Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines afghanischen Flüchtlings paschtunischer Volkszugehörigkeit

Aktenzeichen  Au 5 K 17.31406

Datum:
16.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16491
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 16a
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7
AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 26a
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Grundsätzlich ist Kabul im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als Fluchtalternative geeignet. (Rn. 37 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Lage in Afghanistan führt gesamtbetrachtend nicht dazu, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung der EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz oder ein nationales Abschiebungsverbot anzunehmen wäre. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
3. Anforderungen an die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots. (Rn. 63 – 64) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung form- und fristgerecht geladen worden.
Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter, auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Es ist dem Kläger weder der subsidiäre Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, noch liegen in seiner Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vor (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 24. Februar 2017 ist auch hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang auf die Gründe des angefochtenen Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt.
1. Einer Asylanerkennung des Klägers im Sinne von Art. 16a Grundgesetz (GG) steht bereits die ausschließlich auf dem Landweg erfolgte Einreise des Klägers über einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) entgegen. Nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen. § 26a Abs. 1 Satz 2 AsylG schließt insoweit eine Anerkennung als Asylberechtigter aus. Auf den genauen Einreiseweg des Klägers kommt es demnach nicht mehr an.
2. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen im Fall des Klägers nicht vor.
a) Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3 c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3 c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3 c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3 e Abs. 1 AsylG).
Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag aufgrund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Gemessen an diesen Maßstäben konnte der Kläger eine individuelle Verfolgung nicht glaubhaft machen. Eine asylrechtlich relevante Vorverfolgung i.S.d. §§ 3, 3 b AsylG ist für den Kläger nicht festzustellen. Der Kläger hat sowohl in seiner Anhörung beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2018 im Wesentlichen auf eine Bedrohung seiner Familie seitens der Taliban im Heimatort * verwiesen. Sein Vater, der Musiker gewesen sei, sei von den Taliban geschlagen worden. Sein Vater sei auch einmal entführt worden. Mit Hilfe seines Onkels, der Polizeichef im Heimatdorf gewesen sei, habe der Vater aus den Händen der Taliban befreit werden können. Sein Onkel sei daraufhin umgebracht worden. Für die gesamte Familie habe eine Bedrohungssituation seitens der Taliban bestanden. Dies zugrunde gelegt und für glaubwürdig erachtet, knüpft der Vortrag des Klägers jedoch nicht an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal i.S.d. §§ 3, 3b AsylG an. Bei der vom Kläger geschilderten Entführung seines Vaters und der anschließenden Ermordung seines Onkels handelt es sich um kriminelles Unrecht, das flüchtlingsrechtlich ohne Relevanz bleibt. Eine Vorverfolgung des Klägers anknüpfend an eine in § 3b AsylG genanntes Merkmal ist nicht feststellbar. In Bezug auf das seinen Familienangehörigen widerfahrene Unrecht ist der Kläger auf die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes zu verweisen. Im Übrigen erachtet das Gericht den Vortrag des Klägers allenfalls als lokal begrenzt. Eine landesweite Furcht vor Verfolgung für den Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan lässt sich hieraus nicht ableiten.
b) Des Weiteren ist der Kläger selbst bei Annahme einer asylerheblichen Verfolgung auf eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verweisen (§ 3e AsylG). Demzufolge wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn ihm in einem Teil seines Herkunftslandes keine Verfolgung droht und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Die Beurteilung des Vorliegens einer solchen Fluchtalternative erfordert stets eine Einzelfallprüfung (BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 13a ZB 13.30185 – juris Rn. 5). Es ist jeweils die konkrete Situation des Klägers und der Grad seiner Vorverfolgung in Blick zu nehmen.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Kläger Fluchtmöglichkeiten innerhalb Afghanistans besitzt. Der Kläger ist darauf zu verweisen, sich in einem anderen Landesteil Afghanistans, beispielsweise erneut in * oder in einer anderen Großstadt niederzulassen. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger in Kabul oder beispielsweise in Herat in der Anonymität der Stadt Schutz suchen kann. Selbst wenn für den Kläger eine Verfolgungssituation bei einer Rückkehr nach Herat drohen sollte, ist dem Kläger eine Umsiedlung nach Kabul zumutbar.
Das Gericht ist weiter der Überzeugung, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan jedenfalls in Kabul keiner Verfolgung ausgesetzt wäre und Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative noch geeignet und zumutbar ist, so dass erwartet werden kann, dass er sich dort vernünftigerweise niederlässt.
Grundsätzlich ist Kabul im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als Fluchtalternative geeignet. Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, ist weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 – Rn. 9; BayVGH, B.v. 28.3.2017 –13a ZB 17.30212 – Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 13a ZB 17.30314 – Rn. 6 ff.): Auch aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes und weiteren Quellen ergibt sich nicht, dass sich die Sicherheitslage in Kabul im Vergleich zur Einschätzung in den vorangegangenen Lageberichten wesentlich verschlechtert hätte (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 19.10.2016, S. 4 mit Verweis auf UNAMA-Daten, S. 17 f.). Die Hauptgefährdung der afghanischen Zivilbevölkerung geht demnach von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus, die sich der Kontrolle der Zentralregierung entziehen und häufig ihre Macht missbrauchen. Neben medienwirksamen Anschlägen auf militärische wie zivile internationale Akteure wurden vermehrt Anschläge auf afghanische Sicherheitskräfte verübt mit gestiegenen Opferzahlen insbesondere unter Armeeangehörigen (ebenda S. 17). Die im Vergleich zum Jahr 2015 um etwa 4% gestiegenen Opferzahlen der Zivilbevölkerung von 1.601 toten und 3.565 verletzten Zivilisten resultieren vor allem aus improvisierten Sprengsätzen (ebenda S. 17). Angriffe auf Kindergärten und Schulen fanden landesweit mit Schwerpunkt im Süden und Osten des Landes statt (ebenda S. 18).
An aktuellen Daten listet die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) in ihrem Jahresbericht für 2016 (UNAMA, Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report 2016 vom Februar 2017, https://unama.unmissions.org/protection-of-civilians-reports, S. 3) im Jahr 2016 weiter gestiegene Opferzahlen auf: Es handele sich um insgesamt 11.418 zivile Opfer, darunter 3.498 getötete und 7.920 verletzte Zivilisten. Seit dem Jahr 2009 habe der innerafghanische Konflikt zu 24.841 getöteten und 45.347 verletzten Zivilisten geführt. Der Anstieg der Opferzahlen im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr sei wesentlich auf Bodenkämpfe, danach auf improvisierte Sprengsätze und schließlich auf Selbstmordattentate sowie komplexe Anschläge zurückzuführen (ebenda S. 3). Die höchsten Opferzahlen seien im Süden und in der Zentralregion festzustellen; insbesondere ein Anstieg in der Stadt Kabul um 34% im Vergleich zum Jahr 2015 auf 2.348 zivile Opfer, darunter 534 getötete und 1.814 verletzte Zivilsten (ebenda S. 4). Hingegen seien die Opferzahlen in den nordöstlichen und östlichen Gebieten etwas zurückgegangen (ebenda S. 4 f.). Für 61% der Opfer seien regierungsfeindliche Gruppen verantwortlich; im Wesentlichen durch improvisierte Sprengsätze (ebenda S. 7); allerdings in steigendem Umfang auch durch Selbstmord- und komplexe Attentate (ebenda S. 8). Friedensgespräche mit den Taliban seien bislang erfolglos geblieben; das Friedensabkommen mit Hisb-e-Islami und Gulbuddin Hekmatjar enthalte eine weitgehende Amnestie und Schutz vor Strafverfolgung für von diesen begangene Kriegs- und andere Verbrechen (ebenda S. 11). Den Anstieg bestätigt insofern auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19.6.2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, S. 2, https://www.fluechtlingshilfe. ch/assets/her kunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/afghanistan/170619-afg-sicherheitslagekabul.pdf), wonach die Provinz Kabul im Jahr 2016 unter allen afghanischen Provinzen die meisten zivilen Toten und Verletzten zu verzeichnen gehabt habe (ebenda S. 2).
Für das erste Halbjahr 2017 listet die UNAMA in ihrem Halbjahresbericht für 2017 (UNAMA, Midyear Report vom Juli 2017, S. 3 ff., https://unama.unmissions.org/ sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_midyear_report_2017_july_2017.pdf) folgende, dem Vorjahr vergleichbar eingestufte Opferzahlen auf: Es handele sich um insgesamt 5.243 zivile Opfer, darunter 1.662 getötete und 3.581 verletzte Zivilisten mit einem Rückgang um 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 19% aller zivilen Opfer seien auf Selbstmordattentate sowie komplexe Anschläge in Kabul zurückzuführen (ebenda S. 3). Die Mehrheit der Opfer sei durch willkürlichen und gesetzwidrigen Gebrauch von improvisierten Sprengsätzen und Minen seitens der regierungsfeindlichen Gruppen verursacht worden. Die Opferzahlen seien wesentlich auf improvisierte Sprengsätze und Selbstmordattentate sowie komplexe Anschläge zurückzuführen. Das Selbstmordattentat vom 31. Mai 2017 in Kabul habe 92 zivile tote und 491 zivile Verletzte gefordert und sei der tödlichste Angriff nach den Aufzeichnungen der UNAMA seit dem Jahr 2011 (ebenda S. 4; ähnlich SFH a.a.O., S. 3 f.). Neben den improvisierten Sprengsätzen seien Bodenkämpfe die nächst folgende Ursache für zivile Opfer mit einem Rückgang um 10% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dies sei möglicherweise auch durch weniger bewegliche Frontlinien und darauf reagierende Ausweichbewegungen der Zivilbevölkerung aus hart umkämpften Gebieten verursacht (ebenda S. 4). Die Zahl weiblicher Opfer sei gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 23% gestiegen, jene der Kinder um 1% (ebenda S. 5). Die höchsten Opferzahlen auf Grund von Selbstmordattentaten sowie komplexen Anschlägen seien in der Provinz Kabul wegen der Anschläge in der Stadt Kabul zu verzeichnen (1.048 zivile Opfer, darunter 219 getötete und 829 verletzte Zivilisten), gefolgt von den Provinzen Helmand, Kandahar, Nangarhar und Uruzgan usw. (ebenda S. 5). In 15 von 34 afghanischen Provinzen seien die Opferzahlen durch Angriffe regierungsfeindlicher Gruppen gestiegen (ebenda S. 5). Diese Datenlage zeigt also einerseits etwa gleichbleibende gesamte Opferzahlen, allerdings einen Anstieg der zivilen Opferzahlen und eine relative Verschlechterung der Sicherheitslage in Stadt und Provinz Kabul durch die Zunahme gezielter Anschläge (vgl. UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016).
