Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage eines Äthiopiers oromischer Volkszugehörigkeit mit einfachen Nachfluchtaktivitäten für die TBOJ – UOSG

Aktenzeichen  RO 2 K 16.31797

Datum:
24.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2763
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 28
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Keine Flüchtlingsanerkennung für rein exilpolitisch tätige (TBOJ UOSG) Äthiopier ohne herausgehobene Stellung; Verfolgungsgefahr nach Bewertung der Auskunftslage nicht beachtlich wahrscheinlich.
1. Alleine die Zugehörigkeit zum Volk der Oromo begründet keine flüchtlingsrelevante Verfolgung bei Rückkehr nach Äthiopien. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Nachfluchtgrund einer exilpolitischen Tätigkeit für die TBOJ – UOSG führt nicht zur beachtlich wahrscheinlichen Gefahr einer politischen Verfolgung bei Rückkehr nach Äthiopien. (Rn. 29 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine unterschiedliche Bewertung der vorhandenen Erkenntnismittel ist keine einer Beweiserhebung zugängliche Tatsachen- sondern eine Wertungsfrage. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Versorgungssituation für einen jungen, gesunden arbeitsfähigen Äthiopier ist nicht so schlecht, dass von einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit auszugehen wäre. (Rn. 50 – 53) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und bleibt ohne Erfolg.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Entscheidung des Bundesamts, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zuzuerkennen sowie das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zu verneinen und den Kläger unter Androhung seiner Abschiebung nach Äthiopien zur Ausreise aufzufordern, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger damit auch nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung des Bundesamts in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids, den Antrag des Klägers im Hinblick auf die Anerkennung als Asylberechtigter abzulehnen, ist bestandskräftig geworden. Der Kläger hat diese Entscheidung mit seiner Klage ausdrücklich nicht angegriffen. Ohnehin könnte er sich nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen, da er nach eigenen Angaben über Italien und Frankreich und damit über Mitgliedstaaten der EU in die Bundesrepublik eingereist ist.
Die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1) Die getroffene Entscheidung ist rechtmäßig, da er keinen Anspruch nach § 3 Abs. 4 Asylgesetz (AsylG) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat. Er ist kein Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG.
a) Ein Ausländer ist – unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben – Flüchtling, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen.
An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es aber regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2014 – 13 A 1305/13.A – juris).
Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25.10 – BVerwGE 140, 22). Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011). Eine bereits erlittene Vorverfolgung, ein erlittener bzw. drohender sonstiger ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NRW, U.v. 21.2.2017 – 14 A 2316/16.A – juris).
Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass die entscheidende Kammer einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris; BVerwG, U.v. 11.11.1986 – 9 C 316.85 – juris). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VG Ansbach, U.v. 24.10.2016 – AN 3 K 16.30452 – juris mit weiteren Nachweisen).
b) Die geltend gemachte Vorverfolgung des Klägers, wonach er als 5- oder 6-jähriges Kind für sechs Monate zusammen mit seiner Mutter inhaftiert gewesen sei, führt schon ungeachtet der Frage der Glaubhaftigkeit der Schilderung nicht dazu, dass ihm bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht. Der Kläger behauptet diesbezüglich, dass der äthiopische Staat seine Eltern verfolgt habe, weil diese OLF Unterstützer gewesen seien und nun deshalb auch ihn verfolgen würde. Selbst wenn die Verfolgung der Eltern tatsächlich der Fall gewesen sein sollte, besteht kein Grund zur Annahme, dass der äthiopische Staat ein seinerzeit 5- oder 6-jähriges Kind nach über 15 Jahren Aufenthalts im Ausland nunmehr alleine wegen der damaligen OLF Unterstützung seiner Eltern verfolgen würde.
