Verwaltungsrecht

Erfolglose Beschwerde

Aktenzeichen  10 CE 21.610

Datum:
30.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7414
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146
AufenthG § 60 Abs. 2 S. 1
GG Art. 6
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

1. Art. 6 GG gewährt zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt, jedoch verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 und 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, dh entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Familienangehörige, zu dem eine schutzwürdige familiäre Bindung und ein daran anknüpfendes inlandsbezogenes familiäres Abschiebungshindernis geltend gemacht wird, muss sich aber berechtigterweise, etwa als Deutscher oder Inhaber eines Aufenthaltstitels, in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 24 E 20.6126 2021-02-08 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag, ihm im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Duldung zu erteilen, hilfsweise die Grenzübertrittsbescheinigung zu verlängern, weiter.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. Februar 2021. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG und insbesondere kein (inlandsbezogenes) Abschiebungshindernis aufgrund des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK glaubhaft gemacht hat. Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass vor dem Hintergrund der fehlenden Vaterschaftsanerkennung und Sorgerechtserklärung sowie einer nicht bestehenden tatsächlichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und der (künftigen) Kindesmutter deren Schwangerschaft und die unmittelbar bevorstehende Geburt des Kindes für den Antragsteller keinen Abschiebungsschutz bewirke.
Der Antragsteller, der eine Urkunde der Stadt München vom 11. März 2021 über seine Anerkennung der Vaterschaft des am 23. Februar 2021 geborenen Kindes sowie eine gemeinsame Erklärung der Eltern über die Namensgebung für das Kind vorgelegt hat, trägt zur Begründung der Beschwerde vor, aufgrund des Rechts auf Wahrung des Familienlebens im Bundesgebiet aus Art. 6 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 8 EMRK ergebe sich (auch) nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 18.6.2019, richtig: 4.7.2019 – 1 C 45.18 – juris) ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehe eine familiäre Lebensgemeinschaft und eine familiäre Verbundenheit mit der Kindesmutter, einer Asylbewerberin, weshalb zudem § 43 Abs. 3 AsylG zu beachten sei. Eine behördliche Sorgerechtsentscheidung könne aufgrund der Corona-Situation derzeit nicht beigebracht werden.
Damit legt der Antragsteller jedoch keine Gründe dar, aus denen die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern wäre. Zwar kann eine Abschiebung nach Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK aus familiären Gründen rechtlich unmöglich sein, wenn die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden kann. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt, jedoch verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 und 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 22.1.2021 – 10 CE 20.3127 – Rn. 19, nicht veröffentlicht). Der Familienangehörige, zu dem eine schutzwürdige familiäre Bindung und ein daran anknüpfendes inlandsbezogenes familiäres Abschiebungshindernis geltend gemacht wird, muss sich aber berechtigterweise, etwa als Deutscher oder Inhaber eines Aufenthaltstitels, in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten (BayVGH, B.v. 22.1.2021 – 10 CE 20.3127 – Rn. 20). Letzteres hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr hat der Antragsgegner in seiner Beschwerdeerwiderung vom 19. März 2021 – vom Antragsteller unwidersprochen – dargelegt, dass das Asylverfahren der Mutter des Kindes bereits seit 25. September 2020 (erfolglos) abgeschlossen sei und weder die Mutter noch das Kind selbst im Besitz von Identitäts- oder Aufenthaltsdokumenten seien. Aus diesem Grund hat der Antragsgegner im Übrigen zu Recht auch darauf hingewiesen, dass § 43 Abs. 3 Asylgesetz hier nicht anwendbar ist.
Nicht mehr entscheidungserheblich ist somit, ob der Antragsteller (auch) glaubhaft gemacht hat, dass er mit der Kindesmutter und dem Kind in familiärer Lebensgemeinschaft zusammenlebt.
Hinsichtlich der hilfsweise begehrten Verlängerung der Grenzübertrittsbescheinigung wird im Beschwerdeverfahren nichts vorgetragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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