Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebende Wirkung – Ungültigerklärung eines Jagdscheins und Widerruf von waffenrechtlichen Erlaubnissen

Aktenzeichen  24 CS 20.1596

Datum:
25.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24785
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5, § 122 Abs. 2 S. 3, § 146 Abs. 4 S. 6
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2a, Nr. 2b, § 13 Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5, Abs. 6, § 45 Abs. 2 S. 1, Abs. 5, § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
BJagdG § 17 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2, § 18 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Voraussetzung für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis wegen fehlender waffenrechtlicher Zuverlässigkeit liegt vor, wenn der Erlaubsnisinhaber in drei verschiedenen Fällen leichtfertig und unvorsichtig mit Waffen umgegangen ist, weil er grundlegende Vorsichtsmaßnahmen zur Minimierung von Lebensgefahren für Menschen und Tiere ohne Not nicht ergriffen und damit grob verantwortungslos Risikosituationen geschaffen hat.  (Rn. 11) (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1-3 VwGO unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Die Gerichte sind – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Verpflichtung, die Waffenbesitzkarten zurückzugeben, folgt ebenso wie diejenige zur Unbrauchbarmachung bzw. Abgabe der Waffen aus dem Widerruf der Waffenbesitzkarten. Ist der Widerruf der Waffenbesitzkarten kraft Gesetzes sofort vollziehbar, ist im Regelfall davon auszugehen, dass hinsichtlich der Folgeentscheidungen dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 4 S 20.616 2020-05-27 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 17.375,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, die sich gegen den mit Bescheid des Landratsamtes vom 6. April 2020 angeordneten Widerruf seiner Waffenbesitzkarten, seines europäischen Feuerwaffenpasses, der Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheines sowie gegen weitere waffenrechtlichen Nebenanordnungen richtet.
Der Antragsteller ist hauptberuflicher Jäger und betreibt eine Hundezucht und einen Onlineshop für Outdoor- und Jagdausrüstung. Daneben stellt er insbesondere Videos zum Thema Jagd, Outdooraktivitäten und Survival auf Youtube ein. Anlässlich einer gegen den Antragsteller gerichteten Tierschutzbeschwerde sichtete das Landratsamt einige dieser Videos und stellte hierbei jagd- bzw. waffenrechtliche Verstöße fest.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 6. April 2020 widerrief der Antragsgegner die Waffenbesitzkarten und den europäischen Feuerwaffenpass des Antragstellers, erklärte den Jagdschein für ungültig und zog diesen ein und traf weitere waffenrechtliche Nebenanordnungen; die sofortige Vollziehbarkeit wurde – soweit nicht bereits kraft Gesetzes bestehend – angeordnet.
Das Verwaltungsgericht lehnte den entsprechenden Eilantrag gegen den Bescheid des Antragsgegners mit Beschluss vom 27. Mai 2020 ab. Bei summarischer Prüfung sei die behördliche Prognose, dass vom Antragsteller ein leichtfertiger oder unvorsichtiger Umgang mit Waffen zu erwarten sei, gerechtfertigt. Der Antragsgegner habe sich zu Recht auf die drei angesprochenen Videos und das dort gezeigte Verhalten des Antragstellers gestützt. Der Antragsteller habe im ersten Video in Richtung des im Hintergrund verlaufenden Forstweges einen Schuss abgegeben und sich dabei allein auf den gewachsenen Boden als Kugelfang verlassen, obwohl das Gelände an dieser Stelle nicht ausreichend ansteige, um hinsichtlich des hintenliegenden Weges einen sicheren Kugelfang zu bieten. Das Gericht könne der Darstellung des Antragstellers, der gezeigte Schuss sei in süd-südwestlicher Richtung abgegeben worden und der Bock sei dann noch 15-20 m in Richtung Forstweg gelaufen unter anderem deswegen keinen Glauben schenken, da das Internetvideo zweifelsfrei zeige, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Schussabgabe nicht auf die behauptete Stelle, sondern in Richtung Forstweg – genauer: auf die Stelle, wo der Forstweg in den Wald eintrete – gezielt habe. Zudem widerspreche sich der Antragsteller, wenn er zum einen angebe, der Bock habe bei der Schussabgabe etwa 75 m entfernt von der Jagdkanzel gestanden, zum anderen bei den vorgelegten Lichtbildern, mit denen er die Schusslinie verdeutlichen wolle, die Entfernung auch unter