Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines in Pakistan aufgewachsenen afghanischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  AN 18 K 16.30257

Datum:
5.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 37183
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, 4, § 3a, § 3e Abs. 1, § 4
AufenthG § 11 Abs. 1, Abs. 3, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Für afghanische Staatsangehörige besteht aufgrund eines langjährigen Aufenthalts in Europa bei Rückkehr keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung (Rn. 20). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Städte Herat und Mazar-e Sharif sind im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als inländische Fluchtalternative geeignet. Dort kann ein junger, leistungsfähiger Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen auch ohne nennenswertes Vermögen oder familiäre oder sonstige Kontakte seinen Lebensunterhalt sicherstellen (Rn. 27 – 36). (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Bezeichnung eines anderen Staates als des Heimatstaates des Ausländers könnte allenfalls dann Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung haben, wenn der genannte Staat bei Erlass überhaupt nicht (mehr) existent war oder wegen des Fehlens jeglichen Bezugs zu dem Ausländer als Aufnahmestaat von vornherein  nicht in Betracht kam (Rn. 56). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Das Gericht konnte trotz des Nichterscheinens eines Vertreters der Beklagten verhandeln und entscheiden, da die Beklagte unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß geladen wurde (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG noch auf Anerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Die Voraussetzungen zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Die vom Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung sowie das 12-monatige Einreise- und Aufenthaltsverbot sind nicht zu beanstanden. Der Bescheid des Bundesamtes vom 19. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
I.
Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG liegt nicht vor. Der Kläger ist nicht Flüchtling in diesem Sinne. Ein Ausländer ist Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will, § 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG Nach § 3a Abs. 3 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung vom Staat (§ 3c Nr. 1 AsylG), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (vgl. auch VG Augsburg, U. v. 20.2.2018 – Au 5 K 17.31812 – juris Rn. 25; U.v. 2.10.2017 – Au 5 K 17.31438 – juris).
1) Hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen des § 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG ist auf Afghanistan als dem Land abzustellen, dessen Staatsangehörigkeit der Kläger nach Überzeugung des Gerichts besitzt, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AsylG. Nur bei Staatenlosen oder Asylbewerbern ungeklärter Staatsangehörigkeit hat sich die Prüfung des Asylanspruchs bzw. des Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (sowie des Anspruchs auf subsidiären Schutz) an dem Land des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts zu richten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b AsylG). Der gewöhnliche Aufenthalt muss nicht rechtmäßig sein. Es genügt, wenn der Staatenlose in dem betreffenden Land tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt hatte, in dem Land also nicht nur vorübergehend verweilt hat, ohne dass die zuständigen Behörden aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn einleiteten (vgl. BVerwG, U. v. 26.2.2009 – 10 C 50.07 – juris Rn. 31). Nach Überzeugung des Gerichts liegt bei dem Kläger, anders als vom Bundesamt bei Bescheidserlass angenommen, die afghanische Staatsangehörigkeit vor. Weder ist er staatenlos noch ist seine Staatsangehörigkeit ungeklärt. Die vom Bundesamt ursprünglich angeführten diesbezüglichen Zweifel teilt das Gericht nicht, auch wenn das Gericht nicht verkennt, dass nach Auskunftslage von der inhaltlichen Richtigkeit formell echter Urkunden wie der vorgelegten Tazkira nicht in jedem Fall ausgegangen werden kann. Das Personenstands- und Beurkundungswesen in Afghanistan weise gravierende Mängel auf. Sowohl Gefälligkeitsbescheinigungen als auch verfahrensangepasste Dokumente kämen häufig vor. So würden in Visumverfahren auch gefälschte Arbeitsbescheinigungen vorgelegt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Juli 2019, 2. September 2019, S. 33). Auch seien Fälle bekannt, in denen afghanische Auslandsvertretungen Reisepässe nach nur oberflächlicher Prüfung ausstellten, ohne Vorlage einer Tazkira und gegebenenfalls nach der Aussage zweier Zeugen. Derartige Reisepässe können daher nur bedingt die Staatsangehörigkeit nachweisen (vgl. Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Afghanistan, 29.6.2018, letzte Kurzinformation vom 4.6.2019, S. 351 f.). Dennoch geht das Gericht von der afghanischen Staatsangehörigkeit des Klägers aus. Die Widersprüche zu seiner Tazkira konnte er in der mündlichen Verhandlung überzeugend aufklären. Letztlich hat auch das Bundesamt nach Vorlage des vom afghanischen Konsulat in Bonn ausgestellten Reisepasses des Klägers dessen Geburtsdatum korrigiert und schließlich auch vor der mündlichen Verhandlung im Schreiben vom 27. November 2019 ausgeführt, dass der Kläger nunmehr durch Vorlage seines afghanischen Reisepasses seine afghanische Staatsangehörigkeit belegt habe.
Damit ist hinsichtlich der Prüfung des Anspruches auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf Afghanistan als dem Land abzustellen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AsylG.
2) Dem Kläger droht keine Verfolgung in Afghanistan wegen seines langjährigen Aufenthalts im Europa. Insoweit kann dahinstehen, ob es sich bei Rückkehrern aus Europa um eine soziale Gruppe im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG handelt bzw. eine Verfolgung aus religiösen oder politischen Gründen in Betracht kommt. Aus den Erkenntnismitteln ergibt sich zwar, dass die Rückkehr afghanischer Staatsangehöriger nach langjährigem Aufenthalt in Europa eine zusätzliche Herausforderung darstellt. Eine flächendeckende, schwerwiegende menschenrechtsverletzende Behandlung gemäß § 3a AsylG dieser Personengruppe ist jedoch nicht durch die Erkenntnismittel belegt. Gegenteiliges ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts insbesondere auch nicht aus einer jüngst von der Sozialwissenschaftlerin Stahlmann durchgeführten Studie zum Verbleib und zu den Erfahrungen abgeschobener Afghanen (vgl. Stahlmann, Studie zum Verbleib und zu den Erfahrungen abgeschobener Afghanen, Asylmagazin, Zeitschrift für Flüchtlings- und Migrationsrecht 8-9/2019, S. 276 ff.). Es erscheint bereits höchst fraglich, inwiefern diese Studie überhaupt geeignet ist, ein realistisches Bild von der Lebenssituation aus Europa abgeschobener Afghanen abzubilden, da von den 547 Männern, die zwischen Dezember 2016 und April 2019 aus Deutschland abgeschoben wurden, lediglich Informationen zu 55 Betroffenen dokumentiert werden konnten (vgl. Stahlmann, a.a.O., S. 277). Bei den weiteren Auswertungen zu Gewalterfahrungen, unter anderem ausgeübt durch die Taliban, wurden zudem nur die Erfahrungen von 31 Männern berücksichtigt, die mindestens zwei Monate im Land waren. Dabei lagen lediglich bezogen auf 17 Betroffene Berichte über Gewalterfahrungen vor, die durch den Aufenthalt in Europa oder den Status als Abgeschobene begründet worden seien (vgl. Stahlmann, a.a.O., S. 278 ff.). Angesichts der geringen Anzahl dieser dokumentierten Berichte und möglichen Interessen, die zu unwahren Schilderungen über Gewalterfahrungen führen können, räumt selbst Frau Stahlmann Raum für eine kritische Diskussion der Repräsentativität ein (vgl. Stahlmann, a.a.O., S. 280 ff.). Dass die nicht in die Untersuchung eingebundenen restlichen Rückkehrer vergleichbar schlechte Erfahrungen gemacht haben wie die interviewten Rückkehrer, steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Überdies sind die geschilderten Einzelschicksale ins Verhältnis nicht nur zur Zahl der Rückkehrer aus Deutschland zu setzen, sondern jedenfalls ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Rückkehrer aus Europa. Nach alledem ist das Gericht unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel überzeugt, dass keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung aufgrund des langjährigen Aufenthalts in Europa besteht.