Allerdings hat die Zunahme von Anschlägen nach Überzeugung des Gerichts nicht zu einer solchen Verschlechterung der Sicherheitslage in der Zentralregion und in Kabul geführt, dass vernünftigerweise nicht mehr erwartet werden könnte, dass ein Rückkehrer sich dort niederlässt. Die allgemeine Gefährdungslage dort erreicht weder eine Intensität, dass ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nach den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an einen solchen Konflikt (vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2016 – 13a ZB 16.30090 – Rn. 10 m.w.N.; BayVGH, B.v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 – Rn. 11) angenommen werden könnte. Ausgehend von einer Opferzahl von rund 11.500 zivilen Opfern im Jahr 2016 und einer Bevölkerungszahl in Afghanistan von mindestens 27 Mio. Menschen ist das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, noch weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 – Rn. 9; BayVGH, B.v. 28.3.2017 –13a ZB 17.30212 – Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 13a ZB 17.30314 – Rn. 6 ff.: Wahrscheinlichkeit weit unter 1:800) und besteht auch keine extreme Gefahrenlage (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 13a ZB 17.30314 – Rn. 5 ff.).
Dies gilt auch für die Stadt Kabul mit einer von UNAMA mitgeteilten Opferzahl von 1.048 zivile Opfern bei einer Einwohnerzahl in der Stadt Kabul von geschätzt 4,5 Mio. Menschen (vgl. Auswärtiges Amt, Länderinformationen Afghanistan, Schätzung 2011, www.ausaertiges-amt.de, Abruf vom 7.6.2017). Soweit Organisationen wie UNHCR und Pro Asyl sowie Presseberichte auf die Zunahme von Anschlägen in Kabul verweisen (vgl. UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016), folgen sie eigenen Maßstäben, nicht jenen der o.g. Rechtsprechung. Dass die Opferzahlen – bei anderer Zählweise – höher liegen können, wie teils eingewandt wird (vgl. Stahlmann, Asylmagazin 2017, 82 mit Fn. 2), ändert diese Bewertung nicht, denn die von UNAMA mitgeteilten Daten sind methodisch nachvollziehbar ermittelt und auch deswegen belastbar, da sie von einer von der internationalen Staatengemeinschaft getragenen Organisation stammen. Dass die Methodik der UNAMA überholt wäre, die Informationen an offen erkennbaren inhaltlichen Defiziten litten, insbesondere an entscheidungserheblichen unzutreffenden Tatsachenannahmen, unlösbaren Widersprüchen, sich aus den Stellungnahmen ergebenden Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit oder eines speziellen, hier nicht vorhandenen Fachwissens bedürften (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2015 – 7 C 15.13 – NVwZ 2016, 308/312 Rn. 47 m.w.N.), ist weder ersichtlich noch substantiiert gerügt. Im Gegenteil liegen für Afghanistan mangels Einwohnermeldewesens auch für die Bevölkerungszahlen nur Schätzungen vor (dies räumt auch Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73/74 ein), so dass jede Datenerhebung schon deswegen an tatsächliche Grenzen stößt. Dass und weshalb andere Auskunftsquellen methodisch belastbarere Primärdaten hätten, ist nicht ersichtlich, so dass die Daten von UNAMA weiterhin zu Grunde gelegt werden.
Auch der Ende Mai 2017 in der Nähe der Deutschen Botschaft verübte Selbstmordanschlag, der offenbar den ausländischen Vertretungen und ihren Helfern gegolten hat, führt zu keiner abweichenden Bewertung. Ausländische Institutionen und ihre afghanischen Helfer sind wie bisher Ziel gezielter Anschläge. Trotz der hohen Opferzahl sind die von der Rechtsprechung an die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit von Schaden an Leib oder Leben gestellten Anforderungen nicht erfüllt (vgl. nur BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 13a ZB 17.30314 – Rn. 7 m.w.N.). Daher erreicht die allgemeine Gefährdungslage in Kabul keine Intensität, dass Kabul im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als Fluchtalternative nicht mehr geeignet wäre (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 – Rn. 9; BayVGH, B.v. 28.3.2017 –13a ZB 17.30212 – Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 13a ZB 17.30314 – Rn. 6 ff.). Daran wird auch im vorliegenden Fall festgehalten. Nichts anderes ergibt sich aus der zwischenzeitlich vorliegenden Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes vom 28. Juli 2017 für die Situation nach dem Anschlag vom 31. Mai 2017.