Hierauf kommt es aber ohnehin nicht an. Der Vortrag des Kläger ist insoweit wegen entscheidender Lücken unglaubhaft. Der Kläger gibt an, sämtliches Wissen zur Verfolgung seiner Eltern, wie auch zum Tod seines Vaters nur von Erzählungen seiner Mutter zu haben. Er vermochte sich nicht daran zu erinnern, wie sein Vater in der Nacht aus dem Haus geholt worden sein soll, obwohl er damals nach eigener Aussage bereits 5 oder 6 Jahre alt gewesen sein müsste und auch nicht angab, dass er – wovon nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht auszugehen ist – nicht im Haus war. Hierzu gab er an, er habe insoweit schlechte Erinnerungen und könne sich nicht konkret an etwas erinnern. Er muss damals aber schon in einem Alter gewesen sein, an das man sich nach allgemeiner Lebenserfahrung durchaus erinnern kann, noch dazu, wenn es sich um ein derart einschneidendes Erlebnis wie die nächtliche Verhaftung des Vaters in der Wohnung gehandelt haben soll. Daher ist zu vermuten, dass sich die Geschichte nicht wie geschildert ereignet hat und insoweit erfunden ist. Weshalb auch nicht von einer OLF Unterstützung der Eltern ausgegangen werden kann. Auch an der Glaubwürdigkeit des Klägers ist zu zweifeln. Der Kläger gab auch in anderen Bereichen nicht durchgehend die Wahrheit an. Er erzählte in der mündlichen Verhandlung, dass er mit seiner Exilorganisation Veranstaltungen der äthiopischen Regierung in Frankfurt am Main und München gestört habe, indem man in Frankfurt vor der Botschaft demonstriert habe und in München in den Veranstaltungssaal eingedrungen sei. Auf Nachfrage, wann diese Veranstaltung stattgefunden haben, antwortete der Kläger, dies sei im Jahr 2013 gewesen. Nachdem ihm vorgehalten worden war, dass er nach seinen bisherigen Angaben erst 2014 eingereist war, behauptete er dann, dass die Veranstaltungen 2015 gewesen seien. Als er darauf hingewiesen wurde, dass jedenfalls eine Frankfurter Veranstaltung für den Zeitraum 2015 in den Bestätigungen der TBOJ nicht aufgeführt sei, widersprach er zunächst, dass diese schon genannt sei. Auf nochmaligen Vorhalt erklärte er dann, dass wohl die Teilnehmerliste verloren gegangen sei. Auf die Frage, ob es eine solche gegeben habe, sagte er dann, dass es solche dort gar nicht gegeben habe. Hieraus wird deutlich, dass der Kläger seinen Vortrag jeweils auf entsprechenden Vorhalt anzupassen versucht hat, so dass der Kläger nicht glaubwürdig ist. Auch in Bezug auf München findet sich für das Jahr 2015 in den TBOJ Bescheinigungen keine passende Beschreibung. Für München wird nur eine Jahresmittekonferenz der Oromo Studies Association zusammen mit der Gründungsfeier des Senders Oromo Media Network angegeben. Auch insoweit ist also die Teilnahme an einer Störung einer Regierungsveranstaltung nicht aufgeführt. Sollten diese Veranstaltungen bereits, wie zuerst angegeben, 2013 stattgefunden und der Kläger daran teilgenommen haben, so fiele seine ganze Geschichte in sich zusammen, da dann wesentliche Teile nicht wie behauptet sein könnten.
c) Auch die Zugehörigkeit zum Volk der Oromo alleine vermag noch keine flüchtlingsrelevante Verfolgung zu begründen. Insoweit machte der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend, dass in Äthiopien hunderttausende Oromos in Haft säßen und Kinder erschossen würden und auch ihm dieses Schicksal bei einer Rückkehr drohe. Diese Kenntnisse entnehme er der Plattform Oromo-Media-Network.org. Die Freilassung eines führenden oromischen Oppositionspolitikers im Januar 2018 diene nur Propagandazwecken. Auch dies widerspricht den Erkenntnisquellen. Eine Verfolgung schlicht aufgrund der Zugehörigkeit zur Ethnie der Oromo findet nicht statt (vgl. nur AA, Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, Stand: März 2017, Seite 12). Tatsächlich verfolgt werden politisch tätige oppositionelle Oromo, denen eine Nähe zur OLF zugeschrieben wird. In Äthiopien selbst hat sich der Kläger aber nicht der OLF angeschlossen.
