Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage gegen einen als unzulässig eingestuften Asylfolgeantrag

Aktenzeichen  Au 6 K 18.30244

Datum:
10.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 9360
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1, § 31, § 71
VwVfG § 51
EMRK Art. 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1. Ein Asylverfahren ist wiederaufzugreifen, wenn sich nachträglich die dem Bescheid des BAMF im Erstverfahren zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage zugunsten des Betroffenen geändert hat, wobei maßgeblicher Zeitpunkt insoweit der Schluss der mündlichen Verhandlung im Erstverfahren bzw. bei fehlendem gerichtlichen Verfahren der Erlass des Bescheids ist. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
1. Der Wunsch eines Ausländers, in der Nähe seiner Ehefrau in der BRD zu leben, knüpft an ein im Inland bestehendes Verhältnis an und begründet kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet und hat daher keinen Erfolg. Die Voraussetzungen zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens liegen zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) nicht vor. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG (§ 113 Abs. 5 VwGO), so dass der Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2018 daher rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
1. Die Klage ist zulässig.
Soweit sich der Kläger gegen Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids richtet, ist eine Anfechtungsklage statthaft, soweit sich der Antrag auf Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids bezieht, ist hilfsweise eine Verpflichtungsklage statthaft. Der Antrag ist dementsprechend auszulegen (§ 88 VwGO).
a) Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens im Rahmen eines Folgeantrags, die als Unzulässigkeitsentscheidung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ergeht, ist mit der Anfechtungsklage anzugreifen (unter Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung: BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – NVwZ 2017, 1625 – juris Rn. 16).
Insoweit kommt bei allen Entscheidungen nach § 29 Abs. 1 AsylG auch kein eingeschränkter, auf die Durchführung eines Asylverfahrens beschränkter Verpflichtungsantrag in Betracht, weil das Bundesamt hierzu nach Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit automatisch verpflichtet ist (BVerwG, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9/17 – NVwZ 2017, 1625 – juris Rn. 15; U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – NVwZ 2017, 1625 – juris Rn. 19). Eine Unzulässigkeitsentscheidung verschlechtert die Rechtsstellung des Klägers, weil damit ohne inhaltliche Prüfung festgestellt wird, dass sein Asylvorbringen nicht zur Schutzgewährung führt und darüber hinaus auch im Falle eines weiteren Asylantrags abgeschnitten wird (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – NVwZ 2017, 1625 – juris Rn. 16). Des Weiteren darf ein Kläger bis zur Mitteilung des Bundesamts an die Ausländerbehörde nach § 71 Abs. 5 AsylG nicht abgeschoben werden, so dass ihm bis zur Entscheidung des Bundesamts, ob ein neues Asylverfahren einzuleiten ist, auf Antrag grundsätzlich eine Duldung erteilt werden muss (Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 71 AsylG, Rn. 15). Mit der Ablehnung des Antrags als unzulässig entfällt damit auch ein Duldungsgrund; auch hierin liegt eine belastende Entscheidung, gegen die eine Anfechtungsklage statthaft ist. Wird die Unzulässigkeitsentscheidung auf die Anfechtungsklage hin aufgehoben, ist auch eine gegebenenfalls ergangene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, nebst Abschiebungsandrohung aufzuheben. Denn beide Entscheidungen sind dann jedenfalls verfrüht ergangen (BVerwG, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9/17 – NVwZ 2017, 1625 – juris Rn. 21).
b) Demgegenüber ist die Feststellung nach Ziffer 2 des Bescheids, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen, in der Hauptsache weiterhin (hilfsweise) durch eine Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung zu stellen (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – NVwZ 2017, 1625 – juris Rn. 20; vgl. auch Berlit, 20.2.2017 – jurisPR-BVerwG 4/2017, Anm. 2 D). Denn insoweit hat sich das Bundesamt nach § 31 Abs. 3 AsylG sachlich mit dem Schutzbegehren zu befassen (BVerwG, a.a.O.).
Die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid beinhaltet daher auch die hilfsweise Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots (§ 88 VwGO).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
a) Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig (Ziffer 1 des Bescheids) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 AsylG i.V.m. § 51 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) liegen nicht vor, weswegen der Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig war.
Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 VwVfG vorliegen. Ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG setzt voraus, dass sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich – nach Abschluss des früheren Asylverfahrens – zu Gunsten des Betroffenen geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung über sein Asylbegehren herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG erfordert einen schlüssigen Sachvortrag, der nicht von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtung ungeeignet sein darf, zur Asylberechtigung (Art. 16a GG) oder zur Zuerkennung des internationalen Schutzes (§§ 3 ff., 4 AsylG) zu verhelfen. Es genügt schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe (BVerfG, B.v. 3.3.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rn. 32 m.w.N.). Außerdem ist der Antrag nach § 51 Abs. 2 und Abs. 3 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen und er den Antrag binnen drei Monaten nach Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen gestellt hat. Die Voraussetzungen des § 51 VwVfG liegen im vorliegenden Verfahren nicht vor.
(1) Eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zu Gunsten des Klägers im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist weder schlüssig vorgetragen worden noch ersichtlich.
Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist das Verfahren wiederaufzugreifen, wenn sich nachträglich die dem Bescheid des Bundesamts im Erstverfahren zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage zugunsten des Betroffenen geändert hat. Maßgeblicher Zeitpunkt ist insoweit der Schluss der mündlichen Verhandlung im Erstverfahren (BVerfG, U.v. 9.12.2010 – 10 C 13/09 – juris Rn. 28) bzw. bei fehlendem gerichtlichen Verfahren der Erlass des Bescheids (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 VwVfG Rn. 91). Es genügt die Möglichkeit einer für den Kläger günstigen Entscheidung, soweit er die Wiederaufgreifensgründe durch einen schlüssigen Sachvortrag geltend macht (BVerfG, B.v. 3.3.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rn. 32). Grundvoraussetzung für die Schlüssigkeitsprüfung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist indes ein substantiierter, widerspruchsfreier und glaubhafter Tatsachenvortrag hinsichtlich der Änderung der Sach- und Rechtslage (Marx, Ausländer- und Asylrecht, 3. Aufl. 2016, § 11 Rn. 58). Eine Änderung der Sachlage ist anzunehmen, wenn sich entweder die allgemeinen politischen Verhältnisse oder die Lebensbedingungen im Herkunftsstaat oder aber die das persönliche Schicksal des Asylbewerbers bestimmenden Umstände – sei es durch Vorgänge im Bundesgebiet oder im Herkunftsstaat – so verändert haben, dass eine für den Asylbewerber günstigere Entscheidung möglich erscheint (Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 71 AsylG Rn. 24). Erforderlich ist indes eine tatsächliche Änderung der Sachlage nach Abschluss des Erstverfahrens (Marx, Ausländer- und Asylrecht, 3. Aufl. 2016, § 11 Rn. 60), wobei sich die Veränderung auf den der Entscheidung im Erstverfahren als entscheidungserheblich zugrunde gelegten Sachverhalt beziehen muss (Schönenbroicher/Dickten in: BeckOK Ausländerrecht, 17. Ed. Stand: 1.2.2018, § 71 Rn. 17). Ein bloßer Angriff auf die Richtigkeit der Wertungen der Vorentscheidung (beispielsweise Bewertung des klägerischen Vortrags als unglaubhaft) genügt nicht (Schönenbroicher/Dickten in BeckOK Ausländerrecht, 17. Ed. Stand: 1.2.2018, § 71 Rn. 17).
Eine nachträgliche Änderung der Sachlage liegt hier nicht vor.
aa) In Bezug auf die vom Kläger geltend gemachte Bedrohung durch türkische Polizeikräfte liegt keine nachträgliche Änderung der Sachlage vor.
Der Kläger trug insoweit in der mündlichen Verhandlung vor, wegen kritischer Äußerungen gegen Präsident Erdoğan habe es einen Haftbefehl gegen ihn gegeben. Zwei Polizisten hätten nach ihm gefragt. Vielleicht werde er auch wegen des Putschversuchs in der Türkei gesucht; viele Menschen seien deshalb ohne Anklage inhaftiert worden. Daher sei er im Jahr 2016 aus der Türkei ausgereist. Vor seiner Ausreise in die Bundesrepublik im Jahr 2016 sei er das letzte Mal im Kontakt zu türkischen Behörden gestanden, seitdem habe er nichts mehr von Amtsträgern des türkischen Staates gehört. Während seines (behaupteten) Aufenthalts in der Türkei von Juni 2017 bis November 2017 habe es keine Vorfälle gegeben, da er heimlich eingereist sei.