Dem Kläger ist Kabul auch wirtschaftlich zumutbar. Ihm droht erst recht keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Kabul (dazu sogleich). Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in Kabul sicherstellen kann (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 14.1.2015 – 13a ZB 14.30410 – juris Rn. 5). Auch wenn hierfür mehr zu fordern ist als ein kümmerliches Einkommen zur Finanzierung eines Lebens am Rande des Existenzminimums (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 20), ist doch vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger sich in Kabul aufhält und seinen Lebensunterhalt dort sicherstellt. Es ist zu erwarten, dass der Kläger als gesunder Mann auch ohne nennenswertes Vermögen oder familiäre bzw. sonstige Kontakte seinen Lebensunterhalt in Kabul sicherstellen kann (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2018 – 13a ZB 17.31611 – Rn. 6 m.w.N.; VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 470 ff.; VGH BW, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris Rn. 345 ff.).
Es ist zu erwarten, dass der Kläger als nach eigenen Angaben 19-jähriger Mann auch ohne nennenswertes Vermögen oder familiäre bzw. sonstige Kontakte nach Kabul seinen Lebensunterhalt dort sicherstellen kann. Überdies kann der Kläger einen fünf- bzw. siebenjährigen Schulbesuch in Afghanistan vorweisen. Er hat sein bisheriges Leben ausschließlich in Afghanistan verbracht. Er ist einer der Landessprachen (Paschtu) mächtig. Der Kläger hat bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt die finanzielle Situation der Familie als gut bezeichnet. Hinzu kommt, dass der Kläger bereits über erste berufliche Erfahrungen verfügt. So hat er geltend gemacht, dass er bereits in der Landwirtschaft tätig gewesen sei und eigene Verdienste erzielt habe. All diese Umstände lassen erwarten, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt bei einer Rückkehr in sein Heimatland erneut sicherstellen kann.
Zwar wird darauf verwiesen, der Zugang zu Wohnung und Arbeit hänge maßgeblich von Netzwerken vor Ort ab (vgl. Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73/76 f., 78), allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die große Zahl aus den Nachbarstaaten zurückkehrender Afghanen über solche verfügt (Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73/75 spricht von über 1 Mio. Rückkehrern allein im Jahr 2016; bestätigt durch Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 31.5.2018 – im Folgenden: Lagebericht, S. 20, 24 unter Verweis auf UNHCR: etwa 670.000 Binnenvertriebene im Jahr 2016 und 450.000 im Jahr 2017 sowie bisher 54.000 im Jahr 2018; hohe Anforderungen an funktionsfähige Netzwerke stellt Stahlmann, Gutachten vom 28.3.2018 an das VG Wiesbaden, S. 192 ff.). Etwa 610.000 Afghanen sind im Jahr 2017 aus Iran und Pakistan zurückgekehrt (Lagebericht, S. 28 unter Verweis auf UNHCR und IOM). Die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen wurde für Ende 2017 auf etwa 2 Mio. Personen geschätzt (Amnesty International, Zurück in die Gefahr 2017, S. 12; dazu auch Amnesty International – AI, Auskunft an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018, S. 45); in der Provinz Kabul seien nach Daten von IOM über 437.000 Personen entsprechend 9% der Bevölkerung Vertriebene oder Auslandsrückkehrer, wovon 5.425 Personen entweder in Zelten oder unter freiem Himmel lebten (EASO Country of Origin Information Report, Afghanistan, Security Situation, Update Mai 2018, S. 32). Insgesamt leben rund 6.5 Mio. Afghanen außer Landes, etwa 18,4% der Gesamtbevölkerung (BT-Drs. 19/1120, S. 14). Durch diese Auflösung überkommener Strukturen besteht die soziale Notwendigkeit, neue und von gewachsenen Strukturen unabhängige Netzwerke unter den Rückkehrern zu bilden oder ohne solche zu leben (vgl. VGH BW, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris Rn. 346 ff.
In diesem Sinne werden dauerhafte familien- und stammesbasierte Netzwerken einerseits und sich dynamisch wandelnde sektorspezifische Netzwerke beispielsweise in der Wirtschaft andererseits (sog. quam) unterschieden (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 10, 18 f.). Traditionelle Netzwerke haben durch Landflucht und Verstädterung sowie die Folgen des Krieges an Wirksamkeit abgenommen. Gleichwohl ist es zuerst die erweiterte generationenübergreifende Familie vorrangig väterlicherseits, welche die Existenz des Einzelnen sichert und umgekehrt seine Arbeitskraft für die Gruppe beansprucht und wesentlich auf der Blutsbeziehung beruht, während andere Netzwerke auf persönlichen Beziehungen der Beteiligten untereinander beruhen (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 12 f., 14). Selbst durch Auslandsaufenthalte abgeschwächte Familienbande lassen sich durch Rückkehrer wieder stärken; je länger ein Afghane allerdings im Ausland gelebt hat, desto schwieriger ist die Wiederaufnahme solcher Beziehungen (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 13 f.). Die Familiengruppe (Clan) ist die erweiterte Großfamilie, der Stamm die durch gemeinsame Vorfahren gebildete Großgruppe, deren Bedeutung in der paschtunischen Volksgruppe am deutlichsten ausgeprägt ist und sich in der privaten Aufnahme Hunderttausender Paschtunen aus Pakistan durch Paschtunen in Afghanistan während einer pakistanischen Militäroffensive in den dortigen westlichen Stammesgebieten zeigte (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 15 f.). Nicht familienbasierte Netzwerke (quam), z.B. aus gemeinsamer