Verwaltungsrecht

Erfolglose Beschwerde gegen einstweiligen Rechtsschutz – auch keine Prozesskostenhilfe, wenn die erstinstanzliche Entscheidung nicht zu beanstanden ist

Aktenzeichen  9 CS 21.48

Datum:
19.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4351
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 36 Abs. 6 S. 2
ZPO § 114, § 121 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5, § 166 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Lässt sich dem Vortrag des Antragstellers nichts entnehmen, das geeignet wäre, den vom Verwaltungsgericht gewürdigten Sachverhalt im Hinblick auf einen Baubeginn der Terrasse zu entkräften, bleibt die die Beschwerde gegen die Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes erfolglos. (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist das Verwaltungsgericht unter Würdigung des in den Behördenakten dokumentierten Sachverhalts und der Einlassung des Antragstellers von einem Baubeginn für eine Terrasse ausgegangen und ist dies nicht zu beanstanden, liegen keine hinreichender Erfolgsaussichten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO für eine Prozwsskostenhilfe vor, ohne dass hier die eigentliche Prüfung der Sach- und Rechtslage aus dem Hauptsacheverfahren in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert wird. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 S 20.1129 2020-11-04 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren im vorläufigen Rechtsschutz wird unter Abänderung der Nr. 3 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 4. November 2020 für beide Instanzen auf jeweils 1.875 Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren im vorläufigen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine erneute Zwangsgeldandrohung, gegen die Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrags für das Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgericht und begehrt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren im vorläufigen Rechtsschutz.
Mit Unterlagen vom 28. Juli 2018 beantragte der Antragsteller die Baugenehmigung zur Erneuerung eines Gartenhauses auf vorhandenem Keller seines Grundstücks FlNr. … Gemarkung K … Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 4242 der Antragsgegnerin, der hier eine private Grünfläche / Garten festsetzt. Die Antragsgegnerin hat über diesen Antrag bislang nicht entschieden.
Im Oktober 2019 stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller mit der Errichtung des Gartenhauses begonnen hat. Sie ordnete daraufhin mit sofort vollziehbarem, bestandskräftigem Bescheid vom 4. November 2019 die Einstellung der Baumaßnahmen an und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro an.
Bei einer Baukontrolle am 28. April 2020 stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller augenscheinlich mit der Errichtung seiner Terrassenfläche begonnen hat. Daraufhin forderte sie gegenüber dem Antragsteller mit Schreiben vom 7. Mai 2020 das Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro aus dem Bescheid vom 4. November 2019 ein. Mit Bescheid vom 11. Mai 2020 teilte die Antragsgegnerin mit, dass der bereits mit unanfechtbarem Bescheid vom 4. November 2019 getroffenen Anordnung auf Unterlassung der Bauarbeiten zur Errichtung eines Gartenhauses erneut ab Zustellung dieses Bescheids Folge zu leisten ist und drohte für den Fall, dass der Anordnung nicht Folge geleistet wird, ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500 Euro an.
Hiergegen erhob der Antragsteller jeweils Klage, über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig stellte er einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und beantragte die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten für sämtliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 4. November 2021 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren ab. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
Der Antragsteller ist der Ansicht, die Bilder, auf die sich die Antragsgegnerin stützt, seien vom Nachbargrundstück gefertigt worden, weswegen der Anschein des Beginns des Terrassenbaus erweckt worden sei. Tatsächlich habe er die Balken nur trocknen und abschleifen sowie einen Witterungsschutz aufbringen wollen.
Er beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 4. November 2020 aufzuheben und die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 11. Mai 2020 auszusetzen,
dem Antragsteller für das Verfahren beim Verwaltungsgericht Ansbach Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten zu bewilligen und
dem Antragsteller unter Beiordnung der Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin stellt keinen Antrag, hält die Beschwerde aber für unbegründet. Die Bilder seien anlässlich einer unangekündigten Baukontrolle erstellt worden. Der Antragsteller habe einen immensen Aufwand für das bloße Abschleifen betrieben. Zudem zeige ein Vergleich der Aufnahmen der Baukontrollen vom 13. März 2020 und vom 28. April 2020 Veränderungen und es seien Auflager errichtet worden, auf die die Unterkonstruktion aufgelegt worden sei. Die Konstruktionshölzer seien auch exakt an den im Bauplan angegebenen Stellen ausgelegt worden, weshalb von einem Baubeginn auszugehen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässigen Beschwerden sowie der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten haben keinen Erfolg.
Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt, weil die Klage gegen den Bescheid vom 11. Mai 2020 im Hauptsacheverfahren erfolglos bleiben wird (1.). Dementsprechend bleibt auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren im vorläufigen Rechtsschutz unter Beiordnung der Bevollmächtigten des Antragstellers erfolglos (2.) und auch die Beschwerde gegen die Versagung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht hat keinen Erfolg (3.).
