Verwaltungsrecht

Erfolglose Bewertungsrügen gegen nicht bestandene Erste Juristische Staatsprüfung

Aktenzeichen  7 ZB 16.184

Datum:
26.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 53216
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5

 

Leitsatz

1 Die Vergabe von 3 Punkten mit ausführlicher schriftlicher Begründung, die auch positive Aspekte der Klausurbearbeitung einbezieht, und die tragenden Erwägungen, die zur Bewertung der Prüfungsleistungen geführt haben, darstellt, überschreitet nicht den Beurteilungsspielraum des Prüfers. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Einschätzung einer Prüferin, dass vorhandenes Wissen nicht in eine überzeugende Lösung umgesetzt worden und die Leistung deshalb im Ganzen nicht mehr brauchbar sei, begründet allein nicht die Annahme eines überzogenen Bewertungsmaßstabes, zumal wenn sie nicht nur die schwerwiegenden Mängel, sondern auch positive Ansätze der Prüfungsleistung berücksichtigt.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 3 K 14.475 2015-11-30 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Klägerin begehrt unter Aufhebung des Prüfungsbescheids des Landesjustizprüfungsamts vom 24. Juni 2014 die Verpflichtung des Beklagten, drei der im Rahmen der Ersten Juristischen Staatsprüfung 2014/1 erbrachten schriftlichen Prüfungsarbeiten (Aufgaben 2, 4 und 6) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten und ggf. das Prüfungsverfahren (mit der Ladung zur mündlichen Prüfung) fortzuführen.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz – Landesjustizprüfungsamt – hatte der Klägerin mit Bescheid vom 24. Juni 2014 unter Angabe der in den einzelnen schriftlichen Prüfungsarbeiten erzielten Punktzahlen und der Gesamtnote der schriftlichen Prüfung (3,41 = mangelhaft) mitgeteilt, dass sie die Erste Juristische Staatsprüfung wiederholt nicht bestanden habe und damit eine weitere Wiederholung der Prüfung nicht möglich sei. Das auf Antrag der Klägerin in Bezug auf einzelne schriftliche Prüfungsarbeiten durchgeführte Nachprüfungsverfahren führte zu keiner Änderung der Prüferbewertungen (Mitteilung des Landesjustizprüfungsamts vom 15.10.2014).
Die von der Klägerin gegen den Prüfungsbescheid vom 24. Juni 2014 und auf Neubewertung der streitgegenständlichen drei Prüfungsarbeiten (Aufgaben 2, 4 und 6) und ggf. auf Fortführung des Prüfungsverfahrens gerichtete Klage hat das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 30. November 2015 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Auch liege mit der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ein Verfahrensfehler vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass Bewertungsfehler der Prüfer nicht erkennbar seien. Es lege seiner Entscheidung insoweit einen falschen Sachverhalt zugrunde, als es Stellungnahmen der Prüfer zu einzelnen Bewertungsrügen fehlerhaft interpretiere und deren Bewertungen aufgrund eigener Erwägungen rechtfertige. Das Verwaltungsgericht sei zudem nicht hinreichend auf einzelne Rügen der Klägerin eingegangen. Das Verwaltungsgericht habe damit auch den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 22. Februar 2016 Bezug genommen.
Der Beklagte widersetzt sich dem Zulassungsantrag der Klägerin. Auf den Schriftsatz des Landesjustizprüfungsamts vom 14. März 2016 wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Prüfungsbescheids und Neubewertung der streitgegenständlichen Prüfungsarbeiten sowie Fortführung des Prüfungsverfahrens. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass Bewertungsfehler der Prüfer nicht erkennbar sind. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren ist ergänzend zu bemerken:
a) Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung keinen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt. Es hat weder Stellungnahmen der Prüfer zu einzelnen Bewertungsrügen fehlerhaft interpretiert noch die Bewertungen der Prüfer aufgrund eigener Erwägungen gerechtfertigt.
aa) Der Erstprüfer der Aufgabe 6 hat den von der Klägerin auf Seite 13 ihrer Arbeit verwendeten Begriff „Funktionsgrenzen der Rechtsprechung“ mit zwei Fragezeichen („??“) versehen und in seiner Stellungnahme im erstinstanzlichen Verfahren hierzu ausgeführt, dass sich die Verwendung des Begriffes nicht nachteilig auf die Bewertung ausgewirkt hat. In die Bewertung ist nach den Angaben des Erstprüfers – ausweislich der schriftlichen Begründung seiner Erstbewertung – vielmehr eingeflossen, dass die Klägerin das Problem „Beurteilungsspielraum des Prüfers und gerichtliche Überprüfbarkeit“ (im Zusammenhang mit der in der Aufgabe geschilderten praktischen Führerscheinprüfung) angesprochen und bearbeitet, nach Ansicht des Erstprüfers den entscheidenden „Aufhänger aber nicht gefunden“ hat. Diese Bewertung hat die Klägerin nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Die von der Klägerin gerügten Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf Seite 16 des Urteils zum Thema, wie die Fragezeichen des Prüfers zu verstehen seien, sind für die gerichtliche Entscheidung unerheblich.