Zeit in demselben Beruf, an derselben Universität oder auch in demselben Flüchtlingslager können ebenfalls Unterstützung sichern, die umso größer ist, je enger das Vertrauensverhältnis der Personen untereinander ist (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 17). Wanderung insbesondere junger Männer zur Arbeitsaufnahme und Unterstützung des Familienverbandes ist Afghanen keineswegs fremd, sondern charakteristisch für eine weitverbreitete Strategie zur Unterstützung Einzelner und der Gruppe (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 19). Einen minderjährigen Familienangehörigen in die Fremde, gar nach Europa zu schicken, ist eine Entscheidung der gesamten Familie und ohne deren Billigung und Unterstützung auch nicht möglich; sie erhofft sich dadurch finanzielle Unterstützung und eine personenbezogene Verankerung in der Ferne des Westens mit der Möglichkeit, die restliche Familie nachzuholen, zumal Afghanen mit den Asylumständen in Europa vertraut sind und für Minderjährige ein leichter erlangbares Bleiberecht erhoffen (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 20 f.). Im Jahr 2017 überwiesen Afghanen aus dem Ausland 479 Mio. USD in ihre Heimat – für viele Familie eine wichtige Einkommensquelle (BT-Drs. 19/1120, S. 15). Erfahrungsgemäß halten Afghanen im Ausland – auch in Europa – enge Verbindung zu ihrer Großfamilie, selbst wenn ihnen (und besonders Minderjährigen) geraten wird, in Asylverfahren deren Existenz zu verneinen (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 23). Die tatsächlich enge Verbindung zeigt sich sowohl im Heiratsverhalten von Auslandsafghanen innerhalb der eigenen ethnischen Gruppe bis hin zu Familiennachzügen aus Afghanistan einerseits sowie in den enormen finanziellen Rückflüssen aus dem Westen nach Afghanistan, die nach (wegen des informellen hawala-Systems nur) Schätzungen der Weltbank von rund 85. Mio. USD im Jahr 2008 auf rund 300 Mio. USD im Jahr 2015 angestiegen sind (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 24, zu hawala ebenda S. 31; die Bedeutung der Geldüberweisungen erkennt auch Stahlmann, Gutachten vom 28.3.2018 an das VG Wiesbaden, S. 197, an). Der Kontakt wird vorwiegend über Mobiltelefone gehalten, von denen mindestens die Hälfte der Großfamilien über eines verfügt bei rund 25 Mio. Anschlussnehmern und fünf großen Netzanbietern in Afghanistan, zunehmend über Internet (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 25 f.; dies räumt Stahlmann, Gutachten vom 28.3.2018 an das VG Wiesbaden, S. 192, ein).
Letztlich kommt es auf die individuelle Rückkehrsituation für alleinstehende leistungsfähige Männer bzw. für verheiratete Paare im berufsfähigen Alter an (vgl. BayVGH, B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris Rn. 15) bezogen auf Unterkunft und Arbeit. Insofern bemerkenswert ist, dass die Volksgruppen in Kabul an ethnisch getrennten Wohnformen nicht mehr festhalten (können): So sind in Kabul fast alle Volksgruppen vertreten, insbesondere Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Baluchen, Sikh und Hindu, ohne dass eine Volksgruppe unter ihnen deutlich vorherrscht. Auch wenn die Angehörigen der Volksgruppen zu einer Ansiedlung bei ihren Familien oder im Kreis ihrer Volksgruppe neigen (Nutzung von quam, EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 17), haben sich doch auch Volksgruppenübergreifende Nachbarschaften gebildet (EASO Country of Origin Information Report, Afghanistan, Key socio-economic indicators etc., August 2017, S. 17, 68 a.E., coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO _COI_Afghanistan IPA_August 2017.pdf; die ethischen „Dörfer in der Stadt“ betont EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, a.a.O. S. 11).
Die Kernherausforderung ist, trotz der geschätzten Arbeitslosenrate von 40% eine Beschäftigung zu finden, wobei die Beschäftigungsquote von Frauen in Vollzeit in einem männerdominierten Arbeitsmarkt ohnehin gering ist (in Kabul und Herat ca. 20%, in Mazar-e-Sharif ca. 5%). Etwa 90% der Arbeitsplätze sind nicht dauerhaft und die Arbeitslosenrate unter jungen Menschen (15 – 24 Jahre) deutlich höher als in der übrigen männlichen Bevölkerung (EASO Country of Origin Information Report, Afghanistan, Key socio-economic indicators etc. a.a.O. S. 22; zum Ganzen auch UNHCR, International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 12.3.2018, S. 19). Die Beschäftigung weist hauptsächlich zwei Arten von Arbeitsverhältnissen auf, förmliche Arbeitsstellen in Regierung, Hilfsorganisationen und einem Teil der Wirtschaft mit etwa 20% der Arbeitsverhältnisse in den Städten, sowie unqualifizierte Stellen in den Bazaren, als Tagelöhner im Bausektor (mit sinkendem Anteil in Folge des Rückgangs des internationalen Militärengagements) und in der Landwirtschaft sowie in familiären Netzwerken (ebenda S. 22). Hingegen können trotz der hohen Arbeitslosenrate tausende Stellen für qualifizierte Beschäftigte nicht besetzt werden (ebenda S. 23). Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Rückkehrer hängen insbesondere von Bildung (Sprache, Schrift, Rechenfähigkeit) und Erfahrung ab, wobei Rückkehrer u.a. ihre Migrationserfahrung je nach Einzelfall für sich einsetzen können (ebenda S. 24; auch EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 27 f.). Der durch den Rückzug der internationalen Truppen ausgelöste Rückgang der Wirtschaftsentwicklung hat sich nunmehr etwas stabilisiert (BT-Drs. 19/1120, S. 3 f.), was sich auch auf den Arbeitsmarkt auswirkt.
