Verwaltungsrecht

Einstweiliger Rechtsschutz – Polizeiliche Sicherstellung eines Hundes

Aktenzeichen  10 CS 18.515

Datum:
14.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14524
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60 Abs. 1, § 123 Abs. 1, § 146 Abs. 4 S. 1, § 173 S. 1
ZPO § 85 Abs. 2
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3
PAG Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Art. 28 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist durch Verfahrensbevollmächtigte ist auf einen rechtzeitigen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn nachvollziehbar dargelegt und hinreichend glaubhaft gemacht wird, dass das Fristversäumnis auf dem Verschulden einer sonst zuverlässigen Büroangestellten beruhte, ohne dass bzgl. der Fristenkontrolle ein Organisationsverschulden der Bevollmächtigten mitursächlich war. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einem Anspruch auf Herausgabe eines polizeilich sichergestellten Hundes steht jedenfalls ein wirksamer Bescheid der zuständigen Sicherheitsbehörde entgegen, mit dem diese sofort vollziehbar die Haltung des Hundes untersagt und die Duldung seiner notwendigen zwangsweisen (weiteren) Unterbringung im Tierheim angeordnet hat. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 9 S 18.123 2018-02-07 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Dem Antragsteller wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Begründung der Beschwerde gewährt.
II. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) zu verpflichten, den am 29. Dezember 2017 polizeilich sichergestellten und im Tierheim untergebrachten Rottweilerrüden „Rambo“ an den Antragsteller herauszugeben. Die Beschwerde ist zwar zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
1. Die Beschwerde ist zulässig. Zwar hat der Antragsteller die Frist für die Begründung seiner Beschwerde vom 21. Februar 2018 nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO versäumt, weil bis zum Ablauf der Frist am 7. März 2018 beim Verwaltungsgerichtshof eine Begründung nicht eingegangen ist. Dem Antragsteller ist insoweit jedoch auf seinen rechtzeitigen Antrag vom 9. April 2018 hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, weil die Versäumung der Begründungsfrist durch seine Bevollmächtigten (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO) unverschuldet erfolgte. Denn der Antragsteller hat mit dem Wiedereinsetzungsantrag unter anwaltlicher Versicherung seiner Prozessbevollmächtigten und Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten v.T. nachvollziehbar dargelegt und hinreichend glaubhaft gemacht, dass das Fristversäumnis auf dem Verschulden der sonst zuverlässigen Büroangestellten beruhte, ohne dass bezüglich der Fristenkontrolle (zu dieser Pflicht des Rechtsanwalts vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2017 – 10 ZB 17.1782 – juris Rn. 6) ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten mitursächlich war.
2. Die zulässige Beschwerde bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Denn der Antragsteller hat den für die begehrte einstweilige Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Gemäß Art. 28 Abs. 1 PAG in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) vom 18. Mai 2018 (GVBl S. 301) ist die Sicherstellung zu beenden, sobald ihre Voraussetzungen entfallen sind. Gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 PAG ist die sichergestellte Sache an denjenigen herauszugeben, bei dem sie sichergestellt wurde. Die Herausgabe ist ausgeschlossen, wenn dadurch erneut die Voraussetzungen für eine Sicherstellung eintreten würden (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 PAG).
Einem Herausgabeanspruch des Antragstellers gegen den Antragsgegner steht unabhängig von der Frage, ob – wie der Antragsteller mit seiner Beschwerde geltend macht – der Zweck der polizeilichen Sicherstellung des Rottweilerrüden „Rambo“, die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne von Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 a) PAG, inzwischen erreicht ist, jedenfalls entgegen, dass die Stadt O. als zuständige Sicherheitsbehörde mit Bescheid vom 26. März 2018 dem Antragsteller gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG die Haltung des Hundes mit Wirkung spätestens ab 29. März 2018 untersagt und die Duldung der notwendigen zwangsweisen Unterbringung des Hundes im Tierheim angeordnet hat. Mit diesem ungeachtet der inzwischen erfolgten gerichtlichen Anfechtung dem Antragsteller gegenüber wirksamen Bescheid, der gegenüber anderen staatlichen Stellen (Behörden, Rechtsträgern, Gerichten) Tatbestandswirkung entfaltet und deshalb eigenen Entscheidungen zugrunde zu legen ist (zur Tatbestandswirkung rechtswirksamer Verwaltungsakte vgl. Schemmer in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1.4.2018, § 43 Rn. 27 ff., Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 43 Rn. 16 ff.), hat die Sicherheitsbehörde sofort vollziehbar neben der Haltungsuntersagung die vom Antragsteller zu duldende (weitere) Unterbringung des Hundes im Tierheim verfügt. Ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieses sicherheitsbehördlichen Bescheids ist allein diese Verfügung Grundlage der Verwahrung bzw. Unterbringung des Hundes im Tierheim und nicht mehr die ursprüngliche polizeiliche Sicherstellungsmaßnahme.
Daher scheidet der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom Antragsteller geltend gemachte Herausgabeanspruch gegen den Antragsgegner als Träger der Polizei (s. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nunmehr von vornherein aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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