d) Soweit er geltend macht, aufgrund seiner exilpolitischen Tätigkeit für die TBOJ – UOSG einer Verfolgungsgefahr in Äthiopien ausgesetzt zu sein, führt auch dies nicht zur beachtlich wahrscheinlichen Gefahr einer politischen Verfolgung. Zwar ermöglicht § 28 Abs. 1a AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch dann, wenn die begründete Furcht nur auf Ereignissen beruht, die eingetreten sind, nachdem ein Ausländer sein Herkunftsland verlassen hat (sog. Nachfluchttatbestände). Hierbei ist auch zu beachten, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1a AsylG im Gegensatz zu § 28 Abs. 2 AsylG auch möglich ist, wenn sämtliche Umstände erst nach der Flucht eingetreten sind. Im Gegensatz zu Vorfluchtgründen, die lediglich glaubhaft zu machen sind, bedürfen Nachfluchtgründe, die auf Ereignissen innerhalb des Gastlandes beruhen, des vollen Nachweises, wobei insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besonders strenge Anforderungen zu stellen sind. Insofern ist den Versuchen einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Asylrechtsschutzes im Bereich der Sachverhaltsermittlung zu begegnen (BVerwG, U.v.21.10.1986 – 9 C 28.85 – BVerwGE 75, 99; BVerwG, U.v. 8.11.1983 – 9 C 93.83 – BVerwGE 68, 171).
Nach Ansicht der Kammer ist es auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr nach Äthiopien eine Verfolgung wegen seiner exilpolitischen Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland drohen würde.
Dass ein Ausländer in seinem Heimatstaat politisch verfolgt wird, weil er in der Bundesrepublik Deutschland gegen seinen Staat politische Aktivitäten entfaltet hat, kann nur angenommen werden, wenn sowohl für das Bekanntwerden der Tätigkeit im Heimatstaat als auch für dessen im Sinne des Asylrechts politisch motivierte Reaktion hinreichend gewichtige Anhaltspunkte bestehen (BVerwG, U.v. 29.11.1977 – 1 C 33.71 – BVerwGE 55, 82). Gerade an letzterem fehlt es hier.
Es gibt zahlreiche äthiopische politische Exilgruppen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen und Programmen. Dem Auswärtigen Amt liegen auch nach dem aktuellen Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien vom 6. März 2017 keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Partei im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Grundsätzlich kommt es nach dieser Auskunft auf den Einzelfall an, also z.B. darauf, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen wird oder um welche politische Tätigkeit es sich handelt (z.B. nachweisliche Mitgliedschaft, führende Position, Organisation gewaltsamer Aktionen). Von Bedeutung ist auch, ob und wie sich die zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätigt (AA, Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, Stand: März 2017, II. 1.9., S. 16). Bei Würdigung dieser Auskunftslage ist weiterhin davon auszugehen, dass die Toleranzschwelle des äthiopischen Staates gegenüber exilpolitischen Aktivitäten seiner Staatsangehörigen sehr gering ist, so dass nicht nur medienwirksam exponierte Führungspersönlichkeiten der als terroristisch angesehenen illegalen Opposition bedroht sind. Vielmehr ist anzunehmen, dass jedenfalls Personen, die sich exponiert betätigt haben, mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben. Dagegen ist zur Überzeugung des Gerichts nach Auswertung der aktuellen Erkenntnisquellen eine Verfolgung von nicht herausgehoben politisch tätigen Personen zwar nicht ausgeschlossen, aber jedenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich.
Die Kammer geht weiterhin davon aus, dass Personen, die sich nur im Hinblick auf einen positiven Ausgang des Asylverfahrens einer exilpolitischen Gruppe anschließen und sich dort nicht exponiert betätigen, im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben. Gerade wegen der intensiven Beobachtung exilpolitischer Auslandsaktivitäten durch äthiopische Stellen muss davon ausgegangen werden, dass auch den äthiopischen Behörden klar ist, dass eine große Zahl äthiopischer Asylbewerber, die im Herkunftsland nicht politisch aufgefallen waren, nicht wegen ihrer politischen Überzeugung an exilpolitischen Veranstaltungen teilnimmt, sondern weil sie sich davon Vorteile im Asylverfahren erwartet.
Im Hinblick darauf ist es nicht wahrscheinlich, dass die äthiopischen Behörden derartige Personen als „verfolgungswürdig“ erachten. Damit ist eine politische Verfolgung im Heimatland nicht beachtlich wahrscheinlich. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn der betreffenden Person eine auf den ersten Blick exponiert erscheinende Position übertragen worden ist, ohne dass diese dann auch aktiv ausgefüllt wird. Mit dem Verwaltungsgericht Bayreuth geht das Gericht davon aus, dass die zu beobachtenden vielfältigen Vorstands- oder sonstigen Funktionen für sich alleine betrachtet den jeweiligen Asylbewerber, wenn er sich ansonsten im Heimatland als unpolitisch erwiesen hat, nicht zu einem aus dem Kreis der bloßen Mitläufer herausragenden, ernsthaften und damit aus Sicht des äthiopischen Staates zu verfolgenden Oppositionellen machen. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob der jeweilige Funktionsträger nicht nur durch das Innehaben eines Amtes, sondern durch sein davon unabhängiges politisches Engagement im Heimatland und in der Bundesrepublik sich als eine von der Masse der äthiopischen Asylbewerber abhebende und nach außen erkennbar politisch interessierte und aktive Person darstellt (VG Bayreuth, B.v. 26.8.2013 – B 3 K 12.30096 – juris; so im Ergebnis auch VG Ansbach, U.v. 21.2.2017 – AN 3 K 16.30481 – juris, VG Ansbach, U.v. 27.9.2016 – AN 3 K 16.30562 – juris; VG Ansbach, U.v. 27.08.2012 – AN 12.30258 – juris; VG München, U.v.31.5.2016 – M 12 K 16.30593 – juris; VG Kassel, U.v. 21.7.2016 – 1 K 1953/15.KS.A – juris).
Vorliegend gibt die TBOJ an, der OLF nahe zu stehen. Letztere wird von der Regierung Äthiopiens als Terrorgruppe angesehen. Eine herausgehobene Stellung des Klägers in der Exilorganisation besteht nicht. Er gab in der mündlichen Verhandlung an, Türsteher- oder Ordnertätigkeiten bei Veranstaltungen zu übernehmen. Schon die Übernahme einer solchen Tätigkeit spricht nicht dafür, dass er ein herausragender Kopf der Organisation ist.
e) Die Kammer folgt damit nicht der vom Klägerbevollmächtigten dargelegten Auffassung des Verwaltungsgerichts Würzburg, wonach einem für die TBOJ tätigen Asylbewerber in Äthiopien politische Verfolgung drohe. Das VG Würzburg hat in seinem Einzelrichterurteil vom 23. November 2017 ausgeführt, dass es aufgrund der ihm vorliegenden Erkenntnisse, die sich auf dieselben Erkenntnismittel wie hier stützen, davon ausgehe, dass staatliche äthiopische Stellen Kenntnis von den oppositionellen Tätigkeiten im Ausland lebender Äthiopier zu erlangen versuchen und diese Kenntnisse dazu nutzten, heimgekehrte, für die TBOJ exilpolitisch tätige Asylbewerber zu verfolgen.
Hierzu ist festzustellen, dass sich letzteres nach Ansicht der Kammer den Erkenntnismitteln nicht entnehmen lässt. Zunächst ist festzuhalten, dass nach sämtlichen Gutachten kein belegbarer Fall bekannt ist, wonach ein rein exilpolitisch tätiger Asylbewerber im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien verfolgt worden wäre. Sämtliche Gutachten basieren damit hinsichtlich der Verfolgungswahrscheinlichkeit auf Vermutungen ohne Tatsachengrundlage der jeweiligen Gutachter.
Das Auswärtige Amt teilt mit, dass keine Erkenntnisse vorlägen, wonach allein die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland zu staatlichen Repressionen führe. Es seien auch keine Fälle bekannt, wonach zurückgekehrte Äthiopier Benachteiligungen oder gar einer Festnahme oder Misshandlung ausgesetzt worden wären (AA in seinem Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, Stand: März 2017, Seite 16 und 21). Demgegenüber steht die Aussage des Auswärtigen Amtes, wonach eine Verfolgung wahrscheinlich sei, wenn Anhänger der EPPFG aus dem Ausland zurückkehrten (AA an VG Gießen vom 9.12.2016 – EPPFG). Diese Aussage betraf aber zum einen eine andere Exilorganisation als die TBOJ, die EPPFG ist panäthiopischer Ausrichtung und gegen die ethnische Unterteilung des Landes, während die radikalsten Kräfte der OLF ein unabhängiges Oromia zum Ziel haben. Zum anderen wurde diese Aussage im aktuelleren Lagebericht des Auswärtigen Amts von 2017 nicht wiederholt und kann daher als überholt angesehen werden.
Die Auskunft des Leibniz-Instituts (GIGA an VG Gießen vom 30.1.2017 – EPPFG) betrifft ebenfalls die EPPFG und nicht die TBOJ. Zudem stellt diese Auskunft nur fest, dass eine Verhaftung für den Fall der Rückkehr nicht ausgeschlossen werden könne. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab erreicht aber schon nicht den Maßstab der nötigen beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit.
Die Auskünfte des Gutachters G. Sch. aus dem Jahr 2009 (Auskunft an das VG Köln vom 11.5.2009 Oromo, TBOJ/UOSG, OLF) und jene aus dem Jahr 2017 vermögen ebenfalls nicht zur Feststellung führen, dass heimkehrenden, rein exilpolitisch tätigen Asylbewerbern eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht. Dieser Gutachter behauptet zwar, dass zwangsweise zurückgeführte Äthiopier häufig verhaftet würden (G. Sch., Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 214). Dieser Behauptung steht zum einen die oben genannte Auskunft des Auswärtigen Amtes entgegen. Zum anderen gibt auch der Gutachter Sch. keinen nachweisbaren Beleg an, wonach ein TBOJ Mitglied bei der Rückkehr nach Äthiopien etwa verhaftet worden wäre. Die Aussage, Rückkehrer würden häufig verhaftet, steht leer im Raum. Die von ihm näher erwähnten Verhaftungen betreffen jeweils Fälle von in Äthiopien demonstrierenden Personen (G. Sch., Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 123, 125). So seien im Rahmen der Unruhen 2016 unter Geltung des Ausnahmezustandes über 11.000 Menschen verhaftet worden. Dabei war der Großteil der Inhaftierten auch wie der Kläger oromischer Volkszugehörigkeit, ihnen wurde jeweils vorgehalten, an gewalttätigen Aktionen im Auftrag der OLF beteiligt gewesen zu sein. Entscheidend für die Verhaftung war also nicht die Frage, ob sie zurückgekehrte exilpolitisch tätige Asylbewerber waren, sondern, dass sie tatsächlich vor Ort demonstriert hatten. Dies wiederum deckt sich mit der Auskunft des Auswärtigen Amts, wonach es im Hinblick auf eine Verfolgung auch darauf ankommt, wie sich ein Rückkehrer vor Ort verhält.
Der Gutachter Sch. führt weiter an, dass eine Unterscheidung in unbedeutende und herausgehobene Tätigkeiten für die Beurteilung einer Verfolgungswahrscheinlichkeit nicht relevant sei (G. Sch., Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 228), da dem äthiopischen Staat ein hohes Maß an Willkür zuzurechnen sei. Abschließend stellt der Gutachter fest, dass sich im Einzelfall nicht vorhersagen lasse, mit welchen konkreten Verfolgungsmaßnahmen ein Rückkehrer zu rechnen habe (G. Sch., Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 237 Satz 1). Als Minimum müsse man jedoch mit einer längeren Inhaftierung und intensiver Befragung rechnen (G. Sch., Stellungnahme für das VG Gießen vom 15.2.2017 Rn. 237 Satz 2). Auch hier steht diese Aussage leer im Raum und der Auskunft des Auswärtigen Amts entgegen. Ein nachweisbarer Einzelfall ist vom Gutachter ebenfalls nicht dargetan. Auch erscheint es widersprüchlich, zunächst festzustellen, dass man konkrete Verfolgungshandlungen nicht vorhersagen könne, dann jedoch festzuhalten, dass mindestens mit einer längeren Inhaftierung und intensiven Befragungen zu rechnen ist.
Auch soweit das VG Würzburg dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 6. März 2017 entnimmt, dass schon die Mitgliedschaft in einer von der äthiopischen Regierung als terroristisch eingestuften Organisation für eine flüchtlingsrelevante Verfolgung ausreicht, folgt die Kammer dem nicht. Diese Wortlautauslegung einer amtlichen Auskunft legt zu viel Wert auf das Wort „oder“ und lässt den Sinnzusammenhang des Satzes im ganzen Absatz unberücksichtigt. Zunächst teilt das Auswärtige Amt nämlich mit, dass keine Erkenntnisse darüber vorlägen, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Es komme auf den Einzelfall an, d.h. darauf, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen werde oder um welche Art von exilpolitischer Tätigkeit es sich handle. Wenn man nun wie das VG Würzburg davon ausgeht, dass schon die einfache Mitgliedschaft eines Asylbewerbers bei der TBOJ ausreicht, so betrachtet man nicht mehr den Einzelfall, sondern pauschaliert nahezu sämtliche äthiopischen Asylbewerber, da der Großteil hiervon Mitglied oder Unterstützer irgendeiner Exilorganisation ist. Man ginge dann entgegen der Auskunft des Auswärtigen Amts, wonach es eben auf den Einzelfall ankommt, von einer generellen Verfolgung aller Mitglieder von Exilorganisationen, die von der äthiopischen Regierung als terroristisch eingestuft werden, aus.
Nur am Rande sei ergänzt, dass die vorgelegten Teilnahmebescheinigungen der TBOJ Zweifel hinsichtlich der Dauer der Mitgliedschaft des Klägers aufwerfen, so soll er nach der ersten Bescheinigung seit 3. Mai 2014 Mitglied sein, nach der zweiten ist er dies aber erst seit 9. Januar 2016.
2) Dem in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellten Beweisantrag war nicht nachzukommen. Der Klagebevollmächtigte hatte zum Beweis der Tatsache, dass auch nach Aufhebung des Ausnahmezustandes in Äthiopien zum 4.8.2017 es unverändert dabei verbleibe, dass Personen, bei denen eine Mitgliedschaft in einer von der äthiopischen Regierung als terroristisch eingeschätzten Gruppe bzw. einer mit dieser Gruppe verbundenen Exilorganisation vermutet wird, bei einer Rückkehr nach Äthiopien Haft für unbestimmte Zeit oder Misshandlung droht, beantragt, eine Auskunft einer sachverständigen Stelle einzuholen.
Es bestand kein Anlass über eine durch die Aufhebung des Ausnahmezustands eventuell unveränderte Sachlage Beweis zu erheben und hierzu eine neue Auskunft einzuholen. Denn die Kammer bewertet schon die Sachlage zur Zeit des Ausnahmezustands so, dass einem nicht exponiert tätigen, einfachen Mitglied der TBOJ bei einer Rückkehr keine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht (s.o.). Deshalb vermag auch die Aufhebung des Ausnahmezustands nicht zu einer Veränderung der bisherigen Einschätzung, wonach bei einer einfachen Mitgliedschaft keine Verfolgung droht, führen.
Der Kläger hat explizit vortragen lassen, dass die Situation unverändert sei. Auch sonstige Anhaltspunkte, dass sich die Situation durch die Aufhebung des Ausnahmezustands verschlechtert hätte, liegen nicht vor. Auch insoweit war die Einholung einer neuen Auskunft nicht geboten.
Soweit man dem Beweisantrag entnehmen könnte, dass die bisherige Sichtweise des Gerichts auf unzureichenden Erkenntnismitteln beruhe und deshalb eine neue Auskunft einzuholen sei, aus der sich dann ergeben werde, dass auch rein exilpolitisch tätigen Personen ohne herausgehobene Position in Äthiopien Verfolgung drohe, ist darauf zu verweisen, dass das Gericht seiner Bewertung dieselben Erkenntnismittel zu Grunde legt, wie das zu einer gegensätzlichen Einschätzung der Sachlage kommende VG Würzburg. Es liegt also eine unterschiedliche Bewertung der vorhandenen Erkenntnisse vor. Über die Frage, wie vorhandene Erkenntnismittel zu bewerten sind, kann aber, da dies eine Wertungs- und keine Tatsachenfrage ist, kein Beweis erhoben werden. Auch deshalb war dem bedingten Beweisantrag nicht nachzukommen. Eine erneute Auskunft würde die Erkenntnislage nicht verändern, zumal auch nicht vorgetragen ist, dass einer der bisherigen Gutachter aufgrund neuer oder besserer Kenntnisse (z.B. aufgrund neuer Quellen) nunmehr zu einer genaueren oder besseren Einschätzung der Situation in der Lage wäre.
3) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 die Verhän-gung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Ein derartiger Schaden droht dem Kläger nach den obigen Ausführungen nicht.
4) Schließlich sind auch Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht ersichtlich. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Mangels Erkennbarkeit diesbezüglicher Anhaltspunkte ist festzustellen, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind.
Ebenso wenig besteht ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebeschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entfällt die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung aber jedenfalls dann, wenn die oberste Landesbehörde trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage keinen generellen Abschiebestopp erlassen bzw. diesen nicht verlängert hat und ein vergleichbarer wirksamer Schutz den betroffenen Ausländern nicht vermittelt wird. Die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG gebieten danach die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wenn einer extremen Lebensgefahr oder einer extremen Gefahr der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit entgegen gewirkt werden muss. Dies ist der Fall, wenn der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert oder erheblichen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt wäre (BVerwG, U.v. 17.10.1995 – BVerwGE 99, 324; BVerwG, U.v. 19.11.1996 – BVerwGE 102, 249, BVerwG, U.v. 12.7.2001 – BVerwGE 115, 1). Eine derartige Gefahrensituation könnte sich auch aus den harten Existenzbedingungen und der Versorgungslage in Äthiopien ergeben.
Ob die Annahme einer extremen Gefahrenlage im Wege der verfassungskonformen Auslegung nunmehr ausscheidet, weil das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 31.1.2013 (Az. 10 C 15/12 – juris) davon ausgeht, dass in begründeten Ausnahmefällen schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat (auch) ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen können, kann letztlich dahinstehen, da die anzuwendenden Gefahrenmaßstäbe weitgehend übereinstimmen.
Nach den dem Gericht vorliegenden und ins Verfahren eingeführten Erkenntnissen ist die Versorgungssituation für den Kläger in Äthiopien jedoch nicht so schlecht, dass von einer Gefahr im beschriebenen Sinn auszugehen wäre. Obwohl Äthiopien zwischen den Jahren 2004 und 2014 ein konstantes wirtschaftliches Wachstum aufwies, zählt das Land immer noch zu den ärmsten Staaten der Welt. Auf dem Human Development Index des UNO-Entwicklungsprogramms belegt Äthiopien Platz 173 von 186. 77,6% der Bevölkerung leben von weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt bei 170 US-Dollar. 82% Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft (SFH, Äthiopien, Update: Aktuelle Entwicklungen bis Juni 2014, Rahel Zürrer, Bern 2014). Andererseits ist die Arbeitslosigkeit in den ländlichen Regionen niedrig. Statt auf Arbeitslosigkeit trifft man dort auf unterproduktive Landwirtschaft (IOM, Länderinformationsblatt Äthiopien, Juni 2014, VII. 8.2.1, S. 19). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert, weshalb große Teile der Bevölkerung auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind. Im Jahr 2014 waren ca. 3,2 Millionen Äthiopier auf solche Hilfen angewiesen, wobei sich die Hilfen neben der reinen Nahrungsmittelhilfe auch auf Non Food Items (Hygiene und Gesundheit) bezogen. Zusätzlich wurden 7,8 Millionen Menschen über das Productive Safety Net Programme unterstützt, die sonst auch Nothilfe benötigt hätten (AA, Lagebericht vom 24.5.2016, Stand: März 2016, IV. 1. 1.1. S. 20).
Im jüngsten Lagebericht spricht das Auswärtige Amt davon, dass 7,9 Millionen Menschen auf das staatliche Sozialprogramm zur Ernährungssicherung angewiesen sind (AA, Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, Stand: März 2017, IV 1.1, S. 20). Hier zeigt es sich, dass die Situation für große Teile der Bevölkerung schwierig ist. Gleichwohl bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass Rückkehrer keine Nahrungsmittelhilfe erhalten. Für Rückkehrer bieten sich im Übrigen schon mit geringem Startkapital Möglichkeiten zur bescheidenen Existenzgründung. Der noch junge und gesunde Kläger ist arbeitsfähig, so dass auch die Möglichkeit besteht, sich vor Ort Arbeit zu suchen und zu finden.
Auch aus der Tatsache, dass der Kläger Vater eines jedenfalls derzeit in Deutschland aufenthaltsberechtigten Kindes ist, ergibt sich kein hier zu prüfendes Abschiebehindernis.
5) Die Ziffer 6 des Bescheids, die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate, wurde nach dem Antrag aus der Klageschrift schon nicht angegriffen, da nur hinsichtlich der explizit genannten Anträge eine entsprechende Aufhebung des Bescheids beantragt war. Sie ist damit bestandskräftig geworden. Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass es zumindest fraglich erscheint, ob der Kläger, hinsichtlich einer Änderung der Sachlage durch die zwischenzeitliche Geburt seines Kindes, überhaupt ein Neuverbescheidungsinteresse hätte. Denn wenn er wegen der Geburt des Kindes in den Genuss eines inländischen Abschiebeverbots kommt, müsste er eine Wiedereinreisesperre mangels durchsetzbarer Abschiebung schon nicht fürchten.
Die Entscheidung zur Kostentragung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.
Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.


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