In der Provinz Kabul hängen die meisten Beschäftigungsverhältnisse noch direkt oder indirekt von der Landwirtschaft ab, auch hier hat sich die Perspektive einer Beschäftigung trotz im Landesvergleich besserer Aussichten durch die verschlechterte Sicherheitslage und den Rückgang des international militärischen Engagements verschlechtert (EASO Country of Origin Information Report, Afghanistan, Key socio-economic indicators etc. a.a.O. S. 28). Für Rückkehrer ist auch für ihren Zugang zu grundlegenden Rechten, förmlicher Beschäftigung und Unterkunft der Besitz von Identitätspapieren entscheidend (ebenda S. 40 f.). In der Zusammenfassung sind die Schwierigkeiten für Rückkehrer umso größer, je geringer ihre Arbeitsfähigkeit, ihre Bildung oder Vertrautheit mit den Lebensverhältnissen in Kabul ist (ebenda S. 103; ähnlich Amnesty International – AI, Auskunft an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018, S. 15, 44, 55 f.), wobei familiäre Netzwerke solche Defizite eher auffangen können (Lagebericht, S. 28; EASO ebenda S. 65 f.) und die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe den Zugang zu einer Arbeit zwar nicht allein ermöglicht, aber erleichtern und Vorurteile gegenüber Rückkehrern mindern kann (ebenda S. 68; zum Ganzen auch Asylos, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 29 ff., 42 ff.; Amnesty International, Zurück in die Gefahr 2017, S. 20, 24, 32; auch EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 27 f.; Amnesty International – AI, Auskunft an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018, S. 50 ff., 65, 69 f.).
Soweit geltend gemacht wird, abgeschobene Afghanen würden als Straftäter, Gefährder oder Apostaten stigmatisiert und erhielten deswegen keinen Zugang zu Netzwerken (vgl. Amnesty International – AI, Auskunft an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018, S. 65; AI, Auskunft vom 8.1.2018 an das VG Leipzig, S. 11 ff.; bloßes Misstrauen gegenüber Rückkehrern aus Europa bestätigt der Lagebericht, S. 28 a.E.), ist darauf hinzuweisen, dass Ausreisepflichtige dem behaupteten Stigma durch eine freiwillige Erfüllung ihrer Ausreisepflicht entgehen können und zudem nach den in Afghanistan vorherrschenden Rechtsschulen ein vom Islam Abgefallener zur Reue aufgefordert werden muss und Gelegenheit zum Widerruf des Glaubenswechsel erhalten muss (vgl. VG Würzburg, U.v. 30.9.2016 – W 1 K 16.31807 – juris Rn. 23 f.). Ein automatischer Ausschluss aus Netzwerken in Afghanistan ist daher nicht zu befürchten, insbesondere wenn der Rückkehrer zuvor erfolgreich die Großfamilie aus dem Ausland unterstützt hat (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 24 f.; den Abbruch der Unterstützung in Folge einer Rückkehr wertet Stahlmann, Gutachten vom 28.3.2018 an das VG Wiesbaden, S. 198, aber als Anlass zur Verweigerung umgekehrter Unterstützung bei einer Rückkehr).
Ebenso wenig erfolgt zwangsläufig eine nähere Überprüfung der Abgeschobenen durch afghanische Sicherheitskräfte. So teilte zwar das Bundesministerium des Innern zur Sammelabschiebung im Dezember 2017 mit, dass der afghanischen Seite bekannt sei, „dass Straftäter, Gefährder (und) Mitwirkungsverweigerer zurückgeführt werden“; außerdem würden „die Namen der Betroffenen übermittelt“. Beamte des Flüchtlingsministeriums in Kabul und der Grenzpolizei hätten allerdings gesagt, sie bekämen diese Informationen nicht. Auf afghanischer Seite gab es nach ersten Erkenntnissen keine besonderen Maßnahmen. „Hier ist niemand der Polizei übergeben worden“, habe der Leiter der Beobachtungsgruppe im Flüchtlingsministerium erläutert (vgl. Süddeutsche Zeitung online vom 7.12.2017, Achter Abschiebeflug erreicht Kabul, www.sueddeutsche.de/news/politik/ migration-achter-abschiebeflug-erreicht-kabul-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-171207-99-177718). Dies bestätigt, dass die Bundesrepublik afghanischen Behörden drei Woche vor dem geplanten Flug die Identitäten der für die Abschiebung vorgesehenen Personen mitteilt und die Daten kurz vor dem Flug aktualisiert (BT-Drs. 19/632, S. 3); Angaben über im Bundesgebiet begangene Straftaten werden nicht übermittelt, nur Hinweise auf zurückgeführte Gefährder (BT-Drs. 19/632, S. 4). Die Bundesregierung hält vorläufig daran fest, nur Straftäter, Gefährder und hartnäckig sich ihrer Identifizierung Verweigernde abzuschieben, im Jahr 2017 insgesamt 121 Personen aus über 250.000 in Deutschland aufhältigen und mehr als 14.000 ausreisepflichtigen Afghanen (BT-Drs. 19/1120, S. 15).
