Verwaltungsrecht

Erfolglose PKH-Beschwerde: Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten für die Teilnahme an einem Integrationskurs

Aktenzeichen  11 C 17.1426

Datum:
23.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 1 S. 2, § 118 Abs. 2 S. 3
BVFG BVFG § 9 Abs. 1 S. 5
IntV IntV § 4a Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Herausbildung einer Verwaltungspraxis in Anlehnung an vergleichbare Rechtsvorschriften zur Schulwegkostenfreiheit, nach denen Fahrtkosten nur übernommen werden, wenn der Weg bis zur nächstgelegenen Bildungseinrichtung, die in Anspruch genommen werden kann, mehr als drei Kilometer beträgt, ist nicht zu beanstanden. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es ist Sache des Kursteilnehmers, sich ggf. hinsichtlich der Möglichkeiten der Fahrtkostenübernahme bei der Beklagten zu erkundigen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3 Wird eine Leistung begehrt, ist es regelmäßig Sache des Anspruchstellers, die Voraussetzungen für den Anspruch darzulegen (Verweis auf BayVGH BeckRS 2013, 46155). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 6 K 15.2361 2016-10-11 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für eine Klage auf einen Fahrtkostenzuschuss für die Teilnahme an einem Integrationskurs. Am 16. September 2014 begann sie mit einem allgemeinen Integrationskurs beim Sprachinstitut P…, S…straße … in Augsburg. Am 1. Oktober 2014 zog sie von der P…straße … in die B…straße … in Augsburg . Mit Anträgen vom 15. Oktober und 21. November 2014 beantragte sie die Erstattung von Fahrtkosten, da die Entfernung zwischen Wohnort und Kursort mehr als fünf Kilometer betrage.
Mit Bescheiden vom 30. Dezember 2014 und 13. Februar 2015 lehnte die Beklagte die Anträge ab, da der ausgewählte Kursort zwar mehr als drei Kilometer vom Wohnort entfernt liege, aber auch andere Sprachkursträger, die weniger als drei Kilometer entfernt liegen würden, entsprechende Kurse anbieten würden. Fahrtkosten zu dem weiter entfernten Kursort seien daher nicht notwendig nach § 4a Abs. 1 IntV bzw. § 9 Abs. 1 Satz 5 BVFG und könnten nicht erstattet werden. Dagegen legte die Klägerin am 19. Januar und 27. März 2015 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2015 und Bewilligungsbescheid vom 20. Oktober 2015 gewährte die Beklagte einen Fahrtkostenzuschuss für die Kursteilnahme für Modul 6 ab 10. April 2015, da dieses Modul an keiner anderen Schule in zumutbarer Entfernung absolviert werden könne. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten gestellt. Zur Begründung der Klage macht sie geltend, ihr seien keine Integrationskurse bekannt gewesen, die im Umkreis von drei Kilometern zur ehemaligen Wohnung gelegen seien. Es seien weder im Bescheid noch im Widerspruchsbescheid Integrationskurse genannt, die in zumutbarer Weise zu Fuß erreichbar gewesen seien.
Die Beklagte erwiderte darauf, dass es ihrer allgemeinen Verwaltungspraxis entspreche, nur Fahrtkosten bis zum nächstgelegenen Kursort zu erstatten, wenn dieser mehr als drei Kilometer vom Wohnort entfernt liege. Diese Voraussetzungen der Fahrtkostenerstattung seien im Merkblatt zum Integrationskurs erläutert, das mit den Anträgen auf Teilnahme zum Integrationskurs ausgehändigt werde. Es seien Kursträger vorhanden, bei denen die Klägerin im Juli oder im Oktober 2014 mit einem Kurs hätte beginnen können und die näher als drei Kilometer vom Wohnort der Klägerin entfernt gelegen hätten.
Die Klägerin teilte daraufhin mit, sie sei nicht darüber belehrt worden, dass Fahrtkosten nicht übernommen werden würden, wenn ein Kursort in Betracht käme, dessen Entfernung zur Wohnung weniger als drei Kilometer betrage. Das Jobcenter habe ihr nur ein Merkblatt mit verschiedenen Integrationskursträgern ausgehändigt.
Daraufhin richtete das Verwaltungsgericht verschiedene Fragen zur Aufklärung des Sachverhalts an die Beteiligten. Die Beklagte teilte daraufhin mit, dass verschiedene andere Kursträger, die im Umkreis von drei Kilometern des damaligen Wohnorts in der P…straße ansässig seien, zum Zeitpunkt des Kursbeginns der Klägerin allgemeine Integrationskurse angeboten hätten. In diesen Kursen sei auch die Höchstteilnehmerzahl nicht erfüllt gewesen. Nach ihrem Umzug hätte die Klägerin zu einem anderen Kursanbieter wechseln können. Es sei davon auszugehen, dass auch dort freie Plätze verfügbar gewesen wären.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung daraufhin mit Beschluss vom 11. Oktober 2016 ab. Die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch sei der Zeitpunkt der Entscheidungs- bzw. Bewilligungsreife, d.h. grundsätzlich der Zeitpunkt nach Eingang der Behördenakten und der Klageerwiderung. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage sei hier der Zeitraum des Kursbesuchs vom 16. September 2014 bis 9. April 2015. Die Klage habe keine hinreichenden Erfolgsaussichten, da der Klägerin in diesem Zeitraum andere Kursangebote zur Verfügung gestanden hätten, die sich weniger als drei Kilometer von ihrem Wohnort entfernt befunden hätten. Dass die Klägerin nach ihren Angaben nicht über den Ausschluss der Fahrtkostenerstattung belehrt worden sei, greife nicht durch. Die vom Jobcenter übergebene Übersicht der Kursträger begründe keinerlei Vertrauen darin, dass die Fahrtkosten erstattet werden würden. Die Klägerin habe sich selbst erkundigen müssen. Im Übrigen habe die Klägerin trotz der Ablehnung ihrer Erstattungsanträge in der Folgezeit auch weiter davon abgesehen, den Kursträger zu wechseln.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat. Das Verwaltungsgericht habe erst im Rahmen einer umfangreichen Beweiserhebung die Erfolgsaussichten der Klage verneint und damit die Anforderungen an eine summarische Prüfung überspannt.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Rechtssache keine hinreichenden Erfolgsaussichten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO bietet und hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zu Recht abgelehnt. Es kann daher offen bleiben, ob die Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt (vgl. zum Zeitpunkt der Beurteilung der Mittellosigkeit im Beschwerdeverfahren Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 166 Rn. 14 am Ende) nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung weiterhin nicht tragen könnte.
1. Die Klägerin hat voraussichtlich keinen Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten für die Teilnahme an dem Integrationskurs vom 16. September 2014 bis 9. April 2015. Erstattungsfähig sind nach § 9 Abs. 1 Satz 5 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge vom 10. August 2007 (Bundesvertriebenengesetz – BVFG, BGBl I S. 1902), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. November 2015 (BGBl I S. 2010), i.V.m. § 4a Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler vom 13. Dezember 2004 (Integrationskursverordnung – IntV, BGBl I S. 3370) nur Fahrtkosten, soweit ein Kursangebot nicht zumutbar erreichbar ist. Es ist dabei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte diesbezüglich eine Verwaltungspraxis herausgebildet hat und sich an vergleichbaren Rechtsvorschriften zur Schulwegkostenfreiheit orientiert, nach denen Fahrtkosten nur übernommen werden, wenn der Weg bis zur nächstgelegenen Bildungseinrichtung, die in Anspruch genommen werden kann, mehr als drei Kilometer beträgt. Unabhängig davon, ob die Klägerin eine Erstattung für den Zeitraum vom 16. September 2014 bis zu ihrem Umzug in die B…straße überhaupt beantragt hat, da die Entfernung von der P…straße zum Sprachinstitut P… nach verschiedenen Routenplanern nur ca. drei Kilometer beträgt und sie in ihren Anträgen fünf Kilometer oder sogar mehr angegeben hat, hat sie nicht substantiiert vorgetragen, dass im streitgegenständlichen Zeitraum keine Plätze bei Integrationskursträgern verfügbar gewesen seien, die eine Entfernung von weniger als drei Kilometern zu ihrem ursprünglichen Wohnort aufgewiesen hätten. Darüber hinaus hat sie nicht dargelegt dass nach ihrem Umzug kein Wechsel an einen Kursort, der weniger als drei Kilometer von ihrem neuen Wohnort entfernt gelegen hätte, möglich gewesen wäre. Demgegenüber ergibt sich aus den Auskünften der Beklagten, dass solche Plätze mit hoher Wahrscheinlichkeit verfügbar gewesen wären. Eine Erstattung der Fahrtkosten kommt daher auf der Grundlage dieser Erkenntnisse nicht in Betracht.
Ob der Klägerin bei der Wahl des Kursträgers nicht bewusst gewesen ist, dass eine Erstattung der Fahrtkosten deshalb nicht in Betracht kommt, weil näher gelegene Kursorte verfügbar waren, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Nach Angaben der Beklagten wird das Merkblatt, in dem die Möglichkeit des Fahrtkostenzuschusses erläutert wird, mit den Antragsunterlagen ausgegeben. Selbst wenn die Klägerin dieses Merkblatt nicht erhalten haben sollte, hat die Beklagte keinerlei Vertrauenstatbestand dahingehend gesetzt, dass die Klägerin abweichend von der allgemeinen Verwaltungspraxis einen Fahrtkostenzuschuss erhalten könnte. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, sich ggf. hinsichtlich der Möglichkeiten der Fahrtkostenübernahme bei der Beklagten zu erkundigen.
Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht Ermittlungen angestellt und dann gleichwohl den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, führt zu keiner anderen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht ist nach § 118 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Prozesskostenhilfeverfahren berechtigt, Erhebungen anzustellen und Auskünfte einzuholen, um zu ermitteln, ob die Rechtssache hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (vgl. § 118 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten setzt eine entsprechende Kenntnis der tatsächlichen Grundlagen des Rechtsschutzbegehrens voraus, dem zum einen die Darlegungsobliegenheiten der Rechtsschutzsuchenden und zum anderen die eigene Ermittlungsbefugnis dienen (vgl. BVerfG, B.v. 25.4.2012 – 1 BvR 2869/11 – NVwZ 2012, 1391 Rn. 17). Allerdings darf die Rechtsverfolgung nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden und eine Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren ist nur in Grenzen zulässig (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 18).
Zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs nach Eingang der Behördenakten und der Klageerwiderung vom 21. Januar 2016 (vgl. zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt Kopp/Schenke, VwGO, § 166 Rn. 14a) war eine Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage nicht hinreichend möglich, da die Klägerin nicht unter Angabe von Beweismitteln dargestellt hatte (vgl. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO), dass ihr die Kursteilnahme bei einem näher zu ihrem Wohnort gelegenen Kursträger nicht möglich war. Wird eine Leistung begehrt, ist es regelmäßig Sache des Klägers, die Voraussetzungen für den Anspruch darzulegen (vgl. zur Erstattung von Schulwegkosten BayVGH, B.v. 21.1.2013 – 7 ZB 12.2357 – NVwZ-RR 2013, 471 Rn. 6). Es wäre daher an der Klägerin gewesen, substantiiert darzutun, dass kein näher gelegener Kursort vorhanden war oder z.B. durch Ablehnungsschreiben der Kursträger zu belegen, dass bei den näher gelegenen Kursorten im streitgegenständlichen Zeitraum keine passenden Kurse angeboten wurden oder keine freien Plätze verfügbar waren. Dem ist die Klägerin nicht nachgekommen. Sie hat nur mit Nichtwissen bestritten, dass solche Plätze vorhanden gewesen seien, und bemängelt, dass ihr keine solchen Plätze genannt worden seien. Das Verwaltungsgericht hat daher durch Nachfrage bei der Beklagten hinsichtlich freier Plätze bei anderen Kursanbietern die tatsächlichen Umstände selbst ermittelt, um die Erfolgsaussichten der Klage und die Notwendigkeit einer diesbezüglichen Beweiserhebung überhaupt einschätzen zu können. Nachdem sich herausgestellt hat, dass nach den Auskünften der Beklagten eine Kursteilnahme an einem näher gelegenen Kursort höchstwahrscheinlich möglich gewesen wäre, konnten die Erfolgsaussichten der Klage zutreffend verneint werden, denn die Klägerin hat dem nichts entgegengesetzt.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil für die Zurückweisung der Beschwerde nach dem hierfür maßgeblichen Kostenverzeichnis eine Festgebühr anfällt (§ 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Anlage 1 Nr. 5502).
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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