Zugrundelegung einer optischen Verzerrung wohl eher die Hälfte betrage, was sich u.a. daraus ergebe, dass der Antragsteller in einem der vorgelegten Videos laufend nur 20 Sekunden bis zu diesem Punkt gebraucht habe. Auch im zweiten Video habe der Antragsteller in leicht abfallendem Gelände aus größerer Distanz und aus liegender Stellung einen Schuss abgegeben, obwohl die hinter dem Ziel liegenden Flächen nicht ausreichend einsehbar gewesen seien, weil sich dort ein hochgewachsenes Maisfeld befunden habe. Im dritten Video bestehe aus Sicht des Gerichts kein vernünftiger Zweifel daran, dass der Antragsteller einen Schuss auf die Wildsau abgegeben habe, obwohl sich einer der (Jagd-)Hunde unmittelbar rechts neben der Schusslinie befunden habe. Es habe somit die konkrete Gefahr bestanden, dass der abgegebene Schuss anstelle der Wildsau den Hund treffe. Folglich sei davon auszugehen, dass der Antragsteller in den drei dargestellten Situationen leichtfertig und unvorsichtig mit Waffen umgegangen sei, weil er grundlegende Vorsichtsmaßnahmen zur Minimierung von Lebensgefahren für Menschen und Tiere ohne Not nicht ergriffen und damit grob verantwortungslos Risikosituationen geschaffen habe. Ausmaß und Anzahl dieser Verstöße begründeten das plausible Risiko, dass sich der Antragsteller in anderen Situationen ebenso leichtfertig und unvorsichtig verhalten könnte.
Hiergegen richtet sich die am 22. Juni 2020 eingelegte Beschwerde. Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 6. April 2020 hinsichtlich der Nummern 1 und 2 anzuordnen und hinsichtlich der Nummern 3 und 4 wiederherzustellen sowie die Aufhebung der Vollziehung des Bescheids der Ausgangsbehörde wiederherzustellen.
Er macht geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Frage nach den Erfolgsaussichten der Hauptsache bei summarischer Prüfung zulasten des Antragstellers beantwortet. Die erstgerichtliche Würdigung und Beurteilung ignoriere die von ihm vorgelegten Bilder und Videos. So sei insbesondere nicht beachtet worden, dass im ersten Video der Schuss aus einer erhöhten Position (Jagdkanzel) abgegeben worden sei, weshalb es wegen des daraus entstehenden Winkels Schütze/Ziel/Gelände zu keinerlei Gefährdung Dritter habe kommen können. Die Abgabe des Schusses im zweiten Video könne bei Anlegung vernünftiger Maßstäbe ebenfalls nicht als gefährlich angesehen werden, da gerade wegen des hochstehenden Maisfeldes und des tatsächlich ansteigenden Geländes in Richtung des abgegebenen Schusses ausreichend Kugelfang vorhanden gewesen sei. In Bezug auf das dritte Video sei im Verfahren bislang nicht berücksichtigt worden, dass, selbst wenn – wie nicht – der Antragsteller in der konkreten Situation eine unrichtige Entscheidung getroffen haben sollte, er auch bei unterlassenem Fangschuss lediglich eigene Vermögensinteressen in Gestalt des Verlustes seines Hundes gewahrt hätte, er jedoch gleichzeitig gegen die Grundsätze der Waidgerechtigkeit und des Tierschutzes in Bezug auf das verletzte und ohne Fangschuss unweigerlich erneut flüchtige Stück Wild verstoßen hätte. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass eine Ablehnung des Antrags eine existenzielle Gefährdung für den Antragsteller bedeute. Der Antragsteller legte zu den ersten beiden Videos ein ballistisches Gutachten vom 21. Juli 2020 vor.
Der Antragsgegner – Landesanwaltschaft Bayern – verteidigt den angegriffenen Beschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg (§§ 146 Abs. 1, 147 VwGO).
Der Senat teilt nach einer im vorliegenden Rechtsschutzverfahren ausreichenden summarischen Prüfung die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass sich der Bescheid des Antragsgegners im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird und eine Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nicht in Betracht kommt. Die Voraussetzungen für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers wegen fehlender waffenrechtlicher Zuverlässigkeit (§ 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG, § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG) sowie für die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins (§ 18 Abs. 1 BJagdG, § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG bzw. § 17 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 und 2 BJagdG) sowie für die jagd- und waffenrechtlichen Nebenanordnungen liegen vor. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung abzuändern oder aufzuheben.
Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die behördliche Prognose, dass vom Antragsteller ein leichtfertiger oder unvorsichtiger Umgang mit Waffen zu erwarten sei, gerechtfertigt und damit von dessen jagd- und waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit auszugehen ist. Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat nach Aktenlage an. Zu den ersten beiden streitgegenständlichen Videos führte das Erstgericht zutreffend aus, dass der Antragsteller mit hinreichender Sicherheit in zwei Fällen Schüsse ohne ausreichenden Kugelfang abgegeben hat, obwohl für Jäger der Grundsatz gilt, dass in der möglichen Nähe von Menschen nur scharf geschossen werden darf, wenn mit Gewissheit oder an Gewissheit grenzender hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass kein Mensch unmittelbar durch den Schuss oder einen Abpraller getroffen werden kann (Beschlussabdruck – im Folgenden: BA – Seite 8). Im dritten Video bestand für das Erstgericht kein vernünftiger Zweifel daran, dass durch das Verhalten des Antragstellers die konkrete Gefahr gegeben war, dass der abgegebene Fangschuss anstelle der avisierten Wildsau einen der Hunde trifft (BA Seite 10). Das Verwaltungsgericht zieht hieraus folgerichtig den Schluss, der Antragsteller sei in den drei dargestellten Videos leichtfertig und unvorsichtig mit Waffen umgegangen, weil er grundlegende Vorsichtsmaßnahmen zur Minimierung von Lebensgefahren für Menschen und Tiere ohne Not nicht ergriffen und damit grob verantwortungslos Risikosituationen geschaffen hat. Das Ausmaß und die Anzahl dieser Verstöße begründeten das plausible Risiko, dass sich der Antragsteller in anderen Situationen ebenso leichtfertig und unvorsichtig verhalten könnte (BA Seite 10).
2. Die Ausführungen des Antragstellers in der Beschwerdebegründung führen zu keinem anderen Ergebnis.
2.1. Soweit der Antragsteller vortragen lässt, dass das Verwaltungsgericht im ersten Video völlig unbeachtet und unerwähnt gelassen habe, dass der Schuss aus einer Jagdkanzel, also aus einer gegenüber dem gewachsenen Boden um ca. 5 m erhöhten Position abgegeben worden sei, weswegen ein wesentlicher Aspekt für die Beurteilung des Gefährdungsbereiches eines Schusses außer Betracht geblieben sei, trägt dieser Einwand nicht. Der Antragsgegner wies in dem streitgegenständlichen Bescheid ausdrücklich darauf hin, dass der Antragsteller von einer Jagdeinrichtung aus auf den Rehbock geschossen habe und sowohl dieser Standpunkt des Schützen bei der Schussabgabe von der Jagdeinrichtung aus als auch die Schusslinie in Augenschein genommen worden seien. Auch den Entscheidungsgründen des Erstgerichts ist zu entnehmen (BA Seite 9), dass es seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat, dass der Antragsteller von der Jagdkanzel geschossen hat, da ausgeführt wird, die vom Antragsteller behauptete Position des Bocks im ersten Video habe nicht in Anschlag genommen werden können, weil sie durch einen Balken der Jagdkanzel verdeckt gewesen sei.