3) Der Vortrag des Klägers zu der erlittenen Verfolgung durch die Taliban vermag eine begründete Furcht vor Verfolgung ebenso nicht zu begründen. Er ist nach Auffassung des Gerichts schon nicht glaubhaft. Selbst bei Annahme, dass der Kläger sämtliche der von ihm vor dem Bundesamt und im Rahmen der mündlichen Verhandlung genannten Tätigkeiten ausgeübt hat, ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass sich die geschildete Verfolgung des Klägers überhaupt zugetragen hat. Der Kläger führte an, als Übersetzer für die amerikanischen Streitkräfte gearbeitet zu haben. Er habe 2011 einen Job als Übersetzer in . bekommen und habe dort für die Firma . gearbeitet. Diese hätten ihn dann zu den US-Streitkräften geschickt, für die er übersetzt habe. Außerdem habe er für die Mitarbeiter der Firma . Lebensmittel geliefert und auch als Übersetzer gearbeitet. Nach seiner Tätigkeit für die Amerikaner (Februar 2011 bis 2012) sei er selbständig gewesen und habe bis Ende 2013/Anfang 2014 am Flughafen … in der Provinz Helmand von den Amerikanern Sachen gekauft und verkauft. In … habe er als Koordinator gearbeitet.
Insbesondere konnte der Kläger weder glaubhaft machen, dass er von den Taliban angeschossen wurde, noch dass die vorgetragene Entführung auf dem Weg nach … tatsächlich stattgefunden hat. Dasselbe gilt für die in der mündlichen Verhandlung geschilderten vielen Vorfälle, insbesondere den Vorfall, als er mit den Amerikanern in einem Dorf gewesen sei, auf dem Rückweg das Auto angeschossen und umgefallen sei, wobei er sich an der Hand und am Arm verletzt habe. Es ist Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass bei verständiger Würdigung die geschilderte Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.1989 – 9 B 405/89 – juris), so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag aufgrund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel die Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen (vgl. auch VG Augsburg, U.v. 2.10.2017 – Au 5 K 17.31438 – juris). Von dem Asylsuchenden kann verlangt werden, dass er zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, B.v. 10.5.1994 – 9 C 434.93 – juris; BVerwG, B.v. 19.3.1991 – 9 B 56/91 – juris).
Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass der Kläger laut vorgelegtem ärztlichen Attest eine Schussverletzung der rechten Schulter und der rechten Thoraxhälfte erlitten hat. Jedoch war der Vortrag des Klägers zu den Umständen der Schussverletzung, der Entführung und der weiteren Vorfälle wenig detailreich, von Steigerungen geprägt und vor allem in wesentlichen Punkten widersprüchlich. Die Angaben des Klägers hierzu sind nach Auffassung des Gerichts unglaubhaft. So macht der Kläger schon widersprüchliche Angaben zur zeitlichen Einordnung im Zusammenhang mit der Schussverletzung. Beim Bundesamt nannte er den 2. Februar 2014, während er in der mündlichen Verhandlung den 21. Februar 2014 angab. Auf Vorhalt des zeitlichen Widerspruches führte der Kläger aus, dass er es nicht mehr wisse. Es habe sich auf jeden Fall drei Tage vor den Wahlen in Afghanistan abgespielt. Die Präsidentschaftswahlen fanden 2014 jedoch nicht im Februar statt. Während der Kläger vor dem Bundesamt kaum Details zum Tathergang angab, vielmehr lediglich schilderte, er sei eines Tages in … gewesen und dort von den Taliban angeschossen werden, will er, nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, in … einen Freund besucht haben. Man habe sich vor dessen Motorradwerkstatt aufgehalten. Dann seien beide die Straße entlanggelaufen. Es seien zwei vermummte Personen auf dem Motorrad angefahren gekommen, die auf ihn geschossen hätten. Er habe die Personen nicht erkennen können. Er gehe aber davon aus, dass es die Taliban gewesen sei, denn schließlich habe er mit niemanden Probleme gehabt und die Taliban hätten etwas gegen die Amerikaner, für die er gearbeitet habe. Hier handelt es sich zum einen um einen gesteigerten Vortrag. Zum anderen handelt es sich bei der Annahme, dass die Taliban die Schüsse abgegeben haben, selbst bei Wahrunterstellung zum Vortrag, um eine auf bloße Pauschalierung gründende Mutmaßung ohne weitere Substanz in der Sache, wobei auch unklar bleibt, wieso die Taliban ihn aufspüren und töten wollten, wenn er auswärts bei einem Freund verweilt. Auch die übrigen Angaben des Klägers decken sich nicht. So schilderte der Kläger vor dem Bundesamt noch eine weitere Verfolgung. So gab er an, dass das Auto, in dem von … nach … gefahren sei, von den Taliban durchsucht und sie dann entführt worden wären. Die Taliban hätten das Auto durchsucht. Sie hätten eine Liste mit Namen gehabt und diese gerufen. Diese Namen habe er nicht gekannt. Dann seien sie mit dem Auto an einen anderen Ort verbracht worden, wo er geschlagen worden sei und viele Leichen gesehen habe. Die Taliban hätten dann seinen Namen gerufen, ihm wiederum geschlagen und gesagt, dies sei die Strafe für die Zusammenarbeit mit den Amerikanern, was auch für alle gelte, die Polizisten oder Soldaten seien. Abgesehen davon, dass dieser Vortrag sehr vage ist, schilderte ihn der Kläger in der mündlichen Verhandlung gar nicht. Selbst auf konkrete Nachfrage, ob ihm in Afghanistan, abgesehen von der Schussverletzung, noch etwas passiert sei, äußerte der Kläger lediglich, dass es viele Vorfälle gegeben habe. So sei er einmal mit den Amerikanern in ein Dorf gegangen. Auf dem Rückweg sei das Auto angeschossen worden und umgefallen. Dabei habe er sich an der Hand und am Arm verletzt. Den vor dem Bundesamt geschilderten gezielten Angriff der Taliban, bei dem die Taliban ihn geschlagen habe, seinen Namen gerufen und ihn, nach seinen Angaben, für die Zusammenarbeit mit den Amerikanern bestraft habe, schilderte der Kläger auch auf Nachfrage jedoch nicht. Dies wäre aber zu erwarten gewesen, da es sich hierbei um Erlebnis handelt, was zutiefst einschneidend ist. Anders wiederum ist unklar, warum der Kläger vor dem Bundesamt die vielen anderen Vorfälle nicht erwähnte, insbesondere den Angriff auf das Auto, welches umfiel, so dass er sich an der Hand und dem Arm verletzte, wobei anzumerken ist, dass es auch diesem Vortrag an Details mangelt. Das Gericht ist daher überzeugt, dass es sich bei sämtlichen geschilderten Vorfällen um Erfindungen des Klägers handelt.
Doch auch die weiteren Angaben des Klägers sind widersprüchlich und nicht glaubhaft. Während der Kläger vor dem Bundesamt als Heimatdorf noch … gewesen sei, gibt er in der mündlichen Verhandlung … an. Den Widerspruch erklärt er mit einem Missverständnis. Will sich der Kläger nach der erlittenen Schussverletzung noch ein bis eineinhalb Monate in ., dann in . und dann bei einem Verwandten namens … in … aufgehalten haben, bis er schließlich ausgereist sei, schildert der Kläger in der mündlichen Verhandlung, dass er 2014 nach ca. drei Monaten in … nach … gegangen sei und von dort aus Afghanistan über die Provinz Nimrus in den Iran und weiter Richtung Europa gereist sei. Auf Vorhalt seines Vortrages beim Bundesamt zum Aufenthalt in … erklärt der Kläger, dass er die Frage nicht richtig verstanden habe. Er sei über … in den Iran gereist. Er wisse nicht mehr, wie lange er sich in … aufgehalten habe. Er habe bei … gelebt, welchen er nun als Kumpel bezeichnet. Außerdem gab er in der mündlichen Verhandlung an, Afghanistan Ende 2014/Anfang 2015 verlassen zu haben, was im Widerspruch zu seinen Angaben vor dem Bundesamt steht, wo er Afghanistan am 15. Juni 2015 verlassen haben will. In der mündlichen Verhandlung gab er zunächst an, dass er nach seiner Schussverletzung nicht mehr gearbeitet habe, im weiteren Verlauf führte er hingegen aus, dass er nach seiner Schussverletzung in … als Koordinator gearbeitet habe.
4) Nach alledem bestehen an der Glaubwürdigkeit des Klägers erhebliche Zweifel, so dass fraglich erscheint, ob der weitere Vortrag zu den Tätigkeiten des Klägers für die US-/ausländische Streitkräfte (ob direkt oder indirekt) oder ausländische Firmen oder Firmen, welche mit den internationalen Streitkräften kooperieren, trotz Vorlage von Fotografien und Kopien diverser Dokumente, der Wahrheit entspricht. Letztlich kann es jedoch offen bleiben, ob der Kläger diese Tätigkeiten ausgeführt hat. Weiter muss nicht geklärt werden, ob aufgrund dieser Tätigkeiten eine politische Verfolgung im Zielstaat i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 2, 4 oder 5 AsylG durch einen Akteur i.S.d. § 3c Nr. 2 oder Nr. 3 AsylG vorliegt. Ziel der Taliban ist es, das staatliche Sicherheitsgefüge als solches zu erschüttern, infrage zu stellen und eine andere Ordnung des Staates herzustellen. Die Tätigkeit des Klägers für die US-Streitkräfte/ausländische Streitkräfte (ob direkt oder indirekt) oder ausländische Firmen oder Firmen, welche mit den internationalen Streitkräften kooperieren, kann von den Taliban als Unterstützung dieser feindlichen Kräfte angesehen werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger in dieser Eigenschaft von den Taliban grundsätzlich als Gegner angesehen und bekämpft wird. Selbst wenn man dies zugrunde legend zur Anwendung des § 3b Abs. 2 AsylG gelangt, wonach es bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich ist, ob dieser tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolgern – hier den Taliban – zugeschrieben werden, führt dies nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für den Kläger. Für den Kläger besteht jedenfalls eine zumutbare inländische Fluchtalternative, § 3e AsylG.
5) Wie bereits ausgeführt wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e Abs. 1 AsylG. Dies gilt auch für die Gruppenverfolgung, da sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, wenn also auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 10 C 11/08 – juris). Die Beurteilung des Vorliegens einer solchen Fluchtalternative erfordert eine Einzelfallprüfung (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 13a ZB 13.30119 – juris).
Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan jedenfalls in einer Großstadt keiner Verfolgung ausgesetzt wäre und eine Großstadt wie Mazar-e Sharif oder Herat (falls Kabul als zu nah an der Heimatprovinz Nangarhar gelegen erscheint) als innerstaatliche Fluchtalternative auch geeignet und zumutbar ist, sodass erwartet werden kann, dass er sich dort vernünftigerweise niederlässt. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger jedenfalls in der Anonymität der Stadt Schutz finden kann, zumal die Klägerseite weder angegeben hat, landesweit tätig gewesen zu sein, noch ist dies sonst ersichtlich. Vielmehr wurde vorgetragen, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Übersetzer zwar in die Dörfer gegangen sei. Die Tätigkeit sei aber auf … beschränkt gewesen sei. Auch hinsichtlich der weiteren Tätigkeiten ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich der Kläger landesweit exponiert habe. Vielmehr sei er am Flughafen … in der Provinz Helmand als Händler aufgetreten und habe den Standort … der Firma … und dort auch für … Übersetzertätigkeiten geleistet. Es liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, dass der Kläger von seinen Verfolgern nach mehreren Jahren der Abwesenheit landesweit gesucht wird oder auch nur gesucht werden könnte. Selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrages ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass die Taliban den Kläger finden und verfolgen würden. Ein Untertauchen in einer Großstadt ohne Meldewesen ist ihm ohne weiteres möglich (so auch VG Augsburg, U.v. 2.10.2017 – Au 5 K 17.31438 – juris), selbst wenn der Kläger die von ihm geschilderten Tätigkeiten ausgeführt hat und sogar dann, wenn die von ihm geschilderten Verfolgungshandlungen tatsächlich stattgefunden haben. Ausweislich des Berichts des EASO Country of Origin Information Report – Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, aus Dezember 2017 verhält es sich so, dass Übersetzer, Sicherheitspersonal und Personen, die in irgendeiner Weise mit den ausländischen Streitkräften zusammenarbeiten, wie z. B. als Essenslieferanten und Dienstleister, durchaus im Fokus der Taliban stehen (vgl. EASO, Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, Dezember 2017, S. 35 f). Wenn die Klägerseite mit Schreiben vom 2. Dezember 2019 mit Verweis auf den zitierten Bericht von EASO ausführt, dass die Taliban 2015 in Kabul 15 Dolmetscher und in den ersten 11 Monaten des Jahres 2016 23 weitere Dolmetscher getötet hätten, verkennt sie, dass sich die genannten Zahlen ausweislich des EASO-Berichts auf bloße Angaben der Taliban stützen, deren Wahrheitsgehalt schwierig zu überprüfen ist. (vgl. EASO, Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, Dezember 2017, S. 35 f.). Nach dem zitierten Bericht unterhalten die Taliban gerade in größeren Städten Netzwerke. Schätzungen reichen von 500 bis 1.500 Spionen in Kabul. Allerdings richtet sich ihr Interesse wegen ihrer personell begrenzten Möglichkeiten dort auf prominente Personen wie Parlamentsmitglieder, Regierungsmitglieder und höherrangige Angehörige der Streitkräfte; nicht prominente Personen und ihre Familienangehörigen bleiben bis auf spezifische persönliche Feindschaften und Rivalitäten unbehelligt. Beobachter für EASO schätzen die Zahl derer, die von den Taliban in größeren Städten Afghanistans gezielt gesucht und verfolgt würden, auf wenige Dutzend, höchstens 100 Personen (vgl. EASO, Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, Dezember 2017, S. 63 f.). Setzt man diese Zahl an Personen, die eben nicht nur lokal oder regional, sondern gerade landesweit von den Taliban verfolgt werden, ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung Afghanistans, wird deutlich, welch hoher Grad an Exposition erforderlich ist, dass mit einer derartigen räumlich extensiven Verfolgung durch die Taliban zu rechnen ist. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger einen solch hohen Grad an Exposition erreicht hat. Auch unter Berücksichtigung der von der Klägerseite zitierten Erkenntnismittel und Gerichtsentscheidungen hält es das Gericht nach oben Gesagtem unter Berücksichtigung der Auskunftslage in Fall des Klägers für nicht beachtlich wahrscheinlich, dass ihm nach all den Jahren landesweite Verfolgung durch die Taliban droht.
Die als inländische Fluchtalternative in Frage kommenden Städte Herat in der Provinz Herat und Mazar-e Sharif in der Provinz Balkh sind im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als inländische Fluchtalternative geeignet. Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, ist weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Zur Feststellung, ob eine solche Bedrohung gegeben ist, ist eine jedenfalls annähernde quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris) und insbesondere der medizinischen Versorgungslage in den jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 – juris) erforderlich. In diesem Zusammenhang geht die Rechtsprechung allerdings davon aus, dass – bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres – ein Risiko von 1:800 verletzt oder getötet zu werden, so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt liegt, dass sich eine im Übrigen unterbliebene wertende Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht mehr auszuwirken vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.). Zwar handelt es sich bei den errechneten Wahrscheinlichkeiten nur um Näherungen, da beispielsweise bei der Erfassung der Daten, in Bezug auf die einzelnen Erhebungszeitpunkte sowie bezüglich der Zuordnung der Opfer zu den einzelnen Anschlägen Unschärfen bestehen. Weiter wird angeführt, dass das Zahlenmaterial der UNAMA nur begrenzt aussagefähig sei, weil zivile Opfer zum einen nur dann gelistet würden, wenn das betreffende Ereignis von drei unabhängigen, überprüfbaren Quellen bestätigt werde und der Opferbegriff zum anderen auf physisch Verletzte und Getötete beschränkt sei (so etwa Stahlmann, Gutachten an das VG Wiesbaden v. 28.3.2018, S. 177). Insoweit ist in der Rechtsprechung jedoch geklärt, dass eine annäherungsweise Ermittlung der entsprechenden, zueinander ins Verhältnis gesetzten Zahlen ausreichend ist (BayVGH, B.v. 13.1.2017 – 13a ZB 16.30182 – juris). Selbst unter Einbeziehung eines gewissen Sicherheitszuschlags wird die kritische Gefahrendichte bei weitem nicht erreicht.
Die Provinz Herat gilt als relativ friedlich. Für die Provinz Herat mit insgesamt 1.967.180 Einwohnern wurden im gesamten Jahr 2017 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert (vgl. Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Afghanistan, 29.6.2018, letzte Kurzinformation vom 4.6.2019, S. 127 ff.). Demnach liegt das Risiko, Opfer eines Angriffs zu werden, weit unter der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dies gilt auch für die Stadt Herat mit 506.900 Einwohnern, selbst wenn man die Opferzahl von 495 zugrunde legt.
Für die Provinz Balkh zählt zu den stabilsten Provinzen Afghanistans. Mit einer Bevölkerungszahl von 1.382.155 Einwohnern wurden im gesamten Jahr 2017 129 zivile Opfer registriert (vgl. Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Afghanistan, 29.6.2018, letzte Kurzinformation vom 4.6.2019, S. 108 ff.). Auch hier liegt das Risiko, Opfer eines Anschlags zu werden, weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
Der Kläger kann darüber hinaus auch sicher und legal nach Mazar-e Sharif und Herat reisen. Zwar enden Abschiebungen in der Regel in Kabul, wo es einen internationalen Flughafen gibt (vgl. Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Afghanistan, 29.6.2018, letzte Kurzinformation vom 4.6.2019, S. 91). Doch auch Mazar-e Sharif (vgl. Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Afghanistan, 29.6.2018, letzte Kurzinformation vom 4.6.2019, S. 382) und Herat verfügen über einen internationalen Flughafen und können daher legal und sicher vom Kläger, jedenfalls von Kabul aus, erreicht werden (vgl. Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Afghanistan, 29.6.2018, letzte Kurzinformation vom 4.6.2019, S. 382; European Asylum Support Office, Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, August 2017, S. 127 f).
