Verwaltungsrecht

Entlassungsverfügung, Ausbildungsabschnitte, Ausbildungsmangel, Ausbildungsordnung, Ausbildungszeiten, Ausbildungsort, Ausbildungsziel, Ausbildungsinhalt, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Verwaltungsgerichte, Klausuren, Prüfungsverfahren, Prüfungsentscheidungen, Kostenentscheidung, Vorbereitungsdienst, Prozeßbevollmächtigter, Beamtenverhältnis auf Widerruf, Prüfungsrecht, Verfahrensmangel, Klageabweisung

Aktenzeichen  B 5 K 18.1295

Datum:
11.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43517
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 23 Abs. 4 S. 1
Art. 56 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 5 S. 1 BayBG
ZAPO-J § 56 Abs. 2 S. 1
ZAPO/JFW § 15 Abs. 1 und 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entlassungsverfügung des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 VwGO). Der Kläger hat weder einen Anspruch auf die Feststellung, dass er den fachtheoretischen Lehrgang B für die Fachlaufbahn Justiz an der Bayerischen Justizakademie … bestanden hat, noch darauf, dass der Beklagte verpflichtet wird, ihn in den fachtheoretischen Lehrgang B für die Fachlaufbahn Justiz an der Bayerischen Justizakademie … wiederaufzunehmen und ihm die Wiederholung des fachtheoretischen Lehrgangs für die Fachlaufbahn Justiz zu gestatten.
I.
Die angefochtene Entlassungsverfügung vom 08.11.2017 ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.
Auf den Fall des Klägers, der seine Ausbildung zum September 2015 begonnen hatte, finden gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 ZAPO-J die bis zum Ablauf des 31.08.2016 geltenden Vorschriften der ZAPO/JFW weiter Anwendung.
1.
Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 23 Abs. 4 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG), § 56 Abs. 2 Satz 1 ZAPO-J i.V.m. § 15 ZAPO/JFW. Die Zuständigkeit des Präsidenten des Oberlandesgerichts Bamberg für den Erlass der streitgegenständlichen Entlassungsverfügung ergibt sich aus Art. 56 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) i.V.m. § 56 Abs. 2 Satz 1 ZAPO-J, § 5 ZAPO-JFW.
Die Frist nach Art. 56 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 BayBG wurde eingehalten. Danach beträgt bei Entlassungen nach § 23 Abs. 4 BeamtStG die Frist zum Wirksamwerden der Entlassungsverfügung bei einer Beschäftigungszeit von mehr als drei Monaten sechs Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahres. In der am 08.11.2017 ausgesprochenen Entlassungsverfügung wurde der Entlassungszeitpunkt auf den Ablauf des 31.12.2017 festgelegt. Die erforderliche Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) ist erfolgt. Ebenso ist der Personalrat antragsgemäß beteiligt worden.
2.
Der angefochtene Bescheid ist darüber hinaus materiell rechtmäßig.
a)
Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Entlassungsverfügung ist § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG. Nach dieser Regelung können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden.
Damit räumt das Gesetz dem Dienstherrn zwar einen weiten Ermessensspielraum ein. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ besitzt nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Zur Rechtfertigung der Entlassung genügt jeder sachliche, d.h. nicht willkürliche Grund (BayVGH, B. v. 12.12.2011 – 3 CS 11.2397, BeckRS 2012, 52825; B. v. 2.5.2019 – 6 CS 19.481, BeckRS 2019, 8704). Einen sachlichen Grund bildet das Fehlen der fachlichen und persönlichen, insbesondere charakterlichen Eignung.
Die Frage, ob der Dienstherr von durch Leistungsmängel begründeten ernsthaften Zweifeln daran, dass der Widerrufsbeamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes erreichen wird, ausgehen konnte, unterliegt dabei einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Während der diesen Zweifeln zugrunde gelegte Sachverhalt in vollem Umfang auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft werden kann, ist die Kontrolle im Übrigen darauf beschränkt, ob der Dienstherr die anzuwendenden (Rechts-)Begriffe verkannt oder ob er bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat (vgl. OVG NW, B. v. 27.9.2017 – 6 B 977/17, BeckRS 2017, 126424; B. v. 5. 6. 2015 – 6 B 326/15, juris Rn. 8 m. w. N.).
