Verwaltungsrecht

Einzelfall eines unzulässigen Eilantrags

Aktenzeichen  M 21 S 17.45736

Datum:
15.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 60
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
GG GG Art. 16a
AsylG AsylG § 3
AsylG AsylG § 4
AsylG AsylG § 36 Abs. 3
AsylG AsylG § 36 Abs. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1

 

Leitsatz

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Klagefrist ist demjenigen nicht zu gewähren, der behauptet, wegen eines Krankenhausaufenthaltes ohne Verschulden an der rechtzeitigen Klageerhebung gehindert gewesen zu sein, diesen Vortrag aber nicht durch eine entsprechende Bescheinigung des Krankenhauses glaubhaft macht.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach eigenen Angaben ein lediger, in Freetown geborener Staatsangehöriger der Republik Sierra Leone muslimischen Glaubens vom Volk der Mandingo.
Er stellte am 20. Oktober 2016 bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (kurz: Bundesamt) in München einen Asylantrag.
Zur Niederschrift über seine Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in München am 21. Oktober 2016 gab er im Wesentlichen an, sich bis zur Ausreise in Freetown aufgehalten zu haben. Sein Heimatland habe er gegen Ende 2009 verlassen und er sei am 9. Oktober 2016 in das Bundesgebiet eingereist. In Spanien habe er keinen Asylantrag gestellt, weil das Land sehr arm sei und man dort keine Arbeitsstelle bekomme. Er sei ein Mann. Er müsse etwas arbeiten. Er habe vorgehabt nach Deutschland zu kommen, weil es dort ausreichend Arbeitsplätze gebe. Seine Eltern seien verstorben. Zunächst habe er in Sierra Leone als Hilfskraft auf Transportern gearbeitet. Später habe er selbst Leute mit dem Motorrad transportiert. Hauptsächlich habe er Sierra Leone verlassen, weil das Land total arm und er die ganze Zeit krank gewesen sei. Außerdem habe er dort niemanden mehr und es gebe dort keine Arbeit. Er habe dort starke psychische Probleme bekommen. Die Frage, ob seine Beschwerden geheilt worden seien, verneinte der Antragsteller. Er habe immer wieder auftretende starke Magenkrämpfe und Beschwerden. Er habe keine lebensbedrohlichen Krankheiten.
Mit Bescheid vom 19. Juni 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als offensichtlich unbegründet ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Sierra Leone an (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe weder eine gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung, noch einen Verfolgungsgrund geltend gemacht. Ihm drohe auch offensichtlich kein ernsthafter Schaden. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Bei einer Rückkehr des jungen, weitgehend gesunden Antragstellers sei davon auszugehen, dass er in der Lage wäre, sich durch Gelegenheitsarbeiten zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums finanzieren zu können. Zu den von ihm geltend gemachten psychischen Problemen und Magenbeschwerden habe er kein ärztliches Attest eingereicht. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Laut Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid dem Antragsteller am 21. Juni 2017 zugestellt (Bl. 155 f. der Bundesamtsakte).
Am 12. Juli 2017 erhob der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage und beantragte, den Bundesamtsbescheid vom 8. Juni 2017 (richtig: 19. Juni 2017), zugestellt am 21. Juni 2017, aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, ihm subsidiären Schutz zu gewähren, hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Über die Klage (M 21 K 17.45735) ist noch nicht entschieden.
Am 12. Juli 2017 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München zugleich,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.
Zur Klage- und Antragsbegründung führte er durch Schreiben vom 12. Juli 2017 im Wesentlichen aus, er beziehe sich auf seine bisherigen Angaben. Jedenfalls sei sein Asylantrag nicht offensichtlich unbegründet. Er habe das Bundesamt über seine schwerwiegenden gesundheitlichen Probleme informiert (paranoide Schizophrenie). Für das Eilverfahren würden ein Arztbrief vom 5. Juli 2017 (liegt nicht vor) und ein Arztbrief vom 9. Juni 2017 vorgelegt. Vorsorglich werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klage- und Antragsfrist beantragt. Aufgrund seines Krankenhausaufenthalts bis einschließlich 5. Juli 2017 habe er nicht sofort Klage einreichen können. Aufgrund seines derzeit schlechten Gesundheitszustandes habe er große Schwierigkeiten gehabt, zeitnah adäquate Beratung und Unterstützung zu bekommen.
