Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage gegen Ausweisung wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung

Aktenzeichen  M 25 K 16.5916

Datum:
24.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143001
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 53
AufenthG § 54 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 55 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nrn. 3 und 5
AufenthG § 56

 

Leitsatz

1 Unterstützen iSd § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist jede Tätigkeit, die sich positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der terroristischen Vereinigung auswirkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit (ebenso VGH BW BeckRS 2016, 41711). (Rn. 92) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Verwendung des Bildes eines bekannt gewordenen Mitglieds des Islamischen Staates als eigenes Profilbild im Einzel-Chat gegenüber einem Dritten stellt eine Unterstützungshandlung iSd § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dar. (Rn. 95) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Das Verwaltungsgericht konnte über die Klage ohne Anwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden.
Hält ein ordnungsgemäß geladener und belehrter Kläger sein persönliches Erscheinen vor dem Verwaltungsgericht – trotz anwaltlicher Vertretung – für unerlässlich, so muss er unter substantiierter Darlegung der für die Notwendigkeit seiner Anwesenheit sprechenden Gründe die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 227 ZPO oder die Anordnung seines persönlichen Erscheinens gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 VwGO beantragen (vgl. BVerwG, U.v. 30.8.1982 – 9 C 1/81 – juris Rn. 14; OVG NW, B.v. 28.6.2012 – 13 A 1158/12.A – juris Rn. 10).
Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Beteiligten waren laut den Empfangsbekenntnissen ordnungsgemäß geladen. Die Ladungen enthielten auch den Hinweis, dass ohne Anwesenheit eines der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann. Der Kläger war in der mündlichen Verhandlung rechtsanwaltlich vertreten. Der Kläger hat bei dem Verwaltungsgericht weder einen Antrag auf Terminsverlegung noch einen Antrag auf Anordnung seines persönlichen Erscheinens gestellt. Der Bevollmächtigte hat lediglich einen Antrag auf Erteilung einer Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 AufenthG für den Tag der mündlichen Verhandlung „erwogen“. Damit wurde nur mitgeteilt, dass ein Antrag angedacht ist. Ein Antrag wurde gerade nicht gestellt. Dies geschah auch im Folgenden nicht. Die genannte Erwägung bezog sich außerdem ausdrücklich allein auf die behördliche Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 AufenthG, nicht jedoch auf ein gerichtliches Handeln. Dies war auch allen Beteiligten klar, denn die Vorbereitungen für die mündliche Verhandlung schritten fort, und die mündliche Verhandlung fand an dem anberaumten Termin statt. Der Kläger hat die Ablehnung der behördlichen Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 AufenthG nicht vor dem Verwaltungsgericht angegriffen. Schließlich fehlt es auch an einer substantiierten Darlegung der für die Notwendigkeit der Anwesenheit des Klägers sprechenden Gründe. Dabei ist im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass der Kläger zur Vor- und Nachbereitung der mündlichen Verhandlung Texte beziehungsweise Schriftstücke einreichen ließ.
2. Die Klage ist zulässig, soweit sie sich gegen die Ziffern 1., 2., 3. und 13. des Bescheides der Beklagten richtet, im Übrigen ist sie unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.
a) Die Klage ist zulässig, soweit sie sich gegen die Ziffern 1., 2., 3. und 13. richtet, im Übrigen ist sie unzulässig.
aa) Die auf Aufhebung gerichtete Klage ist gegen die in Ziffer 1. des Bescheides angeordnete Ausweisung statthaft. Eine Ausweisung ist ein belastender Verwaltungsakt. Sie beendet zum einen nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, mit der Folge, dass ein erteilter Aufenthaltstitel die den Aufenthalt legitimierende Wirkung verliert. Zum anderen entfaltet eine Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG ein Einreise-, Aufenthalts- und Titelerteilungsverbot. Diese (belastenden) Wirkungen haben sich durch die Abschiebung des Klägers am 25. Januar 2017 nicht erledigt, sondern bestehen weiterhin fort.
bb) Die Klage ist auch gegen die in Ziffer 2. des Bescheides der Beklagten angeordnete Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots statthaft. Dieses entfaltet weiterhin Rechtswirkungen. Der insoweit pauschale Klageantrag, den Bescheid aufzuheben, ist nach § 88 VwGO auch ohne ausdrücklichen Antrag hinsichtlich der Befristungsregelung entsprechend dem Rechtsschutzziel dahin auszulegen, dass für den Fall einer verwaltungsgerichtlichen Aufhebung der Ausweisungsverfügung auch das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufgehoben wird und für den Fall einer verwaltungsgerichtlichen Bestätigung der Ausweisungsverfügung eine angemessene Verkürzung der Dauer der Befristung auf unter acht Jahre oder zumindest eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung hinsichtlich der Dauer der Frist begehrt wird (vgl. BayVGH, U.v. 28.6.2016 – 10 B 15.1854 – juris Rn. 48; U.v. 20.6.2017 – 10 B 17.135 – juris Rn. 4).
cc) Die Klage ist auch gegen die in Ziffer 3. des Bescheides der Beklagten angeordnete Abschiebungsandrohung statthaft. Diese hat sich nicht erledigt. Die Androhung eines Zwangsmittels zur Durchsetzung eines Grundverwaltungsaktes erledigt sich mit Erledigung des Grundverwaltungsaktes (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 10.07.2017 – 10 N 46.14, juris Rn. 11). Die der Sache nach der Abschiebungsandrohung zugrunde liegende Ausweisung hat sich jedoch, wie ausgeführt, nicht erledigt. Es kann offenbleiben, ob die Erledigung einer Abschiebungsandrohung voraussetzt, dass der Ausländer das Bundesgebiet freiwillig verlässt (vgl. VGH BW, B.v. 13.4.1994 – 11 S 171/94 – juris Rn. 2), da dies nicht geschehen ist.
dd) Die Klage ist auch gegen die in Ziffer 13. in Verbindung mit Ziffer 2. des Bescheides der Beklagten erlassene Gebühr für die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots statthaft. Die Gebühr teilt das Schicksal der zugrunde liegenden Regelung, hier der weiterhin Rechtswirkungen entfaltenden Befristungsregelung.
ee) Im Übrigen ist die Klage unzulässig.
(1) Die Klage gegen die in Ziffer 8. des Bescheides getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit ist unstatthaft. Gegen eine Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist ausschließlich ein Antrag gemäß §§ 80, 80a VwGO statthaft (vgl. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., 2014, § 80 Rn. 33).
(2) Soweit sich die Klage auf die Ziffer 4. (Verpflichtung zur Aufnahme in einer bestimmten Unterkunft v. 11.1.2017 bis zu der Ausreise), die Ziffer 5. (Aufenthaltsbeschränkung vom 11.1.2017 bis zu der Ausreise), die Ziffer 6. (Meldepflicht 11.1.2017 bis zu der Ausreise), die Ziffer 7. (Verbot bestimmter Kommunikationsmittel bis zu der Ausreise), die Ziffer 8. (Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1.,5. und 6.), die Ziffer 8. (Anordnung der sofortigen Vollziehung); die Ziffer 9. in Verbindung mit Ziffer 4. (Androhung unmittelbaren Zwangs hinsichtlich der Verpflichtung zur Aufnahme in einer bestimmten Unterkunft v. 11.1.2017 bis zu der Ausreise), die Ziffern 10., 11. und 12. in Verbindung mit den Ziffern 5., 6. und 7. (Androhung eines Zwangsgeldes hinsichtlich der Aufenthaltsbeschränkung, der Meldepflicht und des Verbots bestimmter Kommunikationsmittel, allesamt bis zu der Ausreise) bezieht, geht die Klage ins Leere und ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses sowie wegen fehlender hinreichender Substantiierung der Klagebefugnis unzulässig.
Die (belastende) Wirkung der Anordnungen und der Zwangsmittel, mithin die Beschwer, ist wegfallen. Diese waren nämlich sämtlich durch das Ereignis der Ausreise des Klägers befristet (Ereignisfrist). Ist eine nachteilige Regelung befristet, so erledigt sich die Beschwer mit Ablauf der gesetzten Frist, im Falle einer Ereignisfrist, mit dem Ereignis. Die Regelung entfaltet dann keine Wirkung mehr. Mit Erledigung des Grundverwaltungsaktes erledigt sich auch ein zu dessen Durchsetzung angedrohtes Zwangsmittel (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 10.07.2017 – 10 N 46.14, juris Rn. 11). Im vorliegenden Fall ist der Kläger am 25. Januar 2017 ausgereist. Damit haben sich sämtliche Anordnungen und die dazugehörigen Zwangsmittel erledigt. Etwaige anderweitige fortdauernde nachteilige Wirkungen sind weder vorgetragen noch anderweitig erkennbar.
Der Bevollmächtigte hat im vorliegenden Fall die Klage nicht auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt, sei es gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 ZPO, sei es gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, mit dem Begehren, die Rechtswidrigkeit dieser getroffenen Anordnungen für die Vergangenheit feststellen zu lassen, obwohl das Verwaltungsgericht auf die eingetretene Erledigung eingangs der Erörterung der Rechtslage in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat.
(3) Der Kläger hat insofern die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO auch nicht hinreichend substantiiert, da er hierzu nichts vorgetragen hat. Insbesondere hat der Kläger trotz der ausführlichen Erwägungen der Beklagten nichts zu der Verhältnismäßigkeit der Begleitmaßnahmen gemäß § 56 AufenthG vorgetragen, die teils gebundene Entscheidungen, teils in das (pflichtgemäße) Ermessen gestellte Entscheidungen waren, sowie der entsprechenden Zwangsmittel. Den Begleitmaßnahmen und Zwangsmitteln hat sich der Kläger tatsächlich zunächst durch Untertauchen entzogen, dann ruhten diese gemäß § 56 Abs. 5 AufenthG aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts München vom … Januar 2017.
b) Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet.
aa) Die Beklagte hat die Ausweisungsverfügung in Ziffer 1. des Bescheides zutreffend auf § 53 ff. AufenthG gestützt.
(1) Der Kläger verwirklicht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Ein solches besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG liegt vor, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon – unter anderem – auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
(a) Die von dem Kläger entfalteten Aktivitäten stellen sich in der Gesamtschau als Unterstützungshandlungen für eine terroristische Vereinigung dar, hier für die terroristische Vereinigung des Islamischen Staates.
Eine terroristische Vereinigung liegt – zusammengefasst – insbesondere vor, wenn eine Organisation Gewaltakte von erheblicher Schwere gegen die Zivilbevölkerung und staatliche Einrichtungen einsetzt, auf eine Art und Weise, welche Angst in der Zivilbevölkerung verbreitet und mit dem Ziel, die bestehenden politischen oder gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern (vgl. VGH BW, U.v. 13.1.2016 – 11 S 889/15 – juris Rn. 53 ff.). Trotz der Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2011 – 1 C 13.10 – juris Rn. 19 m.w.N. und B.v. 21.3.2017 – 1 VR 2/17, 1 VR 2/17, 1 PKH 12/17 (1 A 3/17) – juris Rn. 18). Gemessen an diesen Grundsätzen ist der sogenannte Islamische Staat eine derartige terroristische Vereinigung (vgl. BVerwG, B. v. 30.8.2017 – 1 VR 5/17, 1 VR 5/17 (1 A 6/17), juris Rn. 23, 25; B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3/17, 1 VR 3/17 (1 A 4/17), juris Rn. 59; B.v. 21.3.2017 – 1 VR 2/17, 1 VR 2/17, 1 PKH 12/17 (1 A 3/17) – juris Rn. 25; U.v. BayVGH, B.v. 3.2.2016 – 10 ZB 15.1413 – juris Rn. 2 und 14).
(b) Die dem Verwaltungsgericht vorliegenden Tatsachen rechtfertigen auch die Schlussfolgerung, dass der Kläger die terroristische Vereinigung des Islamischen Staates im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unterstützt hat.
(aa) Als Unterstützen im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist jede Tätigkeit eines Ausländers anzusehen, die sich positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der terroristischen Vereinigung auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der terroristischen Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer terroristischen Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns muss für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss (vgl. VGH BW, U.v. 13.1.2016 – 11 S 889/15 – juris Rn. 82). Neben dem gezielten Werben um Mitglieder und Unterstützer ist auch die reine Sympathiewerbung für die terroristische Vereinigung eine Unterstützungshandlung (vgl. bereits zu der Vorgängernorm § 54 Nr. 5 AufenthG: BVerwG, U.v. 25.10.2011 – 1 C 13/10 – juris Rn. 21). Im Hinblick auf den Schutz der Meinungsfreiheit und das Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit des Einzelnen erfüllen Handlungen den Tatbestand der Unterstützung nicht, die erkennbar nur auf einzelne, mit terroristischen Zielen und Mitteln nicht im Zusammenhang stehende – etwa humanitäre oder politische – Ziele der terroristischen Vereinigung gerichtet sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 31). Anknüpfungspunkte für eine Ausweisung sind (auch) in der Vergangenheit liegende Unterstützungshandlungen („unterstützt hat“ vgl. bereits zu § 54 Nr. 5 AufenthG a.F.: BVerwG, U.v. 25.10.2011 – 1 C 13/10 – juris Rn. 20 f.). Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da die Vorschrift der präventiven Gefahrenabwehr dient und, wie bereits erwähnt, auch die Vorfeldunterstützung durch Sympathiewerbung erfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 29).
(bb) Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger die terroristische Vereinigung des Islamischen Staates unterstützt.
So stellt die am 7. September 2015 an eine andere Person weitergeleitete Aufforderung, sich dem Islamischen Staat anzuschließen und hierfür einen konkreten Ansprechpartner zu kontaktieren, eine solche Unterstützungshandlung dar. Sie stellt eine Maßnahme der Rekrutierung dar, um weitere Personen als Mitglieder für den Islamischen Staat zu gewinnen. Eine derartige Mitgliederwerbung dient der personellen Erweiterung der Organisation und erhöht die Gefährlichkeit des Islamischen Staates. Dass der Kläger die Aufforderung nur an eine Person weiterleitete, die dem Aufruf bislang nicht nachgekommen zu sein scheint, ist unbeachtlich, da die Unterstützungshandlung nicht, wie ausgeführt, zu einem messbaren Nutzen führen muss. Die Erläuterung des Klägers zeigt zudem, dass dieser die Absicht des ursprünglichen Absenders hinsichtlich der Weiterleitung an eine Vielzahl von Personen kannte, billigte und auch gegenüber dem Adressaten kommunizierte, mit der Folge, dass sich die Gefahr einer Weiterleitung vervielfachte. Eine Beschränkung etwa auf humanitäre oder politische Aspekte der terroristischen Vereinigung fand nicht statt. Andere Deutungsmöglichkeiten hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht anderweitig ersichtlich. Dem Kläger war die Unterstützungshandlung als solche erkennbar und daher auch zurechenbar.
Auch die Verwendung eines Bildes des als „J … J …“ bekannt gewordenen Mitglieds des Islamischen Staates als eigenes Profilbild im Einzel-Chat gegenüber einem Dritten stellt eine Unterstützungshandlung dar. Sie ist eine Werbung für den Islamischen Staat. Mit ihr bekundet der Kläger seine Verehrung und Identifikation mit „J … J …“. „J … J …“ (Pseudonym: A A … al-B …) hat mit Videos von brutalen Hinrichtungen (Enthauptungen) von insbesondere westlichen Geiseln des Islamischen Staates globale Bekanntheit erreicht. Die Person des „J … J …“ ist zu einem Sinnbild des internationalen Terrors des Islamischen Staates geworden. „J … J …“ ist untrennbar mit der Organisation des Islamischen Staates verbunden. Die Verwendung des Bildes von „J … J …“ steht damit gleichsam stellvertretend und befürwortend für den Islamischen Staat. Eine Beschränkung etwa auf einzelne humanitäre oder politische Aspekte der terroristischen Vereinigung fand nicht statt. Andere Deutungsmöglichkeiten hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht anderweitig ersichtlich. Angesichts der Bekanntheit und der untrennbaren Verbindung von „J … J …“ mit dem Islamischen Staat war die Unterstützungshandlung dem Kläger auch als solche erkennbar und zurechenbar.
Auch sind einzelne Beiträge des Klägers im Gruppen-Chat vom 23. März bis zum 3. Mai 2016 als Unterstützungshandlungen zu werten. Der Kläger hat Propagandamaterial von obersten Repräsentanten des Islamischen Staates eingespeist, namentlich das Zitat von Sheikh Abu Umar Al-Baghdadi über die „Kreuzzügler“ als Feinde Allahs und die Sünde des Säkularismus. Der Kampf gegen die Ungläubigen („Kreuzzügler“), deren endgültige Vernichtung und die Errichtung eines Gottesstaates sind die terroristischen Kernziele des Islamischen Staates. Der Kläger hat den Autor des Zitates, Sheikh Abu Umar Al-Baghdadi, den damaligen Anführers des Islamischen Staates im Irak, der dort einen Gottesstaat zu errichten suchte, namentlich kenntlich gemacht und dazu einschlägige Hashtags verwendet. Auch dies ist als Sympathiewerbung für den Islamischen Staat zu werten. Andere Deutungsmöglichkeiten hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht anderweitig ersichtlich. Eine Beschränkung auf einzelne nicht-terroristische Ziele, etwa humanitäre oder politische Aspekte der terroristischen Vereinigung, fand nicht statt. Die Unterstützungshandlung war dem Kläger auch als solche erkennbar und damit zurechenbar. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass er die Teilnehmer des Gruppen-Chats sofort nach dem Versenden des Zitats zum Löschen aufforderte. Dazu hat der Kläger im Gruppen-Chat dazu aufgefordert, die „Dawlatna Mansura“ („Unser Staat ist siegreich“), die bekannte Lobeshymne auf den Islamischen Staat (vgl. Center for Middle East Policy at Brookings, Here to stay and growing: Combating ISIS propaganda networks, US.-Islamic World Forum papers 2015, S. 5, Fn. 16), zu schicken und damit zu teilen. Dies stellt ebenfalls eine vorbehaltlose Sympathiewerbung dar. Auch diese Unterstützungshandlung war dem Kläger angesichts des Bekanntheitsgrades der „Dawlatna Mansura“ als solche erkennbar und damit zurechenbar.
Eine Unterstützungshandlung stellt auch die unentgeltliche Zurverfügungstellung einer Bauanleitung für ein computergesteuertes Roboterauto am 15. Februar 2016 an die Person dar, welche die ursprüngliche Einladung zum Islamischen Staat versandt hatte, nach Mossul gereist war und welche der Kläger selbst als Mitglied des Islamischen Staates betrachtete. Das computergesteuerte Auto sollte in Kombination mit der Computersoftware … (engl. … = … … u. engl. … = …) dazu dienen, ferngesteuerte Drohnen, unbemannte Flugkörper, abzufangen. Drohnen kommen und kamen im Kampf gegen den Islamischen Staat zum Einsatz. Im Zusammenhang mit der Transaktion sprach die Person in Mosul auch von „Krieg“. Angesichts der Identität der Person, den zeitlichen und örtlichen Umständen des Aufenthalts der Person und des Gegenstands der Transaktion ist die Zuverfügungstellung als eine Unterstützungshandlung für den Islamischen Staat zu werten. Der Kläger ließ weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung, bei der die Zuverfügungstellung beleuchtet wurde, durch seinen Bevollmächtigten eine andere Deutung des Geschehens vortragen. Eine solche ist auch nicht anderweitig ersichtlich. Aus den genannten Gründen war die Unterstützungshandlung dem Kläger als solche erkennbar und damit zurechenbar.
Diese konkreten Unterstützungshandlungen werden zudem bei wertender Gesamtschau durch die mannigfaltigen Kontakte des Klägers zu weiteren Personen mit Verbindungen zu dem Islamischen Staat und mit terroristischem Hintergrund gestützt.
Darauf, dass gegen den Kläger, worauf der Bevollmächtigte hingewiesen, nicht beispielsweise im Zusammenhang mit §§ 89a, 89b StGB oder § 129a Abs. 1 Nrn. 1 und 5, § 129b Abs. 1 StGB ermittelt wurde, kommt es nicht an, da § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 29).
(c) Der Kläger hat auch nicht gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen.
Insbesondere mit den Äußerungen anlässlich der Befragung am … Juli 2016 hat der Kläger nicht erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen. Der Kläger hat bei dieser Gelegenheit den Islamischen Staat als Staat bezeichnet, der mehr von sich für die Leute im Irak und Syrien gebe als viele Länder, die ihn bekämpften. Die in Frankreich verübten Anschläge habe Frankreich sich selbst zuzuschreiben, die Anschläge seien nachvollziehbar. Damit hat er versucht, den Islamischen Staat in einem positiven Licht erscheinen zu lassen und dessen Terrorakte zu rechtfertigen.
Gleiches gilt für das Vorbringen des Klägers im behördlichen Verfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom … November 2016 und in der Klagebegründung vom … Dezember 2016 lediglich vorgetragen, dass er Personen kennengelernt habe, die bereit gewesen seien ins Ausland zu gehen und islamistische Gruppen zu kämpfen, dass er aber versucht habe, diese davon abzubringen. Auch wies er den Vorwurf zurück, dass er „im Internet zu entsprechenden Aktionen“ aufgerufen oder islamistische Propaganda unterstützt habe. Diese Aussagen sind vage, pauschal und detailarm. Der Kläger hat sich nicht mit den konkreten Unterstützungshandlungen auseinandergesetzt, welche die Beklagte, gestützt auf die Stellungnahmen der Sicherheitsbehörden und die entsprechenden Behördenakten, zu diesem Zeitpunkt zusammengetragen hatte. Der Vortrag des Klägers ist insofern auch widersprüchlich. So hat er eingangs von sich gewiesen, Kontakte zu gewaltbereiten islamistischen Personen, dem Koran-Verteilungsprojekt LIES sowie zu ausreisewilligen Personen gehabt zu haben. Dann hat er indes ausgeführt, er habe Personen kennengelernt, die bereit gewesen seien, ins Ausland zu gehen und für islamistische Gruppen zu kämpfen, er habe jedoch versucht, diese davon abzubringen. Die Aussage des Klägers in der Klagebegründung, dass er die Hintergründe der als „K …“ bezeichneten Person, die für ihn in Bosnien in der Moschee übersetzt habe, nicht gekannt habe, steht nicht im Einklang mit den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden, wonach er in Bosnien regelmäßig telefonisch mit einer Person namens „K … O …“ Kontakt hatte. Es ist angesichts der Sprachkenntnisse des Klägers auch nicht ersichtlich, dass er der Übersetzung bedurft hätte. Die Aussage des Klägers in der Klagebegründung, wonach nur die übersetzende Person als Verantwortliche des Streits genannt wird, steht im Widerspruch zu der Aussage bei der Befragung vom … Juli 2016, wonach auch er selbst an der Eskalation des Streits in der Moschee involviert war. Der Vortrag relativiert in erster Linie das vergangene Verhalten des Klägers. Eine Zäsur sowie eine eindeutige und glaubhafte Distanzierung sind angesichts der Lücken und Widersprüche darin nicht zu erkennen.
Auch in der ergänzenden Klagebegründung vom … April 2017 ist keine erkennbare und glaubhafte Distanzierung von dem sicherheitsgefährdenden Handeln zu erblicken. Es ist lediglich von einer „positiven Entwicklung“ des Klägers die Rede.
Mit dem maschinengeschriebenen und nicht unterschriebenen Text, der dem Verwaltungsgericht mit Telefax vom 16. Mai 2017 vorgelegt wurde, hat der Kläger ebenfalls nicht erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen. Bei dem Text handelt es sich – entgegen der Ankündigung des Bevollmächtigten in der ergänzenden Klagebegründung vom … April 2017 – nicht um eine persönliche, eigenhändig verfasste Stellungnahme des Klägers. Der Bevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts zu Protokoll gegeben, dass der Text nicht von dem Kläger stammt, sondern von der Schwester des Klägers. Grundlage für eine erkennbare und glaubhafte Distanzierung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG kann jedoch nur eigenes Verhalten des Betroffenen sein.
Auch die Erkenntnisse in der mündlichen Verhandlung legen eine erkennbare und glaubhafte Distanzierung des Klägers von dessen sicherheitsgefährdendem Handeln nicht nahe. Der Bevollmächtigte berichtete, dass der Kläger ihm gesagt habe, dass er mit diesen Kontakten nichts mehr zu tun haben wolle und ein Leben in Deutschland führen wolle. Diese Aussage ist vage, pauschal und detailarm. Das bisherige Verhalten des Klägers im Hinblick auf den Islamischen Staates beschränkt sich nicht auf bloße Kontakte. Es hat die Form von konkreten Unterstützungshandlungen zu Gunsten des Islamischen Staates angenommen. Davon hat sich der Kläger mit dieser Aussage nicht distanziert. In der Formulierung, dass der Kläger nach Auffassung des Bevollmächtigten „auf dem Weg zur Läuterung“ sei, deutet sich an, dass der Kläger nicht „geläutert“ ist.
Das Verwaltungsgericht musste die nachträglich übersandte handschriftliche und unterschriebene Stellungnahme des Klägers nicht mehr berücksichtigen. Der Tenor des Urteils war zum Zeitpunkt des Eingangs bereits bei der Geschäftsstelle niedergelegt. Die von dem Bevollmächtigten nachträglich geschilderten Umstände sind angesichts der mit Vorlauf terminierten mündlichen Verhandlung, des Gangs der mündlichen Verhandlung sowie der üblichen Abläufe einer Rechtsanwaltskanzlei unglaubwürdig. Sie sind mangels Nachweises wie zum Beispiel eines Umschlags der Stellungnahme auch nicht glaubhaft gemacht. Abgesehen davon hat der Kläger damit inhaltlich nicht erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen. Da die Schwester des Klägers den Text entworfen hat, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass diesem Text ein maßgeblicher eigener persönlicher Akt der Distanzierung durch den Kläger zu Grunde liegt.
Selbst wenn man dies nicht so sähe, würde sich inhaltlich nichts anderes ergeben. In dem Text werden Aussagen zu inneren Tatsachen getroffen („Ich merkte das ich vor diesen Freunden oft Aussagen tätigte oder in Gruppenchats Sachen schrieb die nicht meine Meinung wiedergaben“ u. „Tief in mir habe ich nie jegliche dschihadistische Gedanken als gut erachte“), die im Widerspruch stehen zu dem gesamten äußeren Verhalten des Klägers, wie es sich aus den vorgelegten Behördenakten, ergibt. Der Text suggeriert, dass dem Kläger einfach Dinge passiert sind, ohne dass der Kläger als Akteur auftritt. Der Text enthält zwar Aussagen zu der nach Mosul gezogenen Person („Nach einigen Monaten hörte ich dass er sich den IS angeschlossen hätte, nach einer gewissen Zeit erhielten mehrere Leute eine Einladung von ihm zum IS“). Dass er selbst die Einladung zum Islamischen Staat erhalten und diese sogar weitergeleitet hat und dass er dieser Person in Mossul unentgeltlich eine Bauanleitung für ein computergesteuertes Roboterauto geschickt hat, erwähnt der Kläger jedoch nicht.
In dem Text wird berichtet, dass der Kläger bei der Befragung am … Juni 2016 unter Schlafmangel gelitten habe und sich nunmehr korrigiere („Ich habe Aussagen getätigt die falsch sind daher möchte ich mich hiermit gerne korrigieren“). Dies ist vage, pauschal und detailarm. Es bleibt im Dunkeln, welche Aussagen in Bezug genommen werden. Der Text enthält zwar auch Distanzierungen:
„Ich möchte mich klar und deutlich von diesen sogenannten Predigern … P … V … und Co. distanzieren.“
„Ich distanziere mich von jeglicher islamischen Gruppierungen dessen Absichten es sind Menschen in ihrem Wohlbefinden zu schädigen. Distanziere mich ebenso von den so bezeichneten islamischen Staat, Al kaida und Co. Von dessen grausamen Taten, Aussagen, Ideologien oder von falschen Verständnis der Religion was alle diese Gruppen besitzen. Ich distanziere mich auch von den bereits genannten Personen und bereue es sehr Kontakt zu diesen gehabt zu haben, da mir nun die Gefahren bewusst geworden sind die mit diesen Menschen entstehen. Ich möchte auch zukünftig nie mit Leuten etwas zu tun haben die in Verbindung mit der salafistischen Szene kommen oder dieser zugeschrieben sind“.
Diese Distanzierungen betrifft jedoch erkennbar nicht das eigene sicherheitsgefährdende Handeln des Klägers.
Schließlich stehen auch die Aussagen zu der Gewaltlosigkeit des Klägers („Es gibt keine Art von Gewalt die mir jemand zugeschrieben kann da alle Personen die mich kennen oder kannten wissen dass ich der friedlichste Mensch bin den sie kennen“) im Widerspruch zu dem Verhalten des Klägers, wie es sich aus den vorgelegten Behördenakten, beispielsweise aus dessen einschlägige Verurteilungen oder der Kommunikation in den Gruppen- und Einzelchats ergibt.
Der Text ist in Anbetracht der Lücken und Widersprüche keine eindeutige und auch keine glaubhafte Distanzierung. Insgesamt geht aus dem Text in erster Linie der Versuch hervor, das Verhalten des Klägers in der Vergangenheit zu relativieren.
(2) Die nach § 53 Abs. 1 AufenthG und § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin vor.
Im Falle des weiteren Verbleibs des Klägers im Bundesgebiet besteht im konkreten Fall die Gefahr, dass dieser fortfährt, die terroristische Vereinigung des Islamischen Staates zu unterstützen und damit die Begehung von Terrorakten auch in der Bundesrepublik Deutschland zu erleichtern. Die Gefahrenprognose stützt sich – neben dem Fehlen einer eindeutigen und glaubhaften Abstandnahme von dem sicherheitsgefährdendem Handeln im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG – auf einer Gesamtschau der Aktivitäten des Klägers.
Neben den beschriebenen konkreten Unterstützungshandlungen des Klägers für den Islamischen Staat stützt sich die Gefahrenprognose in der Gesamtschau auch auf die mannigfaltigen Kontakte des Klägers zu Personen mit Verbindungen zu dem Islamischen Staat.
Wie geschildert hat der Kläger über einen langen Zeitraum hinweg im Einzel-Chat und im Gruppen-Chat Kontakte zu einer Person unterhalten, die er selbst als Mitglied des Islamischen Staates betrachtete.
Der Kläger hat dazu in Bosnien-Herzegowina und damit im nahen europäischen Ausland eine von ihm selbst als Syrienrückkehrer bezeichnete Person getroffen, die er nach eigenen Angaben auch einmal zu sich eingeladen hat. Unter Syrienrückkehrer versteht man eine Person, die nach Syrien gereist ist, um auf Seiten des Islamischen Staates in Syrien zu kämpfen, und die wieder in ihr Heimatland zurückkehrt. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellen sollte, dass ein Syrienrückkehrer auch auf Seiten einer anderen Konfliktpartei als der des Islamischen Staates gekämpft haben kann, erscheint dies im vorliegenden Fall angesichts aller Umstände ausgeschlossen. Der Kläger hat diese Person – über die Eigenschaft als Syrienrückkehrer hinaus – nicht näher zu beschrieben und auch keine anderen sozialadäquaten Gründe für den Kontakt genannt. Dem Kläger kam es daher vorrangig auf die Eigenschaft der Person als Syrienrückkehrer an, mithin einer Person, die zur Durchsetzung der Ziele des Islamischen Staates Gewalt anwenden wollte bzw. angewendet hat. Nicht glaubhaft und widersprüchlich ist der Vortrag des Klägers, dass er wegen behaupteter Sprachbarrieren nichts Näheres zu der Person des Syrienrückkehrers, der Bosnisch gesprochen habe, sagen könne. Die Familie des Klägers stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien. Kinder, die in einer fremdsprachigen Familie im Bundesgebiet aufwachsen, lernen aller Erfahrung nach auch die Sprachen des Herkunftslandes (vgl. näher unter II., 2., b) (4), (j). Überdies bleibt weiterhin im Dunkeln, wie der Kläger einerseits erfahren hat, dass der Syrienrückkehrer geläutert gewesen sei und den Islamischen Staat ablehne, andererseits wegen Sprachbarrieren nichts Näheres über ihn wisse. Das behauptete Nichtwissen steht auch im Widerspruch zu der ausgesprochenen Einladung, da nicht glaubhaft ist, dass der Kläger eine Person eingeladen hat, die er nicht kannte, über die er nichts wusste und mit der er sich nicht unterhalten konnte. Die Gefahrenprognose stützt sich insbesondere auch darauf, dass der Kläger zu Seminaren von A W … („dem Prediger ohne Gesicht“) eingeladen und selbst an Seminaren des A W … teilgenommen hat, der mittlerweile aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs wegen des dringenden Verdachts der Unterstützung des Islamischen Staates nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5, § 129b Abs. 1 StGB festgenommen wurde.
Der Kläger hat des Weiteren mehrfach Seminare des A W … besucht, gegen den wegen des dringenden Verdachts der Unterstützung des Islamischen Staates gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5, § 129b Abs. 1 StGB Haftbefehl erlassen wurde.
Die Gefahrenprognose stützt sich in der Gesamtschau überdies auf die immer wieder Gewalt als Mittel billigende und sich wechselseitig der eigenen Gewalt-, ja sogar Tötungsbereitschaft versichernde Kommunikation des Klägers mit Dritten im Einzel-Chat und im Gruppen-Chat sowie die kontinuierlichen Referenzen zu bereits erfolgten Terroranschlägen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der als „Emir“ bezeichnete Kläger den Gruppen-Chat eingerichtet und administriert hat, indem er unter anderem Dritte hinzufügte und über den Inhalt des Gruppen-Chats entschied, und daher eine herausgehobene Stellung einnahm.
Sie stützt sich schließlich auch auf die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers wegen vollendeter vorsätzlicher Körperverletzung vom … Juni 2004 und die strafgerichtliche Verurteilung wegen versuchten Raubes (wobei die darin inbegriffene Körperverletzung vollendet wurde) vom … August 2007. Diese zeigen, dass der Kläger bereits in der Vergangenheit tatsächlich zu dem Mittel der Gewalt gegriffen hat, um seine Ziele zu erreichen, um den Preis, dass das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit Dritter verletzt wird.
(3) Dem Ausweisungsinteresse stehen ein besonders schwer wiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG sowie ein schwer wiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 2 Nrn. 3 und 5 AufenthG gegenüber.
Die Voraussetzungen für ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liegen vor, da der Kläger als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit über fünf Jahren, hier seit der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 13. März 2007, rechtmäßig aufhält. Das schwerwiegende Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG hat neben § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG keine eigenständige Bedeutung.
Außerdem liegen mit der nunmehr vorgelegten gemeinsamen Sorgeerklärung gemäß § 1626a BGB für den Sohn … die Tatbestandsvoraussetzung „Personensorgerecht“ nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG vor. Daneben liegen die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vor, der auf „Kindeswohl“ und „Kindesbelange“ abstellt.
(4) Die nach § 53 Abs. 1 AufenthG anzustellende Abwägung geht zu Lasten des Klägers aus. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Ausreise mit den privaten Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass die öffentlichen Interessen an der Ausreise überwiegen. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden wäre.
Bei der Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind neben dem Ausweisungsinteresse nach § 54 AufenthG und dem Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
Die Ausweisung erweist sich im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG aufgeführten – nicht abschließenden – Belange und mit Blick auf die Anforderungen insbesondere des Art. 6 GG sowie des Art. 8 EMRK als verhältnismäßig.
(a) Zu Gunsten des Klägers ist zunächst zu berücksichtigen, dass dessen Eltern und Geschwister im Bundesgebiet leben.
Allerdings ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 GG kein unmittelbarer Anspruch auf Aufenthalt, sondern die wertende Grundentscheidung verpflichtet die Behörden, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des ausgewiesenen Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindung Rechnung zu tragen. Im Rahmen der gebotenen Abwägung ist jedoch der Eltern-Kind-Beziehung zu volljährigen Kindern regelmäßig ein geringeres Gewicht beizumessen als die Eltern-Kind-Beziehung zu minderjährigen Kindern, weil keine Beistandsgemeinschaft vorliegt. In Bezug auf Bindungen zu volljährigen Familienangehörigen gebieten es die Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG daher regelmäßig nicht, einwanderungspolitische Gründe oder sonstige öffentliche Belange, die gegen einen angestrebten Daueraufenthalt sprechen, zurückzudrängen. Gleiches gilt aus den entsprechenden Gründen für die Beziehungen des Klägers zu seinen Geschwistern.
Auch aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich kein unmittelbarer Anspruch auf Aufenthalt. Bindungen zwischen erwachsenen Personen genießen nicht unbedingt den Schutz nach Art. 8 Abs. 1 EMRK, es sei denn, es sind zusätzliche Elemente der Abhängigkeit dargelegt, die über die gefühlsmäßigen Bindungen hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 17.4.2003 – 52853/99 Yilmaz/Deutschland – juris Rn. 44). In Bezug auf den an einer Herzschwäche und einer geistigen Behinderung leidenden Bruder …, auf den sich der Kläger beruft, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Bruder nie mit der Familie des Klägers zusammengelebt hat, weil diese den Bruder nach dessen Geburt in eine Pflegefamilie gegeben hat. Die Familie des Klägers hat kaum jemals den Kontakt zu dem Bruder gepflegt. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass zwischen dem Kläger und dem Bruder beachtliche Abhängigkeiten bestehen. Eine Abhängigkeitsbeziehung hinsichtlich der Eltern ist weder dargelegt noch anderweitig ersichtlich. Nach aktueller Rechtsprechung des EGMR kann zwar auch die Bindung von jungen Erwachsenen, die noch keine eigene Familie gegründet haben, an ihre Eltern oder nahe Verwandten Familienleben sein. Jedenfalls schützt Art. 8 Abs. 1 EMRK über das Privatleben die Gesamtheit der sozialen und familiären Bindungen (vgl. EGMR, Urt. v. 13.10.2011 – 41548/06 (Trabelsi/Deutschland, NJOZ 2012, 830 2. Leitsatz; EGMR, Urt. v. 14.6.2011 – 38058/09 (Osman/Dänemark), NVwZ 2012, 947 (948).
(b) Zu Gunsten des Klägers sind zudem auch die – Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK unterfallenden – Bindungen zu seinem am … August 2015 geborenen Sohn … zu werten. Dieses Kind ist derzeit noch sehr klein. Wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, haben die Folgen einer Trennung zu einem Elternteil grundsätzlich ein hohes Gewicht (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 13). Zu Gunsten des Klägers sind zudem auch die – Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK unterfallenden – Bindungen zu dem noch ungeborenen Kind des Klägers und der bosnische Lebensgefährtin zu werten. Dieses Kind wird, wenn es das Licht der Welt erblickt haben wird, den Kläger im Fall einer Trennung als Vater entbehren. Dies hat im vorliegenden Fall ebenfalls ein hohes Gewicht. Für die Zwecke der Abwägung gesteht die Kammer dem ungeborenen Kind das gleiche Gewicht zu wie einem geborenen Kind.
(c) Zu Gunsten des Klägers sind zudem auch die ebenfalls nach Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Bindungen zu der bosnischen Lebensgefährtin zu werten, die mit ihm, dem gemeinsamen Sohn … und den anderen Kindern der Lebensgefährtin in häuslicher Lebensgemeinschaft lebte. Die Beziehung zu der bosnischen Lebensgefährtin ist dabei allerdings nicht als rechtsgültige Ehe einzustufen. Der Kläger hat erstmals konfrontiert mit der in Aussicht gestellten Ausweisungsverfügung im Anhörungsverfahren vorgetragen, dass er mit ihr nach islamischem Recht die Ehe geschlossen hat. Eine Ehe kann im Inland gemäß Art. 13 Abs. 3 EGBGB nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Der Kläger hat nicht vorgetragen, wann und wo er geheiratet hat. Dementsprechend hat er auch nicht vorgetragen, dass das Recht am Ort der Eheschließung oder das Heimatrecht beider Ehegatten hinsichtlich der Form der Eheschließung gewahrt wurde, wie es Art. 13 Abs. 1 EGBGB voraussetzt. Für den ihn begünstigenden Umstand der (rechtsgültigen) Eheschließung trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Im Übrigen deuten die Umstände darauf hin, dass eine zu berücksichtigende Ehe nicht besteht, sondern lediglich eine nichteheliche Lebenspartnerschaft. Nach dem Ausdruck aus dem Meldeprogramm BIS vom 27. Juli 2016 in den Behördenakten war der Kläger als ledig gemeldet. Die bosnische Lebensgefährtin hat sich selbst im behördlichen Anhörungsverfahren lediglich als „Lebensgefährtin“ bezeichnet. Auch in dem Schreiben an das Verwaltungsgericht hat sie den Kläger lediglich als „Lebenspartner“ bezeichnet. Da die bosnische Lebensgefährtin aber die Mutter des gemeinsamen Sohnes … ist, genießt diese Beziehung als familiäre Bindung den Schutz des Art. 6 GG und des Art. 8 Abs. 1 EMRK, dem auch ein maßgebliches Gewicht zukommt.
(d) Das Verwaltungsgericht wertet zu Gunsten des Klägers auch dessen Kommunikationsgrundrechte und die Religionsfreiheit des Klägers. Die Meinungsfreiheit steht unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG stellt ein solches allgemeines Gesetz dar, wobei die Anwendung im Lichte des Grundrechts verhältnismäßig sein muss. Der Religionsfreiheit sind im Wege praktischer Konkordanz durch die Rechtsgüter von Verfassungsrang Grenzen gesetzt, wobei die Anwendung ebenfalls im Lichte des Grundrechts verhältnismäßig sein muss.
(e) Für den Kläger spricht des Weiteren unter dem Gesichtspunkt des Art. 2 Abs. 1 GG und des Art. 8 Abs. 1 EMRK, dass dieser bereits als Dreijähriger in das Bundesgebiet eingereist ist, mithin nahezu sein ganzes Leben in Deutschland verbracht hat. Er befand sich während der besonders prägenden Kinderjahre im Bundesgebiet. Er hat hier ein Netzwerk an sozialen Beziehungen aufgebaut. Zu Gunsten des Klägers ist zu werten, dass dieser sich zunächst auch wirtschaftlich integriert hat, indem er nach eigenen Angaben die Hauptschule besucht, nach Absolvierung eines Berufsvorbereitungsjahres den Ausbildungsberuf des … erlernt und auch einige Zeit im …handwerk gearbeitet hat. Für den Kläger spricht zudem, dass er sich nach jahrelangen Duldungen seit dem 9. März 2007, dem Tag des Erlasses der erstmaligen befristeten Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
(f) Zum Nachteil des Klägers ist – unter Berücksichtigung sämtlicher hier einschlägiger grundrechtlicher Schranken bzw. des kollidierenden Verfassungsrechts – zu werten, dass die wirtschaftliche Integration nicht nachhaltig war. Der Kläger konnte im Ausbildungsberuf nicht Fuß fassen. Nach der Phase der Arbeitslosigkeit vom 1. Juni 2013 bis zum 11. September 2014 und einer Anstellung im Sicherheitsgewerbe war der Kläger nach eigenen Angaben zwar seit dem 1. September 2015 als … tätig. Jedoch bezog er nach Auskunft des zuständigen Jobcenters seit dem 6. Oktober 2015 ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Dies bedeutet, dass er nicht in der Lage war, den Lebensunterhalt gänzlich zu sichern.
(g) Unter den vorgenannten Vorzeichen fällt bei der Abwägung weiterhin zu Ungunsten des Klägers ins Gewicht, dass es ihm nicht gelungen ist, sich sozial in die Wertegemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu integrieren. Der Kläger ist wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten, insbesondere auch wegen Gewaltdelikten. Der Kläger ist zwei Mal von Strafgerichten wegen Gewaltdelikten verurteilt worden. Dem Urteil des Jugendschöffengerichts vom … August 2007 wegen versuchten Raubes lag zudem ein Geschäft mit sozialschädlichen Drogen zugrunde.
(h) Zum Nachteil des Klägers ist des Weiteren zu werten, dass der Kläger mehrmals die Schwelle zur Unterstützungshandlung einer terroristischen Vereinigung überschritten hat. Der Kläger hat sich trotz vielfacher Möglichkeiten nicht erkennbar und glaubhaft im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG distanziert. Er hat sich nun schon über mehrere Jahre hinweg der salafistischen und gewaltbefürwortenden jihadistischen Bewegung gewidmet und ihr stetig mehr Raum in seinem Leben eingeräumt. Der national und international vernetzte Kläger ist zudem Teil eines Zirkels, dessen Mitglieder Gewalttaten nicht nur billigen und heroisieren, sondern sich kontinuierlich, beispielsweise im Gruppen-Chat und im Einzel-Chat, wechselseitig ihre eigene Gewalt-, ja sogar Tötungsbereitschaft versichern. Er traf im nahen europäischen Ausland einen Syrienrückkehrer und unterhielt Kontakte zu einem Mitglied des islamischen Staates in Mossul. All dies spricht im Fall des Verbleibs des Klägers im Bundesgebiet für einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit der Gefahr, dass dieser auch in Zukunft den Islamischen Staat mindestens unterstützen und dadurch die Begehung von Terrorakten erleichtern wird.
(i) Im Rahmen der Abwägung ist auch folgende Folgenbetrachtung im Falle des Verbleibs des Klägers im Kosovo von Bedeutung: Die Lebensgefährtin des Klägers und deren Kinder sind aufenthaltsrechtlich von dem Kläger unabhängig, da sie über eigene Aufenthaltstitel verfügen. Die Lebensgefährtin und das Kind … sind jeweils im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis (bis zum 18. Januar 2018). Dem ungeborenen Kind kann nach der Geburt eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 33 AufenthG erteilt werden. Im Fall der Ausreise des Klägers kann auch das deutsche Kind der bosnischen Lebensgefährtin weiterhin in Deutschland leben und hat weiterhin deren Unterstützung (sowie die des anderen Elternteils).
(j) Im Rahmen der Abwägung ist eine Folgenbetrachtung im Falle des Verbleibs des Klägers im Kosovo bezüglich der dortigen Verhältnisse anzustellen. Der Kläger verfügt im Kosovo über Familie. So hat er bei der Befragung am … Juli 2016 angegeben, im Kosovo Familie zu haben. Dies deckt sich mit den Angaben, welche die Eltern des Klägers nach den Feststellungen in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom … Oktober 1992 im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Asylverfahrens im Jahr 1993 gemacht hatten. Danach hat der Vater des Klägers vorgetragen, dass er einen Onkel … H … in (…) … (im Nordkosovo) und einen Bruder … F … in … (auch genannt D … im Zentralkosovo) habe. Die Mutter des Klägers hat vorgetragen, dass ihre Eltern in (…) … (im Nordkosovo) lebten.
Dabei ist davon auszugehen, dass sich der Kläger in zumindest einer der zwei Landessprachen im Kosovo, Albanisch und Serbisch, verständigen kann. Die Familie des Klägers stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien. Kinder, die in einer fremdsprachigen Familie im Bundesgebiet aufwachsen, lernen aller Erfahrung nach auch die Sprache des Herkunftslandes. Noch im Jahr 2006 hat die Beklagte in einem Verfahren unwidersprochen festgestellt, dass die deutschen Sprachkenntnisse der Eltern „gering“ seien. Nach den Feststellungen in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom … Oktober 1992 haben die Eltern des Klägers bei der verwaltungsbehördlichen Anhörung im Rahmen der Vorprüfung im Jahr 1991 „verschiedene Unterlagen in serbokroatischer Sprache vorgelegt“. Der Vater des Klägers verfügte über – wenngleich herabgesetzte – Kenntnisse der albanischen Sprache. Außerdem hat der Kläger mit Schriftsatz vom … März 2012 vortragen lassen, zwei Mal bei dem kosovarischem Konsulat in … vorgesprochen zu haben. Er hat ein „Travel Document issued for a single Journey“ sowie ein „Certificate of Citizenchip“ erwirkt, hat also sein Anliegen erfolgreich kommuniziert. In dem erwähnten Schriftsatz hat er sich bereit erklärt, zum Zweck der Ausstellung eines Nationalpasses in den Kosovo zu reisen. Der Kläger hatte sich folglich in der Lage gefühlt, vor Ort im Kosovo Behördengänge zu erledigen. Außerdem hat er sich einen serbischen Nationalpass beschafft. Dies lässt auf ordentliche Kenntnisse der Landessprachen des Kosovo schließen, die er vor Ort verbessern und ausbauen kann.
Aus dem am … Mai 2017 vorgelegten Text geht hervor, dass der Kläger sich darauf beruft, dass „entfernte Verwandte“ ihm sehr fremd seien und den Medienberichten über ihn Glauben schenken würden. Erstens spielen Blutsbande in der Region eine große Rolle. Bei der Vielzahl von Verwandten ist daher von einer, wenngleich mageren, Unterstützung auszugehen. Zweitens hat der Kläger es in der Hand, seine Verwandten beispielsweise mit Versuchen einer eindeutigen und glaubhaften Distanzierung für sich zu gewinnen. Drittens geht aus dem am … Mai 2017 vorgelegten Text hervor, dass die Schwester dem Kläger nachgereist ist und sich mittlerweile um eine Unterbringung sowie Geld und Kleidung gekümmert hat, womit ein erster Anfang im Kosovo gemacht ist.
Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass der Kläger, der ein erwachsener, gesunder junger Mann ist, noch dazu mit einer praktischen Berufsausbildung, in der Lage sein wird, ein eigenständiges Leben im Kosovo zu führen und, wenngleich unter Umständen nach anfänglichen Schwierigkeiten, mit der Unterstützung seiner dort und im Bundesgebiet ansässigen Familie, ein Auskommen zu finden.
(k) Im Rahmen der Abwägung ist auch folgende Folgenbetrachtung im Falle des Verbleibs des Klägers im Kosovo von Bedeutung: Der Kläger kann mit dem Sohn …, der bosnischen Lebensgefährtin und deren weiteren Kindern, den Eltern und den Geschwistern und auch in der Zukunft mit dem ungeborenen Kind, den Kontakt über moderne Kommunikationsmittel wie Skype, Kurznachrichtendiensten, Instant-Messaging-Diensten und sozialen Netzwerken sowie mit herkömmlichen Kommunikationsmitteln wie Brief und Telefon sowie durch persönliche und gegebenenfalls längere Besuche im Kosovo aufrechterhalten und pflegen.
(l) Im Rahmen der Abwägung ist für den Fall des Verbleibs des Klägers im Kosovo des Weiteren zu berücksichtigen, dass der Kläger jederzeit nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zur Wahrung schutzwürdiger Belange oder bei Wegfall des Zwecks des Verbots, mithin bei eindeutiger und glaubhafter Abstandnahme (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 58), einen Antrag auf Verkürzung oder sogar Aufhebung der von der Beklagten festgesetzten Frist stellen kann.
(m) Hält sich der Kläger dagegen in das Bundesgebiet auf und fährt damit fort, den Islamischen Staat zu unterstützen und damit die Begehung von Terrorakten durch den Islamischen Staat zu erleichtern, gefährdet dies überragend wichtige Rechtsgüter von Verfassungsrang, nämlich unter Umständen auch Leib und Leben einer Vielzahl von Rechtsgutsträgern sowie die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen. Der Verlust der Rechtsgüter Leib und Leben ist unwiederbringlich. Die Ausweisung verfolgt dabei den spezialpräventiven Zweck zu verhindern, dass der Kläger den Islamischen Staat im Bundesgebiet wieder unterstützt. Sie dient gleichzeitig auch dem Zweck zu verhindern, dass andere Personen, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden wie der Kläger – also ausländische junge Männer mit langer Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet – es ihm nachtun, indem sie zeigt, dass ein derartiges Verhalten aufenthaltsrechtliche Folgen zeitigt (vgl. zur Zulässigkeit: BayVGH, B.19.9.2016 – 19 CS 15.1600 – juris Rn. 34; U.v. 28.6.2016 – 10 B 15.1854 – juris Rn. 38 und B.v. 3.3.2016 – 10 ZB 14.844 – juris Rn. 10).
Angesichts des hohen Grades der Gefahr, der Hochrangigkeit und auch Unwiederbringlichkeit der bedrohten Rechtsgüter sowie der Vielzahl der bedrohten Rechtsgüter im Falle eines weiteren Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet ist das private Interesse des Klägers gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse an einer Ausreise des Klägers nachrangig.
bb) Auch die in Ziffer 2. des Bescheides angeordnete Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots von acht Jahren begegnet im Ergebnis keinen Bedenken.
(1) Über die Dauer der festzusetzenden Frist hat die zuständige Behörde gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Sie hat die Dauer allein unter präventiven Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Die Dauer darf nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Diese Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes sowie der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das zu der Ausweisung geführt hat, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag – insofern entspricht die für die Bestimmung der Dauer der Sperrfrist prognostische Einschätzung im Wesentlichen der sogenannten Wiederholungsgefahr (vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2016 – 10 B 14.1854 – juris Rn. 8) – und gegebenenfalls wie lange eine abschreckende Wirkung auf andere Ausländer erforderlich ist. Die Frist muss sich zudem an den Wertentscheidungen des Grundgesetzes und den Vorgaben der EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen (vgl. insgesamt zu § 11 AufenthG a.F: BVerwG, U.v. 6.03.2014 – 1 C 2/13 – juris Rn. 12). Sie ist ebenfalls vollumfänglich nach § 114 Satz 1 VwGO nachprüfbar (vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2016 – 10 B 14.1854 – juris Rn. 6).
(2) Gemessen an diesen Vorgaben erweist sich die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots zum gegenwärtigen Zeitpunkt als rechtmäßig. Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
Der Kläger ist aufgrund einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und damit einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgewiesen worden. Die Dauer der Zehn-Jahres-Frist nach § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG wurde nicht überschritten.
Zwar kommt auch den Belangen des Klägers, insbesondere dessen Aufenthaltsdauer und dessen Bindungen im Bundesgebiet, eine sehr große Bedeutung zu. Es ist auch nicht zu verhehlen, dass die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots insoweit für den Kläger persönlich eine maßgebliche Härte bedeutet. Dem Ausweisungsgrund kommt insgesamt ein äußerst hohes Gewicht zu. Bezüglich des Ausweisungsgrundes wird vollumfänglich auf die Ausführungen zu der fehlenden eindeutigen und glaubhaften Distanzierung und zu der weiteren bestehenden Gefahr verwiesen. Der mit der Ausweisung verfolgte Zweck besteht darin, die Wiederholung von Unterstützungshandlungen des Klägers zu Gunsten des Islamischen Staates im Bundesgebiet zu verhindern. Hierfür ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine längere Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots erforderlich.
Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger jederzeit nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zur Wahrung schutzwürdiger Belange oder bei Wegfall des Zwecks des Verbots, mithin bei eindeutiger und glaubhafter Abstandnahme, einen Antrag auf Verkürzung oder sogar Aufhebung der von der Beklagten festgesetzten Frist stellen kann. Des Weiteren kann der Kläger nach § 11 Abs. 8 AufenthG Betretenserlaubnisse erwirken.
Insgesamt erscheint die Ausgestaltung des Einreise- und Aufenthaltsverbots zum gegenwärtigen Zeitpunkt verhältnismäßig.
cc) Auch die in Ziffer 3. des Bescheides angeordnete Abschiebungsandrohung in den Kosovo begegnet im Ergebnis keinen Bedenken.
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der in Ziffer 3. des Bescheides angeordneten und auf §§ 58, 59 AufenthG beruhenden Abschiebungsandrohung sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Der Kläger ist angesichts der gefundenen Ergebnisse zu der Ausweisungsverfügung nach § 50 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar (vgl. 84 Abs. 1 AufenthG) ausreisepflichtig. Eine Fristsetzung für die Abschiebung wäre nach § 59 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und Satz 2 Nr. 2 AufenthG (Absehensgründe) in Verbindung mit § 51 Abs. 1 Nr. 5 (Ausweisung) AufenthG sogar entbehrlich gewesen. Die Abschiebung ist aufgrund der Ausweisung nach § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG in Verbindung mit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse) auch erforderlich.
dd) Schließlich begegnet auch die in Ziffer 13 des Bescheides erlassene Gebühr für die Entscheidung über die Befristung der Sperrwirkungen der Ausweisung in Höhe von 30,00 EUR aus vorgenannten Gründen keine Bedenken. Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 und 2 AufenthG und § 47 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV sind eingehalten.
3. Die Klage ist nach alledem insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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