Der erforderliche sachliche Grund, der zur Entlassung des Klägers aus dem Vorbereitungsdienst führte, liegt in dem endgültigen Nichtbestehen des fachtheoretischen Lehrgangs B der Ausbildung zum Justizsekretär, festgestellt mit Zeugnis vom 15.09.2017. Das Ermessen des Beklagten wird im streitgegenständlichen Fall insoweit auf Null reduziert durch die auf den Kläger anzuwendenden Regelungen über das Nichtbestehen von Prüfungen in der maßgeblichen Ausbildungsordnung. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 ZAPO-J i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 5 ZAPO/JFW ist die Aufnahme in den nächsten Ausbildungsjahrgang nur einmal statthaft. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 ZAPO-J i.V.m. § 15 Abs. 2 ZAPO/JFW sind Anwärter zwingend zu entlassen, wenn sie nach der Aufnahme in den nächsten Ausbildungsjahrgang erneut nicht das Ausbildungsziel nach Absatz 1 Sätze 1 und 2 erreichen.
Unstreitig hat der Kläger hier den fachtheoretischen Lehrgang A erst in einem zweiten Anlauf in der Wiederholungsprüfung im Dezember 2016 bestanden. Somit wurde er entsprechend der gesetzlichen Regelung bereits einmal in den nächsten Ausbildungsjahrgang aufgenommen. In der Abschlussprüfung des fachtheoretischen Lehrgangs B erzielte der Kläger bei fünf von sieben Klausuren eine mangelhafte Leistung und erreichte damit erneut das Ausbildungsziel nicht. In der Folge stellte der Beklagte erneut das Nichtbestehen des Ausbildungsabschnitts fest.
Deshalb war die Entlassung des Klägers nach § 15 Abs. 2 ZAPO/JFW zwingende Rechtsfolge des erneuten Nichterreichens des Ausbildungsziels im fachtheoretischen Lehrgang B. Ein Ermessen steht dem Beklagten insoweit nicht mehr zu. Auch die vom Kläger beantragte Nachkorrektur seiner Klausuren ändert daran nichts. Die Nachkorrekturanträge sind ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Akte sämtlich erfolglos geblieben. Insoweit sind keine erheblichen Rechtsverstöße ersichtlich. Dabei ist auch die dem Prüfungsrecht immanente Beschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Prüfungsentscheidungen zu beachten. Denn nach dem das Prüfungsrecht beherrschenden Grundsatz der Chancengleichheit müssen für zu vergleichende Prüflinge so weit wie möglich vergleichbare Bewertungskriterien gelten. Damit wäre es unvereinbar, wenn einzelne Kandidaten, indem sie einen Verwaltungsgerichtsprozess anstrengen, die Chance einer vom Vergleichsrahmen unabhängigen Bewertung erhielten. Aus diesem Grunde muss den Prüfungsbehörden bei prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum verbleiben und die gerichtliche Kontrolle insoweit eingeschränkt werden (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34). Prüfer müssen bei ihrem wertenden Urteil von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe ihrer Examenspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben und allgemein anwenden. Auch die Bestehensgrenze lässt sich nicht starr und ohne den Blick auf durchschnittliche Ergebnisse bestimmen. Prüfungsnoten dürfen daher nicht isoliert gesehen werden, sondern sie sind in einem Bezugssystem zu finden, das durch die persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beeinflusst wird (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Der prüfungsspezifische Beurteilungsspielraum erstreckt sich insbesondere auf die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabe, die Gewichtung einzelner Prüfungsteile sowie der Schwere eines Mangels, die Würdigung der Darstellungsqualität und der Überzeugungskraft der Argumente, die Gewichtung der Stärken und Schwächen der Bearbeitung sowie den Gesamteindruck der Leistung und die abschließende Notengebung (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.1997 – 6 C 11.96 – BVerwGE 105, 328; B.v. 13.5.2004 – 6 B 25.04 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 406; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 635). Auch die Einschätzung, ob eine Leistung hinsichtlich einer entsprechend determinierten Notenstufe als „brauchbar“ zu bewerten ist, ist den Prüfern vorbehalten (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.1997 – 6 C 11.96 – BVerwGE 105, 328). Es ist beispielsweise auch nicht zu beanstanden, wenn ein Prüfer im Ergebnis zutreffende Antworten nur eingeschränkt bewertet, weil eine ausreichende Begründung fehlt, die sich mit den gestellten Problemen auseinandersetzt, oder weil erst nach umfangreichen Hilfestellungen der Weg zur richtigen Lösung gefunden wird. Ebenso begründet es keinen Bewertungsfehler, wenn ein Prüfer der Klarheit und Systematik einer Darstellung sowie der Vollständigkeit und Prägnanz einer Begründung richtiger Lösungen wesentliches Gewicht beimisst (vgl. VG Regensburg, U. v. 18.4.2019 – RO 5 K 18.370 – Rn. 23, juris).