Das vorgelegte ballistische Gutachten vom 21. Juli 2020 führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung der jagdrechtlichen Situation; es vermag insbesondere nicht die Ausführungen des Jagdfachberaters vom 24. Februar 2020, dass kein ausreichender Kugelfang vorhanden gewesen sei und der Schuss in der betreffenden Situation folglich nicht hätte abgegeben werden dürfen, zu entkräften. Das ballistische Gutachten kommt zwar konträr hierzu unter Würdigung insbesondere der Position des Schützen und des Wilds zu dem Ergebnis, dass der Schuss durch die Geländeform und Beschaffenheit der positiven Variablen ausreichenden Kugelfang gehabt habe und mit übertragbarer Sicht erfolgt sei. Dabei legte der Sachverständige aber seiner Bewertung als maßgeblichen Parameter eine Schussdistanz, also den Abstand zwischen Laufmündung und Wild, von 37 m zugrunde. Nachdem der Antragsteller im Lauf des Verfahrens hierzu widersprüchliche Angaben machte – genannt wurden einmal 60 m (Bl. 53 BA) und einmal sogar 75 m (Seite 15 des Eilantrags) – überzeugt es den Senat nicht, dass nun in dem Gutachten von einer Entfernung von nur 37 m zwischen Kanzel und Rehbock ausgegangen wird. Auch das Verwaltungsgericht hat aus diesem Grund bereits zu Recht die vorgelegten Lichtbilder, in denen der Antragsteller die Schusslinie zu verdeutlichen versucht, als widersprüchlich und nicht glaubhaft bewertet (BA Seite 9). Da aber der Abstand zum Ziel – auch nach Ansicht des Antragstellers – von maßgeblicher Bedeutung für die Berechnung des Kugelfangs ist, sich dieser aber sowohl in dem Youtube-Video als auch nach den anfänglichen Ausführungen des Antragstellers deutlich größer darstellt, als vom Antragsteller in seinen vorgelegten Lichtbildern bzw. im Sachverständigengutachten ausgeführt wird, überzeugt das vorgelegte Sachverständigengutachten in seinen Ausführungen zum ersten Video auch insoweit nicht. Zu berücksichtigen ist schließlich in diesem Zusammenhang, dass das betreffende Video vom 30. Mai 2019 datiert, der Vorfall also bereits über ein Jahr zurückliegt, und Zweifel daran bestehen, ob der Antragsteller bzw. der Gutachter die Schusssituation aufgrund des Zeitablaufs noch zuverlässig rekapitulieren können.
Schließlich kann auch der Behauptung in der Beschwerdebegründung, es sei ohne weiteres feststellbar, dass der Antragsteller bei Abgabe des Schusses davon ausgehen durfte, dass mit diesem keine Gefährdung Dritter verbunden war, nicht gefolgt werden. Dem eingestellten Video kann – entgegen der Behauptung des Antragstellers – deutlich der Zeitpunkt der konkreten Schussabgabe und damit auch die Schussrichtung entnommen werden. Mit dem Verwaltungsgericht ist festzustellen, dass der Lauf der Waffe in diesem Moment in Richtung des Forstweges, genauer auf die Stelle, wo der Forstweg in den Wald eintritt (BA Seite 9), gerichtet war. Da der Antragsteller bei dieser Schussposition nicht davon ausgehen durfte, dass ausreichend Kugelfang vorhanden ist, hat er durch die Schussabgabe das Gebot, die Risiken, die mit dem Waffenbesitz einhergehen auf ein Mindestmaß zu beschränken, verletzt.
2.2. Auch hinsichtlich des zweiten Videos besteht aus Sicht des Senats kein Anlass, an der Beurteilung der jagdrechtlichen Situation, wie sie vom Jagdberater in seiner Stellungnahme vom 24. Februar 2020 abgegeben und die dem Bescheid des Antragsgegners zugrunde gelegt wurde, zu zweifeln. Das Erstgericht führte dementsprechend zutreffend aus, die behördliche Prognose des leichtfertigen und unvorsichtigen Umgangs mit Waffen durch den Antragsteller sei auch hinsichtlich dieses Videos gerechtfertigt, da der Antragsteller in leicht abfallendem Gelände auf größere Distanz aus liegender Stellung einen Schuss abgegeben habe, obwohl die dahinterliegenden Flächen nicht ausreichend einsehbar gewesen seien, weil dort hochstehender Mais gewachsen sei (BA Seite 9).