Die vom Kläger geltend gemachten Vorfälle beziehen sich damit sämtlich auf den Zeitraum bis zu seiner Ausreise im Jahr 2016. Mit der behaupteten Verfolgung durch türkische Polizeikräfte hat sich der bestandskräftige Bescheid des Bundesamts vom 11. Mai 2017 bereits ausführlich auseinandergesetzt. Es handelt sich daher nicht um eine nachträgliche Änderung der Sachlage nach Erlass des Bescheids vom 11. Mai 2017, sondern um die Wiederholung und Ergänzung seines bisherigen Vortrags, wie er im Wesentlichen schon im Erstverfahren geltend gemacht wurde. Die Richtigkeit der Wertungen des ablehnenden Bescheids kann jedoch nicht durch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG angegriffen werden, hierfür hätte dem Kläger vielmehr im Erstverfahren die Möglichkeit der Klageerhebung gegen den ablehnenden Bescheid zur Verfügung gestanden. Soweit der Kläger nun (ergänzend) auch auf einen Haftbefehl abstellt, den er vor seiner Ausreise 2016 erhalten habe, so handelt es sich auch insoweit um eine Tatsache, die auch nach seinem Vortrag nicht nach, sondern vor Erlass des Bescheids vom 11. Mai 2017 eingetreten und damit keine nachträglich eingetretene Tatsache ist. Nach seinem Vortrag hat er seit seiner Ausreise im Jahr 2016 keinen Kontakt mehr zu türkischen Behörden gehabt, so dass eine Änderung der Sachlage nicht eingetreten ist.
Im Übrigen ist der Verfolgungsvortrag des Klägers vage, detailarm, pauschal und deshalb nicht schlüssig. Er beschränkt sich auf die Vermutung, wegen des Putschversuchs und angeblicher kritischer Äußerungen gegen den Präsidenten der Gefahr einer Inhaftierung ausgesetzt zu sein. Zwei Polizisten hätten sich bei seinen Kindern nach ihm erkundigt. Nähere Angaben, insbesondere zu Inhalt, Form und Häufigkeit seiner kritischen Äußerungen, zu den genauen Umständen der Erkundigung nach dem Kläger durch die Polizeibeamten, zum angeblichen Haftbefehl und dazu, wie der Kläger in Verbindung mit dem gescheiterten Putschversuch steht, machte der Kläger nicht.
Des Weiteren hat der Kläger auch nicht schlüssig vorgetragen, seit der Ablehnung seines Asylantrags mit Bescheid vom 11. Mai 2017 überhaupt aus der Bundesrepublik ausgereist zu sein. Sein Vortrag, auf dem Landweg wieder in die Türkei eingereist zu sein, ist nicht schlüssig. Nicht glaubhaft ist der Vortrag des Klägers, das ihm im Rahmen des Starthilfe Plus-Programms zur Verfügung gestellte Flugticket sei ihm just vor dem Abflugtag gestohlen worden und ein neues Flugticket habe er sich mangels finanzieller Mittel nicht leisten können, jedoch habe er dann zufällig einen Bulgaren getroffen, der ihn ohne Anzahlung bis nach Bulgarien im Pkw mitgenommen und auch seine Weiterreise nach … (Türkei) organisiert habe. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers ist widersprüchlich. Gab er in der mündlichen Verhandlung zunächst noch an, auch seine Ausweispapiere seien ihm gestohlen worden, änderte er auf Nachfrage der Einzelrichterin, ob er sich für die Anmeldung der Eheschließung und für die Eheschließung selbst vor den Standesbeamten im Jahr 2018 (dazu sogleich) habe ausweisen müssen, seinen Vortrag dahingehend ab, dass er die Ausweispapiere in der Innenseite seiner Jacke deponiert gehabt habe, weswegen ihm nur das Flugticket und das Geld gestohlen worden seien, nicht jedoch die Ausweispapiere. Trug er schriftlich noch vor, er habe die Flugtickets verloren, wurden sie ihm nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung gestohlen. Nicht schlüssig dargelegt hat der Kläger auch, warum er sich nicht ein weiteres Flugticket organisieren konnte, nachdem ihm sein Geld gestohlen wurde. Nach seinem eigenen Vortrag zahlte seine Tante dem bulgarischen Staatsangehörigen für seine Dienste anschließend 2.000 EUR; seine jetzige Ehefrau übernimmt die Ratenzahlung in Bezug auf Erstattungsansprüche des Freistaates Bayern in Höhe von mehreren hundert Euro (dazu sogleich). Der Kläger verfügte damit sowohl in der Bundesrepublik als auch in der Türkei um ein ihn finanziell unterstützendes Netzwerk. Ein Flugticket hätte die Tante des Klägers, die bereit war, die Rückkehr ihres Neffen in die Türkei zu finanzieren, voraussichtlich weniger gekostet als die aufgewendeten 2.000 EUR für den bulgarischen Staatsangehörigen. Nicht glaubhaft ist auch der Vortrag des Klägers, er sei „illegal“ (bzw. ohne behördlicher Registrierung) in die Türkei eingereist, da ihm sonst eine Verhaftung durch die türkische Polizei gedroht hätte. Der Kläger gab zunächst an, den Flug nur deswegen nicht wahrgenommen zu haben, weil ihm sein Flugticket gestohlen worden sei und ihm das Geld für ein weiteres Flugticket gefehlt habe. Nach diesem Vortrag scheiterte ein Rückflug allein am fehlenden Flugticket. Dies steht im Widerspruch zum späteren Vortrag, nur „illegal“ habe einreisen zu können. Bei einem Rückflug wären zumindest die Personalien des Klägers am Ankunftsflughafen überprüft worden, so dass eine nicht registrierte Einreise nicht möglich gewesen wäre. Nicht glaubhaft ist des Weiteren der Vortrag, er sei wie ein normaler Passagier im Pkw des bulgarischen Staatsangehörigen mitgefahren, der Pkw sei jedoch an der Grenze und auch sonst nirgends von türkischen Staatsbediensteten kontrolliert worden. Unglaubhaft ist, dass der Kläger darauf vertrauen konnte, dass an der bulgarisch-türkischen Grenze und auch andernorts keine (Grenz-)kontrollen stattfinden, wenn ihm eine nicht von den türkischen Behörden registrierte Rückkehr besonders wichtig war. Nachdem der Kläger auch keine Belege über seine Ausreise aus der Bundesrepublik sowie über seine Wiedereinreise in die Türkei vorzeigen kann (den bulgarischen Staatsangehörigen habe seine Tante in bar bezahlt, sonstige Dokumente gebe es nicht), ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger die Bundesrepublik seit Erhalt des ablehnenden Bescheids vom 11. Mai 2017 nie verlassen hat, sondern einige Zeit in der Bundesrepublik untergetaucht ist, bevor er erneut einen Asylfolgeantrag stellte.
Der Kläger hat damit die Wiedereinreise in die Türkei und damit auch eine nachträgliche Änderung der Sachlage in Bezug auf etwaige Verfolgungshandlungen durch den türkischen Staat nicht glaubhaft gemacht.
bb) Eine Änderung der Sachlage, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung internationalen Schutzes führen könnte, liegt auch nicht im Vortrag des Klägers, eine Geldstrafe zahlen zu müssen.
Insoweit führte er in der mündlichen Verhandlung aus, nach der bestandskräftigen Ablehnung seines Asylantrags mit Bescheid vom 11. Mai 2017 habe er von deutschen Behörden ein Flugticket in die Türkei sowie 300 EUR erhalten. Nun forderten die deutschen Behörden den Wert des Flugtickets sowie weitere 300 EUR zurück. Seine Ehefrau habe sich deswegen zur Ratenzahlung gegenüber den deutschen Behörden verpflichtet.
Aus diesem Vortrag ergibt sich keine Änderung der Sachlage, die geeignet ist, zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung internationalen Schutzes in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Türkei zu führen. Die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen durch deutsche Behörden ist der Türkei nicht zurechenbar. Im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Geltendmachung der Erstattungsansprüche durch den deutschen Staat nicht rechtmäßig sein sollte.
cc) Die Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen am 6. April 2018 ist ebenfalls kein Umstand, der geeignet ist, hinsichtlich des Herkunftsstaates Türkei zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung internationalen Schutzes und damit zu einem erfolgreichen Asylantrag i.S.d. §§ 71, 13 AsylG zu führen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, warum dem Kläger in der Türkei wegen seiner Eheschließung Verfolgung i.S.d. Art. 16a GG und § 3 AsylG bzw. ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 AsylG droht.
(2) Auch neue Beweismittel i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG hat der Kläger nicht vorgelegt. Das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 580 ZPO ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbot snach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Türkei (Ziffer 2 des Bescheids).
Nach § 31 Abs. 3 AsylG prüft das Bundesamts bei Entscheidungen über unzulässige Asylanträge, ob die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Dabei hat sich das Bundesamt insoweit sachlich mit dem Schutzbegehren zu befassen (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – NVwZ 2017, 1625 – juris Rn. 20).
(1) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG liegt nicht vor.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK setzt voraus, dass der Betroffene im Falle einer Rückkehr einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt wäre. Dies ist insbesondere auch dann der Fall, wenn es dem Betroffenen nicht (mehr) gelingen würde, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – Asylmagazin 2015, 197).
Diese Gefahr besteht für den Kläger nicht. Der Kläger kann zum einen auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen und zum anderen eigener Erwerbsarbeit nachgehen und so seine Existenzgrundlage sichern. Der 1971 geborene Kläger hat den größten Teil seines Lebens in der Türkei verbracht und konnte seinen Lebensunterhalt bisher über eine 15-jährige Tätigkeit als Bauarbeiter sowie durch Mitarbeit in der väterlichen Landwirtschaft sicherstellen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger eine Existenzsicherung aus eigener Kraft nicht mehr möglich sein sollte. Zudem besteht ein enges familiäres Netzwerk in der Türkei. Nach seinem eigenen Vortrag in der mündlichen Verhandlung leben seine Eltern noch im Heimatdorf des Klägers, wo sie auf eigenen Grundstücken eine Landwirtschaft betreiben. Des Weiteren leben die vier Kinder des Klägers, drei Geschwister, zwei Onkel väterlicherseits, drei Tanten väterlicherseits und zwei Tanten mütterlicherseits in der Türkei. Nach seinem eigenen Vortrag hat seine Tante aus … 2.000 EUR für seine Heimreise gezahlt und die komplette Lebensführung des Klägers über mehrere Monate hinweg bis zu seiner Wiederausreise aus der Türkei finanziert. Die Ausreise im Jahr 2016 habe ein Onkel mit 5.000 EUR mitfinanziert. Zu seinen Eltern halte er derzeit mindestens fünfmal im Monat Kontakt. Das familiäre Netzwerk des Klägers ist daher nach seinem eigenen Vortrag in der Lage und willig, den Kläger sowohl finanziell als auch persönlich zu unterstützen. Des Weiteren ist seine deutsche Ehefrau erwerbstätig und damit grundsätzlich dem Kläger unterhaltsverpflichtet, sollte er seinen Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft erwirtschaften können. Dass ihr der Unterhalt des derzeit nicht erwerbstätigen Klägers nicht möglich sein sollte, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Der Wunsch des Klägers, in der Nähe seiner Ehefrau zu leben, knüpft an ein im Inland bestehendes Verhältnis an und kann bereits deshalb kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot begründen. Ob die Eheschließung des Klägers mit einer deutschen Staatsangehörigen zu einer kürzeren Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG führt, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, da das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid keine Befristungsentscheidung getroffen hat und für die nachträgliche Änderung der im bestandskräftigen Bescheid vom 11. Mai 2017 festgesetzten Frist nicht das Bundesamt, sondern die Ausländerbehörde zuständig ist (BVerwG, U.v. 25.1.2018 – 1 C 7/17 – juris Rn. 12 ff.).
(2) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Insbesondere eine schwerwiegende Erkrankung des Klägers wurde weder vorgetragen noch ist eine solche ersichtlich.


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