Im Arztbrief des Isar-Amper-Klinikums München-Ost vom 9. Juni 2017 wird im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe sich vom 9. Mai 2017 bis zum 9. Juni 2017 in dortiger stationärer Behandlung befunden. Diagnosen: ICD 10 F 23.1 akute schizophreniforme psychotische Störung, ICD 10 F 19.5 psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, psychotische Störung. Der Antragsteller sei mit dem Rettungsdienst zur stationären Stabilisierung und Beobachtung gekommen, nachdem er verwirrt, schreiend und weinend an einem Bahnsteig vorgefunden worden sei. Er habe angegeben, aus Mali zu sein. Ein THCSchnelltest sei positiv gewesen. Suchtanamnese: THC, Alkohol gelegentlich in unklaren Mengen. Es würden ambulante fachärztliche Kontakte für leitliniengerechte EKG- und Blutbildkontrollen im Verlauf empfohlen.
Mit Schreiben vom 15. September 2017 übersandte der durch Beschluss des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 17. August 2017 bestellte Betreuer des Antragstellers dem Gericht diesen Beschluss und eine Prozessvollmacht der Bevollmächtigten des Antragstellers.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde durch Schreiben vom 30. November 2017 im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig, da die Klagefrist versäumt worden sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ändere daran nichts. Überdies sei die Klage jedenfalls unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Eilantrag ist bereits unzulässig, weil er verfristet ist.
Nach § 36 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 AsylG sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung, die mit einer einwöchigen Ausreisefrist nach § 36 Abs. 1 AsylG verbunden ist, innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Laut Postzustellungsurkunde und dem Vorbringen des Antragstellers ist ihm der angegriffene Bundesamtsbescheid am 21. Juni 2017 zugestellt worden. Somit hat die Wochenfrist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am Mittwoch, den 28. Juni 2017 geendet. Klage und Eilantrag sind aber erst am 12. Juli 2017 und damit jeweils verfristet anhängig gemacht worden.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) kommt nicht in Betracht, weil der Antragsteller einen Wiedereinsetzungsgrund jedenfalls nicht glaubhaft gemacht hat. Laut Arztbrief des Isar-Amper-Klinikums München-Ost vom 9. Juni 2017 hat er sich dort vom 9. Mai 2017 bis zum 9. Juni 2017 in stationärer Behandlung befunden. Ein Arztbrief vom 5. Juli 2017 liegt dem Gericht nicht vor. Mit dem Vorbringen, durch einen Krankenhausaufenthalt bis einschließlich 5. Juli 2017 an der Klageerhebung gehindert gewesen zu sein, ist ein Wiedereinsetzungsgrund jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, zumal es an einer Angabe zum Beginn des angeblichen Krankenhausaufenthalts fehlt und auch angesichts des Beschlusses des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 17. August 2017 zur Betreuung des Antragstellers etwa nichts dafür ersichtlich ist, dass er durch die darin erwähnte, im Übrigen nicht belegte psychische Erkrankung an der rechtzeitigen Antragstellung und Klageerhebung gehindert gewesen sein könnte. Das hat er so auch weder geltend noch glaubhaft gemacht.
Davon abgesehen wäre der Eilantrag auch unbegründet.
Zur näheren Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Bundesamtsbescheids Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen des Antragstellers in der Tat nicht asylrelevant ist. Nach dem Arztbrief des Isar-Amper-Klinikums München-Ost vom 9. Juni 2017 scheint er vor allem Drogenprobleme zu haben. Insbesondere diesem Arztbrief lässt sich außerdem jedenfalls auch unter Berücksichtigung des Inhalts des vorgenannten amtsgerichtlichen Beschlusses kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass der Antragsteller an einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung leiden könnte, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG).
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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