bb) Der Erstprüfer der Aufgabe 6 hat zu dem von der Klägerin auf Seite 14 ihrer Arbeit verwendeten Begriff „Beurteilungsausfall“ die Frage „Was ist das?“ angemerkt. Dies ist Gegenstand einer entsprechenden Rüge der Klägerin und der Stellungnahme des Erstprüfers hierzu im Nachprüfungsverfahren gewesen. Die Klägerin, die den Begriff „Beurteilungsausfall“ auf Seite 15 ihrer Arbeit wiederholt, befasst sich in ihrer Arbeit auf den Seiten 14/15 ferner unter dem Gesichtspunkt eines „Beurteilungsfehlgebrauchs“ mit etwaigen sachfremden Motiven, von welchen sich der Fahrprüfer möglicherweise habe leiten lassen. Hierzu hat der Erstprüfer auf Seite 14 der klägerischen Arbeit angemerkt, dass sich dem Sachverhalt dafür nichts entnehmen lasse. Diese Prüferbewertung, auf welche das Verwaltungsgericht auf Seite 17 des Urteils eingeht, hat die Klägerin nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 17) lediglich die Angaben des Prüfers wiederholt und nicht etwa eine eigene Bewertung an die Stelle der Prüferbewertung gesetzt.
b) Die Annahme der Klägerin, das Verwaltungsgericht sei nicht hinreichend auf einzelne Bewertungsrügen eingegangen, ist ebenfalls nicht begründet.
aa) Der Erstprüfer hat seine Bewertung der klägerischen Bearbeitung der Aufgabe 6 (= 3 Punkte), die innerhalb der für die Notenstufe „mangelhaft“ (= eine an erheblichen Mängeln leidende, im Ganzen nicht mehr brauchbare Leistung, vgl. § 4 Abs. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen [JAPO] vom 13.10.2003 [GVBl S. 758, BayRS 2038-3-3-11-J], zuletzt geändert durch Verordnung vom 27.11.2015 [GVBl S. 446], § 1 der Verordnung des Bundesministers der Justiz über eine Noten- und Punkteskala für die erste und zweite juristische Prüfung vom 3.12.1981 [BGBl I S. 1243], geändert durch Gesetz vom 19.4.2006 [BGBl I S. 866]) maßgebenden Punkteskala von 1 bis 3 Punkten an der oberen Grenze liegt, schriftlich detailliert begründet. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass der Erstprüfer – wie aus seiner schriftlichen Begründung ersichtlich – auch positive Aspekte der Klausurbearbeitung in seine Gesamtbewertung einbezogen hat. Der Erstprüfer hat entgegen der Ansicht der Klägerin die tragenden Erwägungen, die zu seiner Bewertung der Prüfungsleistung geführt haben, in seiner schriftlichen Begründung dargestellt. Eine Überschreitung seines Beurteilungsspielraums ist – wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt – danach nicht ersichtlich.
bb) Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur klägerischen Rüge, die Bewertung der Aufgabe 4 (= 4 Punkte) habe gegen das „Folgefehlerprinzip “ verstoßen, weil die Prüfer zu Unrecht bemängelt hätten, dass die Klägerin die Möglichkeit eines erfolgsqualifizierten Versuchs des § 306c StGB nicht diskutiert habe, sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat die Rüge der Klägerin in seinem Urteil auf Seite 14 behandelt. Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht dem klägerischen Vorbringen nicht folgt und einen Bewertungsfehler nicht feststellt, rechtfertigt nicht die klägerische Annahme, das Verwaltungsgericht habe die Rüge „nicht richtig zur Kenntnis“ genommen. Der Senat teilt vielmehr die Wertung des Verwaltungsgerichts, dass es „keine unzulässige Doppelgewichtung“ darstellt, wenn die Prüfer in ihrer schriftlichen Begründung zur Bewertung der Prüfungsleistung bemerken, dass „der Bearbeiter durch die mit der gezeigten Begründung nicht vertretbare Annahme vollendeter Brandstiftungsdelikte sich die Schwerpunkte des ersten Tatkomplexes nahezu abgeschnitten hat.“
cc) Der klägerische Einwand, das Verwaltungsgericht habe auch in Bezug auf die Aufgabe 2 das Vorbringen der Klägerin nur unvollständig zur Kenntnis genommen, ist ebenfalls nicht stichhaltig. Das Verwaltungsgericht hat sich mit der Rüge der Klägerin, dass die Erstprüferin (= „Erstprüfer“) ausweislich der von ihr gegebenen Begründung einen überzogenen Bewertungsmaßstab angelegt habe, auf Seite 13/14 seines Urteils auseinandergesetzt. Die abschließende Formulierung der Erstprüferin „Es zeigt sich, dass vorhandenes Wissen nicht in eine sachgerechte und überzeugende Lösung umgesetzt werden kann. Deshalb ist die Leistung als im Ganzen nicht mehr brauchbar zu bewerten“, begründet allein nicht die Annahme eines überzogenen Bewertungsmaßstabs. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zu Recht darauf hingewiesen, dass entgegen der Annahme der Klägerin – und sowohl ausweislich der schriftlich gegebenen Erstbegründung zur Bewertung (= 2 Punkte) als auch der ergänzenden Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren – die Bewertung nicht nur die schwerwiegenden Mängel, sondern auch „positive Ansätze“ der klägerischen Prüfungsleistung berücksichtigt. Die Begründung lässt zudem die tragenden Erwägungen, insbesondere die erheblichen Mängel der Prüfungsleistung erkennen, die zur Bewertung mit 2 Punkten geführt haben.
2. Das Verwaltungsgericht hat nach alledem das Vorbringen der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren hinreichend zur Kenntnis genommen und sich damit inhaltlich auch auseinandergesetzt. Der von der Klägerin gerügte Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nicht vor.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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