Vom Kläger kann unter Berücksichtigung seiner individuellen Verhältnisse auch vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in Herat oder Mazar-e Sharif niederlässt. Zwar ist Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt (vgl. Österreich / Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Afghanistan, 29.6.2018, letzte Kurzinformation vom 4.6.2019, S. 357 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 2. September 2019, Stand: Juli 2019, S. 27). Dennoch ist es von dem Kläger, einem jungen, leistungsfähigen Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen zu erwarten, dass er auch ohne nennenswertes Vermögen oder familiäre oder sonstige Kontakte seinen Lebensunterhalt in Mazar-e Sharif oder Herat sicherstellen kann (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2018 – 13a ZB 17.31611; VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17; U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – alle juris). Zudem hat die afghanische Regierung diverse Bemühungen zur Armutsreduktion gestartet und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben (vgl. Österreich / Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.6.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 4.6.2019, S. 357 ff.). Zwar wird darauf verwiesen, der Zugang zu Wohnung und Arbeit hänge maßgeblich von Netzwerken vor Ort ab (vgl. Stahlmann, Gutachten an das VG Wiesbaden vom 28.3.2018, S. 191 ff.). Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die große Zahl der aus den Nachbarstaaten zurückkehrenden Afghanen und der Binnenflüchtlinge (vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 2. September 2019, Stand: Juli 2019, S. 27) über solche Netzwerke verfügt. Durch diese Auflösung überkommener Strukturen besteht die soziale Notwendigkeit, neue und von gewachsenen Strukturen unabhängige Netzwerke unter den Rückkehrern zu bilden oder ohne solche zu leben (vgl. VGH BW, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris) Dass es dem Kläger verwehrt wäre, neue Netzwerke zu bilden, ist nicht ersichtlich.
Der Kläger, der in Afghanistan nach eigenen Angaben das Abitur erlangt hat, sowohl Englisch als auch Deutsch spricht und zudem in Afghanistan bereits mehrere Jahre Berufserfahrung gesammelt hat, befindet in einer vergleichsweisen guten Position (vgl. dazu auch BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918 – juris Rn. 14; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris 21), die durchaus auch Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts eröffnet (vgl. BayVGH, U.v. 13.5.2013 – 13a B 12.30052 – juris Rn. 21). Überdies profitiert z. B. Herat von einer starken und vergleichsweise vielseitigen Wirtschaft (vgl. European Asylum Support Office, Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, August 2017, S. 127 f.).
Darüber hinaus kann der Kläger seine finanzielle Situation zusätzlich auch dadurch verbessern, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt, was ihm zumindest helfen wird, anfängliche Schwierigkeiten zu überwinden (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v.17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 490). Es liegt an ihm, insoweit eine anfängliche Unterstützung durch eine freiwillige Rückkehr unter Inanspruchnahme von Start- und Reintegrationshilfen (bspw. im Rahmen des REAG/GARP- und des ERRIN-Programms) und damit einen vorübergehenden Ausgleich zu erhalten (vgl. REAG/GARP-Programm, Stand Mai 2019; ERRIN-Programmflyer 06/2018-05/2020 zu Afghanistan, Stand Mai 2019). Weiter haben Deutschland und Afghanistan am 2. Oktober 2016 eine Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit in Fragen der Migration abgegeben. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders bedürftige Flüchtlinge vor. Rückkehrer aus Deutschland werden außerdem über das BMZ-Rückkehrerprogramm “Perspektive Heimat” bei der Reintegration vor Ort unterstützt, insbesondere bei der Existenzgründung, Qualifizierung und Integration in den Arbeitsmarkt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 31.5.2018, S. 28 f. mit weiteren Einzelheiten).
Überdies halten Afghanen im Ausland – auch in Europa – erfahrungsgemäß enge Verbindung zu ihrer Großfamilie, wie sich unter anderem aus den Auslandsüberweisungen und Heiratsverhalten entnehmen lässt (vgl. hierzu: EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 23). Der Kontakt wird vorwiegend über Mobiltelefone gehalten (vgl. EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 25 f.). Der Kläger hat in Afghanistan noch seine Mutter, zwei Brüder, zwei Schwestern und mehrere Onkel und Tanten bzw. Cousins/Cousinen. Er halte mit seiner Mutter telefonischen Kontakt. Unterstützung des Klägers durch seine Familie erscheint realistisch, denn es ist im Kulturkreis des Klägers üblich ist, dass in Notsituationen Unterstützung geleistet wird und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass dies vorliegend nicht geschehen würde. Doch selbst bei fehlender Unterstützung durch die Familie, Netzwerke und einer fehlenden Inanspruchnahme von Reise- und Integrationshilfen ist es dem Kläger, der zudem eine der Landessprachen spricht, zumutbar, sich z. B. in Mazar-e Sharif oder Herat niederzulassen. Auch der Umstand, dass der Kläger – nach seinen Angaben – fast seine gesamte Kindheit und Jugend in Pakistan verbracht hat, steht dem nicht entgegen. Maßgeblich ist, dass der Kläger den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der Landessprachen spricht (vgl. BayVGH, B. v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris), was bei dem Paschtu sprechenden Kläger der Fall ist. Zudem hat der Kläger vor seiner Ausreise nach Europa mehrere Jahre in Afghanistan gelebt und dort auch gearbeitet.
Es besteht insbesondere auch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass dem Kläger als Rückkehrer aus dem westlichen Ausland zwangsläufige Nachteile – etwa bei der Suche nach einer Wohnung oder einer Arbeitsstelle – entstehen würden (ebenso VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 484). Gegenteiliges ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts insbesondere auch nicht aus einer jüngst von der Sozialwissenschaftlerin Stahlmann durchgeführten Studie zum Verbleib und zu den Erfahrungen abgeschobener Afghanen (vgl. Stahlmann, a.a.O., 276 ff.). Das Gericht schließt sich – auch unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnismittel – der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (stRspr, z.B. BayVGH, B.v. 23.10.2019 – 13a ZB 19.32670, B.v. 3.9.2019 – 13a ZB 19.33043, B.v. 25.2.2019 – 13a ZB 18.32487; U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918 – alle juris) und auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris) an, wonach es insbesondere leistungsfähigen erwachsenen Männern auch ohne bestehende familiäre und soziale Netzwerke möglich ist, ihren Lebensunterhalt bei einer Rückkehr aus dem westlichen Ausland zu sichern. Wie bereits unter I. 2) ausgeführt, kann unter Zugrundelegung der übrigen Erkenntnisquellen aus den Ergebnissen dieser Studie nicht der Schluss gezogen werden, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche Behandlung infolge von Gewalt, Arbeits- oder Wohnungslosigkeit widerfahren wird. Weiter beruht ein großer Teil der geschilderten Gewalterfahrungen auf Gewalt durch die Taliban, die eigene Familie oder eine verfeindete Familie (vgl. Stahlmann, a.a.O, S. 279 ff). Dies sind Faktoren, die in den vom Heimatort des Klägers weit entfernten Großstädten wie Mazar-e Sharif oder Herat, der internen Fluchtalternative, nicht zum Tragen kommen.