Soweit der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung ausführen lässt, die Schussabgabe könne bei Anlegung vernünftiger Maßstäbe nicht als gefährlich angesehen werden, da der Umstand, dass im Hintergrund des beschossenen Ziels hochstehender Mais vorhanden gewesen sei, eine Gefährdungslage nicht bestätige, sondern diese vielmehr widerlege, überzeugt dies den Senat nicht. Der Bescheid führt hierzu vielmehr plausibel aus, dass der Antragsteller eben nicht mit ausreichender Sicherheit habe erkennen können, ob sich im Maisfeld oder auch hinter dem Maisfeld, also im Sicherheits- bzw. Gefahrenbereich, Personen oder auch Tiere befanden, zumal für großkalibrige Büchsenmunition, wie sie hier unbestritten eingesetzt worden sei, ein Gefährdungsbereich von weit über 1 km hätte angenommen werden müssen. Zusätzlich ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Antragsteller durch seine liegende Position bei Schussabgabe und den Umstand, dass dieser versetzt hinter den Siloballen Stellung genommen hat – wie in dem Video deutlich zu sehen ist – den gesamten Bereich links von ihm bei Abgabe des Schusses nicht hat einsehen können. Warum in dem ballistischen Gutachten ausgeführt wird, dass die Schüsse in der Tragweite der Geschosse weit überblickt hätten werden können und auch das Umfeld frei zu überblicken gewesen sei, erschließt sich dem Senat insoweit nicht. Soweit der Antragsteller zur Begründung seiner Beschwerde weiter ausführen lässt, dass das Gelände in Richtung des abgegebenen Schusses ansteigend und nicht abfallend sei, wird darauf hingewiesen, dass ein solcher Geländeverlauf dem Bescheid zugrunde gelegt worden ist. Gerade wegen seiner liegenden Position und des ansteigenden Geländes in Richtung Ziel durfte der Antragsteller wegen des mit einer solchen Position grundsätzlich einhergehenden fehlenden bzw. geringen Aufftreffwinkels des Geschosses nicht von einem ausreichenden Kugelfang ausgehen. Soweit in dem vorgelegten ballistischen Gutachten ein Schusswinkel von 11 Grad angenommen wird, ist zu beachten, dass auch bei diesem Video die Distanz zwischen Schütze und Ziel von den Beteiligten unterschiedlich eingeschätzt wird – der Jagdberater geht von einer Distanz von 100 m, das Gutachten von knapp 50 m aus -, so dass dieser Parameter nach Ansicht des Gerichts nicht belastbar ist. Dabei weist der Senat darauf hin, dass auf dem Foto Nr. 48 der dem Gutachten angehängten Fotodokumentation, das eine Schussdistanz von 47 m zum Ziel anzeigt, nicht zu erkennen ist, von welchem Standpunkt aus dieses tatsächlich aufgenommen wurde.
Die Annahme des leichtfertigen Umgangs mit einer Waffe wird auch nicht dadurch widerlegt, dass in dem Gutachten dargestellt wird, dass das Gelände hinter dem Maisfeld eine Böschung bildet, so dass ausreichend Kugelfang bei dem Schuss vorhanden gewesen sei. Denn selbst wenn dies den örtlichen Gegebenheiten entspräche, konnte der Antragsteller zumindest im Zeitpunkt der Schussabgabe eine solche Böschung offenbar nicht ausmachen, da er dies sonst – wie nicht – bereits in seiner ersten Stellungnahme im Schreiben vom 12. März 2020 ausgeführt hätte. Dass er dennoch offenbar ohne genaue Kenntnisse der Geländeformationen im Liegen, also in einer grundsätzlich besonders gefährdenden Schussposition, ein in seiner Flugbahn ansteigendes Geschoss abgefeuert hat, reicht daher bereits für den Vorwurf des leichtfertigen und unvorsichtigen Verhaltens aus. Insofern vermag auch das ballistische Gutachten, das in den Fotos veranschaulichen will, dass das Erdreich hinter dem Feld ansteigt, den Vorwurf gegen den Antragsteller nicht zu entkräften.
2.3. Hinsichtlich des dritten Videos wird ergänzend ausgeführt, dass sich nach Ansicht des Senats und entgegen der Beschwerdebegründung dem Video nicht entnehmen lässt, dass die Bache ohne den abgegebenen Fangschuss unweigerlich erneut flüchtig geworden wäre und damit evtl. nicht noch einmal gestellt hätte werden können. Vielmehr erscheint die Bache, wie vom Antragsgegner im Bescheid ausgeführt, am Ende ihrer Kräfte zu sein und nicht mehr laufen zu können. Auch wirkte es nicht so, als drohe von dieser ein unmittelbarer Angriff auf den Schützen. Es erschließt sich aus diesem Grunde nicht, wieso der Antragsteller bei der Abgabe des Fangschusses nicht noch hätte abwarten können, bis sich alle Hunde deutlich aus dem Gefahrenbereich begeben haben. Das Verwaltungsgericht schlussfolgert daher zu Recht, dass der Antragsteller insofern grundlegende Vorsichtsmaßnahmen zur Minimierung von Lebensgefahren ohne Not nicht ergriffen und damit grob verantwortungslos Risikosituationen geschaffen hat (BA Seite 10).
3. Im Übrigen fiele vorliegend auch eine reine Interessenabwägung (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332; B.v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – juris) zu Ungunsten des Antragstellers aus.
3.1. § 45 Abs. 5 WaffG beseitigt von Gesetzes wegen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gegen den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis wegen nachträglichen Wegfalls der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges, legitimes, privates Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft (u.U. mehrere Monate oder Jahre) überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könnte in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-) Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (BT-Drucks. 16/7717 S. 33).
In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nummern 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – juris Rn. 21 f.; BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 16).
3.2. Der Antragsteller hat keine entsprechend qualifizierten Argumente vorgetragen, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen ausfallen müsste. Der im streitgegenständlichen Bescheid des Antragsgegners verfügte Widerruf der Waffenbesitzkarten, des Europäischen Feuerwaffenpasses und des Jagdscheines des Antragstellers dienen dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen und daher dem Schutz überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse hat trotz der auf die Jagd ausgerichteten beruflichen Tätigkeit des Antragstellers dessen privates Interesse an einer Aussetzung der Vollziehung weniger Gewicht. Zwar trägt der Antragsteller vor, der Entzug des Jagdscheins führe zu seinem wirtschaftlichen Zusammenbruch, da der Youtube-Kanal und sein Onlineshop auch von der regelmäßigen Veröffentlichung jagdlicher Videos und der Erprobung von Ausrüstungsgegenständen lebe; müsste er das Hauptsacheverfahren abwarten und seine wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Bereich einstellen, würde er seine Abonnenten und Kunden evtl. dauerhaft verlieren. Es fehlt hier jedoch, wie von der Landesanwaltschaft dargelegt, bereits an einer ausreichenden Substantiierung seines berechtigten Interesses. Weder wurde dargelegt, welche Einkünfte ihm durch die Veröffentlichungen auf Youtube zufließen, noch legte er substantiiert dar, inwieweit die Waffenbesitzkarten bzw. der Jagdschein für seinen Online-Handel mit Uhren und Schmuck sowie mit Outdoor- und Jagdausrüstung oder für seine Jagdhundezucht existenziell notwendig sind. Die Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen, er plane einen Waffenhandel einzurichten, genügt hierfür nicht, da ein derartiger Handel derzeit nicht betrieben wird.
3.3. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) aus Gründen der Gefahrenabwehr besteht regelmäßig auch für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfassten, mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen, die Waffen unbrauchbar zu machen oder sie einem Dritten zu übergeben (§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG) bzw. für die Anordnung der Rückgabe von Erlaubnisurkunden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG). Diese Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe von Waffen und Erlaubnisurkunden sicher (Lehmann, Aktuelles Waffenrecht‚ Stand Februar 2020, § 46 WaffG Rn. 19). Die Verpflichtung, die Waffenbesitzkarten zurückzugeben, folgt ebenso wie diejenige zur Unbrauchbarmachung bzw. Abgabe der Waffen aus dem Widerruf der Waffenbesitzkarten. Nachdem der Widerruf der Waffenbesitzkarten kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass hinsichtlich der Folgeentscheidungen dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 17).
3.4. Bezogen auf die Einziehung des Jagdscheins besteht bei der vorzunehmenden Abwägung ebenfalls ein Vorrang des öffentlichen Vollzugsinteresses. Insoweit ist die sofortige Vollziehung – anders als im Waffenrecht – zwar nicht schon gesetzlich angeordnet, weil das Bundesjagdgesetz eine Vorschrift wie § 45 Abs. 5 WaffG nicht enthält. Allerdings ist das öffentliche Vollzugsinteresse bei einer Entziehung des Jagdscheins wegen Unzuverlässigkeit inhaltlich deckungsgleich mit demjenigen des waffenrechtlichen Widerrufs. Denn der Jagdschein berechtigt unter den in § 13 Abs. 3 bis Abs. 6 WaffG erfassten Umständen ebenfalls zum Umgang mit Waffen. Mithin besteht auch hier ein öffentliches Interesse, nach einer Entziehung wegen Unzuverlässigkeit den weiteren Umgang mit Waffen nicht bis zu einem bestands- bzw. rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hinzunehmen, sondern diesen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung, die in § 45 Abs. 5 WaffG die Grundlage des gesetzlichen Sofortvollzugs bilden, sofort zu unterbinden (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2011 – 21 CS 11.1226 – juris Rn. 7).
4. Einwendungen gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs oder die weiteren Verfügungen der angegriffenen Entscheidung wurden mit der Beschwerde nicht mehr geltend gemacht.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
6. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 50.2 und 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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