Angesichts der Bevölkerungsfluktuation in Afghanistan durch Rückkehrer auch aus dem benachbarten Ausland kann auf das Vorhandensein von bestehenden Netzwerken gerade nicht maßgeblich abgestellt werden (so aber das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht, U.v. 13.10.2017 – D-5800/2016 – www.bvger.ch, Urteilsabdruck S. 26 f. selbst für junge gesunde Männer; auch Stahlmann, Gutachten vom 28.3.2018 an das VG Wiesbaden, S. 194), weil auch solche Netzwerke keine statischen Gebilde sind und ihre Veränderung bzw. Neubildung nicht ausgeschlossen sondern auch unter Afghanen möglich und zumutbar ist, wie ihre Neubildung auch in Europa zeigt.
3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG. Der Kläger hat nicht glaubhaft machen können, dass ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
a) Es ist nicht zu erwarten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Verhängung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 AsylG) drohen könnten. Der Kläger hat hierzu bereits keine Tatsachen vorgetragen bzw. glaubhaft gemacht. Hierzu ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.
Auch führt die Lage in Afghanistan gesamtbetrachtend nicht dazu, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG oder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2018 – 13a ZB 17.30687 – nicht veröffentlicht; B.v. 11.12.2017 – 13a ZB 17.31374 – juris; B.v. 8.11.2017 – 13a ZB 17.30615 – juris; B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167).
Zudem wäre der Kläger auch insofern auf eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verweisen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3 e Abs. 1 AsylG).
b) Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, wonach von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen ist, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor, weil dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen Situation keine erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt landesweit drohen. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen zur Sicherheitslage in Afghanistan (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 31. Mai 2018 S. 4) erreicht der einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt jedenfalls in Kabul als innerstaatlicher Fluchtalternative kein solches Niveau, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (s. hierzu auch BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 13a ZB 17.30099 – juris; B.v. 17.8.2016 – 13a ZB 16.30090 – juris; B.v. 10.6.2013 – 13a ZB 13.30128 – juris; U.v. 15.3.2013 – 13a B 12.30406 – juris; U.v. 20.1.2012 – 13a B 11.30394 – juris). Individuelle, gefahrerhöhende Umstände, die zu einer Verdichtung der allgemeinen Gefahren im Rahmen eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts in der Person des Klägers führen, sind nicht ersichtlich.
4. Es liegen in der Person des Klägers auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Es ist nach Überzeugung des Gerichts jedoch nicht zu erwarten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe im Sinne des Art. 3 EMRK drohen könnten.
Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine solche Abschiebestoppanordnung besteht für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Das erkennende Gericht vermag ein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen vorliegend nicht zu erkennen, § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben (z.B. Reiseunfähigkeit), von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis kann gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, dass sich eine vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B. v. 17. 8. 2011 – 10 B 13/11 – juris). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (OVG NW, B. v. 30. 12. 2004 – 13 A 1250/04.A – juris Rn. 56). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Es ist nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist. Zudem kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei einer psychischen Erkrankung auch (allein) wegen einer im Herkunftsland zu erwartenden Re-Traumatisierung aufgrund der Konfrontation mit den Ursachen des Traumas ergeben. In diesem Fall sind an sich im Zielstaat vorhandene Behandlungsmöglichkeiten unerheblich, wenn sie für den Betroffenen aus für ihn in der Erkrankung selbst liegenden Gründen, nämlich wegen der Gefahr der Retraumatisierung, nicht erfolgversprechend sind (vgl. NdsOVG, U. v. 12. 9. 2007 – 8 LB 210/05 – juris Rn. 31; B. v. 26. 6. 2007 – 11 LB 398/05 –, juris Rn. 32).
Hinsichtlich der Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG sind die Vorgaben zu den qualitativen Anforderungen an ärztliche Atteste nach § 60a Abs. 2c AufenthG zu berücksichtigen (BayVGH, B. v. 24. 1. 2018 – 10 ZB 18.30105 –, juris Rn. 17; B. v. 9. 11. 2017 – 21 ZB 17.30468 –, juris Rn. 4; OVG NW, B. v. 9.10. 2017 – 13 A 1807/17.A –, juris Rn. 19-28; OVG LSA, B. v. 28. 9. 2017 – 2 L 85/17 –, juris Rn. 5-13). Nach dieser Vorschrift wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Insofern hat der Gesetzgeber im Wesentlichen die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U. v. 11. 9. 2007 – 10 C 8.07 – juris Rn. 15) nachvollzogen, wonach zur Substantiierung eines Vorbringens einer Erkrankung (sowie eines entsprechenden Beweisantrages) regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes gehört. Nach dieser Rechtsprechung muss sich aus dem fachärztlichen Attest nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. BVerwG, U. v. 11. September 2007 – 10 C 8.07 – juris Rn. 15). Vorgelegte Gutachten und die darin enthaltenen Diagnosen müssen demgemäß aussagekräftig und nachvollziehbar sein (VG Bayreuth, B. v. 17. 12. 2015 – B 3 E 15.972 –, juris Rn. 29).
Nach diesen Grundsätzen ist nicht substantiiert dargelegt worden, dass dem Kläger aufgrund einer psychischen Erkrankung bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben in Gestalt einer wesentlichen bzw. lebensbedrohlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht. Dem im Verfahren vorgelegten Attest vom 11. Mai 2018 (Gerichtsakte Bl. 125) und den Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2018 ist zu entnehmen, dass der Kläger nur einen einzigen Termin beim Facharzt wahrgenommen hat. Warum dies erst lange Zeit nach der Einreise erfolgt ist, ist dem Attest nicht zu entnehmen. Auch nach den Erklärungen des Klägers liegen dessen gesundheitliche Probleme eher im Bereich von Schlafstörungen und ausgeprägter Vergesslichkeit. Nach dem Attest lag beim Kläger zum damaligen Zeitpunkt allenfalls eine mittelgradige depressive Episode bei gleichzeitiger Störung der Impulskontrolle vor. Auf welcher Grundlage diese fachliche Einschätzung getroffen wurde, bleibt offen. Auch ist nicht erkennbar, auf welcher Basis die Einschätzung, dass eine Verschlechterung der Symptomatik bei einer Rückkehr nach Afghanistan zu erwarten ist, erfolgt ist. Für das Gericht ist nicht erkennbar, dass der Kläger einer intensiven, engmaschigen psychologischen Betreuung bedürfte. Eine Lebensbedrohlichkeit vermag das Gericht dem vorgelegten Attest nicht zu entnehmen bzw. beim Kläger zu erkennen.
Auch ist das Gericht der Auffassung, dass die allgemeine Gefahr in Afghanistan sich für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet hat, dass eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind nicht erfüllt (vgl. u.a. BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 13a ZB 13.30119 – juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 27.4.2012 – A 11 S 3079/11 – DÖV 2012, 651). Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer reinen quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssten jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Dies setzt voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. Allgemeine Gefahren können nur dann Schutz vor Abschiebung begründen, wenn der Ausländer einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Fall seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwerster Verletzung ausgeliefert würde und diese Gefahren alsbald nach seiner Rückkehr und landesweit drohen würden (BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14/10 – BVerwGE 140, 319 Rn. 23). Eine solche extreme allgemeine Gefahrenlage ergibt sich für den Kläger weder aus seiner Volks- oder Religionszugehörigkeit noch hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan.
In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. u.a. BayVGH, B.v. 23.1.2017 – 13a ZB 17.30044 – juris Rn. 5; B.v. 19.2.2014 – 13a ZB 14.30022 – juris) geht das Gericht davon aus, dass derzeit für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende, männliche, arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige, zu denen auch der Kläger zu rechnen ist, in Afghanistan nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG führt.
Damit droht dem Kläger keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan. Zwar gestaltet sich die allgemeine Versorgungslage nach wie vor schwierig. Trotz dieser kritischen Versorgungslage muss nicht jeder Rückkehrer aus Europa generell im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung erleiden. In der Gesamtschau der ins Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnismittel ist nicht davon auszugehen, dass jeder Rückkehrer generell in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung nach Afghanistan erleiden müsste (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19.10.2016 S. 4; vgl. auch BayVGH, B.v. 14.1.2015 – 13a ZB 14.30410 – juris Rn. 5). Nur für besonders schutzwürdige Rückkehrer wie alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen, Familien und Personen, die aufgrund persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen oder die über keinen aufnahmebereiten Familienverbund verfügen, lässt sich eine extreme Gefahrenlage begründen.
Für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige im Allgemeinen ist derzeit keine extreme Gefahrenlage anzunehmen, die zu einem Abschiebungsverbot führen würde (BayVGH, B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris Rn. 4). Anhaltspunkte, die im Fall des Klägers zu einer anderweitigen Einschätzung führen würden, sind nicht ersichtlich.
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist davon auszugehen, dass junge erwerbsfähige Männer auch ohne nennenswerte familiäre Unterstützung in der Lage sind, sich in Afghanistan ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten (vgl. u.a. BayVGH, B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris Rn. 7). Der Kläger ist arbeitsfähig. Der Kläger ist mit den afghanischen Verhältnissen durchaus vertraut. Da der Kläger sein gesamtes bisheriges Leben bisher in Afghanistan verbracht hat und auch bereits über erste berufliche Erfahrungen verfügt, ist dem Kläger ein Bemühen um eine Anstellung auf dem hart umkämpften afghanischen Arbeitsmarkt nach Auffassung des Gerichts durchaus zumutbar.
5. Das von der Beklagten verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 AufenthG sowie die Abschiebungsandrohung begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Qualifizierte Einwände hiergegen hat der Kläger auch nicht erhoben.
Damit war die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.
6. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.


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