II.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung des hilfsweise begehrten Schutzstatus gemäß § 4 AsylG. Dieser ist einem Ausländer zuzuerkennen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme drohen, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Bei der Prüfung, ob dem Ausländer ein ernsthafter Schaden droht, ist – wie bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft – der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – juris). Der Begriff Herkunftsland ist in der Art. 2 n) der RL 2011/95 legal definiert als “das Land oder die Länder der Staatsangehörigkeit oder – bei Staatenlosen – des früheren gewöhnlichen Aufenthaltes. Abzustellen ist daher hier – ebenso wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft (siehe I 1) – auf Afghanistan als dem Land, dessen Staatsangehörigkeit der Kläger nach Überzeugung des Gerichts besitzt (vgl. auch: Klutz in BeckOK, Ausländerrecht, Kluth/Reusch, 23. Edition, 1.8.2019, § 4 Rn. 28).
Dem Kläger droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG, noch ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Hinweise für drohende Folter (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Var. 1 AsylG) oder für einen ernsthaften Schaden wegen unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Var. 3 AsylG) gibt es nicht. Ebenso kommt die Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf Grundlage eines gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Var. 2 AsylG relevanten ernsthaften Schadens in Form einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nicht in Betracht.
Das Gericht ist der Überzeugung, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan kein ernsthafter Schaden im Sinne der Norm droht. Der Vortrag des Klägers zu der vorgetragenen Verfolgung ist, wie unter I. ausgeführt, nicht glaubhaft. Doch selbst bei Wahrunterstellung ist der Kläger jedenfalls auf die bestehende innerstaatliche Fluchtalternative zu verweisen, § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG, so dass ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Var. 2 AsylG nicht besteht. Auf die Ausführungen unter I. 5) wird verwiesen.
Auch im Hinblick auf die humanitäre Situation in Afghanistan sind die Voraussetzungen der Norm nicht gegeben, denn es fehlt schon an einem Akteur (vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 167 ff.). Ebenso ist es auch in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes geklärt, dass die Lage in Afghanistan nicht dazu führt, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG anzunehmen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2018 – 13a ZB 17.31970 – juris Rn. 6, B.v. 3.11.2017 – 13a ZB 17.31228 – juris Rn. 9, B.v. 11.4.2017 – 13 ZB 17.30294 – juris Rn. 5 mit weiteren Nachweisen).
Der Kläger hat zudem keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Der Kläger ist in Afghanistan als Angehöriger der Zivilbevölkerung nicht einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt. Für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist tatbestandliche Voraussetzung neben dem Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts das Bestehen einer individuellen Bedrohungssituation (vgl. OVG Münster, B.v. 10.10.2017 – 13 A 2235/17.A – juris). Es kann dahinstehen, ob in Afghanistan oder in Teilen Afghanistans ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht, denn jedenfalls erreicht der einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt in Afghanistan allgemein und auch in Kabul kein solches Niveau, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Eine solche individuelle Bedrohung kann in erster Linie durch gefahrerhöhende persönliche Umstände begründet sein. Solche Umstände können z. B. aus einer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit herrühren, aufgrund derer der Schutzsuchende zusätzlich der Gefahr gezielter Gewalttaten ausgesetzt ist (vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/11 -juris Rn. 193). Gefahrerhöhende persönliche Gründe sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich und sind insbesondere auch nicht in den vorgetragenen früheren Tätigkeiten begründet. Wie unter I. bereits ausgeführt, ist der Kläger bei seiner Rückkehr auch aus diesem Umstand keiner relevanten gesteigerten Bedrohung ausgesetzt.
Weiter kann die Gewährung subsidiären Schutzes unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen nur ausnahmsweise in Betracht kommen, nämlich bei besonderer Verdichtung einer allgemeinen Gefahrenlage, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Maß erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. OVG Münster, B.v. 10.10.2017 – 13 A 2235/17.A – juris).
Für die Feststellung der ernsthaften individuellen Bedrohung ist auf die Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. BVerwG, U.v. 31.3.2013 – 10 C 15.12 – juris; U.v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 – juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 17.1.2017 – A 11 S 241/17 – juris). Denn für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt (VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 100; U.v 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 202). Demnach ist auf die Provinz Nangarhar als Heimatprovinz des Klägers abzustellen. Zwar hat sich die Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar verschlechtert. Dennoch liegt das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. In der Provinz Nangarhar mit geschätzt 1.573.973 Einwohnern wurden im Jahr 2017 862 zivile Opfer registriert (vgl. Österreich / Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 29.6.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 4.6.2019, S. 194 ff.), so dass das Risiko des Klägers, selbst Opfer eines Anschlags zu werden, weit unter der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit liegt.
Die UNAMA registrierte für ganz Afghanistan im Berichtszeitraum (1.1.2018 – 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), vgl. Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Afghanistan, 29.6.2018, letzte Kurzinformation vom 4.6.2019, S. 26. Nach alledem ergibt sich für 2018 eine Gefahrendichte, die weit unter der vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris) gebilligten Wahrscheinlichkeit von 0,12% oder 1 : 800 liegt. Diese Einschätzung wird bestätigt von der aktuellen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. BayVGH, B.v. 25.2.2019 – 13a ZB 18.32203 – juris), dem aktuelle Opferzahlen von UNAMA aus 2018 zugrunde liegen (konfliktbedingtes Schädigungsrisiko für Afghanistan insgesamt von 1:2456 bei 10.993 zivilen Opfern und einer Einwohnerzahl von 27 Millionen Menschen).
Dies korrespondiert auch mit der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B.v. 25.2.2019 – 13a ZB 18.32203; B.v. 20.2.2018 – 13a ZB 17.31970; B.v. 3.11.2017 – 13a ZB 17.31228 – juris Rn. 9; B.v. 11.4.2017 – 13 ZB 17.30294 – juris Rn. 5 mit weiteren Nachweisen), wonach es der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entspreche, dass für ganz Afghanistan die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht vorliegen.
III.
Es liegen in der Person des Klägers auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote ist in Bezug auf das in der Abschiebungsandrohung genannte Zielland der Abschiebung, nämlich Pakistan, relevant, denn das Bundesamt hat die Abschiebungsandrohung nur hinsichtlich Pakistans ausgesprochen. Die Abschiebungsandrohung steht mithin grundsätzlich unter dem stillschweigenden gesetzlichen Vorbehalt, dass auch keine Abschiebungsverbote hinsichtlich des ausgewählten Zielstaates bestehen. Solange eine Zielstaatsbezeichnung nicht vorliegt, darf der Ausländern nicht in einen anderen als den ausdrücklich bezeichneten Zielstaat abgeschoben werden (vgl. Bergmann in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, AsylG § 34 Rn. 10, 13). Die bloß hilfsweisen Ausführungen des Bundesamts im Bescheid zum Nichtbestehen von Abschiebungsverboten zu Afghanistan ändern hieran nichts. Der Kläger hat auch Verbindungen zu Pakistan, denn schließlich handelt es sich hierbei um den Staat, in dem er seit frühester Kindheit bis zum Alter von 19 Jahren, bis 2008, also den Großteil seines Lebens, seinen Lebensmittelpunkt hatte.
1) Anhaltspunkte für das Vorliegen von Gründen, die ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. EMRK rechtfertigen, sind nicht gegeben. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des Art. 3 EMRK ist auf den gesamten Abschiebestaat abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 31.01.2013 – 10 C 15/12 – juris).
Ein Abschiebeverbot ergibt sich nicht aus der Sicherheitslage in Pakistan. Die Frage, ob die in Pakistan oder Teilen von Pakistan stattfindenden gewalttätigen Auseinandersetzungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren sind, kann dahinstehen, weil nach Überzeugung des Gerichts der Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre. Hinsichtlich ganz Pakistan gilt, dass bei 2.385 zivilen Opfern (869 getötete und 1.516 verletzte Personen) im Jahr 2018 bei einer Einwohnerzahl von ca. 213 Mio. Menschen (vgl. Österreich / Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Pakistan, Gesamtaktualisierung am 16.5.2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 28.5.2019, S. 8, S. 10 ff.), das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit liegt. Dies gilt auch für die Provinz Khyber Pakhtunkhwa, wo der Kläger nach seinen Angaben seit dem Alter von 3 bis 5 Jahren bis zum Alter von 19 Jahren mit seiner Familie in der … gelebt hat. In der Provinz Khyber Pakhtunkhwa mit geschätzt 35,5 Millionen Einwohnern wurden im Jahr 2018 572 (196 getötete und 376 verletzte Personen) zivile Opfer registriert (vgl. Österreich / Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Pakistan, Gesamtaktualisierung am 16.5.2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 28.5.2019, S. 18 ff.), so dass das Risiko des Klägers, selbst Opfer eines Anschlags zu werden, weit unter der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit liegt. Dies gilt auch für Millionenstadt Karachi in der Provinz Sindh. Die Provinz Sindh hat 48 Millionen Einwohner, wobei auf Karachi 16 Millionen Einwohner entfallen. Im Jahr 2018 kam es im Sindh bei zwölf terroristischen Anschlägen zu 19 toten Zivilpersonen, wobei 18 Tote bei neun Anschlägen auf Karachi entfielen und in Karachi 2018 weitere fünf Zivilisten bei ethno-politisch motivierten Zusammenstößen starben (vgl. Österreich / Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Pakistan, Gesamtaktualisierung am 16.5.2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 28.5.2019, S. 23 ff). Selbst bei Hinzuaddieren eines Sicherheitszuschlages, auch aufgrund der im Bericht nicht genannten Verletzten, liegt hier das Risiko des Klägers, selbst Opfer eines Anschlags zu werden, weit unter der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte kann eine Verletzung des Art. 3 EMRK auch ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn der Kläger im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft im Ausnahmeland auf so schlechte humanitäre Bedingungen (allgemeine Gefahren) zu treffen, dass die Abschiebung dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt. Hierbei ist es nicht ausreichend, dass bei seiner Rückführung die Lage des Ausländers einschließlich seiner Lebenserwartung beeinträchtigt würde (vgl. BVerwG, U.v. 31.01.2013 – 10 C 15/12 – juris). Dies bedeutet, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Das Gericht ist überzeugt, dass dem Kläger, auch unter Berücksichtigung seiner individuellen Verhältnisse, bei einer Rückkehr nach Pakistan keine existentielle Gefahrenlage im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG droht, da er in der Lage sein wird, sich ein kleines Einkommen zu erwirtschaften.
Der Kläger ist jung, gesund, arbeitsfähig, spricht mindestens eine der Landessprachen und ist mit den pakistanischen Gepflogenheiten vertraut. In Pakistan leben zudem laut seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung noch weitere Verwandte, die ihn unterstützen können. Es ist auch von einer finanziellen Unterstützung durch die in Afghanistan lebende Familie auszugehen. Das Gericht ist überzeugt, dass dem Kläger, auch unter Berücksichtigung seiner individuellen Verhältnisse und auch bei fehlender Unterstützung durch Freunde und Verwandte, bei einer Rückkehr nach Pakistan keine existentielle Gefahrenlage im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG droht, da er – jedenfalls in einer pakistanischen Großstadt – in der Lage sein wird, sich jedenfalls ein kleines Einkommen zu erwirtschaften. Auf die Ausführungen in I. 5) wird entsprechend verwiesen. Pakistans Wirtschaft hat wegen einer günstigen geographischen Lage, Ressourcenreichtum, niedrigen Lohnkosten, einer jungen Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht Wachstumspotenzial. Zwar wird das Potenzial nicht voll ausgeschöpft, dennoch wächst die pakistanische Wirtschaft seit Jahren mit mehr als vier Prozent. Bei einer der schlechtesten Alphabetisierungsrate weltweit (nur rund 60 Prozent der Bevölkerung – Frauen: 46 Prozent – können lesen und schreiben) hat der Kläger, welcher das Abitur erreicht hat und zudem über berufliche Erfahrung und Sprachkenntnisse verfügt, beste Chancen auf Sicherung seiner Existenz (vgl. zur wirtschaftlichen Lage Pakistans: Österreich / Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Pakistan, Gesamtaktualisierung am 16.5.2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 28.5.2019, S. 98 ff.)
Es ist auch kein Abschiebeverbot in Bezug auf Gefahren, die dem Kläger individuell durch einen konkret handelnden Täter drohen, gegeben. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung konnte er in Pakistan in der Stadt … eine afghanische Schule bis zur 12. Klasse besuchen und das Abitur erlangen. Nach Afghanistan sei man 2008 zurückgekehrt seien, da man wieder in der Heimat habe leben wollen und die Hoffnung gehabt habe, dass sich die Lage in Afghanistan verbessert habe. Eine Verfolgung wurde nicht vorgetragen. Im Gegensatz dazu gab er vor dem Bundesamt an, in Pakistan gäbe es viele Flüchtlinge, man bekäme keine Papiere und würde wie ein Hund behandelt. Doch auch hierin liegt keine relevante Verfolgung. Weiter ist es weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger – selbst bei Wahrunterstellung seines Vortrages hinsichtlich Afghanistans zur Verfolgung durch die Taliban und/oder die angeführten Tätigkeiten für die US-Streitkräfte/ausländische Streitkräfte (ob direkt oder indirekt) oder ausländische Firmen oder Firmen, welche mit den internationalen Streitkräften kooperieren – von den Taliban über Afghanistan hinaus in Pakistan gesucht würde bzw. gefunden werden könnte. Auf die Ausführungen hierzu unter I. 5) wird entsprechend verwiesen. Ein Untertauchen ist ihm auch in Pakistan möglich. So leben laut Auskunftslage in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, könnten in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (vgl. Lageberichtes des Auswärtigen Amtes vom 29. Juli 2019, S. 19). In einem flächen- und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan ohne funktionierendes Meldewesen ist es grundsätzlich möglich, in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines potentiellen Verfolgers zu entgehen (so auch VG München, U.v. 22.11.2017 – M 19 K 17.35954 – juris Rn. 23). Der Kläger kann sich insofern in einer der Großstädte Pakistans niederlassen und kann auch sicher dorthin gelangen. Von Islamabad als mutmaßlichen Zielort der Abschiebung kann der Kläger z.B. per Flugzeug nach Peshawar in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa oder Karachi in der Provinz Sindh gelangen. Beide Großstädte verfügen über einen internationalen Flughafen. Weiter ist es dem Kläger auch zumutbar sich dort niederzulassen wie obigen Ausführungen zur humanitären Situation und die Sicherheitslage gezeigt haben. Auf die Ausführungen unter I. 5) wird entsprechend verwiesen.
Ein Abschiebeverbot ist schließlich auch nicht deshalb gegeben, weil der Kläger in Pakistan als afghanischer Flüchtling leben wird. Es ist weder vorgetragen noch finden sich Anhaltspunkte, dass die humanitäre Lage für afghanische Flüchtlinge in Pakistan so schlecht sei, als dass ein Abschiebeverbot begründet wäre. In Pakistan leben knapp 1,4 Millionen registrierte afghanische Flüchtlinge. Hinzu kommen ca. 850.000 Personen mit beantragter Afghan Citizen Card und ca. 300.000 – 550.000 illegal im Land aufhältige Personen. 2007 hatte Pakistan die Registrierung (Proof of Registration Card) von Flüchtlingen aus Afghanistan eingestellt. Zwischen August 2017 und 28. Februar 2018 konnte die Afghan Citizen Card beantragt werden. Zwar besteht die Gefahr für nicht registrierte Afghanen außer Landes gebracht zu werden, wobei die freiwillige Rückkehr bevorzugt wird. Pakistan arbeitet an der Fertigstellung eines flexiblen Visa-Regimes für afghanische Flüchtlinge. Der Kläger als Inhaber eines afghanischen Reisepasses kann sich hierum bemühen und seine Lage verbessern (vgl. Österreich / Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Pakistan, Gesamtaktualisierung am 16.5.2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 28.5.2019, S. 95 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand: Juli 2019, 2. September 2019, S. 24). Im Übrigen hat sich der Kläger bereits in der Vergangenheit über viele Jahre mit seiner Familie unbehelligt in Pakistan aufgehalten, wobei unklar blieb, ob er als Flüchtling registriert war. Die Möglichkeit, dass der Kläger vom pakistanischen Staat nach Afghanistan zurückgeführt werden könnte, führt nicht zur Feststellung eines Abschiebeverbotes, weil auch hinsichtlich Afghanistans für den Kläger keine Abschiebungsverbote bestehen, wie sich aus den Ausführungen unter I. und II. ergibt, auf welche verwiesen wird.
2) Anhaltspunkte für das Vorliegen von Gründen, die die Feststellung eines Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigen, liegen ebenfalls nicht vor. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung abgesehen werden, wenn dem Ausländer im Zielstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Zwar hat der Kläger ein Attest zu einer erlittenen Schussverletzung vorgelegt. Weder aus diesem noch aus seinem sonstigen Vortrag ist substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger an einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung leidet, noch dass sich diese aufgrund der Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, so dass ihm nicht die erforderliche erhebliche konkrete Gefahr im Sinne der Vorschrift droht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sind, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918 – juris Rn. 39 mit weiteren Nachweisen). Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Eine solche Abschiebestoppanordnung besteht für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht. Ebenso ist das Gericht der Auffassung, dass sich die allgemeine Gefahr in Pakistan für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet hat, dass eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist.
IV.
Auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung unter Abschiebungsandrohung nach Pakistan ist rechtmäßig.
Die Voraussetzungen der §§ 34, 59 AufenthG liegen vor. Dabei ist es unschädlich, dass der Kläger nicht die pakistanische Staatsangehörigkeit besitzt. Für die rechtliche Beurteilung des in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Zielstaates ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Ausländer dessen Staatsangehörigkeit besitzt (vgl. BVerwG, B.v. 1.9.1998 – 1 B 41/98 – juris; VGH BW, U.v. 13.12.1995 – 1 S 1345/95 – juris). Die Bezeichnung eines anderen Staates als den des Heimatstaates des Ausländers könnte deshalb allenfalls dann Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung haben, wenn der genannte Staat bei Erlass der Abschiebung überhaupt nicht (mehr) existent war oder wegen des Fehlens jeglichen Bezugs zu dem Ausländer als Aufnahmestaat von vornherein nicht in Betracht kam (vgl. VGH BW, U.v. 13.12.1995 a.a.O.). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Der Kläger hat, wie bereits ausgeführt, ausreichenden Bezug zu Pakistan, dem Staat, in dem er fast seine gesamte Kindheit und Jugend verbracht hat. Pakistan ist das Land, in dem er den Großteil seines Lebens seinen Lebensmittelpunkt hatte.
Der Hinweis in der Abschiebungsandrohung nach § 59 Abs. 2 AufenthG, dass ein Ausländer auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, hat keinen Regelungscharakter und entbindet die Behörde nicht davon, dem Ausländer einen konkret ins Auge gefassten neuen Abschiebezielstaat rechtzeitig vorher mitzuteilen, um ihm Gelegenheit zu geben, etwaige Abschiebungshindernisse bezüglich dieses Staats geltend zu machen und gegebenenfalls Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (BVerwG, U.v. 4.12.2001 – 1 C 11.01, juris; OVG LSA, B.v. 13.8.2008 – 2 L 12/08, juris Rn. 5). Der Kläger kann daher ohne ausdrückliche Nennung Afghanistans als Zielstaat in der Abschiebungsandrohung nicht von Deutschland aus direkt dorthin abgeschoben werden.
V.
Schließlich begegnet auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG in Nr. 6 des Bescheides keinen rechtlichen Bedenken. Auch unter Berücksichtigung des nunmehr geltenden § 11 Abs. 1 AufenthG, wonach das Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht mehr aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung eintritt, sondern es hierfür vielmehr einer behördlichen Entscheidung bedarf (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 71), bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ziffer 6 des Bescheides. Die nunmehr geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer ist in unionsrechtskonformer Auslegung regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG zu sehen (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 72). Eine solche hat die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid wirksam getroffen und in Ausübung des ihr nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eingeräumten Ermessens eine Befristung auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung vorgesehen. Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden.
VI.
Die Klage ist mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.


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