1. Die zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes durch Nr. 1 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 4. November 2020 bleibt erfolglos.
Der Antragsteller trägt vor, dass die Bilder der Antragsgegnerin lediglich den Anschein des Beginns des Terrassenbaus erwecken würden. Tatsächlich habe er jedoch die Holzbalken nur trocknen, abschleifen und mit einem Witterungsschutz versehen wollen. Dies verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
Die erneute Zwangsgeldandrohung im angefochtenen Bescheid vom 11. Mai 2020 setzt voraus, dass die vorausgegangene Androhung im Bescheid vom 4. November 2019 erfolglos geblieben ist (vgl. Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG). Dies ist hier der Fall, wenn der Antragsteller gegen das Unterlassungsgebot aus dem Bescheid vom 4. November 2020 verstoßen hat. Zwar trägt hierbei die Antragsgegnerin die materielle Beweislast für die Tatsache, dass der Antragsteller mit dem Bau der Terrasse begonnen hat, weil sie aus dem Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung vom 11. November 2019 und der Fälligstellung des dort angedrohten Zwangsgeldes für sie günstige Tatsachen herleitet (vgl. HessVGH, U.v. 6.2.2014 – 6 A 876/10 – juris Rn. 87; BVerwG, B.v. 28.7.1993 – 4 B 120.93 – juris Rn. 5). Dem ist hier mit den bei der Baukontrolle vom 20. April 2020 durch die Beklagte gefertigten Lichtbilder Rechnung getragen. Das Verwaltungsgericht hat auf dieser Grundlage festgestellt, dass die Holzbalken geordnet und mit Konstruktion im unmittelbaren Anschluss an das Gartenhaus angebracht wurden. Es hat ferner ausgeführt, dass die Anbringung und Auslegung der Holzbalken der beantragten Terrassenkonstruktion dem Grundrissplan des beantragten Bauvorhabens vom 25. Juli 2018 entsprächen. Dem tritt das Beschwerdevorbringen nicht substantiiert entgegen. Dem Vortrag des Antragstellers lässt sich nichts entnehmen, das geeignet wäre, den vom Verwaltungsgericht gewürdigten Sachverhalt im Hinblick auf einen Baubeginn der Terrasse zu entkräften. Der Antragsteller behauptet zwar, die Auslegung der Holzbalken sei erforderlich gewesen, um diese zu trocknen; dies erklärt aber nicht die aufwändige Konstruktion unmittelbar im Anschluss an das Gartenhaus und die vom Verwaltungsgericht festgestellte Positionierung entsprechend der Planunterlagen. Unabhängig davon zeigen die Lichtbilder der Baukontrollen vom 24. Juni 2020 und vom 7. Juli 2020, dass der „Rückbau“ vom Antragsteller eher provisorischen Charakter hat und eine gewisse Rahmen- bzw. Grundkonstruktion nach wie vor vorhanden ist. Die Lichtbilder vom 13. März 2020 und vom 24. März 2020 zeigen zudem weitere Unterschiede auf, wie Erdarbeiten und eine Entfernung des Betonsockels, die für ein bloßes Trocknen und Behandeln der Holzbalken nicht erforderlich gewesen wären.
2. Dementsprechend bleibt auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren im vorläufigen Rechtsschutz mangels hinreichender Erfolgsaussichten erfolglos (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114, § 121 Abs. 2 ZPO).
3. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes in Nr. 4 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 4. November 2020 bleibt ebenfalls erfolglos, weil keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestehen (vgl. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ZPO).
Zwar dürfen im Rahmen der Prüfung hinreichender Erfolgsaussichten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO die eigentliche Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht aus dem Hauptsacheverfahren in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert und die Anforderungen nicht überspannt werden. Der Erfolg muss nicht gewiss sein; es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso infrage kommt, wie ein Unterliegen. Hinreichend ist die Erfolgsaussicht jedenfalls dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder wenn der vom Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 13.7.2020 – 9 C 19.2472 – juris Rn. 5 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben bietet die Rechtsverfolgung der Kläger hier keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist unter Würdigung des in den Behördenakten dokumentierten Sachverhalts und der Einlassung des Antragstellers von einem Baubeginn für die Terrasse ausgegangen. Dies ist hier nach den obigen Ausführungen nicht zu beanstanden. Dass das Verwaltungsgericht damit den im Prozesskostenhilfeverfahren eng begrenzten Rahmen einer zulässigen Beweisantizipation überschritten hätte, ist weder dargelegt noch ersichtlich (vgl. BVerfG, B.v. 28.8.2014 – 1 BvR 3008/11 – juris Rn. 12).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen im Fall der Zurückweisung der Beschwerde kostenpflichtig (vgl. BayVGH, B.v. 13.7.2020 – 9 C 19.2472 – juris Rn. 7 m.w.N.). Kosten werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO).
Für die Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren ist eine Streitwertfestsetzung nicht erforderlich, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren im vorläufigen Rechtsschutz ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 und 1.7.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Der Senat legt hierbei regelmäßig den jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zugrunde (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2019 – 9 ZB 17.2129 – juris Rn. 10). Bei der Androhung von Zwangsmitteln sieht Nr. 1.7.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs die Hälfte der Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes – hier in Höhe von 7.500 Euro – als Streitwert vor. Dieser Betrag ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs (nochmal) zu halbieren (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2018 – 11 CS 17.2235 – juris Rn. 12; B.v. 16.9.2010 – 1 CS 10.1803 – juris Rn. 27).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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