme, wenn die Norm unmittelbare Rechte und Pflichten des Betroffenen begründe, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung der rechtlichen Beziehung zwischen Normgeber und Normadressat erforderlich sei (BVerwG, U.v. 28.1.2010 – 8 C 19.09 – BVerwGE 136, 54). Es mangele bereits an einem zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Die Antragsteller behaupteten, die Rechtswidrigkeit des Art. 1 Nr. 1 und 2 sowie Art. 2 Nr. 1 der Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Corona-Virus-Einreiseverordnung vom 14. Januar 2021 – BAnzAT 14.01.2022 V 1). Dies genüge jedoch nicht, um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner als Normgeber zu begründen. Als Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 VwGO werden die rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesem Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergäben. Keine Rechtsverhältnisse im oben genannten Sinn seien bloße Rechtsfragen oder einzelne Elemente von Rechtsverhältnissen, soweit sie nicht selbst den Charakter von Rechten oder Pflichten hätten. Zu diesen Vorfragen oder Elementen gehörte insbesondere die Frage, ob einzelne Tatbestandsmerkmale einer Norm erfüllt seien oder nicht. Die Verweisung in den von den Antragstellern aufgeführten Normen des § 15 BayIfSMV auf die bundesrechtliche Norm des § 2 Nr. 2 und 4 SchAusnahmV habe aber vor allem keinen eigenen landesrechtlichen Regelungscharakter, sondern erschöpfe sich in einer Bezugnahme auf eine bundesrechtliche Definition, so dass hier allenfalls ein Rechtsverhältnis zwischen den Antragstellern und der Bundesrepublik Deutschland bestehen könnte. Eine Klage bzw. ein einstweiliger Rechtsschutz mit dem alleinigen Ziel der Nichtigkeitsfeststellung einer Norm könne nicht auf § 43 VwGO gestützt werden, da eine solche Klage auf kein Rechtsverhältnis abziele, sondern eine Umgehung des § 47 VwGO ermöglichen würde; dasselbe gelte für eine Klage auf Feststellung der Unanwendbarkeit einer Rechtsnorm wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht (BVerwG, U.v. 23.8.2007 – 7 C 13.06 – NVwZ 2007, 1311).
Die vorstehenden Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Bezug auf einen gegen den Freistaat Bayern gerichteten Antrag gelten erst recht in der vorliegenden Fallkonstellation, bei der die Antragsgegnerin eine kreisfreie Stadt ist, die weder Normgeberin der Bundes- noch der Landesverordnung ist.
Auch sonst ist ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen den konkreten Beteiligten zu verneinen. Unter einem Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm des öffentlichen Rechts ergeben (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 43 Rn. 11). Daran fehlt es hier. Zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin besteht vorliegend kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Ein konkreter Sachverhalt durch ein konkretes Tätigwerden der Antragsgegnerin steht hier nicht im Raum. Die Antragsgegnerin hat ausdrücklich mitgeteilt, dass ihrerseits kein Genesenenzertifikat ausgestellt worden sei und auch kein anderes Verwaltungsverfahren zwischen der Antragstellerin und ihr, in dem die Geltungsdauer des Genesenenstatus von Relevanz wäre, anhängig sei. Die Antragstellerin selbst hat nichts Gegenteiliges vorgetragen. Allein die abstrakte Zuständigkeit der Antragsgegnerin als Vollzugs- bzw. Überwachungsbehörde ohne Bezug auf einen konkreten Sachverhalt genügt nicht. Der Hinweis auf das Gesundheitsamt als die für den Vollzug und die Überwachung zuständige Behörde vermag, ohne ein Tätigwerden ihrerseits, ein hinreichendes konkretes Rechtsverhältnis nicht zu begründen, zumal die Antragsgegnerin nicht einmal Trägerin des Gesundheitsamtes Schweinfurt ist, sondern das Landratsamt Schweinfurt.
Nach alledem besteht ein Rechtsverhältnis allenfalls gegenüber dem Normgeber der Schutzausnahmeverordnung, also der Bundesrepublik Deutschland. Es bleibt der Antragstellerin unbenommen, einen entsprechenden Antrag gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesregierung, als Normgeberin beim zuständigen Verwaltungsgericht Berlin zu stellen (vgl. VG Augsburg, B.v. 14.2.2022 – Au 9 E 22.829 – unveröffentlicht).
Nach alledem ist der Antrag nach § 123 VwGO schon unzulässig.
Er wäre infolge der vorstehenden Erwägungen auch mangels des Bestehens eines Anordnungsanspruchs unbegründet.
Abgesehen davon wäre der Antrag auch nach einer reinen Folgenabwägung abzulehnen. Gegen die Annahme einer (offensichtlichen) Verfassungswidrigkeit des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 spricht insbesondere, dass das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde, für deren Erfolg es auch auf die Gültigkeit des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 ankam, nicht als offensichtlich begründet angesehen hat, sondern im Verfahren nach § 32 BVerfGG eine Folgenabwägung vorgenommen hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.2.2022 – 1 BvR 2649/21 – juris Rn. 14). Im vorliegenden Eilverfahren lässt sich ebenfalls nicht abschließend beurteilen, ob es die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse rechtfertigen oder nicht, den Zeitraum für ungeimpfte Genesene von sechs Monaten auf 90 Tage zu verkürzen. Jedenfalls misst der Gesetzgeber der fachlichen Einschätzung des Robert-Koch-Instituts im Bereich des Infektionsschutzes besonderes Gewicht bei, vgl. § 4 IfSG (VG Gelsenkirchen, B.v. 15.2.2022 – 2 L 143/22 – BA S. 6 – juris PM v. 16.2.2022). Dies vorausgeschickt hat die Antragstellerin nur allgemein darauf hingewiesen, dass sie aufgrund der Verkürzung des Genesenenstatus von der Teilhabe am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben ausgeschlossen wäre; sie hat dazu aber nichts konkretisiert bzw. substantiiert, um feststellen zu können, inwiefern für sie eventuelle schwere oder gar unzumutbare Nachteile durch diese Verkürzung individuell entstünden. Umso weniger hat sie vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, weshalb es ihr nicht möglich bzw. unzumutbar wäre, sich gegen das Corona-Virus SARS-V-2 impfen zu lassen (VG Dresden, B.v. 11.2.2022 – 6 L 97/22 – BeckRS 2022, 1762). Demgegenüber stehen die aktuellen hohen Infektionszahlen bundesweit und gerade auch im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin, so dass angesichts des sich bei der Antragstellerin mit der Zeit (gerade nach 90 Tagen) abschwächende Immunschutzes, bei dem es um den Schutz der Virusübertragung geht mit der Gefahr, dass die Person sich selbst (erneut) infiziert und ihrerseits für Andere infektiös sein kann, im Rahmen der Folgenabwägung gewichtige Gründe dafür sprechen, dem Infektionsschutz den Vorrang gegenüber den der Antragstellerin drohenden Nachteilen einzuräumen. Denn das Robert-Koch-Institut hat jüngst zwar bei geimpften Genesenen ausdrücklich wieder einen längeren Genesenenstatus befürwortet, bei ungeimpften Genesenen aber bewusst nicht (vgl. Fachliche Vorgaben des RKI für COVID-19-Genesenennachweise, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Genesenennachweis.html; siehe auch schon VG Würzburg, B.v. 11.2.2022 – W 8 E 22.193 – BA S. 9 ff.)
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Das Gericht sieht gem. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit aufgrund der Vorwegnahme der Hauptsache von einer Halbierung des Streitwertes ab.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben