Verwaltungsrecht

Erfolglose Beschwerde: Formelle Anforderungen an die Anordnung des Sofortvollzuges

Aktenzeichen  20 CS 17.1797

Datum:
3.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11850
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146 Abs. 4 S. 6
VwGO § 80 Abs. 3
GDVG Art. 18 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Die Begründung für eine Anordnung des Sofortvollzuges nach § 80 Abs. 3 VwGO kann knapp gehalten sein. An sie sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen, sofern aus ihr hervorgeht, dass und warum die Verwaltung im konkreten Fall dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 14 S 16.635 2017-05-29 Ent VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2500 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen Entscheidung. Die dem Bescheid vom 15. März 2016 beigefügte Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs ist formell rechtmäßig (hierzu 1.). Im Rahmen der vom Beschwerdegericht vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen für und gegen die Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigen die mit der Beschwerdebegründung vorgetragenen Argumente auch keine Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hierzu 2.).
1. Die Pflicht zur schriftlichen Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verfolgt drei Funktionen: Einerseits wird die Behörde angehalten, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden. Diese Warnfunktion soll zu einer sorgfältigen Prüfung des Interesses an der sofortigen Vollziehung veranlassen. Daneben soll der Betroffene über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgebend gewesen sind, unterrichtet werden, damit er die Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO prüfen kann. Schließlich soll die Kenntnis der verwaltungsbehördlichen Erwägungen dem Gericht eine ordnungsgemäße Rechtskontrolle ermöglichen (vgl. zum Ganzen Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 33. Ergänzungslieferung Juni 2017, § 80 Rn. 245; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 42). Ausgehend von diesen Funktionen prüft das Gericht bei der Frage, ob die formellen Anforderungen an die Begründung eingehalten sind, ob die Warnfunktion eingehalten wurde, indem die Mindestanforderungen an die Begründung gewahrt sind (Schoch a.a.O., Rn. 247 m.w.N.). Notwendig ist eine auf die Umstände des konkreten Falls bezogene Darlegung des besonderen Interesses gerade an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts. Die Vollziehbarkeitsanordnung muss erkennen lassen, dass sich die Behörde des rechtlichen Ausnahmecharakters der Anordnung bewusst ist (Schmidt a.a.O. § 80 Rn. 42 unter Verweis auf OVG Münster, B.v. 22.1.2001 – 19 B 1757/00, 19 E 886/00 – NJW 2001, 3427). Die Begründung kann durchaus knapp gehalten sein, aus ihr muss jedoch hervorgehen, dass und warum die Verwaltung in concreto dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt (Schoch a.a.O.). Dabei sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen, jedoch müssen die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe, die die Behörde zum Ausschluss des Suspensiveffekts bewogen haben, angegeben werden (Schmidt a.a.O., § 80 Rn. 43). Eine inhaltliche Kontrolle dergestalt, ob die von der Verwaltung angeführten Gründe zutreffend sind, erfolgt dagegen an dieser Stelle nicht.
Das Landratsamt hat im vorliegenden Fall die Anordnung des Sofortvollzugs damit begründet, dass ihm keine aktuellen Angaben zu den im Betrieb der Antragstellerin Beschäftigten und deren fachlicher Qualifikation vorlägen. Bei einem Zuwarten bis zu einer endgültigen Entscheidung bestehe die Gefahr, dass durch eine unsachgemäße Ausübung von krankenpflegerischen Tätigkeiten durch nicht entsprechend ausgebildetes Personal Leben und Gesundheit von Personen, die Dienste des Betriebes der Antragstellerin wahrnähmen, gefährdet werden könnten.
Mit dieser zwar relativ knapp gehaltenen Begründung hat der Antragsgegner gezeigt, dass er sich den Ausnahmecharakter der Anordnung des Sofortvollzugs bewusst war. Die auf den konkreten Einzelfall bezogenen Gründe werden zwar knapp, aber nachvollziehbar und ausreichend dargestellt.
Die Beschwerde macht dagegen geltend, dass tatsächlich eine Eilbedürftigkeit für die Anordnung des Sofortvollzugs nicht bestanden habe, da das Landratsamt lange Zeit untätig gewesen sei und die Vorlage der in Art. 18 Abs. 1 und 2 des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes (GDVG) genannten Unterlagen nur halbherzig betrieben habe. Damit macht die Beschwerde aber einen Aspekt geltend, der nicht die formelle Begründungspflicht, sondern materielle Anforderungen an die Anordnung des Sofortvollzugs betrifft. Für die Frage, ob die Anforderungen an die Begründung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 VwGO gewahrt sind, ist dies aber irrelevant. Gleiches gilt, soweit geltend gemacht wird, dass tatsächlich keine Gefahr für die Gesundheit der von der Antragstellerin betreuten Personen bestehe. Denn auch insoweit handelt es sich um einen hier nicht zu berücksichtigenden materiellen Aspekt.
2. Darüber hinaus rechtfertigen auch die übrigen in der Beschwerdebegründung vorgetragenen, materiell-rechtlichen Erwägungen keine von der Abwägungsentscheidung des Verwaltungsgerichts abweichende Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Argumentation deckt sich insoweit mit der im Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. Mai 2017 (AN 14 K 16.636). Daher wird zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die Begründung des am heutigen Tage ergangenen Beschlusses im Zulassungsverfahren (20 ZB 17.1892) Bezug genommen.
Die Antragstellerin trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG, Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 VwGO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben