Verwaltungsrecht

Erfolglose Gehörsrüge

Aktenzeichen  9 ZB 19.32441

Datum:
16.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15952
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3
AufenthG § 60a Abs. 2c, § 60

 

Leitsatz

Dem Gericht fällt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen zu hoher Anforderungen an den Nachweis einer psychischen Erkrankung zur Last, da es sich ausführlich mit den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen des Klägers auseinander gesetzt hat. (Rn. 4 – 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 14 K 17.30897 2019-05-02 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger, nach seinen eigenen Angaben Staatsangehöriger Sierra Leones, begehrt die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 2. Mai 2019 wies das Verwaltungsgericht seine Klage ab. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos.
Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) wegen der Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 30. April 2019 bedingt gestellten Beweisantrags liegt nicht vor.
Die Ablehnung eines erheblichen Beweisangebots verstößt nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 138 Nr. 3 VwGO) als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG), wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.30023 – juris Rn. 10 m.w.N.). Das rechtliche Gehör ist versagt, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Von einer willkürlichen Missdeutung kann insbesondere nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Rechtsauffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B.v. 22.5.2015 – 1 BvR 2291/13 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 26.4.2018 – 9 ZB 18.30178 – juris Rn. 4 m.w.N.). Das gilt auch für einen – wie hier – hilfsweise gestellten Beweisantrag. Dass ein Beweisantrag nicht unbedingt gestellt ist, entbindet das Gericht lediglich von der verfahrensrechtlichen Pflicht des § 86 Abs. 2 VwGO, über ihn vorab durch Gerichtsbeschluss zu entscheiden, nicht aber von den sonst für die Behandlung von Beweisanträgen geltenden verfahrensrechtlichen Bindungen, wenn sie sich als erheblich erweisen (vgl. BVerfG, B.v. 22.9.2009 a.a.O. Rn. 13 m.w.N.; BayVGH, B.v. 20.3.2019 – 9 ZB 17.30407 – juris Rn. 3).
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bedingt beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass er „unter den schwerwiegenden Erkrankungen einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen und der Anpassungsstörungen leidet, (…) dringend psychiatrischer Behandlung bedarf, sich sein Gesundheitszustand bei Abbruch der Behandlung bzw. fehlender Behandlungsmöglichkeit im Herkunftsland wesentlich verschlechtert bis hin zur Lebensbedrohlichkeit verschlechtern würde“, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. Das Verwaltungsgericht hat in seinen Entscheidungsgründen des Urteils vom 2. Mai 2019 das Erfordernis weiterer Sachverhaltsermittlungen entsprechend dem gestellten Beweisantrag mit der Begründung verneint, die Vorgaben des § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG fänden nicht nur bei der Beurteilung eines inländischen Abschiebungshindernisses, sondern auch im Rahmen der Prüfung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses und zwar für jegliche Form der Erkrankung Anwendung (UA S. 9) und die dem Gericht vorliegenden ärztlichen Äußerungen erfüllten weder die Anforderungen an die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung noch die Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG, die auch für sonstige psychische Erkrankungen gelten (UA S. 10). Zur Begründung seines Zulassungsantrags trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht überspanne die Anforderungen an den Nachweis einer psychischen Erkrankung, weil die Anforderungen zum Nachweis einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht auf die schwere depressive Episode und die Anpassungsstörungen des Klägers übertragbar seien. Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung wegen Verletzung rechtlichen Gehörs.
Entgegen dem Vortrag des Klägers erweitert das Verwaltungsgericht die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 11.9.2007 – 10 17.07 und 10 C 8.07) zu den inhaltlichen Anforderungen eines Attestes im Falle einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht auf sonstige psychische Erkrankungen, sondern stellt auf die gesetzlichen Voraussetzungen des § 60a Abs. 2c AufenthG ab, der so jedoch erst durch Gesetz vom 11. März 2016 (GVBl I S. 390) mit Wirkung zum 17. März 2016 in Kraft getreten ist. Aus dem gleichen Grund ist auch die vom Kläger zitierte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Januar 2016 (Az. 13a ZB 15.30245) nicht einschlägig. Im Urteil setzt sich das Verwaltungsgericht ausführlich mit den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen des Klägers auseinander und begründet deren Mängel gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG, wozu sich das Zulassungsvorbringen nicht verhält. Dass die Anforderungen an ein ärztliches Attest gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen sind, entspricht gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 9 ZB 19.30999 – juris Rn. 6 m.w.N.). § 60a Abs. 2c AufenthG differenziert insoweit auch nicht nach der zugrundeliegenden Erkrankung. Dementsprechend kann hierauf eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht gestützt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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