Der Bewertungsspielraum im Prüfungsverfahren, der der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist, wird schließlich nicht durch den Umstand eingeschränkt, dass von der Bewertung das endgültige Bestehen oder Nichtbestehen der Prüfung abhängt. In dem Bereich des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraumes haben die Gerichte grundsätzlich nur zu überprüfen, ob die objektiven Grenzen des Prüferspielraumes überschritten wurden. Dies ist der Fall, wenn die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen, sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder bei offenen Rechtsfragen eine vertretbare und folgerichtig begründete Lösung als falsch werten (vgl. BVerwG, U. v. 12.11.1997 – 6 C 11.96 – BVerwGE 105, 328; B.v. 13.5.2004 – 6 B 25.04 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 406; BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34).
Gemessen an diesen Grundsätzen sind weder aus den Erstkorrekturen noch anhand der Nachkorrekturen durchgreifende Mängel im Prüfungsverfahren ersichtlich.
Insbesondere stellt es keinen formellen Verstoß dar, wenn Korrekturen durch lediglich einen Prüfer vorgenommen werden. Dieses Vorgehen des Beklagten entspricht der für den Kläger geltenden Regelungslage. Lediglich für die abschließende Justizfachwirtprüfung sieht die ZAPO-JFW in § 29 Abs. 1 eine selbständige Bewertung schriftlicher Prüfungsarbeiten durch je zwei Prüfer vor. Für die vorangehenden Ausbildungsabschnitte existiert eine solche Regelung nicht (vgl. hierzu auch die insoweit identische Regelung in § 35 Abs. 1 Satz 1 ZAPO-J).
Vor diesem Hintergrund begegnen auch die Feststellungen der jeweiligen Korrektoren zu den Nachkorrekturanträgen des Klägers keinen durchgreifenden Bedenken. Sie lassen vielmehr erkennen, dass hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens bei keiner der fünf nichtbestandenen Klausuren ein Zweifelsfall vorgelegen hat, und legen nachvollziehbar und unter individueller Berücksichtigung der jeweiligen Nachkorrekturanträge dar, aus welchen objektiven Gründen die jeweiligen Klausuren als nicht bestanden zu bewerten waren.
Mit Datum vom 19.04.2018 äußert sich der Korrektor über zwei Seiten hinweg unter Aufgliederung in allgemeine Anmerkungen einerseits und Ergebnis der Nachkorrektur zu den einzelnen Aufgaben andererseits. Dabei nennt er exemplarisch einzelne Fehler, gibt eine zusammenfassende Gesamtbewertung und erwähnt abschließend ausdrücklich, dass es auch unter dem Blickwinkel einer erneuten Korrektur eindeutig eine mangelhafte Leistung bleibe.
Unter dem 13.04.2018 erfolgte im Rahmen der Nachkorrektur der Klausur „Verfahren in Grundbuchsachen“ über vier Seiten eine ausführliche Besprechung der einzelnen Aufgaben. Nach dem jeweiligen Wiederholen der Aufgabenstellung legt der Korrektor dar, inwieweit der Kläger die Aufgaben bearbeitet hat und weshalb er im Rahmen der Korrektur zu welcher Bewertung kommt. Auch dieser kommt in der Überprüfung zu dem abschließenden Ergebnis, dass die Klausur in Anbetracht der lediglich erreichten 37% aller erreichbaren Punkte zwingend mit mangelhaft zu bewerten sei.
Mit Datum vom 07.04.2018 fasst die Korrektorin der Klausur vom 27.04.2017 das Ergebnis ihrer Nachkorrektur damit zusammen, dass bei Frage 3 nicht ein einziger vollständiger Satz geschrieben worden sei und die Fragen 4 und 5 gänzlich unbeantwortet geblieben seien. Daher liege es auf der Hand, dass hier von einer durchschnittlichen Leistung keine Rede mehr sein könne.
Die unter Datum vom 17.04.2018 durch die Erstkorrektorin durchgeführte Nachkorrektur der Klausur in Familienkosten war zwar knapp gehalten, kam aber deutlich unter Darlegung ihrer Vorgehensweise bei der nochmaligen Korrektur zu dem Ergebnis, dass eine Abänderung der Bewertung nicht erfolgen könne.
Die Korrektorin der Klausur im Fachbereich „Handels- und Gesellschaftsrecht“ kam in Form einer stichpunktmäßigen Auflistung der Bearbeitungsqualität zu den einzelnen Aufgaben dem klägerischen Antrag auf Nachkorrektur nach. Sie kommt darin zu dem Fazit, dass in Anbetracht der vielen Defizite eher eine schlechtere Punktenote denkbar gewesen wäre.
Für Korrekturmängel, die im Rahmen des oben dargestellten Maßstabs einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich wären, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
b)
Sämtliche sonstigen Beanstandungen des Klägers, mit denen er die vorangegangenen Ausbildungsbedingungen im weiteren wie im engeren Sinne rügt, sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Der Kläger hatte unter anderem gerügt, dass es wegen einer Sanierung während wesentlicher Ausbildungszeiten zu erheblichem Baulärm gekommen sei, er ohne Alternativen der Unterbringung mit einem Ausbildungskollegen mit konzentrationsbeeinträchtigenden Gewohnheiten in einem Doppelzimmer untergebracht worden sei, während der Ausbildung verwendete PowerPoint-Folien im Nachgang nicht zur Verfügung gestellt worden seien und er Hilfestellung und Tipps zum Lernen von der Akademieleitung erst am 08.06.2017 und damit zu spät und auch nicht konkret genug bekommen habe oder der Unterricht im Schuldrecht mangelhaft gewesen sei.
Ausbildungsmängel führen im Allgemeinen nicht zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung. Nur wenn in besonderen Fällen die Ausbildung nach der Konzeption des betreffenden Bildungs- oder Studiengangs integrierter Bestandteil des Prüfungsvorgangs, insbesondere der Leistungsbewertung, ist, dürfte dies nach Lage der Dinge anders zu beurteilen sein (vgl. BVerwG, B. v. 12.11.1992 – 6 B 36/92 – NVwZ-RR 1993, 188 ff., 188, beck-online).
Selbst wenn einzelne Ausbildungsmängel vorgelegen haben sollten – was nicht substantiiert dargetan wurde -, kann sich der Kläger darauf nicht mehr erfolgreich berufen, weil er seiner Rügeobliegenheit nicht im ausreichenden Umfang nachgekommen ist. Aus dem zwischen dem Prüfling und der prüfenden Stelle bestehenden Rechtsverhältnis ergibt sich auf Basis des auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)) eine Mitwirkungsobliegenheit des Prüflings, die auch die rechtzeitige Geltendmachung von Mängeln des Prüfungsverfahrens beinhaltet. Verfahrensmängel auch im Hinblick auf die mangelhafte Gestaltung der Ausbildung sind daher unverzüglich geltend zu machen, wenn hieraus rechtliche Konsequenzen seitens des Prüflings gezogen werden sollen, da er ansonsten bei Zuwarten des weiteren Prüfungsverlaufs und späterer Berufung auf die Mängel widersprüchlich handeln würde (VG Berlin, U. v. 28.8.2020 – VG 12 K 529.17, BeckRS 2020, 34524 Rn. 41, beck-online).
Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht für Fälle wie dem streitgegenständlichen entschieden, dass auch dann, wenn von Klägerseite vorgetragen wird, er habe die geltend gemachten Mängel in der Ausbildung in zahlreichen Gesprächen mit seinen Ausbildern gerügt, dies nicht zur Beachtung der geltend gemachten Mängel im Zuge der Rechtmäßigkeitskontrolle des Prüfungsverfahrens an sich führt. Vielmehr wäre der Kläger gehalten gewesen, die Prüfung ausdrücklich unter dem Vorbehalt abzulegen, dass er seine rechtzeitig vorgebrachten Einwendungen dem Prüfungsergebnis gegebenenfalls als Rechtsmangel entgegenhalten werde. Darauf, ob er die Mängel vorher, d.h. während seiner Ausbildung, gegenüber seinen Vorgesetzten und Ausbildern gerügt hat, kommt es somit nicht an, sondern allein darauf, ob er die Ausbildungsmängel in unmittelbarem Zusammenhang mit der Prüfung gerügt hat (BVerwG, B. v. 12.11.1992, a.a.O., S. 189). Dafür ist vorliegend jedoch nichts ersichtlich.
Aus der Natur des Prüfungsrechts ergibt sich, dass nur Mängel des Prüfungsverfahrens bzw. der Bewertung der Prüfungsleistungen geltend gemacht werden können. Derartige Mängel müssen vom Prüfling, nachdem er von ihnen Kenntnis erlangt hat, unverzüglich gerügt werden, damit die Prüfungskommission die Möglichkeit erhält, im Interesse des Prüflings etwaige Fehler zu korrigieren. Darüber hinaus muss der Prüfling zu erkennen geben, dass aus seiner Sicht dieser Mangel ihn in seinen Prüfungsleistungen erheblich und in einer Weise beeinträchtigt, dass er deshalb gegebenenfalls die Prüfung anfechten werde. Diese Voraussetzungen sind bei Beanstandungen, die allein während der Ausbildung erhoben werden, nicht erfüllt. Es ist dem Prüfling auch zuzumuten, diesen Vorbehalt vor Ablegung der Prüfung geltend zu machen und nicht erst das Ergebnis der Prüfung abzuwarten. Ergibt sich aufgrund der Beanstandung, dass der Prüfling durch den Mangel erheblich in seinen Prüfungsleistungen benachteiligt werden kann, muss die Kommission diesen Fehler korrigieren. Geschieht dies nicht, hat der Betroffene die Möglichkeit der gerichtlichen Nachprüfung und gegebenenfalls der Aufhebung der Prüfungsentscheidung wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Chancengleichheit (BVerwG, a.a.O.). Dass der Kläger derartige Vorbehalte unmittelbar vor Beginn der Klausurbearbeitungen geltend gemacht hätte, ist jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
c)
Aufgrund dessen sind auch die von der Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellten Beweisanträge abzulehnen. Sie hatte beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass die Unterbringung des Klägers im fachtheoretischen Lehrgang B nur in einem Doppelzimmer gemeinsam mit einem anderen Anwärter möglich war und dass der Kläger der Zeugin gegenüber mehrfach Mängel in der Ausbildung gerügt hat, die Zeugin … Z. einzuvernehmen. Darüber hinaus beantragte sie, zum Beweis der Tatsache, dass ab Mitte April 2016 aufgrund von Sanierungsarbeiten an dem Gebäude auch in den Unterrichtsräumen Baulärm vernehmbar war, die Einvernahme des Zeugen … S. Es ist bereits zweifelhaft, inwieweit die genannte Zeugin zu den aufgeworfenen Fragen überhaupt hätte Stellung nehmen können. Denn es handelt sich bei der Zeugin … Z.nach Auskunft der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung um eine Verwaltungsmitarbeiterin, die lediglich für die Zimmerbelegung zuständig ist und die somit naturgemäß nicht für den Themenbereich „Ausbildungsinhalte“ zuständig ist.
Darauf kommt es jedoch nicht an. Sowohl die Frage des Baulärms, der im Übrigen von der Beklagtenseite auch nicht in Abrede gestellt wurde und der alle Anwärter – von denen ja der weit überwiegende Teil den fachtheoretischen Lehrgang B erfolgreich absolviert hat – gleichermaßen beeinträchtigt hatte, als auch die Frage der Unterbringung und der geltend gemachten Rügen von Ausbildungsmängeln betreffen sämtliche Fragen im Vorfeld des streitgegenständlichen Prüfungsgeschehens und sind damit – wie soeben dargelegt – für den streitgegenständlichen Fall nicht von Belang.
Damit ist die angefochtene Entlassungsverfügung rechtmäßig und der Kläger war gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG i.V.m. Art. 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BayBG zum Ablauf des 31.12.2017 wirksam entlassen.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht.


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